BBVA Aktie – Kursrallye oder Fusionschaos?

20. November 2020

BBVA Aktie - Firmengebäude in Großstadt

Die BBVA hat in dieser Woche gleich mit zwei Meldungen die Investoren überrascht. Zunächst meldete das Unternehmen den Verkauf der US-Sparte für eine beachtliche Summe an die amerikanische PNC Bank. Am gleichen Tag sickerte die Information durch, dass BBVA und Banco Sabadell über eine Fusion verhandeln. Beide Unternehmen haben mittlerweile die Gespräche bestätigt. Grund genug also, zu unserem hoch gewichteten Portfoliowert BBVA ein Update zu schreiben.


Bye bye USA

Anfang dieser Woche verkündete die BBVA den Abschied aus dem Retailbanking in den USA. Die Ambitionen der Spanier dort hatten wir in unserem ersten Blogartikel zur BBVA Aktie vor über zwei Jahren dargestellt. Nun wird die US-Tochter für 11,7 Milliarden Dollar in Cash an PNC verkauft.

Das entspricht etwa dem 20-fachen des Gewinns der Sparte und ca. 50 Prozent der gesamten Marktkapitalisierung von BBVA. Dabei hatte das US-Geschäft 2019 gerade mal 10 Prozent Anteil am Gesamtgewinn.

Analysten hatten den Wert des US-Geschäftes im Vorfeld mit etwa 3,8 Milliarden Euro taxiert. Der nun erzielte Mehrwert: 6,2 Milliarden Euro!

Entwicklung Wert des US-Geschäftes BBVA - Statistik

Nach dem Verkauf der 637 Filialen, vornehmlich im Sonnengürtel der USA, wird die BBVA zu den am besten kapitalisierten Banken Europas gehören. Die harte Kernkapitalquote würde von aktuell 11,5 Prozent auf ca. 14,5 Prozent steigen.

Nach der Transaktion, die im Sommer 2021 abgeschlossen sein soll, wird die BBVA einen Nachsteuergewinn von 580 Millionen Euro ausweisen und den materiellen Buchwert um 1,4 Milliarden Euro erhöhen.

Der von den Amerikanern gezahlte Aufpreis illustriert, wie weit Wert und Bewertung von Bankassets mittlerweile auseinandergehen. Er veranschaulicht aber auch, wie hoch die Bewertungsmultiples für Bankassets in USA gegenüber dem Rest der Welt liegen.

Wie werthaltig ist die BBVA?

Der beachtliche Kaufpreis für die US-Assets ließ den BBVA-Kurs am Montag um bis zu 20 Prozent hochschnellen.

Entwicklung BBVA Aktie - Chart

Es war prozentual der größte Anstieg der BBVA Aktie seit Jahren. Aber: Wie viele Investitionen in europäische Bankaktien war auch unser Engagement bei BBVA bisher ein Reinfall. Im September fiel die Aktie sogar auf 2,2 Euro. So tief notierte sie zuletzt 1994. Damit teilt die BBVA das Schicksal vieler anderer europäischer Banktitel.

Woran das liegt, haben wir zuletzt in unserem Blogartikel Europas Banken – Kampf gegen Windmühlen skizziert. Darin haben wir auch ausgeführt, dass BBVA mit dem Engagement in Lateinamerika, Türkei und Mexiko ein starkes Emerging-Markets-Geschäft aufweist und seit Jahren auf deutlich höhere Zinsmargen kommt.

In der Corona-Krise wurde das aber von Investoren eher als Nachteil angesehen. Der Kursverfall der türkischen Lira und die hohen Fallzahlen von Corona-Erkrankten in Mexiko haben Investoren abgeschreckt.

Hinzu kam, dass die spanische Zentralbank in ihrem Stresstest vom 29 Oktober ein düsteres Zukunftsbild für spanische Banken gezeichnet hat. Bei Eintritt eines negativen Szenarios würden spanische Banken mit großem internationalen Geschäft, also Santander und BBVA, einen Rückgang der Kernkapitalquote (CET1) von 12 auf 8 Prozent erleiden, hauptsächlich in Folge von Kreditausfällen.

Stresstest Szenarien positiv negativ Zukunft internationale Banken
Quelle: Bank von Spanien (Banco de España)

Ich nehme an, dass die spanische Zentralbank aber vor allem viele Analysten bei ihren Szenarien Erfahrungswerte aus der Vergangenheit heranziehen. Nach dem Motto: Bei einem GDP-Rückgang von X Prozent, steigen notleidende Kredite (NPLs) in den Büchern der Banken um Y Prozent.

Allerdings sind bei der aktuell einzigartigen Krise völlig intakte Unternehmen in Zahlungsschwierigkeit geraten, die nach der Pandemie wahrscheinlich wieder profitabel wirtschaften können. Genau deswegen helfen Regierungen und Zentralbanken mit diversen Maßnahmen den Unternehmen und Banken dabei, diese Zeit möglichst unbeschadet zu überbrücken.

Auf eine historische Kontraktion der Wirtschaft in Rekordtempo sollte eine schnelle und deutliche Erholung folgen, darin sind sich die meisten Volkswirte einig. Daher könnten herkömmlichen Modellrechnungen, die die Auswirkungen der Krise auf die Bilanzen der Banken berechnen, in die Irre führen, wenn sie nicht die Eigenheiten dieser Krise ausreichend berücksichtigen.

BBVA selbst misst die wirtschaftliche Entwicklung u.a. anhand der Kreditkartennutzung der eigenen Kunden. Und diese deuten ein deutlich freundliches Makrobild in allen BBVA-Regionen an.

Entwicklung Kreditkartennutzung BBVA Kunden in 2020 - Statistik
Quelle: BBVA

Die Entwicklung der notleidenden Kredite bei spanischen Banken ist im 3. Quartal sogar positiv gewesen.

Entwicklung notleidender Kredite - Statistik
Entwicklung notleidender Kredite. Quelle: Morningstar

Morningstar weist darauf hin, dass diese Zahlen durch hohe Kreditmoratorien und Staatsgarantien verzerrt sind. Bei BBVA waren allerdings bis Ende September bereits über 60 Prozent der gestundeten Kredite wieder zurückgezahlt. Der Anteil der gestundeten Kredite lag am Ende des dritten Quartals bei 3,4 Prozent. Der Anteil der staatlich garantierten Kredite lag bei 4,5 Prozent.

BBVA und das Türkei-Risiko

Das Türkei-Risiko der BBVA sollte man allerdings nicht unterschätzen. Die türkische Lira hat sich in den letzten Jahren wesentlich schlechter entwickelt als die Währungen fast aller großen Emerging Markets, mit Ausnahme vielleicht des argentinischen Pesos. Die zunehmend autokratisch und erratische Führung des Landes durch Recep Tayip Erdogan verschreckt Investoren. Die BBVA hat das Kreditbuch in Fremdwährung dort in den letzten 5 Jahren fast halbiert. Überschüssiges Kapital und auch das Bilanzergebnis werden nach Angaben des Managements aktuell zu 50 Prozent abgesichert.

Trotz aller Widrigkeiten ist die türkische Tochter Garanti BBVA eine hochprofitable Bank. Der Nettogewinnbeitrag lag im Q3 bei 252 Millionen Euro und in den ersten neun Monaten 2020 bei 502 Millionen Euro. Die Cost-Income-Ratio (ohne Zinsaufwand) liegt bei unter 28 Prozent. Es gibt wahrscheinlich weltweit nur wenige Banken, die effizienter wirtschaften. Man sieht auch an den Bruttoergebnissen, dass die Türkei einen größeren Beitrag zu leisten im Stande ist als das US-Geschäft.

Bruttoergebnis BBVA in den ersten neun Monaten nach Ländern
Bruttoergebnis BBVA in den ersten neun Monaten nach Ländern. Quelle: BBVA

Stabiles Mexiko-Geschäft

Auch das Mexiko-Geschäft von BBVA wird aktuell von Investoren nicht ausreichend gewürdigt. BBVA Bancomer ist nach Bilanzsumme und Einlagen die führende Universalbank in Mexiko. Zwischen 40-50 Prozent der Nettogewinne kommen aus dem Land. In den ersten neun Monaten 2020 waren es sogar mehr als 50 Prozent.

Der mexikanische Peso hat sich nach dem Kursrutsch im Februar von über 20 Prozent gegenüber dem Eurogefangen und steigt seit Monaten wieder. Ein Präsident Biden wird vermutlich die wirtschaftliche Zusammenarbeit mit Mexiko stärken und sollte auch für das Land wieder mehr Stabilität bedeuten.

Wahrscheinlich ist die BBVA Bancomer allein zwischen 15-10 Milliarden Euro wert. Das deutlich kleinere Finanzinstitut Grupo Financiero Banorte wird aktuell an der Börse mit über 15 Milliarden Dollar bewertet.

Die aktuelle Marktkapitalisierung von BBVA liegt auch nach dem Kurssprung bei unter 24 Milliarden Euro. Der Verkaufspreis für das US-Geschäft und der Wert von BBVA Bancomer allein sollte diesen Wert überschreiten. Spanien, Lateinamerika und die Türkei bekommt man als Investor noch dazu. Und das für ein Bank, die seit vielen Jahren viele Prozesse erfolgreich digitalisiert hat und nahezu alle Produkte vollständig über digitale Kanäle anbieten und abwickeln kann.

Übernahme Banco Sabadell ist riskant

Als Investor habe ich mich über den stolzen Verkaufspreis für das US-Geschäft gefreut und daran die Hoffnung geknüpft, dass BBVA im großen Stil eigene Aktien zurückkauft.

Die Freude währte leider nicht lang. Noch am gleichen Tag, an dem der Deal mit PNC verkündet wurde, sickerte die Nachricht durch, dass BBVA und Banco Sabadell über eine Fusion nachdenken. Natürlich geht es hier eher um eine Übernahme der Banco Sabadell.

Damit würde BBVA nach der Caixabank zur zweitgrößten Bank in Spanien aufsteigen, noch vor Santander. Die deutlich kleinere Banco Sabadell würde ein größeres Firmenkundengeschäft in Spanien in die Ehe einbringen, die defizitäre UK-Bank TSB und ein relativ kleines Mexiko-Geschäft.

Der Zustand europäischer Banken im Überblick
Der Zustand europäischer Banken. Quelle: FT

Als Investor bin ich mäßig begeistert von dieser Idee. Klar erscheint die Banco Sabadell optisch sehr günstig mit einem Kurs-Buch-Verhältnis von gerade mal 0,2. Sie erwirtschaftet aber auch seit Jahren notorisch niedrige Eigenkapitalrenditen. Sich in einer wirtschaftlich schwierigen Zeit ein großes Kreditbuch an Firmen ans Bein zu binden erscheint mir sehr riskant.

Die vermeintlichen Synergieeffekte, die man bei solchen Deals immer heben möchte, fallen wenn überhaupt in ferner Zukunft an. Am Anfang stehen massive Integrationskosten, Kosten für Personalabbau und hohe Effizienzverluste. BBVA-CEO Onur Genc hat daher auch klar gemacht, dass der Deal nur weiterverfolgt wird, wenn er Mehrwert für das Unternehmen und die Gesellschafter schafft.

Als Investor würde ich mir eher wünschen, dass BBVA stärker ins Asset Management und somit ins Provisionsgeschäft einsteigt, wenn man denn unbedingt expandieren möchte.

BBVA Aktie – Fazit

Nach einer sehr schmerzvollen Zeit mit BBVA im Portfolio notiert die Aktie erstmals über unserem durchschnittlichen Einstiegskurs. Wir haben also diesem Digital Transformation Leader nicht nur die Treue gehalten, sondern die Aktien auch regelmäßig nachgekauft.

Trotz aller Risiken halten wir die BBVA-Aktie aktuell für attraktiv bewertet und haben sie entsprechend hoch gewichtet. Die Gründe hierfür haben wir in diesem Beitrag dargestellt.

Die mögliche Übernahme von Banco Sabadell halten wir für riskant. Sollte sich das BBVA-Management dagegen entscheiden, steht die Aktie vor einer Neubewertung.

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Disclaimer
The Digital Leaders Fund und/oder der Autor und/oder verbundene Personen oder Unternehmen besitzen Anteile von BBVA. Dieser Beitrag stellt eine Meinungsäußerung und keine Anlageberatung dar. Bitte beachte die rechtlichen Hinweise.

Autor

  • Baki Irmak

    Baki war viele Jahre in leitender Funktion für den Deutsche Bank Konzern und DWS tätig. Zuletzt u.a. als Global Head of Digital Business für die Deutsche Asset & Wealth Management und Mitglied im Digital Executive Commitee der Deutschen Bank. Seine berufliche Laufbahn hat er als Fondsmanager für Technologie, Telekommunikation und Medien bei BHF Trust begonnen. Danach war er Fondsmanager bei der Commerzbank und ABN Amro.

Baki Irmak

Baki Irmak

Baki war viele Jahre in leitender Funktion für den Deutsche Bank Konzern und DWS tätig. Zuletzt u.a. als Global Head of Digital Business für die Deutsche Asset & Wealth Management und Mitglied im Digital Executive Commitee der Deutschen Bank. Seine berufliche Laufbahn hat er als Fondsmanager für Technologie, Telekommunikation und Medien bei BHF Trust begonnen. Danach war er Fondsmanager bei der Commerzbank und ABN Amro.

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