Zenvia Aktie – Brasilianische Kommunikationsrakete vor dem Neustart

25. Februar 2022

Zenvia Aktie

Die Zenvia Aktie ist Teil des EM Digital Leaders Portfolios. Zur Strategie des Fonds gehört es, lokale Champions in Märkten zu identifizieren, denen wir eine große Zukunft vorhersagen. Der Markt für Communication Platform as a Service (CPaaS), gehört dazu. Das global führende Unternehmen hier ist Twilio, das vielen unserer Leser bekannt sein sollte (wer den Markt etwas besser kennenlernen möchte, kann die diversen Artikel zu Twilio in unserem Blog nachlesen, etwa hier und hier). Im Portfolio des The Digital Leaders Fund befindet sich zudem Sinch, der führende CPaaS-Anbieter Europas. Ansonsten ist der Markt extrem fragmentiert und eher geprägt von vielen Legacy-Callcenter-Technologie-Unternehmen wie Avaya. Das Unternehmen Zenvia ist der aufstrebende lokale Champion in Lateinamerika mit Sitz Brasilien. Heute möchte ich Euch das Unternehmen und die Zenvia Aktie genauer vorstellen.

Zenvia Aktie und IPO

Zenvia ist von einem Bankenkonsortium unter Einbeziehung von Goldman Sachs und Morgan Stanley im Juli 2021 zu einem Kurs von 13 Dollar in New York an die Börse gegangen. Der Kurs der Zenvia Aktie hat nach einer kurzen Rally deutlich korrigiert und notiert aktuell unter 5 Dollar. Der Analyst der amerikanischen Investmentboutique Morgan Stanley hat sein Kursziel von 28 auf 12 Dollar gesenkt, nachdem er die Annahmen zu den Kapitalkosten (WACC) in seinem Modell um knapp 3 Prozent erhöht und seine Risikoprämie angesichts der mäßigen Liquidität der Aktie erhöht hat. Das ist symptomatisch dafür, welche Auswirkungen Zinssteigerungen auf die Modelle von wenig profitablen Wachstumsaktien haben.

Wie sich Leser unseres Blogs zur Pagseguro Aktie vielleicht noch erinnern können, hatten brasilianische Technologieaktien makroökonomisch im letzten Jahr deutlichen Gegenwind. Brasilien hat die Leitzinsen schrittweise auf über 10 Prozent angehoben und die Wirtschaft und das Wachstum vieler jungen Unternehmen abgewürgt.

Zenvia Aktie Kurs Chart

Zenvia Unternehmensvorstellung

Zenvia wurde 2004 vom CEO Cassio Bobsin buchstäblich in einer Garage gegründet. Das Unternehmen sieht sich als Customer Experience Communication Plattform (CX Communication Plattform) an. Die Geschäftskunden von Zenvia sollen mit Hilfe dieser Plattform die Kommunikation zu ihren Endkunden für unterschiedliche Anwendungsfälle optimieren. Dazu gehören z.B. Multichannel Marketing Kampagnen mit SMS, Autorisierung von Transaktionen über SMS, Kundenkommunikation über Chatbots oder z.B. Auftragsnachverfolgung mit WhatsApp Notifizierung. Zenvias digitale Lösungen sollen gleichzeitig die Umsätze erhöhen und die Kosten senken.

Der Developer Bobsin, der die ersten Programme selbst schrieb, hält 23 Prozent der Aktien; die Private Equity Investoren von Oria besitzen 34 Prozent. Der IPO Streubesitz liegt bei 28 Prozent. Weitere 9 Prozent erwarb übrigens Twilio. Grundsätzlich finden wir das sehr überzeugend für den Investment Case, wenn der führende Anbieter im Markt zu den Gesellschaftern gehört. Interessant ist auch, dass die chinesische Tencent Gruppe Ende letzten Jahres die Kursschwäche zum Kauf von rund 5 Prozent der Aktien im Markt genutzt hat.

In Brasilien ist das mobile Internet für die B2C Kommunikation ein idealer Kanal, denn Brasilianer verbringen bis zu 10 Stunden am Tag im Netz, noch einmal 3 Stunden mehr als der globale Durchschnitt. Besonders soziale Netzwerke und Messengerdienste sind dabei gefragt, diese beanspruchen zusammen 54 Prozent der online verbrachten Zeit. In den USA sind es im Vergleich 42 Prozent.

Der Total Addressable Market in Lateinamerika wurde von IDC für das Jahr 2020 auf rund 2,3 Milliarden Dollar geschätzt. Bis 2024 wird ein jährliches Wachstum von 15,4 Prozent auf 4,1 Milliarden Dollar erwartet. Das Wettbewerbsumfeld mit vielen Playern mit 3-4 Prozent Marktanteil ist dabei extrem fragmentiert.

Der Fokus liegt auf Klein- und Mittelstandsunternehmen (SME), die mit einem Off the Shelf Produkt bedient werden. Globale Gesellschaften wie Twilio und Zendesk fokussieren dagegen auf Unternehmen die Inhouse Entwickler haben und ihre Produkte anpassen können.

Geschäftsmodell

Das Geschäftsmodell der Kommunikationsplattform lässt sich auf drei Ebenen beleuchten.

Zenvia Geschäftsmodell

Die erste Ebene besteht aus den angebotenen Kommunikationslösungen. Dazu gehören Kundenservice, Kundenengagement, Marketing und Vertrieb.

Die zweite Ebene stellt die Werkzeuge zur Implementierung von Geschäftsregeln, Kommunikation, Dokumentenverwaltung über die verschiedenen Kommunikationskanäle hinweg dar. Werkzeuge wie Bots, Authentifizierungs-Tools und offene Schnittstelle (API) dienen als Bausteine, die je nach Anwendung kombiniert werden können.

Zudem ermöglicht Zenvia die Interaktion über zahlreiche Kommunikationskanäle. Brasilien ist ein Facebook-Land. Facebook Messenger und Whatsapp dominieren außerhalb der Angebote von Telekom-Anbietern. Hier sollten auch die Margen deutlich höher für Zenvia sein als die Kommunikation über SMS. Aber Zenvia bedient auch Kommunikationskanäle wie Voice, Email und Webchat. Im Zusammenspiel von Kommunikationslösungen, Tool und Kanälen kann Zenvia Kunden einen echten Mehrwert für zahlreichen Anwendungsfälle bieten.

Höhere Wertschöpfung mit komplexeren Lösungen

Der Ursprung des Unternehmens und auch heute noch das Brot und Butter Geschäft ist die einseitige Kommunikation per SMS. Das ist allerdings ein teurer Kommunikationsweg, insbesondere in Brasilien, wo ein Oligopol von drei Anbietern vorherrscht, das zu relativ hohen an die Telefongesellschaften abzuführenden Gebühren führt. Dieses Geschäft ist außerdem zunehmend kompetitiv.

Als nächste Entwicklungsstufe folgte die Einführung von Chats unter Einbeziehung sowohl von Chatbots als auch von Betreuern für den Kundensupport. Das nächste und aktuell erreichte Level 03 war die Verlinkung verschiedener Kommunikationskanäle im Kaufprozess – von Pre-Sale bis Post-Sale. Dabei ist eine Kongruenz der verschiedenen Kanäle wichtig. So muss beispielsweise die im Nachgang eines Chats versendete Mail zum Ergebnis des Chatverlaufs passen.

Im finalen Schritt werden die Kommunikationskanäle vom System dann automatisch an den Kunden angepasst und so optimiert, dass die einzelnen Kanäle gegenüber der ganzheitlichen Kundenbeziehung in den Hintergrund treten. Das System wählt automatisch den passenden Weg.

Für das Geschäftsmodell ist sowohl Technologie als auch die Speicherung und Auswertung von Daten von entscheidender Bedeutung. Die Erlöse aus dem IPO wurden mit diesem Ziel in Akquisitionen investiert.

Der erste Akt war die Akquisition von D1, die bereits im Vorfeld des IPOs im März 2021 unterzeichnet wurde. D1 ist eine Plattform, die verschiedene Datenquellen verknüpft und damit Multichannel Kommunikation, individuellem Dokumentenmanagement, die Authentifizierung von Message Delivery und kontextuelle Anpassungen der Konversation ermöglicht. Damit zielt Zenvia auch auf größere Unternehmen ab. 

Der zweite Streich ist die Übernahme von Moviedesk, das ähnlich wie die amerikanische Zendesk auf Customer Support ausgerichtet ist.

Der dritte Neuzugang im Bunde ist Sensedata, das auf die Aggregation und Analyse von Daten fokussiert. Ein Anwendungsbeispiel ist die produktbezogene automatische Auswertung von Verkaufsdaten über ein Filialnetz.

Weitere Akquisitionen sind zur Zeit laut dem Management weder nötig noch geplant. Dabei spielt auch eine Rolle, dass im Gegensatz zu den börsennotierten Unternehmen die Bewertungen von privaten Unternehmen immer noch sehr hoch ist. Der Cash aus dem IPO ist auch weitestgehend verbraucht. Für das organische Wachstum reicht der operative Cashflow aktuell. In den nächsten Quartalen muss aber Zenvia die Cashposition deutlich verbessern.

Die Zahlen zur Zenvia Aktie

Im dritten Quartal hatte Zenvia 11.302 Kunden, ein Plus von 25 Prozent gegenüber dem Vorjahr. Die Net Revenue Expansion Rate, eine Größe, die den Umsatzzuwachs bei bestehenden Kunden misst, lag gleichzeitig bei 122 Prozent. Das Management erwartet eine weitere Verbesserung auf 130. Die besondere Bedeutung dieser KPI für Zenvia wird auf dem nächsten Schaubild deutlich.

In den meisten Fällen werden die zumeist kleinen und mittelständischen Kunden zunächst für eine Werbekampagne gewonnen (Level 01) und dann anschließend stufenweise mit höherwertigen und margenstarken Dienstleistungen (Level 02 bis Level 04) upgegradet.

Das Pricing Modell umfasst eine relativ niedrige Subscription Fee und ein volumenabhängiges Element (z.B. Anzahl der verschickten SMS; Anzahl der Whatsapp Dialoge).

Der Umsatz lag bei 164 Millionen Real (32 Millionen Dollar) für das dritte Quartal (ein Anstieg von 44 Prozent gegenüber dem Vorjahresquartal und 41 Prozent für 9M 2021). Für das Gesamtjahr werden aktuell rund 620 Millionen Real (121 Millionen Dollar) erwartet.

Der Umsatzanteil der Dienstleistungen jenseits des Basisgeschäftes (SMS) stieg auf 32 Prozent im dritten Quartal (in den ersten neun Monaten waren es 24 Prozent). Das Basisgeschäft kommt auf eine Bruttomarge von 25 Prozent, auch weil Gebühren an die Telefongesellschaften abgeführt werden müssen. Die höherwertigen Leistungen kommen dagegen auf 60 Prozent und mehr. Die Bruttomarge stieg folglich im Jahresvergleich um knapp 4 Prozentpunkte auf 35,3 Prozent im dritten Quartal.

Dabei kamen 60 Prozent des operativen Gewinns aus Level 2+ Diensten, in den ersten 9 Monaten des Jahres 2021 waren es 48 Prozent. Dieser Anteil wird weiter zugunsten höherer Margen wachsen, denn das Geschäft mit SMS wächst mit einer Rate von 20 Prozent, während der Rest mit 50 Prozent und mehr wächst.

Dieses Jahr soll die Bruttomarge entsprechend bei 36 Prozent liegen, nächstes Jahr bei 40. Die mittelfristigen Ziele liegen bei 45-50 Prozent Umsatzwachstum, 45-50 Prozent Bruttomarge und 15-20 Prozent Ebitda-Marge, dem wesentlichen internen Finanzindikator für das Management. Das Unternehmen wird im Geschäftsjahr 2022 noch einmal 70-75 Millionen Real Cash (14 Millionen Dollar) verbrennen, allerdings nur, weil weiter in Technologie investiert wird. 2023 soll ein Ebitda von 100 Millionen Real (20 Millionen Dollar) und ein neutrales Cashflow Ergebnis erreicht werden.

Bewertung

Zenvia ist aktuell mit 0,4 Mal 2022e Umsatz bewertet. Ein echtes Schnäppchen im Vergleich zu historischen Bewertungen und den globalen Peers die zwischen 2 und 12 Mal Umsatz bewertet sind. Bei der aktuellen Bruttomarge von 32 Prozent gibt es gegenüber den Peers in den nächsten Jahren noch im Geschäftsmodell eingebautes Aufholpotenzial, da das Geschäftsmodell darauf ausgerichtet ist, den Kunden zunehmend höherwertige Dienste zu verkaufen. Die zukünftig angestrebte Net Expansion Ratio von 40 Prozent liegt im Branchendurchschnitt. Außerdem berechnen wir aus der Revenue Expansion von 40 Prozent und der FCF Marge von 10 Prozent einen sehr guten Rule of 40 Wert von gut 50 Prozent.

Wachstum alleine ist heute jedoch nicht mehr gut genug, der Markt will auch auf der Bottom Line Profitabilität sehen. Aber auch die steht bereits ab dem Jahr 2023 an und zwar mit einem EV/EBITDA von circa 3,5 und einer schwarzen Null beim Reingewinn und beim Cashflow. Ab 2024 soll es dann wirklich in der Kasse klimpern.

Zenvia Aktie Bewertungsvergleich

Fazit und Prognose

CPaaS ist ein attraktives Geschäftsfeld mit erheblichem Wachstumspotenzial, da es Kunden Umsatzsteigerungen und Kostenersparnisse und somit echten Mehrwert bietet. Zenvia ist mit zahlreichen Investitionen in Technologie nun gut aufgestellt für das Ausrollen des Dienstes in ganz Lateinamerika. Allerdings muss das Unternehmen die vielen Akquisitionen erfolgreich integrieren, die Cashposition und den Anteil des hochmargigen Geschäftes ausbauen. Die aktuell niedrige Bewertung macht das Unternehmen attraktiv, im Zweifel auch als Übernahmekandidat, da der Markt stark konsolidiert. Wir haben daher eine Position der Zenvia Aktie im EM Digital Leaders aufgebaut.

Disclaimer

EM Digital Leaders und/oder der Autor und/oder verbundene Personen oder Unternehmen besitzen Anteile von Zenvia. Dieser Beitrag stellt eine Meinungsäußerung und keine Anlageberatung dar. Bitte beachte die rechtlichen Hinweise.

Autor

  • Steffen Gruschka

    Steffen war von 1998 bis 2006 im Fondsmanagement der DWS als Leiter Aktien Osteuropa tätig und dort für bis zu 5 Mrd. Euro AuM verantwortlich. Er wurde für seine Arbeit als Fondsmanager mehrfach prämiert u.a. wurde er von der Zeitschrift Finanzen 2003 mit dem DWS Russia als Fondsmanager das Jahres ausgezeichnet. Anschließend machte er sich in London selbständig und verwaltete über 10 Jahre lang Hedge Fonds. Anfang 2021 stieg er als Partner bei Pyfore Capital ein und ist seither für das Fondsmanagement des EM Digital Leaders verantwortlich.

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Steffen Gruschka

Steffen war von 1998 bis 2006 im Fondsmanagement der DWS als Leiter Aktien Osteuropa tätig und dort für bis zu 5 Mrd. Euro AuM verantwortlich. Er wurde für seine Arbeit als Fondsmanager mehrfach prämiert u.a. wurde er von der Zeitschrift Finanzen 2003 mit dem DWS Russia als Fondsmanager das Jahres ausgezeichnet. Anschließend machte er sich in London selbständig und verwaltete über 10 Jahre lang Hedge Fonds. Anfang 2021 stieg er als Partner bei Pyfore Capital ein und ist seither für das Fondsmanagement des EM Digital Leaders verantwortlich.

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