Wer hätte das gedacht? Zu den großen Gewinnern des Börsenjahres 2021 gehören ausgerechnet Bankaktien. Unter allen Sektoren des STOXX Europe 600 haben die Banken mit einem Plus von 38,5 Prozent am besten abgeschnitten. Von 2007 bis zum Coronajahr 2020 hätte man mit Bankaktien nur Geld vernichtet. Auch 2020 warnten viele Fondsmanager vor Banktiteln. Notenbanken und Analysten sahen Kreditausfälle in Milliardenhöhe auf die Banken zukommen. Warum das damals schon unrealistisch war, hatten wir im November 2020, in unserem Update zur BBVA Aktie, dargestellt
„Auf eine historische Kontraktion der Wirtschaft in Rekordtempo sollte eine schnelle und deutliche Erholung folgen, darin sind sich die meisten Volkswirte einig. Daher könnten herkömmliche Modellrechnungen, die die Auswirkungen der Krise auf die Bilanzen der Banken berechnen, in die Irre führen, wenn sie nicht die Eigenheiten dieser Krise ausreichend berücksichtigen.“
Dank großer Konjunkturpakete und der wirtschaftlichen Erholung sind große Kreditausfälle bisher abgewendet worden. Mit immer höheren Inflationszahlen kamen auf der Habenseite Zinserhöhungsfantasien dazu. Für viele galt der Zins in der entwickelten Welt als abgeschafft. Heute ist klar: Die Zinsen werden steigen. In den USA sind drei Zinsschritte für dieses Jahr angekündigt. Rhetorisch werden sogar mehr vorbereitet. Von einer nur „temporären“ Inflation möchten die Notenbanker nicht mehr reden. Auch das Tempo der Zinserhöhungen zieht an. Schon Ende des Frühjahres kommt der erste Zinsschritt in den USA.
Die Grafik oben illustriert anschaulich, wie sich die Investoren aktuell positionieren. Bis Dezember ging man von einer Konjunkturerholung, mehr Inflation und Zinssteigerungen aus. Dann grätschte Omikron dazwischen. Doch mit zunehmend robusteren Daten haben Investoren ihre Sorgen wieder abgelegt. Sie sind sogar noch optimistischer geworden. Aus den Börsenkursen lässt sich ablesen, dass Anleger das Ende der Pandemie ausgerufen haben. Die Börsen „feiern“ bereits den Übergang in eine Endemie.
Türkei trübt BBVA Performance
Die Graphik oben zeigt auch, wie gut sich die BBVA Aktie entwickelt hat. Bis November hat die Aktie auch den Bankensektor übertrumpft. Dann allerdings kam die Ankündigung, die verbliebenen Anteile der türkischen Garanti Bank zu übernehmen. Das schreckte Anleger derart ab, dass die Aktie um mehr als 20 Prozent abrutschte. Warum ich das für völlig überzogen halte, dazu gleich mehr. In den letzten Tagen hat sich die Aktie wieder gefangen und gehört zu den Top-Performern im Markt. Ich bin weiterhin optimistisch für die Entwicklung von BBVA. Ohne mich zu sehr in den Details zu verlieren, möchte ich fünf Gründe hervorheben, warum die baskische Bank aktuell die größte Position im Portfolio des The Digital Leaders Fund ist:
1. BBVA Erlöse steigen, Kosten fallen
Die Zahlen für das dritte Quartal 2021 konnten sich sehen lassen. Der Nettogewinn lag mit rund 1,4 Milliarden Euro deutlich über den Analystenschätzungen. Hohe Zins- und Gebühreneinkünfte, insbesondere in Mexiko und der Türkei, aber vor allem hohe Auflösungen von Rückstellungen für faule Kredite, führten zu der Gewinnüberraschung. Mit einem harten Kernkapital (CET 1) von 14,5 Prozent gehört BBVA zu den am besten kapitalisierten Banken weltweit. Die Einnahmen steigen, die Kosten gehen runter. Die Cost-Income-Ratio lag sogar unter 45 Prozent. Die europäische Konkurrenz liegt hier bei Werten von über 60.
2. Digitalisierung trägt Früchte
Die digitale Reife lässt sich in den Zahlen von BBVA immer deutlicher erkennen. Nach vielen Jahren hoher Investitionen in die Digitalisierung kann man nun die Produkte und Services besser hebeln. In den ersten neun Monaten 2021 kamen 72 Prozent des Produktabsatzes über digitale Kanäle. Von den 8,3 Millionen Neukunden wurden 40 Prozent digital akquiriert.
Die Bank ist im Kern nun überwiegend eine Digitalbank. Daneben gibt es reinrassige Engagements in digitalen Geschäftsfeldern, deren Wert heute noch marginal ist. Den italienischen Markt will man mit einem reinen Digitalangebot erobern. In Deutschland ist man an der Solarisbank, in UK an Atom beteiligt. Mit Openpay gehört ein großer Acquirer in Mexiko zur BBVA.
3. Das Makroumfeld ist günstig
BBVA ist eine Retailbank. Nur 15 Prozent der Umsätze kommen aus dem Firmenkundengeschäft. Zudem ist die BBVA eigentlich eine Emerging Market Bank mit Sitz in Spanien. Fast die Hälfte des Gewinns im dritten Quartal 2021 kam aus Mexiko, wo die Bank mit einem Marktanteil von 24 Prozent (nach Krediten und Einlagen) dominiert. Bei Kreditkarten kommt man dort sogar auf einen Marktanteil von 32 Prozent und bei Gehaltskonten auf über 40 Prozent. Mexiko, Kolumbien und Peru haben auf den Inflationsdruck schon reagiert und die Zinsen angehoben. Das ist gut für BBVA. Höhere Transaktionen und die größere Zinsmarge sind positiv. Allerdings wird eine restriktive Geldpolitik in den USA die Emerging Markets belasten. Der Nettoeffekt dürfte hier also nur bedingt positiv sein.
Eine Erhöhung der Zinsen in Europa hätte sehr positive Auswirkungen auf BBVA. Zwar erwarten die Analysten keine Zinsanpassungen vor 2023, allerdings reagieren die Märkte bereits vorher. Für die BBVA sind die Zinssätze für 12-Monatspapiere relevant. Sollten diese um 100 Basispunkte steigen, würde sich das um über 22 Prozent auf das Zinsergebnis in Spanien auswirken, weil dort große Teile der Hypothekenkredite ohne Zinsbindung laufen.
4. Übernahme der Garanti als Booster
Im November hat die BBVA angekündigt, die übrigen 50,15 Prozent der Anteile der Garanti Bank zu übernehmen. Viele Marktteilnehmer glauben, dass BBVA schlechtem Geld nun gutes hinterherwirft, zumal das Türkei-Geschäft bisher den Kurs eher belastet hat. Allerdings sieht die BBVA darin nur Vorteile, denn die Risiken hat die BBVA ohnehin vollständig tragen müssen. Bisher hat man nur 50 Prozent der Gewinne der Garanti konsolidiert, allerdings, aus regulatorischen Gründen, 100 Prozent der RWA (risk weighted assets). Eine Übernahme der Garanti würde somit sofort die Profitabilitätskennzahlen verbessern.
Der Preisrutsch der Lira wirkt sich zudem positiv auf den Deal aus. Das Angebot ist fixiert auf einen Preis von 12,2 Lira pro Garanti Aktien. Statt also 2,25 Milliarden Euro Kaufsumme, müsste BBVA heute nur 1,65 Milliarden Euro zahlen, wenn alle Anteile angedient werden. Falls nicht, kann BBVA in Ruhe weitere Anteile über den Markt erwerben.
Die politischen Risiken bleiben allerdings und zwingen BBVA dazu, aktuell das Währungsrisiko zu 75 Prozent (bezogen auf den anteiligen Gewinn) zu hedgen.
5. Eines der größten Aktienrückkaufprogramme in Europa
Nach dem Verkauf des US-Geschäfts hat die BBVA ausreichend überschüssiges Kapital. Davon werden 3,5 Milliarden Euro für den Kauf eigener Aktien eingesetzt, eines der größten Aktienrückkäufe Europas. Allein für die ersten drei bis vier Monate des Jahres (Start Q4) sind 1,5 Milliarden Euro vorgesehen. Nach dem Buyback und dem Garanti-Kauf wird BBVA immer noch fünf Milliarden Euro an überschüssigem Kapital haben. Daher wird Payout-Ratio auf 40 bis 50 Prozent erhöht. Die Dividendenrendite sollte daher bei über vier Prozent liegen.
Fazit
Wir halten die BBVA Aktie weiterhin für ein sehr gutes Investment. Die BBVA Aktie ist mit einem KGV von unter zehn, einem Kurs/materiellem Buchwert von 0,9, einer Eigenkapitalrendite (RoTE/2021) von ca. elf attraktiv bewertet. Auf dem Investoren Tag hat BBVA ambitionierte Ziele für das Jahr 2024 formuliert.
Wir werden noch viel Freude mit der Aktie haben, sollte es BBVA gelingen, sich in den nächsten Quartalen diesen Zahlen anzunähern. Wenn sich das Konjunkturbild allerdings eintrübt, wird auch die BBVA nicht aus eigener Kraft schaffen, diese Ziele zu erreichen. Zudem sollte jeder Investor in BBVA bereit sein, hohe politische und makroökonomische Risiken, die mit dem Engagement in EM einhergehen, zu akzeptieren.
Disclaimer
The Digital Leaders Fund und/oder der Autor und/oder verbundene Personen oder Unternehmen besitzen Anteile von BBVA. Dieser Beitrag stellt eine Meinungsäußerung und keine Anlageberatung dar. Bitte beachte die rechtlichen Hinweise.
Autor
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Baki war viele Jahre in leitender Funktion für den Deutsche Bank Konzern und DWS tätig. Zuletzt u.a. als Global Head of Digital Business für die Deutsche Asset & Wealth Management und Mitglied im Digital Executive Commitee der Deutschen Bank. Seine berufliche Laufbahn hat er als Fondsmanager für Technologie, Telekommunikation und Medien bei BHF Trust begonnen. Danach war er Fondsmanager bei der Commerzbank und ABN Amro.
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