Fondskennzahlen richtig deuten: Als Alpha und Beta laufen lernten

27. Mai 2024

Anlegern geht es nur um die Performance ihres Investments, aber der Weg zum Rendite-Nirvana ist steinig. Das liegt auch daran, dass sie die Performance-Quellen und das Risiko zu wenig beachten. Wir erläutern daher zwei Kennziffern und erläutern, wie sie im Investment-Alltag einzusetzen sind.*

Die Fondskennzahlen Alpha und Beta einfach erklärt

Die Performance ist das A und O eines Fondsinvestments. Ob es um die Altersvorsorge geht, die Finanzierung der Ausbildung der Kinder, oder darum, die neue Küche zu finanzieren: Alle Anleger wollen eine höchstmögliche Rendite erzielen. Das Dumme daran: Ohne Risiken sind die Renditen nicht zu haben. Rendite und Risiko sind daher zwei Seiten einer Medaille. Dafür stehen das Alpha und das Beta, die wir hier erklären.

Ist mein Fonds gut oder schlecht? Die Frage ist bei aktiv verwalteten Fonds scheinbar einfach. Gewinnt ein Fonds 20 Prozent und steigt der Markt, auf dem sich der Fonds bewegt, um zehn Prozent, dann hat er ein sogenanntes Alpha erwirtschaftet. Der Fondsmanager hat einen guten Job gemacht, weil der Fonds vor dem Index lag. Machte der Fonds dagegen nur ein Plus von fünf Prozent in diesem Beispiel, lag er um fünf Punkte hinten. Das Alpha kann also auch negativ sein, und das ist leider oft der Fall.

Die Kennzahl Alpha steht für die relative Rendite gegenüber der Messlatte eines Fonds. Ausgedrückt wird das Alpha in Prozent. Ermittelt wird es, indem die Fondsrendite von der Indexrendite abgezogen wird. Das ist allerdings eine recht grobschlächtige Vorgehensweise.

Berechnung des “bereinigten” Alphas und daraus resultierende Schwierigkeiten

Die meisten Analysten bereinigen die relative Rendite des Fonds in zwei Schritten. Zunächst werden die Renditen um den risikolosen Zins bereinigt. Im zweiten Schritt die Marktrendite um die Marktsensitivität des Fonds adjustiert und erst dann ins Verhältnis zur Fondsrendite gesetzt. Diese beiden Schritte sind nötig, um das Alpha verschiedener Fonds miteinander vergleichen zu können. Warum diese Säuberungsaktionen sinnvoll sind? Nun, es macht einen Unterschied, ob ein Fonds in einem Währungsraum agiert, in dem der Zins bei 20 Prozent liegt oder in der Nullzins-Eurozone. Und die Marktsensitivität eines Tech-Fonds wird größer sein als die eines Versorgerfonds, weshalb das im Alpha Berücksichtigung finden sollte. Berechnet wird das sogenannte Jensen’s Alpha wie folgt:

Alpha = (Fondsrendite – risikoloser Zins) – Beta * (Benchmarkrendite – risikoloser Zins)

Das zeigt ein Problem mit dem Alpha auf. Es handelt sich um eine recht abstrakte Größe. Die Erwartungen der Anleger bemessen sich dagegen in Performance-Prozent.  Ist die Rendite hoch, war der Fonds gut. Aber das kann den Blick auf die eingegangenen Risiken verstellen. Daher ist die Moderierung der Rendite um Marktsensitivität eines Fonds und um den risikolosen Zins im ersten Schritt wichtig.

Das Alpha entspricht der Existenzberechtigung der aktiven Fondsmanager: Ihre Mission ist es schließlich, eine Überrendite gegenüber der Benchmark zu erzielen. Doch auch wenn das Alpha positiv ist, sagt das nichts über die Fähigkeit eines Managers aus, auch in der Zukunft eine Überrendite erzielen zu können. Das liegt einmal am Faktor „Glück“, und zum anderen auch an den unterschiedlichen Marktphasen. Märkte bewegen sich in Zyklen, und ist ein Marktzyklus nicht abgeschlossen, lässt sich keine abschließende Bilanz über das Können des Fondsmanagers ziehen.

Das Fonds-Alpha ist also nicht nur kompliziert. Es lässt sich zudem nicht in die Zukunft fortschreiben. Und die Fondskosten sind außerdem ein konstanter Mühlstein, der das Outperformance-Rennen gegen den Markt stetig belastet.

Probleme lassen sich mit fundamentalem Research teilweise adressieren

Anleger können mit fundamentalem Research versuchen, Alpha-Zufallstreffer von „echtem“, also stetigerem, Alpha auszusortieren. Profi-Anleger arbeiten lange Checklisten ab: Was sind die Qualitäten des Fondsmanagements? Wie aktiv ist es? Welche Erfahrung besitzen die Verantwortlichen? Wie gut ist das Research hinter dem Fonds? Wie gut ist das Team bzw. die Tools, auf die das Management zurückgreift? Welche Ergebnisse hat das Fondsmanagement in welchen bzw. wie vielen Marktzyklen erzielt?  

Das alles ist sinnvoll und nötig, aber auch das beste Research gibt keine Garantie auf zukünftiges Alpha. Denn es gibt noch eine Fülle weiterer Variablen, die zwischen dem Anleger und dem Fonds-Alpha stehen. Die Größe eines Fonds bzw. die Mittelflüsse spielen eine Rolle für die Fondsqualität. Anleger müssen also darauf achten, dass Fonds nicht zu stark wachsen. Ein stark gestiegenes Fondsvermögen eines erfolgreichen Fonds ist ein Indikator dafür, dass sich die Bedingungen für künftige Renditen verschlechtert haben. 

 Eine mögliche Alternative zum Alpha: der Active Share

Wegen der vielen Probleme, die mit Alpha-Prognosen verbunden sind, kursieren immer wieder alternative Fondskennzahlen zur Bestimmung der Qualität aktiv verwalteter Fonds. Das wohl bekannteste Maß ist der Active Share. Diese Kennzahl basiert auf der Analyse der Fondszusammensetzung und nicht auf der seiner relativen Performance. 

Der Active Share misst die (kapitalgewichtete) Übereinstimmung eines Fonds mit seinem Index, gemessen in Prozent. Ein Active Share von 50 Prozent sagt aus, dass 50 Prozent der Fonds-Holdings mit den Index-Holdings übereinstimmen. Ein Active Share von null besagt, dass der Fonds vollkommen identisch aufgestellt ist wie sein Index. Ein Active Share von 100 Prozent besagt, dass der Fonds nichts mit seiner Benchmark gemein hat. 

Die Vorzüge des Active Share als Maß für die Qualität eines aktiv verwalteten Fonds liegen auf der Hand: er macht nicht die Vergangenheits-Performance eines Fonds zum Maßstab, sondern die Aktivität eines Fondsmanagers. Ist ein Manager aktiv, dann macht er etwas anders als der Index. Das ist die wichtigste Voraussetzung, um sich erfolgreich vom Index abzuheben.

Die Logik ist bestechend: Fonds mit niedrigem Active Share haben aufgrund der Kosten eine relativ geringe Outperformance-Chance. Ein Fonds mit einem hohen Active Share wird eine ganz andere Rendite erzielen als der Index. Aber ist „anders“ immer „besser“?

Doch jede Kennzahl hat ihre Probleme – so auch der Active Share

 Denn anders ist nicht immer besser. Untersuchungen haben gezeigt, dass Fonds mit einer hohen Outperformance zwar oft einen hohen Active Share aufweisen. Doch spiegelbildlich dazu scheitern Fonds mit einem hohen Active Share mitunter spektakulär. Das ist logisch. Denn wenn ein Fonds etwas anders macht als der Index, muss er damit nicht zwingend erfolgreich sein. Zudem kann ein sehr hoher Active Share die Frage aufwerfen, ob die richtige Benchmark bei der Messung der Aktivität des Fondsmanagers verwendet wurde.  

Ein Vorteil des Active Share gegenüber des Alpha ist immerhin, dass er das Fondsmarketing um ein gewisses Voodoo-Element bereinigt. Statt die Outperformance der Vergangenheit geradezu mythisch zu überhöhen, wird nüchtern eine wichtige Voraussetzung für selbige herausgearbeitet. Der Active Share ist ein nützliches Tool unter vielen, das Investoren und Analysten zur Verfügung steht, um die Güte eines Fonds zu beurteilen. Er ist eine notwendige, aber keine hinreichende Bedingung für den Anlageerfolg.

Das Beta: Schillernder Gegenpart zum Alpha

Das bringt uns zum zweiten Buchstaben im griechischen Alphabet, dem Beta. Es steht für die Macht des Marktes. Das Beta drückt die Sensitivität eines Fonds gegenüber dem Markt aus. Korrekt umschrieben sagt das Beta aus, inwiefern ein Fonds dem systematischen Risiko eines Marktes ausgesetzt ist, auf dem er agiert. Das Markt-Beta liegt immer bei 1,0. Beträgt das Beta eines Fonds weniger als 1,0 heißt das, dass der Fondspreis weniger sensitiv auf die Bewegung des Marktes reagiert. Ist das Beta eines Fonds größer eins, dann heißt das, dass der Fonds stärker mit dem Markt „mitgeht“. 

Aber was ist das Beta genau? Jetzt wird es kurz ein wenig technisch. Um die Marktsensitivität eines Fonds in einer bestimmten Periode zu messen, dividiert man die Kovarianz des Fonds durch die Varianz des Marktes. Die Kovarianz drückt das direktionale Verhältnis zwischen dem Preis des Fonds und dem Marktkurs aus. Ist die Kovarianz positiv, bedeutet das, dass sich Fonds und Markt in dieselbe Richtung bewegen. Ist die Kovarianz negativ, dann bewegen sich Fonds und Markt in unterschiedliche Richtungen. (Das ist, nebenbei bemerkt, der Stoff, aus dem die Diversifikation gemacht ist). 

Daraus wird ersichtlich, dass es sich beim Beta funktional um ein Risikomaß handelt. Wir erinnern uns, dass der Erfolg eines Fonds typischerweise nicht absolut, sondern relativ zu seinem Markt gemessen wird. Wir erinnern uns, dass bei der Kalkulation von Jensen’s Alpha Fonds mit relativ niedrigen Markt-Sensitivitäten gegenüber solchen mit einer hohen Marktsensitivität begünstigt werden. Je größer das Beta eines Fonds ausfällt, desto höher ist der Multiplyer der Marktrendite, was das mit dem Alpha schwieriger macht. Halten wir also fest, dass das Beta das relative Risiko eines Fonds ausdrückt. In der Kalkulation weiterer Kennzahlen, etwa des Treynor Ratios, wird ein hohes Beta penalisiert.

Das Problem mit dem Beta: Anleger lieben Kurse, die nach oben schwanken!

Womit zur Kritik am Beta als Risikomaß kommen. Es differenziert nicht zwischen den Aufwärts- und Abwärtsbewegungen von Fonds. Fondsanleger lieben es, wenn die Performance-Freiheit nach oben grenzenlos ist. Das spiegelt sich in den Präferenzen vieler Investoren wider. Technologie- und Growth-Aktien sind nicht zuletzt deshalb immer wieder beliebt, weil ihr hohes Beta die Hoffnung auf hohe Gewinne im Vergleich zum Markt weckt. Dagegen weisen die Aktien von Versorgern und Telekoms eher ein niedriges Beta auf. Kursphantasie ist also ein anderes Wort für die Hoffnung auf ein hohes Beta. 

Doch bekanntermaßen können die Kurse von Wertpapieren auch fallen. Und hinter einem hohen Beta steht bei so manchen Fonds ein überdurchschnittlich hohes Verlustrisiko. Das Beta ist also in seiner undifferenzierten Fixierung für die Taxierung des Fonds-Risikos zu wenig aussagekräftig. (Das ist bei ETFs anders; diese müssen ein Marktbeta von sehr nahe 1,0 haben, weil sie schließlich die Aufgabe haben, den Markt abzubilden.) 

Das Bull und das Bear Beta

Eine mögliche Lösung des Beta-Problems wäre eine Differenzierung nach dem Beta in Aufwärts- und dem in Abwärtsphasen. Das sogenannte Bull Beta misst die Sensitivität eines Fonds in einem Aufwärtsmarkt. Hier gilt das Motto: Je höher der Wert über 1,0 ist, desto besser. Indes misst das Bear Beta die Sensitivität eines Fonds in Abwärtsphasen. Hier ist ein Wert von deutlich unter 1,0 wünschenswert, weil das eine geringe Abwärtsneigung eines Fonds signalisiert.

So willkommen diese Differenzierung ist, so wenig belastbar ist die Unterscheidung zwischen Bull und Bear Beta für die Prognose der künftigen Fonds-Entwicklung. Die künftigen Marktzyklen können sich anders darstellen als die Marktzyklen der Vergangenheit. Ein gutes Beispiel liefert das Verhalten von Nebenwerten. Bis 2021 lieferte die Beimischung von den Aktien kleiner Unternehmen in Standardwertefonds einen positiven Effekt. Small und Midcaps lieferten eine besser Performance als der breite Markt. 

Das hat sich nach der Zinswende gründlich verändert. Die hohen Zinsen belasteten Nebenwerte überproportional. Das schlug sich negativ auf die Performance nieder. Ein hohes Bull Beta in der Hausse geht bei der Stilkonsistenz eines Fonds in der Regel mit einem hohen Bear Beta in der Baisse einher. Das erklärt, warum viele Fonds, die niedriges Beta haben, oftmals erfolgreicher sind als Fonds mit hohem Beta. Weil keiner die künftige Marktrendite prognostizieren kann, sind das Bull und das Bear Beta schwer voneinander zu isolieren. Das ist zugleich das Erfolgsrezept des Low Volatility Faktors.

Eine mögliche Alternative zum Beta: der maximale Verlust

Der maximale Verlust ist eine alternative Risikokennzahl. Sie bestimmt den Abstand zwischen dem höchsten und dem tiefsten Fondspreis innerhalb einer bestimmten Periode. Sie gibt ein plastisches Bild des Verlusts, der im schlimmsten Fall auf Anleger zukommen könnte. Im Gegensatz zum abstrakten Beta gibt der maximale Verlust Otto-Normalanlegern eine klare Vorstellung über das mögliche Ausmaß von Verlusten in einer Baisse. 

Der maximale Verlust spiegelt das Verhalten vieler Anleger wider. Sie steigen ein, nachdem ein Fonds bereits eine hohe Performance erzielt hat, also am Kurshoch. Wenn dann die Kurse einbrechen, verkaufen viele Anleger auf dem Tiefpunkt. Sie liefern damit die beste Umschreibung dieser Kennzahl: Der maximale Verlust misst den Abstand zwischen absolutem Kurshoch und dem absoluten Tief. 

Im Kontext von Portfolios, die mehrere Fonds enthalten, liefert der maximale Verlust zudem im Gegensatz zum Beta eine gute Übersicht über die absoluten Verlustrisiken. Das Beta misst das Risiko eines Fonds relativ zu seinem Referenzmarkt. Die Summe der Fonds-Betas im Portfolio geben Anlegern keinen Anhaltspunkt über die Worst-Case-Entwicklung ihrer Fonds in einer Baisse.

Das gilt erst recht für ETFs, die ja „der Markt“ sind. Hier ist der maximale Verlust eine viel wertvollere Risiko-Kennzahl, da das ETF-Beta immer bei oder sehr nahe 1,0 liegen wird.

Fazit

Das Alpha und das Beta spiegeln die Möglichkeiten und Grenzen von quantitativen Fondskennzahlen wider. Es handelt sich um nützliche Kennzahlen. Anleger müssen sie nicht berechnen können, aber sie sollten in der Lage sein, die Implikationen der Kennzahlen, die möglichen Pfade, zu verstehen.

Eine Reaktion der Finanzwissenschaft auf (zwingend) unvollständige Abbildung der Realität durch Finanzkennzahlen war es, weitere Kennzahlen zu erfinden. Kennzahlen wie die Sharpe-, Sortino-, Treynor-, Sterling- oder Calmar-Ratios decken den Zusammenhang zwischen Risko und Rendite auf unterschiedliche Weisen ab, die allesamt ihre Berechtigung haben. Allerdings können auch diese Kennziffern kein vollständiges Bild über die Risiken und Chancen eines Investments liefern.

Alle quantitativen Rendite- und Risikokennziffern aus den Kursbewegungen von Wertpapieren leiten sich aus der Vergangenheit ab. Das macht sie blind für die Zukunft. Sie geben in Summe ein gutes Gefühl für das Verhalten von Fonds in verschiedenen Marktphasen. Aber die Vergangenheit ist nicht nur vergangen, sondern auch mausetot. Am Ende ist die Diversifikation der beste Retter der Renditen: Wer auf verschiedene Anlageklassen und Märkte setzt, schöpft deren Performance-Potenzials aus und reduziert zugleich das Risiko, alles auf die falsche Karte zu setzen. 

*Bei diesem Text handelt es sich um eine leicht editierte Fassung des ursprünglich am 02. Februar 2022 erschienen Beitrags.

Disclaimer

Dieser Beitrag stellt eine Meinungsäußerung und keine Anlageberatung dar. Bitte beachte die rechtlichen Hinweise.

Autor

  • Ali Masarwah

    Ali Masarwah ist Gesellschafter-Geschäftsführer der Fondsplattform envestor.de und schreibt auch Kolumnen über Investmentthemen für The Digital Leaders Fund. Anleger-orientiertes Research ist seit über 20 Jahren Alis Ding. Vor seiner Zeit bei envestor.de war er zehn Jahre lang bei Morningstar, wo er für die Personal Finance Websites des Analysehauses in Deutschland verantwortlich war. Als Experte für Anlagethemen ist er ein gefragter Ansprechpartner für Finanzmedien im deutschsprachigen Raum.

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Ali Masarwah

Ali Masarwah ist Gesellschafter-Geschäftsführer der Fondsplattform envestor.de und schreibt auch Kolumnen über Investmentthemen für The Digital Leaders Fund. Anleger-orientiertes Research ist seit über 20 Jahren Alis Ding. Vor seiner Zeit bei envestor.de war er zehn Jahre lang bei Morningstar, wo er für die Personal Finance Websites des Analysehauses in Deutschland verantwortlich war. Als Experte für Anlagethemen ist er ein gefragter Ansprechpartner für Finanzmedien im deutschsprachigen Raum.

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