Vor gerade einmal einem Monat hatte das Unternehmen schwache Zahlen berichtet und für den Rest des Jahres nur noch ein mageres Wachstum in Aussicht gestellt. Aber auch das ist jetzt Makulatur: EPAM hat den Ausblick erneut reduziert. Analysten reagieren mit wütenden Downgrades. Die EPAM Aktie fällt auf alte Tiefststände. Abschreibung oder Kaufgelegenheit?
Ausblick – Neu versus alt
Für das zweite Quartal erwartet die Gesellschaft nach dem zweiten Downgrade im Mittel einen Umsatz von 1,165 Milliarden Dollar, knapp 2,5 Prozent weniger (Bisher: 1 Prozent mehr) als im Vorjahr. Die Guidance für den Gewinn wurde um rund zwei Prozent auf 140 Millionen Dollar gesenkt.
Für das Gesamtjahr werden jetzt rund 4,725 Milliarden Dollar an Umsatz angepeilt, ein Minus von 2 Prozent, nachdem EPAM zuvor noch von einem Plus von 3 Prozent ausgegangen war. Der Gewinn soll jetzt bei 593 Millionen Dollar liegen (bisher: 605 Millionen Dollar).
Begründet wurden die niedrigeren Erwartungen mit einem schwachen Auftragseingang über alle Branchen und Geographien in den letzten Wochen.
Die Produktionskosten sind aufgrund der Verlagerung nach Mittelosteuropa gestiegen. Der relativ hohe Konkurrenzdruck wirkt sich zudem negativ auf Spielräume für Preiserhöhungen aus.
Positiv: Die Reduzierung beim Gewinn (rund 2 Prozent) fällt weniger deutlich als beim Umsatz (rund 5 Prozent) aus. Das liegt auch an künftig niedrigeren Produktionskosten in Indien, das für EPAM zunehmend an Bedeutung gewinnt.
Eine Erholung der Nachfrage wird, getrieben von technologischen Entwicklungen, weiterhin für 2024 erwartet. Die langfristigen Wachstumserwartungen bleiben unverändert bei 20 Prozent – für den gesamten Markt sieht EPAM ein Wachstum von 10 bis 15 Prozent.
Analystenschätzungen
Die Analysten überschlagen sich jetzt mit Downgrades. Bank of America beklagt fehlende Kostensenkungsmaßnahmen sowie die schlechte Visibilität und reduziert das Kursziel für die Aktie von 310 Dollar auf 223 Dollar. Sie senkt das Rating von “Kaufen” auf “Reduzieren”. Der BofA-Analyst befürchtet auch, dass die EPAM-Marke bei Kunden seit Kriegsbeginn gelitten haben könnte.
Die Analysten von Piper Sandler, Keybanc und Barclays folgen mit ähnlichen Downgrades. Es dürften noch weitere kommen: der Konsensus für den Reingewinn liegt auf Bloomberg noch bei 752 Millionen Dollar.
My Take
Die erneut reduzierte Guidance bedeutet, dass 2023 nicht nur das Wachstum ausfällt, sondern dass EPAM eine Schrumpfkur bevorsteht. Es gibt auch keine Garantie, dass die Prognose nicht noch einmal reduziert wird, wenn die makroökonomische Lage schwierig bleibt oder sogar schwieriger wird.
Gleichzeitig bewerten wir die reaktive Transparenz des Unternehmens hinsichtlich der Guidance positiv.
Die EPAM Aktie ist mit rund 14 Mal 2022 und 2023 EBITDA angesichts des langfristigen Wachstums nicht teuer. Der Markt bleibt aber vorsichtig; EPAM wird zur „Show-me the growth“ Aktie.
Disclaimer
EM Digital Leaders und/oder der Autor und/oder verbundene Personen oder Unternehmen besitzen Anteile von EPAM;. Dieser Beitrag stellt eine Meinungsäußerung und keine Anlageberatung dar. Bitte beachte die rechtlichen Hinweise.
Autor
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Steffen war von 1998 bis 2006 im Fondsmanagement der DWS als Leiter Aktien Osteuropa tätig und dort für bis zu 5 Mrd. Euro AuM verantwortlich. Er wurde für seine Arbeit als Fondsmanager mehrfach prämiert u.a. wurde er von der Zeitschrift Finanzen 2003 mit dem DWS Russia als Fondsmanager das Jahres ausgezeichnet. Anschließend machte er sich in London selbständig und verwaltete über 10 Jahre lang Hedge Fonds. Anfang 2021 stieg er als Partner bei Pyfore Capital ein und ist seither für das Fondsmanagement des EM Digital Leaders verantwortlich.
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