Ende April sorgte der kolumbianische Präsident Gustavo Petro erneut für Unruhe. Nach dem Scheitern seiner Gesundheitsreform hat Petro sein Kabinett aufgelöst und den international respektierten Finanzminister ausgetauscht. Die Bancolombia-Aktie stürzte um bis zu 20 Prozent ab. Wir analysieren die aktuellen Zahlen und ordnen die politischen Entwicklungen ein.
Q1 Zahlen
Die makroökonomische Lage in Kolumbien bleibt schwierig. Die Inflationsrate erreichte im ersten Quartal mit 13,3 Prozent ihren vorläufigen Zenit und lag zuletzt bei 12,5 Prozent. Die Zentralbank erhöhte die Zinsen zuletzt auf 13,25 Prozent. Das Wachstum der Wirtschaft ist nach einer starken post-pandemischen Erholung mit 0,8 Prozent fast gänzlich zum Erliegen gekommen. Galoppierende Lebensmittelpreise, zuletzt lag die Preissteigerung bei 18,5 Prozent, belasteten vor allem die unteren Einkommensschichten.
Aufgrund des deutlichen Anstiegs des Zinsniveaus in Kolumbien stiegen die Zinseinkünfte bei Bancolombia im Jahresvergleich um 90 Prozent auf 9,4 Milliarden COP (Kolumbianische Peso) und die Finanzierungskosten um 224 Prozent auf 4 Milliarden COP. Das lag vor allem auch an der Umschichtung der Kunden in Festgelder, die im Finanzierungsmix 9 Prozentpunkte auf 34 Prozent hinzugewonnen haben.
Das Nettozinsergebnis erreichte 5,4 Milliarden COP, ein Plus von 45 Prozent gegenüber dem Vorjahr. Gleichzeitig entspricht das aber genau dem Niveau vom vierten Quartal. Die Zinsmarge im Kreditgeschäft expandierte YoY um 120 Basispunkte auf bemerkenswerte 7,9 Prozent.
Dramatisch sieht im Jahresvergleich mit 665 Prozent der prozentuale Anstieg der bis dahin sehr niedrigen Rückstellungen auf 2 Milliarden COP aus. Das ist gegenüber dem Vorquartal noch ein Plus von 17 Prozent. NPL (non-performing loans, 30 Tage) lagen 100 Basispunkte höher bei 4,1 Prozent. Cost of Risk lag mit 3,1 Prozent deutlich über der Guidance von 1,8-1,9 Prozent für dieses Jahr. Verantwortlich sind vor allem private Konsumentenkredite. Die schwierige wirtschaftliche Situation wirkt sich vor allem bei den unteren Einkommensschichten negativ aus.
Weniger als Prozent des Buches machen Wertpapiere aus. Es handelt sich hauptsächlich um kolumbianische und US-amerikanische Staatsanleihen, die durchschnittliche Duration liegt bei gerade einmal 14 Monaten. Da sind also trotz gestiegener Zinsen keine Abschreibungen zu erwarten.
Die Erträge aus Gebühren und Kommissionen waren mit 1 Milliarde COP YoY fast unverändert. Positiv überrascht der Bereich sonstiges Einkommen mit einem Plus um 84 Prozent auf 1 Milliarde COP. Die hohe Volatilität an den Märkten führte zu höheren Gewinnen im Derivatehandel. Auch das Leasinggeschäft war stark.
Die operativen Kosten stiegen, angefeuert von Inflation und Lohnsteigerungen im Jahresvergleich um 26 Prozent. Die Cost-Income-Ratio lag im Jahresvergleich dennoch deutlich besser bei 38,7 Prozent.
Niedrigere Steuern wirken sich außerdem positiv aus. Die Komponenten der Gewinn- und Verlustrechnung kompensieren einander und das Nettoergebnis liegt, wenig spektakulär, 5 Prozent höher als im Vorjahr und 1 Prozent unter dem Vorquartal. ROE stieg auf starke 18,1 Prozent.
Ausblick
Die volkswirtschaftliche Talsohle ist laut Bancolombia Management bereits überschritten.Inflation und Zinsen hätten ihre Höchststände erreicht und sollen bis Jahresende deutlich sinken.
Für das gesamte Jahr werden beim Cost of Risk gegenüber dem ersten Quartal deutlich niedrigere 2,2-2,4 Prozent erwartet. Dabei soll sich die im zweiten Halbjahr 2022 bereits deutlich vorsichtige Kreditvergabe auszahlen. Dies sollte laut Bancolombia zu einem verbesserten Risikoprofil bei neuen Kredite führen. Das Neugeschäft schrumpfte gleichzeitig um ein Drittel.
Gleichzeitig sieht das Management Entspannung bei den Finanzierungskosten. 60 Prozent der Festgelder laufen kürzer als zwölf Monate. Das ist wichtig, falls die Zinsen wie erwartet sinken.
NIM soll daher auch bis Jahresende über 7 Prozent bleiben, also weit über dem mittelfristigen Zielkorridor von 5,5 bis 5,7 Prozent.
Die ROE Guidance 2023 wird um einen Prozentpunkt auf 17 bis 18 Prozent angehoben, aber auch 2024 dürfte ROE über dem langfristigen Ziel von 15 bleiben.
Negativ
Das schwierige makroökonomische Umfeld schlägt sich in einer deutlichen Verschlechterung der Kundenbonität im Privatkundengeschäft nieder. Es ist nicht ausgeschlossen, dass dies auch im Firmenkundengeschäft sichtbar wird. Cost of Risk dürfte ein Problem bleiben. Der aktuelle Zielkorridor erscheint ambitioniert.
Positiv
Der Staatshaushalt bekommt Hilfe vom eigentlich von Petro verpönten Öl, das für Sozialausgaben dringend benötigtes Geld in die Kassen spült. Davon dürfte zumindest ein Teil bei den Bancolombia Kunden ankommen.
Nichtsdestoweniger schlägt sich Bancolombia auch unter widrigen makroökonomischen Rahmenbedingungen gut. Der Platzhirsch hat offensichtlich ausreichend Standing- und Pricing-Power für alle Phasen des Kreditzyklus.
My Take
Die Aktie reagierte auf die minimal über Erwartungen liegenden Zahlen praktisch gar nicht. Die Aktie gehört mit einem KGV 2023 von rund vier und 0,75 Mal erwarteten Buchwert zu den günstigsten Banken im Emerging Markets Universum.
Die günstige Bewertung wird aktuell von politischen Risiken getrieben .Präsident Petro ist vom Widerstand der Parlamentarier gegen seine Reform Agenda frustriert und hat die Menschen zu Protesten auf den Straßen aufgefordert. Bisher blieben die organisierten Proteste zahlenmässig überschaubar und friedlich.
Der neue Finanzminister bemühte sich, die Märkte zu beruhigen: Er werde die Politik seines Vorgängers weiterführen und die Unabhängigkeit der Zinspolitik respektieren. Auch die von Petro sehr kritisch bewerteten Banken sollten weiter frei agieren können.
Das klingt gut, allerdings ist es mehr als fraglich, ob der neue Mann solche Fragestellungen selbst entscheiden kann. Der Universitätsprofessor Bonilla war Breuers einmal für die Finanzen zuständig, als Petro Oberbürgermeister von Bogota war. Hier werden die Taten der nächsten Wochen Aufschluss geben.
Wer hier ein Deja Vu erlebt liegt nicht ganz falsch. Leider gehören solche Risiken Emerging Markets zum täglich Brot.
Außerdem liegt das Approval Rating des Präsidenten bei aktuell gerade einmal 30 Prozent. Über 60 Prozent der Colombianer sehnen ihn dagegen kritisch. Damit könnte Petro möglicherweise zum Lame Duck werden. Eine Wiederwahl des amtierenden Präsidenten bei den nächsten Wahlen in 2026 ist laut der kolumbianische Verfassung ohnehin nicht möglich.
Das wäre für die Bancolombia Aktie wahrscheinlich das beste Szenario. Fallende Zinsen dürften die Aktie aber ohnehin wieder heben, wenn Petro die Märkte nicht zwischenzeitlich verschreckt.
Disclaimer
EM Digital Leaders und/oder der Autor und/oder verbundene Personen oder Unternehmen besitzen Anteile von Bancolombia. Dieser Beitrag stellt eine Meinungsäußerung und keine Anlageberatung dar. Bitte beachte die rechtlichen Hinweise.
Autor
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Steffen war von 1998 bis 2006 im Fondsmanagement der DWS als Leiter Aktien Osteuropa tätig und dort für bis zu 5 Mrd. Euro AuM verantwortlich. Er wurde für seine Arbeit als Fondsmanager mehrfach prämiert u.a. wurde er von der Zeitschrift Finanzen 2003 mit dem DWS Russia als Fondsmanager das Jahres ausgezeichnet. Anschließend machte er sich in London selbständig und verwaltete über 10 Jahre lang Hedge Fonds. Anfang 2021 stieg er als Partner bei Pyfore Capital ein und ist seither für das Fondsmanagement des EM Digital Leaders verantwortlich.
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