Der neue EU-Aktionsplan für erschwingliche Energie soll vor allem die Energiekosten für Unternehmen und Verbraucher senken. Wir analysieren, welche Europa-Aktien von der neuen Kommissions-Initiative profitieren.
Die Energiepolitik der EU steht vor einem kritischen Moment. Es geht um für Wettbewerbsfähigkeit, Dekarbonisierung, aber auch Sicherheit. Hohe Energiekosten belasten derzeit Bürger und Unternehmen. Als Reaktion bringt die Europäische Kommission einen Aktionsplan mit kurzfristigen Maßnahmen zur Senkung der Energiekosten. Der Plan zielt auch auf die Stärkung der Energieunion, die Förderung von Investitionen und die Verbesserung der Krisenvorsorge ab. Er ist Teil des Clean Industrial Deal, der den finanziellen Druck auf Haushalte und Industrie verringern soll. Die geschätzten Einsparungen belaufen sich auf 45 Milliarden Euro im Jahr 2025, steigen bis 2030 auf 130 Milliarden Euro jährlich und bis 2040 auf 260 Milliarden Euro.
Mit dem EU-Aktionsplan übt sich Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen im Spagat, die Energiekosten zu senken, eine zuverlässige Energieversorgung zu gewährleisten und den Übergang der EU zu sauberer Energie voranzutreiben. Der Druck ist groß: Aufgrund der hohen Energiepreise geraten nicht nur europäische Unternehmen und Europa-Aktien ins Hintertreffen. Aufgrund hoher Energiekosten sind mehr als 40 Millionen Europäer von akuter Armut betroffen. Das Gespenst des Populismus zeigt nicht zuletzt auch deshalb bei Wahlen seine hässliche Fratze. Zudem besteht das Risiko einer Verlagerung der Industrie aufgrund von Wettbewerbsnachteilen. Wir zeigen die Ursachen der Energiekrise, illustrieren die wichtigsten Punkte des neuen EU-Aktionsplans und zeigen die möglichen Folgen für Europa-Aktien: Welche Branchen und Aktien von den Plänen profitieren?
Gründe für die hohen Energiekosten
Hohe Energiekosten belasten in Europa Haushalte und Industrie. Die starke Abhängigkeit der Region von Importen verschärft das Problem noch weiter, da 90 Prozent des Erdgases aus externen Quellen bezogen werden, was sie anfällig für geopolitische Risiken und Preisschwankungen macht. Ineffizienzen im Stromnetz tragen zur Komplexität bei, da begrenzte Verbundnetze und veraltete Infrastrukturen die Kosten in die Höhe treiben und den Übergang zu erneuerbaren Energien verlangsamen. Auch regulatorische Hindernisse behindern den Fortschritt: Langsame Genehmigungsverfahren für erneuerbare Energien und unklare Investitionsrahmen verzögern dringend benötigte Entwicklungen. Die untere Grafik (Quelle: EU-Kommission) zeigt, dass das Verhältnis zwischen Strompreisen in der EU und denen in China, den USA und sogar Japan für europäische Unternehmen und Verbraucher nachteilig ausfällt. Besonders gegenüber den USA sind die Strompreise in der EU besonders hoch.
Die Volatilität der Gaspreise birgt drängendes Problem. Das Merit-Order-Prinzip hat zur Folge, dass die teuerste Energie-Quelle den Strompreis. Geopolitische Spannungen wirken sich also unmittelbar auf die Strompreise aus, egal, auch wenn der Anteil der Erneuerbaren Energien stetig steigt. Nicht hilfreich sind in diesem Kontext die unzureichenden Investitionen in die Energieinfrastruktur. Das gilt auch im Zusammenhang mit dem Ausbau erneuerbarer Energien und dem langsamen Ausbau der Energiespeicherung.
Säule I: Senkung der Energiekosten
Der Plan zielt darauf ab, die Stromrechnungen erschwinglicher zu machen, indem die Netzentgelte reformiert werden, um eine effiziente Energienutzung zu fördern, die Energiebesteuerung überarbeitet wird, um sie mit der Klimapolitik in Einklang zu bringen und die nicht energiebezogenen Kosten zu senken, und ein stärkerer Wettbewerb im Einzelhandel gefördert wird, um die Verbraucher zu stärken. Durch die Erleichterung des Lieferantenwechsels für Haushalte und Unternehmen und die Unterstützung der Entwicklung von Energiegemeinschaften soll ein dynamischerer und kosteneffizienterer Strommarkt gefördert werden.
Die Senkung der Kosten für die Stromversorgung soll durch die Förderung langfristiger Verträge wie Stromabnahmevereinbarungen (PPA) und Differenzverträge (CfD) zur Stabilisierung der Preise erreicht werden. Zudem soll das Genehmigungsverfahren für saubere Energieprojekte gestrafft und die Netzinfrastruktur und der Verbindungsleitungen modernisiert werden. Darüber hinaus wird die Erhöhung der Systemflexibilität durch Energiespeicher und Mechanismen zur Reduzierung der Nachfrage zu einem effizienteren Ausgleich von Angebot und Nachfrage beitragen.
"Investitionen spielen nach dem Plan der EU-Kommission eine entscheidende Rolle bei der Verringerung der Abhängigkeit von Importen."
Der Plan zielt auch darauf ab, die Funktionsweise der Gasmärkte zu verbessern, indem ein fairer Wettbewerb durch eine stärkere Regulierungsaufsicht gewährleistet wird, die Transparenz erhöht wird, um Marktmissbrauch zu verhindern, und die kollektive Kaufkraft der EU durch gemeinsame Einkaufsstrategien genutzt wird, um bessere Gaspreise zu erzielen. Die Stärkung dieser Maßnahmen wird dazu beitragen, den Gasmarkt zu stabilisieren und die Preisvolatilität abzuschwächen.
Investitionen spielen eine entscheidende Rolle bei der Verringerung der Abhängigkeit von Importen. Bis 2030 sollen diese Anstrengungen zu einem deutlichen Rückgang der Energieimporte der EU führen und die wirtschaftliche Widerstandsfähigkeit erhöhen. Darüber hinaus wird in dem Plan betont, wie wichtig es ist, sich auf mögliche Energiekrisen vorzubereiten, um langfristige Stabilität und Sicherheit zu gewährleisten.
Säule II: Vollendung der Energieunion
Säule II konzentriert sich auf die Vollendung der Energieunion durch die Stärkung der Energieintegration in der gesamten EU. Eine der wichtigsten Prioritäten ist der Ausbau der Verbundnetze zwischen den Mitgliedstaaten, um ein widerstandsfähigeres und effizienteres Energiesystem zu schaffen. Diese Bemühungen werden durch die Entwicklung eines Aktionsplans zur Elektrifizierung unterstützt, der darauf abzielt, die Elektrifizierung und Effizienz zu steigern, um erneuerbare Energien besser zu integrieren und die Abhängigkeit von fossilen Brennstoffen zu verringern. Darüber hinaus wird eine umfassende Strategie für Heizung und Kühlung umgesetzt, um den Energiebedarf des Sektors auf nachhaltige Weise zu decken.
Die Digitalisierung spielt eine entscheidende Rolle bei der Optimierung des Energiemanagements und der Kostensenkung. Durch die Einführung fortschrittlicher digitaler Lösungen kann das Energiesystem effizienter und reaktionsschneller werden und sich an veränderte Verbrauchsmuster anpassen. Gleichzeitig wird eine Investitionsstrategie eingeführt, um privates Kapital für saubere Energieprojekte zu mobilisieren, ergänzt durch gezielte öffentliche Mittel zur Beschleunigung des Übergangs.
Um eine wirksame Entscheidungsfindung und die Abstimmung zwischen nationalen und EU-Energiezielen zu gewährleisten, wird die Governance-Verordnung überarbeitet, um einen kohärenten und strafferen Rechtsrahmen zu schaffen. Mit diesen Maßnahmen will die EU ein vollständig integriertes, digitalisiertes und nachhaltiges Energiesystem aufbauen, das das Wirtschaftswachstum unterstützt und gleichzeitig die Sicherheit und Erschwinglichkeit für alle Europäer erhöht.
Säulen III und IV: Investitionen und Sicherheit
Die Erleichterung von Energieinvestitionen im industriellen Maßstab ist eine der Hauptprioritäten, wobei sich die Bemühungen auf die Schaffung eines stabilen und vorhersehbaren Umfelds für langfristige Verpflichtungen konzentrieren. Eine zentrale Initiative ist die Einrichtung eines dreiseitigen Vertrags, der Regierungen, Energieerzeuger und Industrie zusammenbringt, um Investitionssicherheit zu gewährleisten und eine stabile Energieversorgung sicherzustellen. Durch die Förderung stärkerer öffentlich-privater Partnerschaften, insbesondere bei Projekten für erneuerbare Energien, soll der Übergang zu einem saubereren und widerstandsfähigeren Energiesystem beschleunigt werden.
Um dieses Ziel weiter zu unterstützen, werden mehr Mittel für Energietechnologien der nächsten Generation bereitgestellt, um kontinuierliche Innovation und die Entwicklung fortschrittlicher Lösungen zu gewährleisten. Darüber hinaus wird eine Taskforce „Energieunion“ eingerichtet, die die Umsetzung des Aktionsplans überwachen und koordinieren soll, um sicherzustellen, dass die politischen Maßnahmen wirksam umgesetzt und mit den allgemeinen energiepolitischen Zielen in Einklang gebracht werden. Diese Initiativen werden eine sicherere, nachhaltigere und investitionsfreundliche Energielandschaft schaffen, die sowohl das Wirtschaftswachstum als auch die langfristigen Energiewendeziele der EU unterstützt.
Um die Energiesicherheit und die Widerstandsfähigkeit zu stärken, überarbeitet die EU ihren Rahmen für die Energiesicherheit, um eine stabile Versorgung zu gewährleisten und Preisschwankungen zu minimieren. Ein Hauptaugenmerk liegt auf der Verbesserung der Krisenvorsorge durch die Entwicklung von Mechanismen zur effektiven Bewältigung von Nachfragespitzen und zur Erleichterung des grenzüberschreitenden Stromhandels in Notfällen.
Europa-Aktien: Die Profiteure des EU-Aktionsplans?
Wir haben folgende Unternehmen bzw. Sektoren identifiziert, die vom Aktionsplan für erschwingliche Energie profitieren könnten. Es sind vor allem Europa-Aktien, die vom neuen Aktionsplan profitieren werden. Ein weiterer Grund, für Europa-Aktien optimistischer zu sein: die Maßnahmen zur Aufrüstung EU-weit und vor allem in Deutschland. Erst vor wenigen Tagen haben sich die CDU/CSU und die SPD zusammengetan und beschlossen, ein Infrastruktur-Sondervermögen in einem Umfang von 500 Milliarden Euro auf den Weg zu bringen. Diese Kombination dürfte der Rohstoff sein, der Europa-Aktien im Wettlauf der Wirtschaftsräume begünstigen wird.
– Entwickler und Lieferanten von erneuerbaren Energien: Unternehmen, die sich mit der Erzeugung erneuerbarer Energien (Wind, Sonne usw.) und damit zusammenhängenden Technologien (wie Wärmepumpen) befassen, werden von verstärkten Investitionen und dem Einsatz sauberer Energiequellen profitieren.
o Hersteller von Windturbinen: Vestas, Siemens Gamesa, Nordex, GE Renewable Energy
o Hersteller von Solarmodulen: First Solar, Enphase Energy, SunPower, Canadian Solar, LONGi Green Energy Technology
o Wasserstoff & Speicherung: Plug Power, ITM Power, Linde, Air Liquide, Fluence Energy
o Kernenergie (einschließlich SMRs): EDF, Rolls-Royce (SMRs)
– Netz- und Übertragungsunternehmen: Unternehmen, die Energienetze bauen, warten und aufrüsten, werden wahrscheinlich eine erhöhte Nachfrage nach ihren Dienstleistungen verzeichnen, da der Plan die Notwendigkeit eines vollständig integrierten und vernetzten Energiemarktes betont. Dazu gehören Unternehmen, die sich mit netzverbessernden Technologien und intelligenten Netzlösungen beschäftigen.
- Übertragungsnetzbetreiber (TSOs): National Grid (Großbritannien), RTE (France), TenneT (Netherlands/Germany)
- Verteilungsnetzbetreiber (DNOs): E.ON, Enel, Iberdrola, Vattenfall, SSE
- Netztechnik und intelligente Messsysteme: Schneider Electric, Siemens Energy, ABB, Landis+Gyr
- Anbieter von Smart-Grid-Lösungen: Landis+Gyr, Itron
– Unternehmen im Bereich Energieeffizienz und Elektrifizierung: Unternehmen, die Lösungen für die Energieeffizienz in Gebäuden, in der Industrie und im Transportwesen anbieten, könnten von einer erhöhten Nachfrage profitieren, da der Plan die Energieeffizienz als Schlüsselstrategie zur Senkung des Energieverbrauchs und der Kosten fördert.
- Energieeffizienz und HLK: Johnson Controls, Carrier, Daikin, Honeywell
- Wärmepumpen und industrielle Elektrifizierung: Bosch, Viessmann, NIBE, Mitsubishi Electric
- Batterie- und Speicherunternehmen: Northvolt, Tesla, LG Energy Solution, CATL, BYD
– Digitales & KI-Energiemanagement: Unternehmen, die flexible Lösungen zur Förderung der Energiespeicherung und des Energiehandels entwickeln, werden ebenfalls vom Affordable Energy Action Plan profitieren.
- Digitale Infrastruktur und KI: Google, Microsoft (Azure AI für Energie), Amazon Web Services (AWS)
- Smart Grid & Energiehandel: Schneider Electric, Siemens, General Electric, Enel X
- EV-Laden & V2G (Vehicle-to-Grid): Tesla, ABB, ChargePoint, Alfen, Wallbox
– LNG-Lieferanten und Gasinfrastruktur: Der Plan konzentriert sich zwar auf die Dekarbonisierung, erkennt aber auch die anhaltende Rolle von Erdgas im europäischen Energiemix an. Unternehmen, die an der Gewährleistung eines transparenten und wettbewerbsfähigen Gasmarktes beteiligt sind, könnten davon profitieren, insbesondere diejenigen, die an Mechanismen zur Bündelung der Nachfrage beteiligt sind.
- Gasversorgungs- und -verteilungsunternehmen: Enagás, Snam, Fluxys
- Energiehandelsunternehmen: Trafigura, Vitol, Gunvor, Glencore
- LNG-Produzenten und -Lieferanten: Shell, BP, TotalEnergies, Equinor, Cheniere Energy
- LNG-Infrastruktur und -Lagerung: Snam (Italien), GRTgaz (Frankreich), Fluxys (Belgien)
– Industrielle Energieverbraucher und führende Elektrifizierungsunternehmen: Große energieintensive Industrien in Europa werden von niedrigeren Strompreisen, der Entkopplung von der Volatilität des Gasmarktes und langfristigen Verträgen (PPAs & CfDs) profitieren.
- Automobil- und EV-Hersteller: Tesla, Volkswagen, Stellantis, Renault, Mercedes-Benz
- Stahl- und Schwerindustrie: ArcelorMittal, Thyssenkrupp, SSAB, Voestalpine
- Chemie- und Werkstoffunternehmen: BASF, Linde, Dow Chemical, Solvay.
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Autor
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Stefan schaut auf eine mehr als 20-jährige Erfahrung in den Bereichen Aktien, festverzinsliche Wertpapiere, Derivate und Hedge Funds zurück. In seiner Tätigkeit als globaler Leiter des Quantitativen Research Teams bei ABN AMRO, hat er über 300 institutionelle Kunden in den USA, Europa und Asien zu allen Fragen des Investment Prozesses beraten. Zuvor war er 10 Jahre bei Salomon Smith Barney als Leiter des quantitativen Research Teams für Europa tätig, wo er Top Rankings in den großen Research Surveys erzielte. Stefan hat über 50 Research Veröffentlichungen zu allen Aspekten des Investment Prozesses in Aktien, festverzinsliche Wertpapiere und Währungen publiziert.
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