Die Canaan-Aktie hat 2025 turbulente Monate hinter sich: US-Zölle, ein volatiler Bitcoin-Preis und ein schwieriger Gesamtmarkt haben den Mining-Ausrüster unter Druck gesetzt. Jetzt hat ein hoher Nettoverlust Anleger verschreckt. Warum wir dennoch glauben, dass das Schlimmste vorbei ist.
Canaan-Quartalszahlen im Detail
Im ersten Quartal 2025 erzielte Canaan einen Umsatz von 82,8 Millionen US-Dollar, was einem Anstieg von 135,9 Prozent gegenüber dem Vorjahr entspricht. Damit wurde die eigene Guidance von 75 Millionen US-Dollar übertroffen, lag jedoch unter der Analystenerwartung von 88 Millionen US-Dollar. Das EBITDA lag bei minus 38,1 Millionen US-Dollar, der Bruttogewinn betrug 0,6 Millionen US-Dollar nach einem Vorjahresverlust von 37,3 Millionen US-Dollar.
Der ausgewiesene Nettoverlust lag bei 86,4 Millionen US-Dollar. Darin enthalten ist jedoch ein nicht-operativer Aufwand in Höhe von 28,2 Millionen US-Dollar, der aus der bilanziellen Neubewertung von Wandel-Vorzugsaktien („Series A-1 Preferred Shares“) resultierte. Bereinigt um diesen Sondereffekt beträgt der operative Nettoverlust rund 58,2 Millionen US-Dollar. Canaan nahm im Rahmen dieser Finanzierung rund 100 Millionen US-Dollar ein. Dafür wurden bereits über 1,5 Milliarden neue Class A-Aktien geschaffen; bei vollständiger Wandlung könnte die Zahl auf insgesamt rund 2,7 Milliarden neue Aktien steigen – was einer Verwässerung um etwa 42 Prozent gegenüber dem Stand von Ende 2024 entspricht. Für Altaktionäre ist dieser Effekt gravierend, da der Kapitalzufluss im Verhältnis zur Verwässerung vergleichsweise gering ausfällt.
Beim Vergleich zu den Erwartungen blieb Canaan beim Umsatz leicht hinter den Analystenschätzungen zurück, konnte aber die eigene Guidance von 75 Millionen US-Dollar übertreffen. Trotz eines erstmals wieder positiven Bruttogewinns fiel unter dem Strich ein Nettoverlust von 86 Millionen US-Dollar an – belastet durch Bewertungsverluste auf den eigenen Bitcoin-Bestand und auf ausgegebene Wandel-Vorzugsaktien.
Bei den Spezial-KPIs überzeugte vor allem das eigene Mininggeschäft: Insgesamt wurden 259 Bitcoins selbst gemint – ein neuer Quartalsrekord – was zu 24,3 Millionen US-Dollar Miningumsatz führte (259 geminte Bitcoins). Der daraus erzielte Bruttogewinn lag bei rund 9,3 Millionen US-Dollar – entsprechend dem Gegenwert von etwa 100 Bitcoins.
Canaans operativ eingesetzte Miningkapazität stieg laut Call auf 5,97 EH/s zum Quartalsende, ein Anstieg von 1,22 EH/s seit Dezember. Bis Ende April waren sogar 8,15 EH/s installiert, davon 6,2 EH/s aktiv. Allein im April kamen in den USA 1,5 EH/s hinzu – über Partnerschaften mit Luna Square und Mousen Hosting.
Im Avalon-Home-Segment wurden rund 6.000 Geräte ausgeliefert, die 1,3 Millionen US-Dollar Umsatz generierten. Bis Mitte Mai lagen die Verkäufe bereits bei über 17.600 Einheiten mit einem Volumen von 6,6 Millionen US-Dollar.
CEO Zhang lobte die technischen Fortschritte der A15-Serie, insbesondere durch eine Produktionsausbeute von über 90 Prozent sowie eine um 15 Prozent gesteigerte Effizienz und 10 Prozent niedrigeren Stromverbrauch. Ein neues wassergekühltes Modell mit 500 TH/s Leistung befinde sich bereits im Einsatz.
Der durchschnittliche Strompreis für Canaans Mining betrug im Quartal laut CFO James Cheng lediglich 4,2 US-Cent je kWh – was eine Bruttomarge im Mining von 31 Prozent ermöglichte.
Die USA hat bisher im Umsatz Mix circa 40 Prozent ausgemacht, das kam jetzt zuletzt fast zum Erliegen. Die Lücke wird von Minern in China und Russland gefüllt. Wer sich fragt, wie das möglich ist, nachdem in China das Minen eigentlich geächtet ist: das gilt offensichtlich nicht für großer chinesische Staatsbetriebe, die laut Schätzung des Unternehmenssprechers mittlerweile 16-17 Prozent globalen Marktanteil haben.
Ausblick
Aufgrund der US-Zölle und der dadurch entstandenen Unsicherheit hat das Management die bisherige Jahresprognose für 2025 zurückgezogen. Für das zweite Quartal 2025 erwartet Canaan jedoch einen Umsatz von rund 100 Millionen US-Dollar.
Aktuell produziert Canaan seine Geräte für den US-Markt überwiegend in Malaysia. Beim Import in die USA fällt darauf ein Zollsatz von 10 Prozent an – genau wie bei den Wettbewerbern.
Laut CEO Zhang verursachen die neuen US-Zölle nicht nur Mehrkosten bei Geräten, sondern auch bei Infrastruktur und Logistik. Das bremst nicht nur Verkäufe, sondern auch eigene Projekte in Nordamerika. „The global hash rate growth has been more moderate in Q2 due to slower deployment progress in the US. That created opportunities for miners outside the US,“ so Zhang. Wir haben noch einmal separat nachgefragt: Entscheidend ist hierbei, dass Transformatoren aus China, die fast die Hälfte der Kosten einer Mining-Installation ausmachen, aktuell mit 35 Prozent verzollt werden.
Für Q2 zeigte sich Cheng zuversichtlich, dass der durchschnittliche Verkaufspreis (ASP) noch weiter steigen könnte. Die Lieferzeiten für neue Maschinen seien auf sechs bis acht Wochen gesunken.
Die Expansion eigener Mining-Standorte werde künftig stärker außerhalb der USA fokussiert – insbesondere auf Regionen mit politischen und energiewirtschaftlichen Vorteilen. Für das Gesamtjahr bleibt das Management trotz geopolitischer Risiken optimistisch – auch, weil intern mit einem Anstieg des Bitcoin-Preises auf bis zu 150.000 US-Dollar gerechnet wird.
Positiv
Besonders positiv fällt die Entwicklung im eigenen Mininggeschäft auf. Die Zahl der selbst geminten Bitcoins erreichte ein neues Rekordniveau, was vor allem auf den raschen Ausbau der Rechenleistung in Nordamerika zurückzuführen ist. Zweitens gelang es dem Unternehmen, die durchschnittlichen Verkaufspreise für Rechenleistung spürbar zu erhöhen – ein Zeichen für technologische Wettbewerbsfähigkeit. Drittens wurde der Bruttogewinn mit 0,6 Millionen US-Dollar erstmals seit zwei Jahren wieder positiv – trotz weiterhin hoher Abschreibungen und Produktionskosten.
Negativ
Die Verluste bleiben hoch. Besonders ins Gewicht fallen Bewertungseffekte auf den Bitcoin-Bestand sowie auf Finanzinstrumente wie die Series A-1 Preferred Shares. Zweitens stiegen die operativen Kosten im Jahresvergleich weiter, insbesondere bei Forschung und Verwaltung – trotz eines Rückgangs gegenüber dem Vorquartal. Drittens gibt es keine transparente regionale Umsatzaufgliederung, was die Beurteilung von Marktdiversifikation und regulatorischem Risiko erschwert.
Fazit & Bewertung
Die Quartalszahlen der Canaan-Aktie zeigen ein zweischneidiges Bild: Operativ wächst das Unternehmen wieder, insbesondere durch Mining und die neue A15-Serie. Doch bilanziell bleibt das Ergebnis tiefrot. Selbst die positive Bruttomarge ändert daran nichts. Die starke Abhängigkeit vom Bitcoin-Preis und geopolitischen Rahmenbedingungen macht das Geschäftsmodell weiterhin fragil.
Die Canaan-Aktie reagierte auf die Quartalszahlen mit einem Kursrückgang von 7,8 Prozent auf 0,76 US-Dollar. Das Übertreffen der eigenen Quartalsprognose wurde vom Rückzug der Jahresprognose und dem hohen Nettoverlust überlagert. Offensichtlich spielen aber auch Short-Seller eine wesentliche Rolle. Zuletzt war das Interesse an Leerverkäufen wieder höher.
Bewertungstechnisch ergibt sich aktuell bei einer Marktkapitalisierung von rund 268 Millionen US-Dollar und einem geschätzten Umsatz von 464 Millionen US-Dollar für die nächsten vier Quartale ein EV/Sales-Verhältnis von 0,21. Das erwartete EBITDA für denselben Zeitraum liegt laut Analystenkonsens bei 73,6 Millionen US-Dollar, woraus sich ein EV/EBITDA von 1,4 ergibt. Letztere Zahl ist allerdings mit Vorsicht zu betrachten – schon geringe Veränderungen beim Bitcoin-Preis, bei Stromkosten oder regulatorischen Vorgaben können das operative Ergebnis signifikant beeinflussen.
Der jüngste Anstieg des Bitcoin-Preises auf erneut über 110.000 US-Dollar könnte sich als Wendepunkt erweisen. Sollte sich dieses Niveau stabilisieren, wäre es gut möglich, dass die Tiefstände des Frühjahrs bereits hinter uns liegen. Für dieses Szenario spricht auch die politische Großwetterlage: Donald Trump hat sich im Präsidentschaftswahlkampf 2024 klar als Krypto-Befürworter positioniert und angekündigt, die USA zur „Krypto-Hauptstadt des Planeten“ zu machen. Vor diesem Hintergrund erscheint es kaum vorstellbar, dass Washington das Feld im Mining-Bereich dauerhaft China und Russland überlässt. Sollte die US-Politik unter Trump konkrete Maßnahmen zur Reaktivierung des Inlandsmarkts ergreifen, dürfte auch das Geschäft von Canaan auf dem nordamerikanischen Markt wieder deutlich an Fahrt aufnehmen. Dann dürften auch die Shortseller das Weite suchen.
Wir haben in beiden Fonds – dem EM Digital Leaders und dem The Digital Leaders – unsere Position bei Kursen um 0,7 US-Dollar nochmals aufgestockt.
Autor
-
Steffen war von 1998 bis 2006 im Fondsmanagement der DWS als Leiter Aktien Osteuropa tätig und dort für bis zu 5 Mrd. Euro AuM verantwortlich. Er wurde für seine Arbeit als Fondsmanager mehrfach prämiert u.a. wurde er von der Zeitschrift Finanzen 2003 mit dem DWS Russia als Fondsmanager das Jahres ausgezeichnet. Anschließend machte er sich in London selbständig und verwaltete über 10 Jahre lang Hedge Fonds. Anfang 2021 stieg er als Partner bei Pyfore Capital ein und ist seither für das Fondsmanagement des EM Digital Leaders verantwortlich.
View all posts