Zu wenig liquide, zu klein und doch so gut: Emerging Markets ETFs lassen die besten Emerging-Markets-Aktien entweder außen vor oder gewichten sie in kaum wahrnehmbaren Umfang. Das Beispiel des EM Digital Leaders zeigt, wie Stock-Picking seine Stärken ausspielen kann.
Vergangene Woche haben wir analysiert, warum sich Stock Picking in Emerging Markets auszahlt. Hier knüpfen wir diese Woche mit den Favoriten im EM Digital Leaders an. Wir lassen die Investment-Thesen zu unseren drei größten Positionen Revue passieren, vergleichen die jeweilige Indexgewichtung und prüfen gleichzeitig, wie attraktiv diese nach den jüngsten Kurssteigerungen noch sind.
Stock Picking in Schwellenländern lohnt sich
Mein Kollege Ali Masarwah hat letzte Woche in seiner Gastkolumne eine Lanze fürs Stock Picking in Emerging Markets gebrochen. Zum einen sind Indizes wie der MSCI Emerging Markets oder der FTSE Emerging Markets aufgrund reiner Liquiditätsbetrachtung oft auf große Aktien konzentriert; viele kleinere Märkte fehlen daher gänzlich. Außerdem sind die Aktienmärkte in Emerging Markets deutlich weniger effizient. Das bedeutet, Fondsmanager können leichter einen Informationsvorsprung gewinnen und zum Wohl ihrer Anleger monetarisieren. Das zeigt sich auch in den relativ mäßigen Ratings von Emerging Markets ETFs. Wie wir es mit dem Thema Stock Picking im EM Digital Leaders handhaben, zeige ich im heutigen Update.
Top Gewichtungen im EM Digital Leaders machen die Performance
Der EM Digital Leaders hat sich 2024 bis dato sehr gut entwickelt; im ersten Halbjahr ist der Wert der Anteilsscheine um 24,2 Prozent gestiegen. Im Vergleich: Der MSCI Emerging Markets konnte „nur“ um 10,8 Prozent zulegen.
Die Outperformance lag vor allem an der starken Performance der Top-Werte: Unsere Top-Position Kaspi konnte (inklusive Dividende) um 46 Prozent zulegen, die Nu-Aktie hat sogar 55 Prozent gewonnen und die Sea-Aktie entfachte mit plus 84 Prozent ein wahres Kursfeuerwerk. Wir beleuchten kurz den jeweiligen Investment-Case und analysieren anhand der Bewertungen, wie attraktiv die drei Aktien heute noch sind.
Kaspi-Aktie: Steigende Gewinne beim Frontier Leader
Kaspi, unsere größte Position im EM Digital Leaders, ist laut MSCI gar keine Emerging-Market-Aktie. Damit bleibt sie in Emerging-Markets-ETFs außen vor.
Die Kaspi-Aktie findet sich vielmehr unter den Märkten der zweiten Reihe, also in der Frontier-Markets-Liste, und da mittlerweile an erster Stelle. Allerdings gibt es nur wenige Frontier-Market-ETFs in Deutschland, und diese weisen wegen der anderen Bestandteile keine herausragende Bilanz auf.
Kaum jemand (außer uns) denkt bei Schwellenländer-Aktien an Kasachstan. Kein Wunder: Mit 20 Millionen Einwohnern liegt das Land hinsichtlich der Bevölkerung gerade einmal an 62. Stelle weltweit und ist auch geografisch nicht wirklich auf dem Radar hiesiger Investoren. Kasachstan ist eingeklemmt zwischen Russland, Usbekistan und China. Was macht das Land also für das Kaspi-Geschäftsmodell so attraktiv?
Es ist die Verbindung von guter Smartphone-Penetration, einem unterentwickelten Bankensektor, unterentwickelten staatlichen Leistungen und mangelnder Konkurrenz internationaler Player. In diesem Umfeld spielt Kaspi seine dominante Position im E-Commerce sowie im Zahlungs- und Finanzierungsgeschäft voll aus. Das Unternehmen hat einen gesellschaftlichen Nutzen, und das erfreut auch die Aktionäre.
Die Gesellschaft möchte jetzt international expandieren. In einem Interview nannte der CEO kürzlich 100 Millionen User als Ziel. Interessanterweise liegt der aktuelle Fokus dabei nicht auf Usbekistan, sondern im Osten Europas. Hier wird Kaspi allerdings beweisen müssen, dass das Geschäftsmodell auch in einem kompetitiven Umfeld funktioniert.
Wir hatten die Aktie bereits im Startportfolio des EM Digital Leaders im Frühjahr 2021 hoch gewichtet. Zunächst stieg die Aktie. Dann folgten Unruhen in Kasachstan und schließlich der Einmarsch Russlands in die Ukraine: Die Kaspi-Aktie stürzte von knapp 150 Dollar auf bis unter 40 Dollar ab. Wir haben aber weiter unsere Hausarbeit gemacht, nicht den Mut verloren und nahe dem Tiefststand auf knapp 10 Prozent aufgestockt. Der Rest ist Geschichte: Die Aktie steht jetzt wieder auf alten Höchstständen.
Ist die Kaspi-Aktie dadurch teuer geworden? Mitnichten, denn gleichzeitig ist der Gewinn gewachsen. Auf Basis der diesjährigen Zahlen liegt das KGV bei 11,2, im nächsten Jahr sogar gerade einmal bei 9,1. EV/EBITDA sieht noch besser aus: 8,6 in 2024 und 5,5 in 2025. Dazu gibt es aktuell eine Dividendenrendite von 6,1 Prozent, die im nächsten Jahr dann auf über 7,2 Prozent steigen soll.
In Verbindung mit den positiven Wachstumsaussichten bleibt Kaspi damit weiter unser Favorit.
Nubank-Aktie: Der Kurs folgt den guten Zahlen
Der brasilianische Aktienmarkt ist hinsichtlich Bankaktien auf den ersten Blick bestens besetzt. Die vier Platzhirsch Banco Itaú, Santander, Bank Bradesco und Banco do Brasil verfügen allesamt über eine Marktkapitalisierung jenseits von 30 Milliarden Dollar. Das Angebot der Platzhirsche ist allerdings ziemlich angestaubt. Das hat der digital führenden Nubank einen kometenhaften Aufstieg ermöglicht.
Beim Timing unseres Einstiegs hatten wir ein glückliches Händchen. Der IPO-Preis Ende 2021 schien uns zu hoch, nur ein halbes Jahr später gab es die Aktie aber um fast zwei Drittel billiger, obwohl sich das Geschäft prächtig entwickelt hat: Die Bank hat heute fast 100 Millionen Kunden, doppelt so viele wie 2021. gleichzeitig konnte der Umsatz pro Kunde gesteigert werden, die Profitabilität folgte, denn die Fixkosten-Depression führte zu stabilen Kosten pro Nutzer, der Kurs folgte der Profitabilität und hat mittlerweile neue Höhen erklommen. ETF-Investoren schauen dagegen in die Röhre, denn der in den USA notierte Wert ist im MSCI Emerging Markets nicht vertreten. Das Wachstumsunternehmen ist nur in einigen FTSE-Indizes, unter anderem im FTSE All World, anzutreffen und auch dort nur mit einer Gewichtung von 0,04 Prozent. Stattdessen investieren ETF Investoren in brasilianische Legacy-Banken, die stetig Marktanteile verlieren.
Nach dem rasanten Anstieg ist die Nubank-Aktie natürlich nicht mehr ganz so günstig wie bei unserem Einstieg: Der diesjährige KGV liegt bei 31,4. Für nächstes Jahr sind es laut Bloomberg Konsens noch 20,9 und 2026 dann sogar nur noch 15,1. Aufgrund der Qualität der Gesellschaft bleibt Nu aktuell eine Top-Holding, wenngleich wir die Gewichtung um ein Drittel reduziert haben.
Sea-Aktie: Die Mutigen werden belohnt
Vor dem Absturz Ende 2021 gehörte Sea mit damals 200 Milliarden Dollar Marktkapitalisierung zu den Börsenlieblingen vieler Fondsmanager, und auch wir waren mit einer kleinen Position dabei. Kein Wunder: Der Branchenprimus im südostasiatischen E-Commerce konnte das Wachstum in der Pandemie noch einmal beschleunigen. Anlässlich der Zinswände setzte angesichts der hohen Verluste und schmelzenden Cash Reserve bei Anlegern Panik ein: Die Aktie stürzte um weit über 60 Prozent ein, ein und stabilisiert sich erst, als das Management in Notbremse zog und den Expansionskurs vorübergehend abwürgte.
Auch bei Sea hatten wir dann ein glückliches Händchen: Wir haben im letzten Spätsommer nach einem weiteren Absturz der Aktie auf Kurse bei unter 40 Dollar laut die Fanfaren geblasen und für den EM Digital Leaders fleißig nachgekauft. Viele Anleger hatten damals befürchtet, dass der wieder eingeleitete Wachstumskurs zu hohen Verlusten führen würde und blieben an der Seitenlinie. Wir waren dagegen zuversichtlich, dass das erfahrene Management den Spagat zwischen Wachstum und Kostenkontrolle schaffen würde. Dieses Jahr sind wir dann für unseren Mut belohnt worden, als die Ergebnisse der Gesellschaft uns recht gaben und die Aktie sich von ihren Tiefstständen erholte
Sie ahnen es schon, Emerging Markets ETF Investoren haben wieder nur zuschauen können; die Sea-Aktie wird von MSCI wegen der Firmenzentrale in Singapur nicht als Schwellenland eingestuft. Sea ist zwar im MSCI Welt enthalten, allerdings mit einer nicht wahrnehmbaren Gewichtung von – ebenfalls – 0,04 Prozent.
Trotz der fulminanten Kursrally steht die Aktie immer noch bei einem Drittel des alten Hochs. Im historischen Vergleich ist die Aktie gleichzeitig günstig und teuer, je nachdem, wie weit man in die Zukunft schaut. Für dieses Jahr liegt der EV/EBITDA bei 25,6, für nächstes Jahr bei 17,7 und für 2026 dann nur noch bei 13,0.
Die Gesellschaft ist mit Sicherheit zur richtigen Zeit am richtigen Ort, aber es lauern auch Gefahren: Der Markt könnte aus den Fugen geraten, weil es zu einem Preiskampf um Marktanteile kommen könnte. Auch der indonesische Regulator, der jetzt mögliche Preisabsprachen prüft, könnte zum Spielverderber werden: Es gibt also Rückschlagpotenzial. Langfristig sehen wir dagegen noch erhebliches Potenzial. Auch hier haben wir die Position angesichts des gestiegenen Kurses reduziert.
Fazit: Stock Picking lohnt sich
Die Performance des EM Digital Leaders in diesem Jahr zeigt, warum Anleger in Emerging Markets auf aktive Fondsmanager setzen sollten: Viele attraktive Wachstumsunternehmen sind in den gängigen Indizes nicht enthalten. In Brasilien bekommen ETF-Anleger zum Beispiel Legacy Banking anstatt die dynamische Nubank, die den Markt neu aufrollt.
Es gibt natürlich auch Marktphasen, die aktiven Managern ins Kontor schlagen. 2022 war ein Paradebeispiel. Die Bewertungen bei digitalen Geschäftsmodellen waren in den Vorjahren den Unternehmensgewinnen zu weit vorausgelaufen. Optisch günstigere Legacy-Werte haben in der folgenden Korrektur deutlich outperformt. In solchen Phasen sehen ETFs gelegentlich besser aus. Über den wirtschaftlichen Zyklus relativiert sich das aber und die wirklich aktiven Fondsmanager haben dann die Nase vorn.
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Autor
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Steffen war von 1998 bis 2006 im Fondsmanagement der DWS als Leiter Aktien Osteuropa tätig und dort für bis zu 5 Mrd. Euro AuM verantwortlich. Er wurde für seine Arbeit als Fondsmanager mehrfach prämiert u.a. wurde er von der Zeitschrift Finanzen 2003 mit dem DWS Russia als Fondsmanager das Jahres ausgezeichnet. Anschließend machte er sich in London selbständig und verwaltete über 10 Jahre lang Hedge Fonds. Anfang 2021 stieg er als Partner bei Pyfore Capital ein und ist seither für das Fondsmanagement des EM Digital Leaders verantwortlich.
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