Als langfristig orientierter Investor sollte man generell aufpassen, dass man sich nicht in „seine“ Aktien verliebt und dann unter Umständen negative Entwicklungen in den Unternehmen ausblendet. Das ist bei Profi-Investoren nicht anders als bei einem rein privaten Hobby-Börsianer.
Alteryx ist eines der Unternehmen, das mir persönlich wirklich ans Herz gewachsen ist. Seit dem Börsengang Anfang 2017 beobachte ich begeistert die Entwicklung des Datenanalyse-Spezialisten. Seit dem Start unseres Fonds Anfang 2018 war und ist Alteryx als “Digital Enabler” eines unserer Kerninvestments. Hier im Blog habe ich schon mehrfach über das Softwareunternehmen berichtet.
Die Alteryx Aktie hat sich seit unserem Erstinvestment im Wert verfünffacht. Sie hat in der vergangenen Woche neue Rekordkurse erreicht, obwohl die Unsicherheit über das laufende Geschäft aufgrund der Corona-Pandemie so groß ist wie noch nie seit dem IPO.
Daher hier ein möglichst nüchterner Blick auf die Situation bei Alteryx vor der Vorlage der mit Spannung erwarteten Halbjahreszahlen für das Pandemie-Jahr 2020:
Inhaltsverzeichnis
Rückblick auf das Q1 2020
Die Alteryx Geschäftszahlen zum Q1 waren noch wenig beeinträchtigt von der Corona-Krise: Der Umsatz stieg um +43 Prozent auf $109 Millionen, die Billings kamen sogar um +53 Prozent auf $107 Millionen voran. Best-in-class ist bei Alteryx weiterhin die Bruttomarge, die gemäß GAAP bei überragenden 88 Prozent lag (non-GAAP sogar 91 Prozent).
Die Cashreserven betragen fast $1 Milliarde, damit hat Alteryx alle Möglichkeiten, das Unternehmen auch durch Technologie-Akquisitionen zügig weiterzuentwickeln.
Im Q1 wurde ein Free Cashflow von $15 Millionen erzielt. Diese Kombination aus Hyper-Growth jenseits von 40 Prozent und gleichzeitig zweistelligen Margen erreichen nur ganz wenige Unternehmen.
Ausgedrückt wird diese ausnehmend gute Effizienz des Wachstum in einem Rule-of-40-Score, der für die letzten 12 Monate sogar bei über 70 Prozent liegt. Allerdings zeigen sich im Rule-of-40-Chart seit einigen Quartalen – auf hohem Niveau – erste Bremsspuren, die demnächst wohl noch deutlicher in den Umsatz- und Ertragszahlen sichtbar werden.
Die Guidance für das Q2 2020
Das Alteryx-Management hat anlässlich der Vorstellung der Q1-Zahlen eine extrem vorsichtige Guidance für das Q2 abgegeben und den Ausblick auf das Gesamtjahr komplett gestrichen. Zu Beginn des Jahres (vor Corona) hatte man noch ein Umsatzwachstum von 34 Prozent erwartet. Ich hatte das damals – ebenfalls vor Corona – als Tiefstapelei angesehen und damit gerechnet, dass Alteryx diese Prognosen deutlich übertreffen wird. Davon kann jetzt keine Rede mehr sein.
Der Q2 Umsatz soll laut Guidance nur circa $93 Millionen betragen, das wäre also erheblich weniger als im Vorquartal und würde nur noch einem Anstieg von 10-15 Prozent gegenüber dem Vorjahresquartal entsprechen.
Die Lage in der Corona-Krise
An dieser enttäuschenden Guidance für das Q2 zeigt sich, dass das Geschäftsmodell von Alteryx vermutlich nicht ganz so robust sein dürfte wie bei anderen SaaS-Anbietern. Wir hatten im letzten Alteryx Update im Februar schon davor gewarnt, dass Alteryx kein reinrassiges SaaS-Business besitzt, sondern einen guten Teil seiner Billings sofort als Umsatz verbuchen darf beziehungsweise muss.
Das bedeutet: Zwar hat Alteryx zu 100 Prozent ein Subskriptions-Geschäft und überlässt den Kunden zeitlich limitierte Nutzungsrechte (das ist positiv für den wiederkehrenden Umsatzstrom), aber circa 35 Prozent der Umsätze werden sofort nach Vertragsabschluss verbucht. Das führte in besonders starken Quartalen zu besonders hohen Umsatzwachstumszahlen.
Bei einer Abkühlung des Neugeschäftes wie aktuell in der Corona-Krise brechen die Umsatzzahlen dann aber entsprechend stärker ein als bei einem SaaS-Anbieter, bei dem die Billings zu 100 Prozent gleichmäßig auf die Vertragslaufzeit verteilt als Umsätze anerkannt werden. Konkret bedeutet das im Falle Alteryx, dass „nur“ circa 60 Prozent der künftigen Umsätze vorhersehbar sind.
Sollte sich die schwache Q2-Guidance des für seine konservativen Ausblicke bekannten Alteryx-Managements bewahrheiten, so wird das operative Ergebnis für Q2 eine zweistellig negative Marge ausweisen. Das ist kein Drama und wir befürworten ausdrücklich die langfristige Denkweise des Managements, das jetzt keinen Sparkurs ausgibt, sondern das Unternehmen mit unveränderter Mannschaft und prall gefüllter Kasse selbstbewusst durch die Krise steuert.
Aber als erfolgsverwöhnte Alteryx-Aktionäre müssen wir uns spätestens jetzt bewusst machen, dass viele Alteryx-Kunden und damit auch das Unternehmen selbst tatsächlich heftig von der Corona-Krise betroffen sind. 25 Prozent der wiederkehrenden Alteryx-Umsätze stammen aus Branchen wie Luftverkehr, Touristik u.a., die massiv unter den Folgen der Pandemie leiden. Diese Kunden müssen jetzt auch ihre Datenanalyse-Ausgaben senken und werden ihre Alteryx-Subskriptionen entsprechend verkleinern.
Was das fürs Gesamtjahr 2020 und die Folgejahre bei Alteryx bedeutet, das kann bis heute niemand wirklich seriös prognostizieren. Alteryx ist damit auch abhängig vom weiteren Verlauf der Pandemie und der mit ihr einhergehenden Rezession.
Produktoffensive – neue APA Plattform
Alteryx begegnet den aktuellen Herausforderungen im operativen Geschäft mit einer umfangreichen Produktoffensive. In den vergangenen Wochen hat das Unternehmen seine APA-Plattform (Analytic Process Automation) vorgestellt, die Analytik, Datenwissenschaft und Geschäftsprozessautomatisierung in einer End-to-End-Plattform vereinen soll.
Das wesentliche Alleinstellungsmerkmal von Alteryx bleibt auch weiterhin die User Experience. Mit Hilfe von Alteryx werden aus den Excel Power-Usern in der Fachabteilung echte Datenanalysten. Die Plattform verspricht, dass der Nutzer auch ohne Programmierkenntnisse komplexe Datenanalyseaufgaben bewältigen kann für die sonst oft die Hilfe von IT- und technischen Datenanalyse-Spezialisten benötigt wurde.
Im Mittelpunkt der APA-Plattform steht daher nicht unbedingt die erweiterte Analyse-Funktionalität, sondern das “easy-to-use“ sowohl für Mitarbeiter in der Fachabteilung (neu: Alteryx Intelligence Suite) als auch für Entwickler, die mittels 250 neuen Schnittstellen des Alteryx Analytics Hub diverse Funktionalitäten einfacher in ihre Applikationen integrieren und Datenanalyse damit automatisieren können.
Wird Alteryx damit auch zukünftig erfolgreich sein? Wir denken schon. Denn ein besonders wirksames Marketinginstrument in der Enterprise Softwarewelt sind überzeugende Kunden-Testimonials, die bestätigen, dass eine Software dem Anwender tatsächlich hilft, wertvolle Zeit zu sparen.
Alteryx ist auch diesbezüglich Best-in-Class wie folgendes Beispiel zeigt:
“I had never built a model before I launched Assisted Modeling and at the end, had created a model with 95 percent accuracy,” said Neal Thomas, senior business consultant at a Fortune 50 healthcare company. “I can start building a model myself, instead of waiting for someone else to build it, and can have it done in an hour. The things you can do in a day with Alteryx blows my mind.“
Machine Learning als Mittel zum Zweck
Mir gefällt besonders die realistische Herangehensweise von Alteryx was das Thema Machine Learning (ML) angeht. Im Mittelpunkt des APA-Marketings steht nicht wie bei anderen Anbietern der ML Hype, obwohl Alteryx zur Mustererkennung und damit Entscheidungsvorbereitung durchaus ML-Algorithmen nutzt.
Dennoch legt Alteryx den Fokus bei der Weiterentwicklung der Plattform auf den Menschen. Der Nutzer geht Datenanalyse-Problematiken mit einem größeren Horizont an. Die ML-Algorithmen unterstützen ihn dabei, machen aber den intelligenten Benutzer mit seinem Fachwissen keineswegs obsolet.
Unser Fazit zu APA
Analytics Process Automation ist ein neuer Begriff, mit dem Alteryx mit Unterstützung der Tech-Analysten von IDC versucht, ein neues für den Anbieter maßgeschneidertes Softwaresegment zu definieren.
Dahinter verbirgt sich aktuell ein erweitertes Release der bewährten Alteryx-Software, aber keine komplett neue Plattform wie die PR zunächst suggeriert. Die ist aber auch gar nicht nötig. Man muss angesichts der Erfolgswelle, auf der Alteryx seit nun einigen Jahren schwimmt, lediglich das Momentum dieser Welle aufrechterhalten und aktuelle Wettbewerbsvorteile bzgl. User Experience und Time-to-Value auch für die Zukunft sichern.
Ich bin optimistisch dass dies kurzfristig gelingt. Die mittel- und langfristige Entwicklung ist da viel unsicherer. Data Analytics ist ein sehr dynamischer Markt mit ständig neuen Herausforderern.
Bewertung der Alteryx Aktie
Die Lage im operativen Geschäft hat sich auch bei Alteryx seit März aufgrund der Corona-Pandemie erheblich eingetrübt. Das aus den Vorjahren gewohnte Wachstum wird in 2020 deutlich einbrechen.
Die Investoren hat das offenbar bisher nicht gestört. Eigentlich müsste die Alteryx Aktie angesichts dieser Unsicherheiten günstiger zu haben sein als im Februar diesen Jahres. Das Gegenteil ist der Fall, wie so viele andere Technologiewerte notiert die Aktie in der Nähe historischer Höchstkurse. Das EV/Sales Verhältnis (TTM) von circa 25 hat sich seit dem 1. April mehr als verdoppelt.
Für eine solch hohe Bewertung gibt es keine fundamental im Unternehmen nachvollziehbaren Gründe. Die Alteryx-Aktie ist aktuell zu teuer und befindet sich damit in guter Gesellschaft mit sehr vielen anderen Software-Aktien. Wir haben die Gewichtung im Portfolio von The Digital Leaders Fund daher in den vergangenen Wochen reduziert, die Alteryx Aktie gehört nun nicht mehr zu unseren Top10-Investments.
Wir wollen bei Alteryx trotz der hohen Rückschlagsgefahr dennoch langfristig investiert bleiben. Gerne sind wir bereit, unsere Position zu gegebener Zeit wieder aufzustocken – dann aber nur zu einem fairen und damit aus heutiger Sicht deutlich reduzierten Preis.
Wenn Du Alteryx auch weiterhin gemeinsam mit uns beobachten willst, dann kannst Du jetzt hier unseren kostenlosen Newsletter bestellen.
DISCLAIMER
The Digital Leaders Fund und/oder der Autor und/oder verbundene Personen oder Unternehmen besitzen Anteile von Alteryx. Dieser Beitrag stellt eine Meinungsäußerung und keine Anlageberatung dar. Bitte beachte die rechtlichen Hinweise.
Autor
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Stefan war in seinem gesamten Berufsleben in der High-Tech-Industrie tätig. Er hat sein eigenes Software-Unternehmen gegründet, internationalisiert und vor einigen Jahren ins Silicon Valley verkauft. Der Wirtschaftsmathematiker investiert seit über 30 Jahren in Aktien. Er verwaltet eines der erfolgreichsten investierbaren Musterportfolios auf der wikifolio Plattform.
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8 Responses
Hallo Stefan, bei einem solchen Kurssturz folgen nach meiner Erfahrung immer 1-2 weitere Tage bis eine erste Bodenbildung einsetzt. Das wäre dann ungefähr jetzt. Würdest du dem grundsätzlich zustimmen?
Um solch kurzfristige Timing-Spekulationen kümmere ich mich nicht. Hier meine generelle Meinung zur aktuellen Situation bei Alteryx, ich habe dazu in den vergangenen Tagen etliche Anfragen bekommen: https://www.high-tech-investing.de/post/alteryx-aktie
Hallo stw,
ist das nun (104.-€) ein fairer Preis?
MfG
Hallo Mario, diese Frage darf ich Dir schon aus Compliance-Gründen nicht beantworten. Wir beraten hier einen Aktienfonds, aber wir erbringen keine Anlageberatung. Du wirst diese Entscheidung für Dein eigenes Portfolio schon selbst treffen müssen. Und wir werden die gleiche Frage für das DLF-Portfolio beantworten, d.h. unseren Anlegern nehmen wir diese Entscheidung gerne ab.
VG stw
Vielen Dank für den Link. Ich denke, wir alle schätzen Eure Arbeit sehr.
Was wären für dich den wieder Nachkaufkurse? Ich habe Alteryx fast genau am Tief im Crash getroffen aber leider ist es die kleinste Position in meinem Depot, würde da gerne noch mal aufstocken…
Hallo Cornelius, diese Frage darf ich Dir schon aus Compliance-Gründen nicht beantworten. Wir beraten hier einen Aktienfonds, aber wir erbringen keine Anlageberatung. Du wirst diese Entscheidung für Dein eigenes Portfolio schon selbst treffen müssen. Und wir werden die gleiche Frage für das DLF-Portfolio beantworten, d.h. unseren Anlegern nehmen wir diese Entscheidung gerne ab.
VG stw
Hallo Stefan,
wie immer ein top Artikel.
Viele Grüße