Bancolombia Aktie: Wer hat Angst vor dem linken Mann?

8. Juli 2022

Bancolombia Aktie

Am 19. Juni 2022 hat Gustavo Petro beim dritten Versuch das scheinbar Unmögliche geschafft: Mit 50,4 Prozent der Stimmen wird er als der erste linke Präsident Kolumbiens gewählt. Petro hat eine bewegte Historie: Als junger Mann war er ein Guerilla-Kämpfer. Mit Francia Marquez wird eine Weggefährtin Petros Vizepräsidentin – als erste Afro-Kolumbianerin, auch das eine Premiere. Wir wollen der Frage nachgehen, was der Machtwechsel für Folgen für den kolumbianischen Aktienmarkt hat. Dabei interessiert uns natürlich in erster Linie die Bancolombia Aktie, eine größere Position im Emerging Markets Digital Leaders.

Daher haben wir auch gleich mit dem Management gesprochen, das die Situation so beschrieb: Die Investment Community ist nach dem Wahlergebnis aktuell noch verkatert. Die Währung gab seit der Wahl um 13 Prozent nach, Aktien und Bonds fielen ebenfalls. Auch die Bancolombia Aktie, die nach dem guten Abschneiden des Unternehmers und “Tik-Tok Opas” Rudolfo Hernandez Suarez in der ersten Wahlrunde noch gestiegen war, kam nach dem Überraschungssieg Petros unter Druck. Wir wollen uns anschauen, inwieweit dies eine Kaufgelegenheit eröffnet.

Bancolombia Aktie Chart 2022
Bancolombia Aktie: Kursverlauf seit Dez. 2021

Wahlprogramm und die Realität

Wahlsiegerin Marquez bezeichnet sich und Petro als das “Duett der Nobodies”, eine Anspielung auf ihre unterprivilegierte Herkunft. Bereits mit 16 wurde das ehemalige Hausmädchen Mutter. Bekannt wurde sie als leidenschaftliche Umweltschützerin und Feministin. Ihre Aktivität gegen den illegalen Goldabbau kulminierte in einem 80 Frauen umfassenden, zehntägigen Marsch über 500 km in die Hauptstadt. Das zwang die Regierung zum Handeln und brachte ihr 2018 den Goldman Environmental Price ein.

Das Wahlprogramm der beiden hat es in sich. Im Wahlkampf hat der ehemalige Guerillero und Bürgermeister von Bogota versprochen, Ölkonzernen keine neuen Lizenzen zur Ölförderung mehr zu vergeben. Zur Erinnerung: Erdöl ist mit 30 Prozent Exportanteil das wichtigste Exportgut des Landes. Die Aktie von Ecopetrol, dem größten Erdölkonzern des Landes, hat sich seit April annähernd halbiert.

Allerdings ist die geplante Transition zu einer grünen Wirtschaft mit einer Beendigung der Erdölförderung bis 2050 alles andere als einfach. Kurzfristig würde die Reduktion der Ölförderung zu unlösbaren Problemen führen. Bisher subventioniert Kolumbien den Verbrauch von Mineralöl, vor allem im Transportwesen. Eine Kürzung dürfte keine Option sein. Steigende Energiekosten würden die Wählerschaft massiv treffen und die Ungleichheit erhöhen. Die Hälfte der Bevölkerung lebt an oder unterhalb der Armutsgrenze.

Wir konnten die Folgen von steigenden Kraftstoffpreisen Anfang dieses Jahres in Kasachstan beobachten. Auch in Kolumbien gab es vor kurzem Unruhen. Als 2021 der jetzt scheidende Präsident Ivan Duque die Steuern erhöhen wollte, kam es zu gewaltsamen Demonstrationen.

Erschwerend kommt makroökonomisch hinzu, dass ein wesentlicher Teil der Staatseinnahmen aus der Ölbranche kommt und das Geld für die geplanten Ausgaben, darunter die vom designierten Umweltminister angekündigten Wind- und Wasserkraftwerke, dringend gebraucht wird. Außerdem werden die Exporte gebraucht, denn Kolumbien hat jetzt schon ein Handelsbilanzdefizit. Damit wird Petro kurz-mittelfristig keine Reduktion der Abhängigkeit vom Erdöl hinbekommen.

Zudem sollten laut Aussagen Petros aus dem Wahlkampf die Steuern generell steigen. Aktuell liegt das Steueraufkommen außerhalb des Ölsektors bei gerade einmal 13,5 Prozent (insgesamt 18,7 Prozent) des BIPs. Vor allem das brachliegende Land von Großgrundbesitzern soll stärker besteuert werden. Das ist politisch einfacher durchzusetzen, wird aber nicht reichen. Das Management von Bancolombia erwartet daher generell höhere Steuern für den Banksektor.

Das private Rentensystem soll in weiten Teilen durch ein staatliches System ersetzt werden. Petro möchte die kostenlose Gesundheitsversorgung für alle einführen. Außerdem möchte er die Partnerschaft mit der Nato und den gemeinsamen Kampf mit den USA gegen Drogen beenden. Alles nicht gerade Punkte auf der Wunschliste von Investoren.

In seiner Siegesrede hat Petro dagegen versöhnliche Töne angeschlagen. Seine „Politik der Liebe“ setzt auf Versöhnung und Dialog. Das wird nicht ganz einfach, denn in den letzten Jahren haben sich bewaffnete Gruppen gebildet, die sich mit dem erneut florierenden Drogenhandel finanzieren. Wie genau Petro dieses Problem lösen wird, bleibt abzuwarten. Die beiden Newcomer haben bereits zahlreiche Morddrohungen bekommen.

Petro wird bei der Umsetzung seines Programms kompromissbereit sein müssen, denn die linken Parteien haben keine Mehrheit im Kongress. Bis zum 7. September, einen Monat nach der Amtsübernahme Petros, müssen sich die anderen Parteien formell entscheiden, ob sie Teil der Regierung, unabhängig oder in der Opposition sein wollen. Nachdem Petro die liberale Partei bereits für die Koalition gewonnen hatte, sicherte jetzt auch die konservative Partei ihre Unterstützung zu. Das könnte bereits für eine Mehrheit reichen.

Die Ernennung von Jose Antonio Ocampo, bisher Professor an der US Columbia University zum Finanzminister soll die Befürchtungen der Investoren zusätzlich lindern. Der 69-jährige hat bereits in den 90-er Jahren Erfahrungen als Finanzchef, Landwirtschaftsminister und Co-Direktor der Notenbank gesammelt. Mit Ocampo ist damit die Unabhängigkeit der Geldpolitik gewährleistet. Der Co-Autor von mehreren Büchern des Nobelpreisträgers Joseph Stiglitz gilt als marktfreundlich, obwohl er einen starken Staat und einen aktiven Einsatz des Währungskurses propagiert. Mit einem Gini Koeffizienten von 50,4 gehört Kolumbien zu den 20 Ländern mit der größten Ungleichheit bei der Einkommensverteilung und hat damit Raum für eine Prise keynesianischer Politik.

Fazit und Bewertung der Bancolombia Aktie

Die Wahlversprechen Petros haben den Markt verschreckt. Da Petro aber eine Koalition braucht, dürfte die tatsächlich umgesetzte Politik wirtschaftsfreundlicher werden, als es sein Wahlprogramm befürchten lässt. Darauf weist die abgeschwächte Rhetorik und die Ernennung des renommierten Professors Ocampo als Finanzminister hin. Kolumbiens Demokratie hat eine lange und sehr wechselhafte Vergangenheit. Doch politische Kommentatoren sehen die Verfasssungsorgane im Lande als konsolidiert und stabil an, so dass “Checks and Balances” für ein Gleichgewicht der Macht sorgen sollten.

Nach der Kurskorrektur ist die Bancolombia Aktie mit einem KGV von 5,5 für 2022 und einer von uns erwarteten Dividendenrendite von über 10 Prozent (Konsensus 5,7 Prozent) attraktiv bewertet. Auch die digitale Spur sieht weiter gut aus. Insbesondere die App-Nutzerzahlen der Digitalbank Nequi stiegen weiter deutlich auf über 4,2 Millionen im Juni und damit 11,3 Millionen für die Gesamtbank.

Sowohl die Wirtschaft als auch das Geschäft der Bank entwickeln sich aktuell sehr gut. Das Management spricht von einer unerwartet starken Kreditnachfrage im zweiten Quartal und gibt angesichts der infolge hoher Ölpreise überraschend starken Fiskalsituation und niedriger Arbeitslosigkeit einen positiven Ausblick auf das zweite Halbjahr.

Das alte Sprichwort „Politische Börsen haben kurze Beine“ könnte damit auch hier zutreffen. Wir haben unsere Position jetzt wieder erhöht und werden in den nächsten Monaten die politische Entwicklung weiter genau beobachten.

Disclaimer

EM Digital Leaders und/oder der Autor und/oder verbundene Personen oder Unternehmen besitzen Anteile von Bancolombia. Dieser Beitrag stellt eine Meinungsäußerung und keine Anlageberatung dar. Bitte beachte die rechtlichen Hinweise.

Autor

  • Steffen Gruschka

    Steffen war von 1998 bis 2006 im Fondsmanagement der DWS als Leiter Aktien Osteuropa tätig und dort für bis zu 5 Mrd. Euro AuM verantwortlich. Er wurde für seine Arbeit als Fondsmanager mehrfach prämiert u.a. wurde er von der Zeitschrift Finanzen 2003 mit dem DWS Russia als Fondsmanager das Jahres ausgezeichnet. Anschließend machte er sich in London selbständig und verwaltete über 10 Jahre lang Hedge Fonds. Anfang 2021 stieg er als Partner bei Pyfore Capital ein und ist seither für das Fondsmanagement des EM Digital Leaders verantwortlich.

Steffen Gruschka

Steffen Gruschka

Steffen war von 1998 bis 2006 im Fondsmanagement der DWS als Leiter Aktien Osteuropa tätig und dort für bis zu 5 Mrd. Euro AuM verantwortlich. Er wurde für seine Arbeit als Fondsmanager mehrfach prämiert u.a. wurde er von der Zeitschrift Finanzen 2003 mit dem DWS Russia als Fondsmanager das Jahres ausgezeichnet. Anschließend machte er sich in London selbständig und verwaltete über 10 Jahre lang Hedge Fonds. Anfang 2021 stieg er als Partner bei Pyfore Capital ein und ist seither für das Fondsmanagement des EM Digital Leaders verantwortlich.

Aktuelle Beiträge

Schreibe einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert

Neueste Beiträge

Tags

Neuste Kommentare

Twitter

Instagram