Im April 2019 hatte ich hier im Blog zum ersten Mal über die Elastic Aktie berichtet. Das war gerade mal sechs Monate nach dem erfolgreichen IPO des niederländischen Softwarespezialisten in New York. Der Kurs betrug damals gut 80 Dollar. Seitdem haben die Elastic Aktionäre eine nervenaufreibende Achterbahnfahrt erlebt:
Unter heftigen Schwankungen stieg die Aktie des führenden Suchtechnologie-Anbieters bis auf den im November 2021 erreichten Höchststand von knapp 190 Dollar. Seitdem hat sie im Crash der High-Growth-Werte in den vergangenen beiden Monaten 50 Prozent ihres Wertes verloren und notiert aktuell nur noch knapp oberhalb des damaligen Preises bei der Aufnahme ins The Digital Leaders Fund Portfolio.
Außer Spesen nichts gewesen? Gründe für den Kursrückgang
Mitnichten! In den vergangenen drei Jahren hat sich Elastic als Softwareanbieter hervorragend weiterentwickelt und in seiner Nische als Technologieführer etabliert. Mich persönlich begeistert die Plattform-Strategie des Enterprise Search Anbieters, der auf Basis seiner einzigartigen Suchtechnologie jetzt auch andere Märkte rund um Observability und Security erobern will und sich angesichts von mittlerweile 17.000 Unternehmenskunden zum Defakto-Standard für Enterprise Search entwickelt hat.
Im Geschäftsjahr 2018/2019 erzielte Elastic noch einen Umsatz von 272 Millionen Dollar und einen Bruttoertrag von 194 Millionen Dollar. Im noch bis zum 30.04.2022 laufenden Geschäftsjahr wird Elastic mehr als 830 Millionen Dollar bei einer Brutto-Marge von über 75 Prozent (non-GAAP) umsetzen. Das entspricht einer Umsatzsteigerung von mehr als 200 Prozent in drei Jahren.
Der in den vergangenen Jahren erschlossene TAM (Total Addressable Market) ist mit geschätzten 78 Milliarden Dollar riesig, und Elastic hat mit einer noch immer über 30 Prozent liegenden F+E-Quote viel in die Entwicklung investiert, um eines der großen Enterprise-Softwareunternehmen der nächsten Generation zu werden.
Bemerkenswert ist auch, dass sich der Umsatzmix positiv verändert hat: Während Elastic vor drei Jahren seine Lösungen im wesentlichen als Subskription für den Einsatz im kundeneigenen Rechenzentrum anbot (on premises), erzielt man heute schon ein Drittel des Gesamtumsatzes mit der Elastic Cloud gemäß einer nutzungsabhängigen Vergütung seiner Managed Services (SaaS) Lösungen.
In zwei bis drei Jahren dürfte der Großteil des Umsatzes aus dem eigenen Cloud-Angebot stammen. Dieser Umsatzstrom wird vom Finanzmarkt normalerweise höher bewertet als vergleichbare Einnahmen aus dem klassischen On premises-Geschäft.
Festzuhalten bleibt aber in diesem Fall, dass der Kurs der Elastic Aktie trotz einer Verdreifachung des Umsatzes in den vergangenen Jahren unterm Strich nicht wesentlich vorangekommen ist. Dazu hier eine kleine Ursachenforschung:
Verwässerung der Anteile
Wie viele andere noch defizitäre Softwareanbieter auch gibt Elastic regelmäßig neue Aktien aus z.B. als Incentive bzw. wichtigen Vergütungsbestandteil für die auch durch mehrere Technologie-Akquisitionen kräftig gestiegene Mitarbeiterzahl.
In den vergangenen drei Jahren wurden von Elastic mehr als 21 Millionen Aktien zusätzlich ausgegeben. Das entspricht einer Verwässerung der Altaktionäre um gut 30 Prozent. Umgekehrt bedeutete das: obwohl der Elastic Enterprise Value um fast 70 Prozent von 5 Milliarden Dollar auf 8,5 Milliarden Dollar angestiegen ist, zeigte sich in dieser Zeit “nur” ein magerer Zuwachs von 32 Prozent im Aktienkurs.
Nachhaltige Profitabilität noch nicht erreicht
In den vergangenen Monaten wurden vor allem diejenigen High-Growth-Unternehmen an der Börse abgestraft, die noch nicht nachhaltig Cashflow-positiv sind. Das bekam auch Elastic zu spüren.
Denn nachdem der Elastic Cashflow sich bis zum Frühjahr 2021 sehr erfreulich entwickelte, stagniert die Free Cashflow-Marge seit ca. einem Jahr. Auch die nach GAAP noch deutlich negative EBIT-Marge kam in den letzten Quartalen nicht mehr so schnell in Richtung Break-Even voran wie noch im letzten Jahr.
Gift für den Aktienkurs war, dass der Cashflow im zweiten Quartal des laufenden Geschäftsjahres nochmals deutlich negativ war, was zum Ausverkauf nach den letzten Quartalszahlen führte. Der temporäre Cash Abfluss dürfte jedoch schon im noch bis Ende April laufenden zweiten Halbjahr des FY22 aufgrund der Saisonalität des Elastic Geschäftes wieder gestoppt werden.
Rücktritt des CEO
In der vergangenen Woche wurde von Elastic mitgeteilt, dass der Co-Founder und bisherige CEO Shay Banon von diesem Amt und auch als Chairman of the Board (Verwaltungsratsvorsitzender) zurückgetreten ist. Das klingt erstmal nach einer schlechten Nachricht, und so hat auch der Aktienkurs wenig überraschend mit weiteren Kursverlusten reagiert.
Allerdings ist bei der Beurteilung zu beachten, dass Shay Banon zwar als CEO zurückgetreten ist, aber dem Unternehmen als CTO (Chief Technology Officer) erhalten bleibt. Shay ist und bleibt ein Techie. Er war nach der Gründung des Unternehmens von 2012 bis 2017 ursprünglich der CTO, hatte dann 2017 nach dem Abgang seines Co-Founders Steven Schuurman den CEO Posten übernommen und tritt nun nach 5 Jahren an der Firmenspitze als CEO zurück in die zweite Reihe, um sich auf seine größten Leidenschaften rund um die Innovation und das Elastic Produktportfolio fokussieren zu können.
Soweit die offizielle Sprechweise. Ich habe keinen Grund daran zu zweifeln. Auch wenn jetzt erst einmal die Unsicherheit bleibt, ob dieser Rückzug ins zweite Glied eventuell der Anfang eines Abgangs auf Raten ist, was dann wirklich eine schlechte Nachricht wäre. Die Börse hat die Beförderung des bisherigen Chief Product Officers Ash Kulkarni auf den CEO Posten jedenfalls nicht gerade bejubelt. Ich sehe eine solche Beförderung aus den eigenen Reihen bei einem gut laufenden Unternehmen wie Elastic hingegen sehr positiv, weil sie erfahrungsgemäß viel weniger Unruhe und Personalrochaden mit sich bringt als die Implementierung eines neuen Top-Managers von Extern.
Über die wahren Beweggründe dieses Stabwechsels kann man nur spekulieren. Fakt ist dass Shay Banon vor allem auch als Amazon-Kritiker aufgefallen ist. Er musste in seinen fünf Jahren als CEO viel von seiner eigenen Energie dafür aufwenden, die schwierige Konkurrenzsituation zu Amazons Cloud-Riesen AWS zu managen. Amazon hatte 2015 in bewährter Copy-Cat Manier auf Basis des quelloffenen Elastic Sourcecodes ein eigenes Konkurrenzprodukt unter dem Namen ‘Amazon Elasticsearch Service’ auf den Markt gebracht.
Nachdem Elastic mit einer Markenschutz-Klage gegen Amazon kurzfristig nicht erfolgreich war, änderte Elastic schlussendlich seine Lizenzbedingungen, um Amazon das Kopieren des Elastic Codes ab 2021 endlich erfolgreich zu verbieten. Elastic gehört damit zu einer wachsenden Zahl von Open-Source-Unternehmen – darunter die börsennotierten Unternehmen MongoDB und Confluent, die solche Schritte weg von einer echten Open Source -Lizenz unternehmen mussten, um Amazon daran zu hindern, ihre Open-Source-Software zu klonen und an den riesigen AWS-Kundenstamm zu verkaufen.
Ich könnte mir vorstellen, dass Shay Banon nach all diesem Ärger mit AWS nun einfach keine Lust mehr hatte auf die Juristerei und Politik in der CEO Rolle. Als Elastic Aktionäre können wir nur hoffen, dass er dem Unternehmen als leidenschaftlicher CTO noch lange erhalten bleibt.
Die Bewertung der Elastic Aktie
Die Analysten schätzen den Elastic Umsatz im FY23 knapp über 1 Milliarde Dollar, das wäre “nur” noch ein Wachstum von ca. 25 Prozent und damit eine deutliche Abschwächung gegenüber den knapp 40 Prozent, die für das FY22 erwartet werden. Sollten die Analysten recht behalten, dann liegt das EV/Sales Verhältnis (FY23) bei ca. 8.
Wenn man wie ich von einem weiterhin über 30 Prozent liegenden organischen Wachstum auch in den kommenden jahren ausgeht, so ist die Bewertung natürlich noch attraktiver. Sobald deutliche Fortschritte bei der Profitabilität sichtbar werden, sollte eine zügige Kurserholung damit nur noch eine Frage der Zeit sein.
Ist Elastic nun ein Übernahmekandidat?
Sollte die nachhaltige Profitabilität in den kommenden 2-3 Jahren jedoch nicht erreicht werden, so wird Elastic zum Übernahmekandidat. In diesem Fall könnte Google ein potentieller strategischer Käufer sein. Die beiden Unternehmen sind bereits heute in einer engen Partnerschaft miteinander verbunden und der GCP-Chef (Google Cloud Platform) Thomas Kurian könnte den Wert von GCP gerade im Wettbewerb zu MS Azure und AWS durch Elastic deutlich steigern.
Meiner Einschätzung nach sollte Google bereit sein, im Falle des Falles mehr als 10 Milliarden Dollar für Elastic und damit ein deutliches Aufgeld gegenüber den aktuellen Börsenkursen zu zahlen.
Dennoch gehe ich weiterhin davon aus, dass Elastic zumindest aktuell nicht zum Verkauf steht. Das Unternehmen hat nach wie vor eine gute Chance, den eigenen Elastic Stack als unabhängiger Hersteller für verschiedene Usecases rund um Search, Observability und Security zu etablieren. Es bleibt spannend…
Disclaimer
The Digital Leaders Fund und/oder der Autor und/oder verbundene Personen oder Unternehmen besitzen Anteile von Elastic. Dieser Beitrag stellt eine Meinungsäußerung und keine Anlageberatung dar. Bitte beachte die rechtlichen Hinweise.
Autor
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Stefan war in seinem gesamten Berufsleben in der High-Tech-Industrie tätig. Er hat sein eigenes Software-Unternehmen gegründet, internationalisiert und vor einigen Jahren ins Silicon Valley verkauft. Der Wirtschaftsmathematiker investiert seit über 30 Jahren in Aktien. Er verwaltet eines der erfolgreichsten investierbaren Musterportfolios auf der wikifolio Plattform.
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2 Responses
Hallo,
habe leider keinen Bezug zu Elastic, könnte mir aber doch vorstellen, dass Elastic ein Übernahmekandidat werden könnte.
Frage: Was halten Sie von 2G-Energy als Übernahmekandidat? Ich habe diese seit Jahren im Depot. Obwohl mir nichts dazu bekannt ist, wird diese teilweise als solcher bezeichnet.
Vielleicht könnten Sie bei einer Ihrer Veröffentlichungen darauf eingehen.
Danke in voraus.
M.f.G.
Heinrich Prenzel
Danke für das interessante Update.