China Aktien 2023: Ein Ausblick

13. Januar 2023

China Aktien 2023

China hat uns ein stürmisches Jahresende beschert. Nach den Lockdown-Unruhen kamen die chaotischen Lockdown-Lockerungen. Dennoch gibt es gute Gründe für einen halbwegs optimistischen Ausblick für China Aktien 2023.

Erst kamen die landesweiten Proteste gegen die strengen Corona Maßnahmen der Zentralregierung, die wir so in diesem Ausmaß seit den Unruhen auf dem Tiananmen Platz im Jahr 1989 nicht mehr gesehen hatten. Dann starb der ehemalige Präsident der VR China Jiang Zemin. Die allmähliche Lockerung der COVID Beschränkungen, die Anfang November begonnen hatte, endete in der ersten Dezemberwoche abrupt in einer kompletten Aufhebung aller Corona Maßnahmen. Seitdem kann man eine der weltweit schnellsten Durchseuchungen einer Gesellschaft mit dem Omikron Virus beobachten.

Den Apotheken gehen die Medikamente aus, die Krankenhäuser und speziell eingerichteten Fieber-Kliniken sind stellenweise überfüllt. Und selbst in der Hauptstadt Peking sind die Krematorien und Bestattungsinstitute mit der rasant gestiegenen Zahl der Toten komplett überfordert. Selbstverständlich wird darüber nicht in den staatsnahen Medien berichtet. Überdies steht am 22. Januar das chinesische Neujahrsfest an. Dies ist alljährlich der Höhepunkt der Reiseaktivitäten der in ihre Heimatstädte zurückkehrenden Chinesen und könnte gleichsam zum global größten Superspreader-Event des neuen Jahres werden. Bereits jetzt sind die Auswirkungen der Krankmeldungen auf den Dienstleistungssektor und das herstellende Gewerbe massiv. Die englischsprachige Regierungszeitung „China Daily“ verspricht dennoch, dass bis zum Frühling eine Rückkehr in die Normalität möglich sein sollte.

Dass die nächsten 60 bis 80 Tage kritisch sind, um sich bestmöglich für das neue Jahr aufzustellen, weiß auch die oberste Regierungsebene um Xi Jinping. Mitte Dezember fand in Peking die einmal im Jahr tagende Central Economic Work Conference statt, die gemeinsam vom Zentralkomitee der KP China und dem Staatsrat veranstaltet wird. Wenn man den Tenor der Beschlussfassungen in einem Wort zusammenfassen müsste: Wirtschaftswachstum.

Die politischen Korrekturmaßnahmen der letzten achtzehn Monate in den Bereichen Bildung, Internetplattformen und Immobiliensektor hatten verheerende Auswirkungen auf Chinas Volkswirtschaft. Insbesondere die um sich greifende Jugendarbeitslosigkeit von fast 20 Prozent bereitet dem Politbüro Sorgen. Zwar wird weiterhin davon gesprochen, dass Wohnungen keine Spekulationsobjekte sein dürfen, aber dafür gibt es jede Menge an klaren Anhaltspunkten für eine staatliche Unterstützung zur Stabilisierung des für Chinas BIP so wichtigen Wohnungsbaus. Selbst die sogenannten “drei roten Linien” 三条红线, die die verheerende Verschuldung der Immobilienunternehmen eindämmen sollte, werden nun von der Zentralregierung hinterfragt. Gleichzeitig hat man ein gewaltiges Finanzpaket von 2,8 Billionen Yuan für den leidenden Sektor auf den Weg gebracht.

Die noch im Vorjahr erstmals erwähnte Warnung vor der „barbarischen Expansion des Kapitals“ hat dieses Jahr keinen Eingang in den Abschlussbericht zur Konferenz gefunden. Ebenfalls fehlt jegliche Referenz zu dem aus Unternehmersicht fast schon furchterregenden Terminus „Common Prosperity“. Dass nur wenige Tage nach Ende der Konferenz der Parteisekretär der Provinz Zhejiang den ersten offiziellen Besuch nach mehr als zwei Jahren bei Alibaba in Hangzhou abstattete, ist ein wichtiges Signal an die Privatwirtschaft. Dabei blieb es nicht. Vor wenigen Tagen besuchte auch der Parteichef der Stadt Hangzhou Alibaba und unterzeichnete ein strategisches Kooperationsabkommen mit dem Alibaba CEO Daniel Zhang. Gleichzeitig lobte er den “unersetzbaren Beitrag” Alibabas zur wirtschaftlichen und sozialen Entwicklung der Stadt. Die Stadtverwaltung werde von nun an umfassend und bei jedem Wetter engen Kontakt zu Alibaba halten. Das kann man getrost Tauwetter nennen. Denn beide Seiten brauchen sich: Chinas große Technologieunternehmen sind nicht nur beliebte Arbeitgeber für Universitätsabsolventen, sondern spielen auch eine wichtige Rolle bei der Wiederbelebung der einheimischen Konsumnachfrage.

Denn hier hakt es weiterhin, wie man an den sinkenden Importzahlen und dem negativen Wachstum (-5,9 Prozent) beim Einzelhandelsumsatz unschwer erkennen kann. Solange sich ihre Arbeitsmarktaussichten und die langfristige Werthaltigkeit ihrer Immobilien nicht verbessern, dürfte der typische chinesische Verbraucher sein Portemonnaie auch nicht so schnell wieder öffnen. Laut McKinsey sind die Spareinlagen der chinesischen Haushalte in den ersten neun Monaten dieses Jahres um weitere 14 Billionen Yuan (zwei Billionen Dollar) angewachsen.

Raum für ein sogenanntes „Revenge Shopping“ gäbe es also reichlich. Dies würde erst einmal beliebte chinesische Consumer Brands wie Anta, Li Ning oder Moutai begünstigen sowie die Ecommerce Plattformen aus dem Hause Alibaba, JD.com und Pinduoduo. Vergessen darf man sicherlich auch nicht, dass „Revenge Travel“ als nächster Supertrend für 2023 folgen und Reiseplattformen (OTAs) wie Trip.com aus ihrem Dornröschenschlaf der letzten zwei Jahre wecken dürfte. Seit der vollständigen Öffnung am 8. Januar sind die Buchungen für internationale Flugtickets und Hotels um mehr als 500 Prozent gestiegen. Seit Ende Oktober hat die Trip.com Aktie um mehr als 80 Prozent zugelegt.

Guter Start von China Aktien 2023

Seit dem 1. Januar haben wir deutlich gesehen, dass der chinesische Drachen zu neuem Leben erwacht ist. Mit knapp 9 Prozent Wertzuwachs seit Jahresbeginn führt der Hang Seng Index das Ranking der globalen Indizes an und liegt so hoch wie seit sechs Monaten nicht mehr. Der MSCI China hat seit November, als erstmals Hoffnungen auf eine Wiedereröffnung aufkamen, um 50 Prozent zugelegt. Der Nasdaq Golden Dragon Index, der die in den USA gelisteten chinesischen ADRs abbildet, hat den besten Start ins neue Jahr in seiner Geschichte vollzogen und ist über 16 Prozent gestiegen. Die in letzter Zeit immer positiveren Töne zwischen SEC und CSRC haben sicher auch dazu beigetragen. Denn ein Delisting Risiko für die ADRs ist seit dem erfolgreichen Audit durch die PCAOB in Hong Kong erstmal in die Ferne gerückt.

Auch Alibaba hat davon profitiert und ist wieder der neue Darling der ausländischen Investoren: Seit Anfang des Jahres hat die Aktie bereits 30 Prozent an Wert gewonnen. Alleine am Mittwoch dieser Woche haben fünf Investmentbanken ihr Rating und Zielpreise für die Alibaba-Aktie angehoben. Über die Northbound Stock Connect in Hongkong sind seitens ausländischer Investoren im neuen Jahr schon mehr als 8,1 Milliarden Dollar in den chinesischen A-Share Markt geflossen – im Vergleich waren es im ganzen Jahr 2022 gerade mal 13 Milliarden Dollar. Das Sentiment hat sich nach langen achtzehn Monaten voller Hiobsbotschaften gedreht. Selbst ein IPO der Ant Group ist nach den Nachrichten dieser Woche wieder wahrscheinlicher geworden.

Dazu kommt eine regelrechte diplomatische Offensive seitens der KP Spitze, die das angekratzte Image der Volksrepublik reparieren und ihr eine Verschnaufpause verschaffen soll, um die heimische Wirtschaft auf Vordermann zu bringen. Im Mittelpunkt der Bemühungen stehen die Beziehungen zu dem großen Widersacher USA. Der bis vor kurzem als Botschafter in den USA tätige Diplomat Qin Gang 秦刚 wird nun Außenminister und hat in einem Meinungsbeitrag in der Washington Post und auf Twitter ganz neue Töne angeschlagen. Er sei “tief beeindruckt” von Amerika und den Amerikanern.

Soviel Zuversicht war schon lange nicht mehr. Das könnte China Aktien 2023 beflügeln.

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Autor

  • Mirko Wormuth

    Mirko war 23 Jahre lang in China als Anwalt und Unternehmer tätig. Zuletzt war er Global Head of HR für das chinesische EV Startup BYTON in Nanjing. Davor lagen seine unternehmerischen Tätigkeiten im Bereich des chinesischen E-Commerce und Einzelhandels. Seit 2020 managt Mirko den auf die chinesische Digitalisierung spezialisierten “China Digital Leaders” Fonds.

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Mirko Wormuth

Mirko war 23 Jahre lang in China als Anwalt und Unternehmer tätig. Zuletzt war er Global Head of HR für das chinesische EV Startup BYTON in Nanjing. Davor lagen seine unternehmerischen Tätigkeiten im Bereich des chinesischen E-Commerce und Einzelhandels. Seit 2020 managt Mirko den auf die chinesische Digitalisierung spezialisierten “China Digital Leaders” Fonds.

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