Welches Medienunternehmen ist das wertvollste der Welt? Disney natürlich, wäre die Antwort vor wenigen Jahren gewesen. Doch im Mai 2018, kurz nachdem wir unseren Fonds aufgelegt hatten, zog Netflix erstmals gemessen am Enterprise Value (EV) an Disney vorbei. Das wäre auch so geblieben, hätte Disney nicht mit aller Macht in das Direct-to-Consumer-Geschäft (DTC) gedrängt.
Bis zur Corona-Pandemie sah es so aus, als hätte Disney alle Zeit der Welt, aus den Erlösen des Park- und Kinogeschäftes den Streamingdienst Disney+ zu finanzieren. Die Investoren schenkten Disney wieder viel Vertrauensvorschuss, so dass die alte Rangordnung wieder hergestellt wurde.
Mit den Lockdowns weltweit wurde klar, dass Disney diese Zeit nicht mehr hat. Die Freizeitparks wurden geschlossen, die Disney Cruise Line musste alle Kreuzfahrten absagen, Disney-Shops mussten schließen, die Filmproduktion geriet ins Stocken und die Kinos sind heute noch in den meisten Ländern geschlossen. Mitte April 2020 zog Netflix nach Marktkapitalisierung wieder an Disney vorbei, nach EV fehlte nicht mehr viel.
Doch Disney hat sich wieder zurückgemeldet. Mit Kostendisziplin, einem Bekenntnis zum DTC-first-Geschäftsmodell und mit einem sagenhaften Erfolg des Streamingdienstes Disney+. Der Kurs der Disney Aktie notiert über 180 Dollar und der EV liegt nun bei über 380 Milliarden Dollar, trotz Pandemie somit auf Rekordniveau. Ist die Aktie damit noch attraktiv bewertet?
Inhaltsverzeichnis
Starkes Q1
Im Zuge der Umorganisation hat Disney nur noch zwei Geschäftseinheiten. Das Streaming-, Film- und Fernsehgeschäft ist nun zusammengefasst zu Disney Media and Entertainment Distribution (DMED). Das zyklische Geschäft wurde in Disney Parks, Experiences and Products (DPEP) zusammengelegt. Im letzten Quartal des Kalenderjahres 2020, das bei Disney das erste Quartal des Geschäftsjahres 2021 ist, hat das Unternehmen trotz der Widrigkeiten der Pandemie nur 22 Prozent Umsatzrückgang verzeichnen müssen. Zur Überraschung der meisten Analysten konnte Disney im Q1 sogar einen kleinen Gewinn von 29 Mio. Dollar erwirtschaften.
Das Segment DPEP, das traditionell für mehr als 50 Prozent des Nettogewinns steht, hat einen Verlust von 119 Millionen Dollar erwirtschaftet. Doch offensichtlich hat sich Disney hier nun wesentlich effizienter aufgestellt. Im Earnings-Call sagte CFO Christine McCarthy: “Our parks and resorts that were opened during the quarter all operated at significantly reduced capacities, yet all achieved a net incremental positive contribution for the periods during which they were open, meaning that revenue exceeded the variable costs associated with opening.”
Doch das Highlight der Quartalszahlen war die Entwicklung der Streamingdienste. Disney +, ESPN+ und Hulu kommen nun insgesamt auf 146,4 Millionen Abonnenten.
Das zeigt sich auch in den Umsätzen. Im DTC-Geschäft hat Disney den Umsatz 73 Prozent auf 3,5 Milliarden steigern können. Das Geschäft mit linearem Fernsehen hat sich mit 7,7 Milliarden Dollar stabil entwickelt, während die Umsätze aus Filmverkäufen mit -56 Prozent zusammengebrochen sind.
News-Feuerwerk auf dem Investor Day
Doch bei Disney dreht sich aktuell alles um die Streamingdienste, und hier hat das Unternehmen auf dem Investor Day am 10. Dezember 2020 ein Feuerwerk an Neuigkeiten gezündet.
Von den knapp 95 Millionen DisneyPlus-Abonnenten kommen etwa 30 Prozent vom Streamingdienst Disney+ Hotstar, den Disney im Frühjahr 2020 in Indien und im September in Indonesien gelauncht hat. Der Dienst soll nun in weitere asiatische Märkte ausgerollt werden. Der Erfolg von Disney+ Hotstar drückt allerdings deutlich auf die Margen. Durch das neue und günstigere Angebot ist der monatliche Umsatz pro Kunde bei Disney+ von 5,56 auf 4,03 Dollar gefallen.
Mit dem Content von zahlreichen Disneymarken wie ABC, FX, 20th Century und lokalen Inhalten wird Disney zudem unter dem Dach der Marke Star einen neuen Streamingdienst international ausrollen. In Europa, Canada, ANZ und Singapur wird Star als weitere Marke in Disney+ integriert werden. Nächste Woche, am 23. Februar, soll es hierzulande losgehen. Für deutlich mehr Inhalt, insbesondere für Jugendliche und Erwachsene, will Disney auch mehr Geld sehen. Der Preis wird um satte 2 auf 8,99 Euro erhöht. Das ist eine Preissteigerung von 28,6 Prozent. In den USA wird der Dienst ab März einen Dollar mehr kosten, also insgesamt 7,99 Dollar.
In Lateinamerika wird Star+ sogar als separater Streamingdienst mit vielen Livesport-Übertragungen ab Juni 2021 ausgerollt.
350 Millionen Abonnenten bis 2024
Mit den Abonnentenzahlen liegt Disney weit vor den eigenen Plänen, die man zum Start des Streamingdienstes 2019 kommuniziert hatte. Nun hat das Unternehmen die Ziele deutlich hochgeschraubt. Statt 90 Millionen zahlende Kunden für Disney+ peilt man in der Spitze nun 260 Millionen Kunden im Jahr 2024 an. Bei Hulu sollen es weiterhin 60 Millionen Abonnenten werden, während bei ESPN+ man die Zahl von 12 auf 30 Millionen hochschraubt.
Somit will Disney bis Ende 2024 350 Millionen zahlende Kunden weltweit für die Streamingdienste gewinnen. Wahrscheinlich zieht Disney sogar bald an Netflix vorbei. Nur zum Vergleich: Netflix kommt aktuell auf 203,6 Millionen Subscriber. Mit den 146,4 Millionen Kunden erreicht Disney 71 Prozent der Kundenzahl von Netflix.
Doch Netflix ist deutlich hochpreisiger und kommt auf 6,6 Milliarden Dollar Umsatz im abgelaufenen Quartal, während Disney „nur“ 3,5 Milliarden Dollar Umsatz im DTC-Geschäft erwirtschaftet. Das sind 51 Prozent des Wertes von Netflix. Das ist m.E. bemerkenswert hoch, denn Netflix hat viele Jahre Preiserhöhungen hinter sich.
Disney ist mit einem Kampfpreis in den Markt gestartet und hat durch viele Kooperationen mit Telekommunikations- und Medienunternehmen eine maximal hohe Marktdurchdringung erzielen wollen. Ich persönlich finde das Angebot von Disney äußerst dünn, neue Releases kommen bei Netflix in einer viel höheren Taktung.
Doch mit dem niedrigen Preis und mit Rush-to-Rental-Angeboten wie Mulan, exklusiven Launches wie Soul und Serien mit Kultstatus wie Mandalorian und WandaVision hat Disney es verstanden, Kunden zu halten bzw. zu gewinnen. Mit dem deutlich erweiterten Angebot wird man nun die Preise erhöhen. Zudem wird Disney, so wie heute schon bei Hulu, Umsatz auch mit Werbung erzielen, wenn Kunden kein Abo zahlen wollen.
Das Hoch bei operativen Verlusten bei Disney+ sieht man nun bereits dieses Jahr erreicht, allerdings hält man am Ziel fest, erst 2024 profitabel zu wirtschaften. Bei ESPN+ und Hulu soll die Profitabilität bereits 2023 erreicht werden. Die Ausgaben für den Filmcontent sollen 2024 14-16 Milliarden Dollar erreichen. Das ist mehr als eine Verdreifachung der Planzahlen vor knapp zwei Jahren. Aber auch das relativiert sich im Vergleich zu Netflix, die 2020 bereits 17 Milliarden Dollar für Content ausgegeben haben.
Fazit
Disney hat in den letzten zwei Jahren eine bemerkenswerte Transformation hin zu einem führenden Streamingdienst weltweit hingelegt. Netflix ist natürlich ein Konkurrent aber in vieler Hinsicht ist Netflix auch ein Glücksfall für Disney, denn es hat Disney vor Augen geführt, welchen Wert eine hochwertige Filmbibliothek im digitalen Zeitalter haben kann.
Ohne den atemberaubenden Erfolg von Netflix hätte Disney den Weg zu einem DTC-Unternehmen nicht so früh gestartet, und nach der Pandemie wäre vielleicht der Zug für Disney abgefahren. Nun disrupten beide Unternehmen gemeinsam das lineare Fernsehen und schaffen jetzt auch in der Fernsehlandschaft eine Situation, die wir von den großen Plattformunternehmen wie Amazon, Alphabet, Facebook und Apple auf anderen Gebieten schon kennen: eine Kolonisierung der Welt durch wenige Unternehmen aus den USA.
Mit 384 Milliarden Dollar EV kommt Disney bereits heute auf eine sehr stolze Bewertung. Lange wurde Disney auch ohne Streamingdienst mit etwa 200 Milliarden Dollar bewertet. Das Parkgeschäft und das Studiogeschäft sollte sich nach der Pandemie wieder deutlich erholen, doch das klassische Fernsehgeschäft wird leiden. Das traditionelle Business wird von Analysten immer noch auf einen Wert von über 150 Milliarden Dollar geschätzt.
Je nachdem wie optimistisch man ist für Disney, könnte man den EV von Netflix, also ca. 244 Milliarden Dollar, auf das Kerngeschäft von Disney addieren. Dann ist Disney heute mehr als fair bewertet, denn auch die Bewertung von Netflix ist sehr sportlich. In den nächsten Quartalen muss Disney weiter liefern und in diese Bewertung hineinwachsen. Doch Disney ist für eine Überraschung immer gut.
Wir hatten bereits im Oktober die Disney Aktie deutlich höher gewichtet und somit an dem Kursanstieg partizipiert. Die Aktie gehört aktuell zu unseren Top-10-Werten.
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Disclaimer
The Digital Leaders Fund und/oder der Autor und/oder verbundene Personen oder Unternehmen besitzen Anteile von The Walt Disney Company. Dieser Beitrag stellt eine Meinungsäußerung und keine Anlageberatung dar. Bitte beachte die rechtlichen Hinweise.
Autor
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Baki war viele Jahre in leitender Funktion für den Deutsche Bank Konzern und DWS tätig. Zuletzt u.a. als Global Head of Digital Business für die Deutsche Asset & Wealth Management und Mitglied im Digital Executive Commitee der Deutschen Bank. Seine berufliche Laufbahn hat er als Fondsmanager für Technologie, Telekommunikation und Medien bei BHF Trust begonnen. Danach war er Fondsmanager bei der Commerzbank und ABN Amro.
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