Fünf Tipps für Anleger zum Jahresanfang

11. Januar 2023

Weil der Jahresanfang die Zeit ist, finanzielle Vorsätze zu treffen und das Portfolio kritisch zu prüfen, bringen wir fünf Tipps, die Anlegern helfen können, bessere Entscheidungen zu treffen. Warum aus Schaden klug zu werden nicht heißt, dass Performance-Schäden immer vermieden werden können – und warum das auch gut so ist.

Zunächst der wichtigste Neujahrestipp von allen: Ohne Gesundheit ist auch die schönste Performance nichts, also weg mit den Glimmstengeln! So, und nun zu den fünf Anlegertipps. Wer noch einen Blick auf die Performance für Anleger in Deutschland wichtige Märkte 2022 werfen möchte, kann sich weiter unten eine Tabellen zur Performance herunterladen; sortiert nach Jahresrendite in Euro, ergänzt um die Performance in der jeweiligen Basiswährung. Die Währungsvolatilitäten haben in Teilen erstaunliche Wirkungen in 2022 gezeigt!

Die Rezession kommt? Kein Grund zur Panik

Aller Voraussicht nach werden die wirtschaftlichen Aktivitäten in Europa und den USA in diesem Jahr erlahmen. Unternehmensgewinne werden zurückgehen, der Konsum und die Investitionen der Unternehmen sinken, und die Arbeitslosigkeit wird steigen. Man spricht von einer Rezession, wenn das Bruttoinlandsprodukt zurückgeht. Die ist auch unschön für Aktienanleger. Sie reagieren mit Verkäufen, weil sie das Risiko im Portfolio reduzieren wollen. Das ist 2022 reichlich passiert. Aktienindizes sind weltweit gefallen – vor allem in den USA. Die Weltbank hat diese Woche eine düstere Aussicht für die Weltwirtschaft für 2023 veröffentlicht und dabei die Wachstumsaussichten für 95 Prozent aller entwickelten Länder und 70 Prozent der Emerging Markets gekürzt. Aber Anleger sollten zwei Sachen bedenken: wenn ihre Rezessionserwartungen in der Erfahrung der Finanzkrise 2008/9 verankert sind, ist das aller Voraussicht nach übertrieben. Eine Rezession kann auch “technisch” sein und nur einen leichten BIP-Rückgang in zwei aufeinanderfolgenden Quartalen umfassen. Zum anderen müsst Ihr Euch bewusst machen, dass Aktienkurse einen frühzyklischen Indikator darstellen. Wenn die erwartete Rezession da ist und alle in Cash umgeschichtet haben, dann springen oftmals die Kurse an. Besonders dann, wenn sie flacher ausfällt als allgemein erwartet. Dann sind viele Anleger auf Erholung gepolt, und dann ist die eingetretene Rezession schon Schnee von gestern. Dann hat verloren, wer nicht investiert geblieben ist – ein typischer Anlegerfehler. Das konnte man am Beispiel des Parteitags der KP Chinas beobachten. Als Xi Jinping Ende Oktober im Amt bestätigt wurde, sahen sich China-Pessimisten bestätigt. Aber hiernach haben sich China Aktien um gut 30 Prozent erholt. Daher kann zu viel Pessimismus auch gefährlich für die Performance sein. (Übrigens erwarten Volkswirte laut den Daten von Consensus Economics für den Euroraum 2023 eine flache Rezession).

Der Zins ist zurück! Anleihen sind ein zweiter Blick wert

Cash war in den vergangenen Jahren King, wenn es um die defensive Komponente von Portfolios ging. Sogar das Pantoffel-Portfolio der Stiftung Warentest wurde in den vergangenen Jahren auf der konservativen Seite mit Cash und nicht mit Anleihen bestückt. Viele Anleger haben sich schon vor Jahren angesichts steigender Bonitäts- und Laufzeitrisiken von Anleihen getrennt, und ihre Befürchtungen wurden vom historischen Bond-Crash 2022 sogar übertroffen. Deutsche Bunds verloren gut elf Prozent, Euro-Anleihen brachen um mehr als 17 Prozent ein. Das ist schmerzlich, hat aber dazu geführt, dass die Renditen von Anleihen gestiegen sind, was ihre Attraktivität erhöht. Und weil Anleihen mehr Performance-Potential haben, sind sie als Diversifikation für Aktien wieder attraktiv, zumal die Inflationserwartungen sinken. Heute sind Renditen von vier bis fünf Prozent pro Jahr mit sicheren Anleihen machbar. Noch im März 2022 war die Umlaufrendite negativ, aktuell rentieren bonitätsstarke deutsche Anleihen mit knapp 2,3 Prozent. Cash ist heute alles andere als königlich, auch wenn jüngst eine Handelsrepublik zwei Prozent auf Tagesgeldkonten ausgerufen hat.

Portfolios ausmisten, aber mit Bedacht

Auch wenn es Anlegern offen steht, zu jeder Jahreszeit ihre Portfolios kritisch zu prüfen, ist typischerweise im Januar großes Aufräumens angesagt. Nicht logisch, aber sei’s drum. Einmal im Jahr das Portfolio Ausmisten kann eine Prima-Sache sein: Rebalancing vornehmen, schlechte Entscheidungen revidieren und fertig. In diesem Jahr kann das aber ein heikles Unterfangen sein. Denn viele Anleger sind noch von den schlechten Erfahrungen 2022 geprägt. Das kann zur Folge haben, dass die Verlierer des Kalenderjahres gnadenlos ausgemistet werden. Das kann ein Fehler sein. Eine Verkaufsdisziplin ist zwar wichtig, aber diese sollte sich nicht nach der Vergangenheits-Performance richten, sondern auch qualitative Faktoren einbeziehen. Wenn der zugrunde liegende Markt gefallen ist, kann der dazugehörige Fondsmanager nun mal keine Gewinne erzielen. Bei guten Growth-, Anleihen- oder Emerging-Markets-Fonds lohnt es sich eher nachzukaufen. Ende 2021 waren Small Value Fonds qualmende Ruinen. Anleger waren noch auf Growth-Werte fixiert. Was haben Anleger Anfang 2022 gekauft und wer war der Gewinner des Jahres 2022? QED! Die Performance von morgen wird vom Ankaufskurs von heute bestimmt.

Schrott bleibt Schrott

Nein, Kryptos sind keine gute Investmentidee, und dass 2022 die Kurse vieler sogenannter Währungen um bis zu 99 Prozent gefallen sind, sollte nicht als Kaufgelegenheit (miss-)verstanden werden. (Der Bitcoin-Preis ist um 65 Prozent eingebrochen.) Kommt wieder? Angesichts der Volatilität dieser puren Spekulationsobjekte sollten sich Anleger zurückhalten und wirtschaftlich produktiven Assets zuwenden. 

Diversifikation ist König, aber zu viele Könige verderben den Brei

Der römische Kaiser Diokletian war einer der Urväter des Diversifikationsgedankens. Weil das Reich im dritten Jahrhundert unregierbar wurde, installierte er das System der Tetrarchie. Vier Herrscher im Kaiserrang sollten die Stabilität sichern, und der gute Mann dankte im Jahr 305 guten Gewissens ab. Leider fanden seine Nachfolger die Regelung nicht so gut, und nach einigen Bürgerkriegen übernahm Konstantin die Alleinherrschaft. Diversifikation ist bei Investments dagegen meistens prima, aber zu viel Diversifikation kann bestenfalls ineffizient sein (Handelskosten, siehe Rebalancing; Beliebigkeit der Auswahl). Im schlimmsten Fall kann es gefährlich sein, zu viele Titel im Depot zu führen. Überdiversifikation kann Scheinsicherheit bringen, weil dahinter die Akkumulation schlechter Risiken stecken kann – siehe die Jagd nach „unkorrelierten Renditen” am Krypto-Markt. Mehr ist also nicht immer mehr. Außerdem sind riskante Assets in Krisenzeiten zumeist hoch korreliert. Dann hat es sich mit Diversifikation. Eine grobe Faustregel lautet, dass jeder Bestandteil des Portfolios einen Performance-Effekt auf der obersten Ebene haben sollte. Wie das übersetzt wird, ist eine individuelle Entscheidung, aber mir erscheint es nicht sinnvoll, bei Einmalanlagen weniger als 10.000 Euro pro Fonds zu investieren. Die Regel gilt natürlich nicht bei Sparplänen, aber wer absehbar wenig Geld entbehren kann, sollte sich auf eine Handvoll Fonds oder ETFs beschränken. Und auch wer ein Portfolio von 100.000 Euro und mehr bewirtschaftet, braucht keine zehn Fonds. Wichtiger ist es, sich auf klar abgrenzbare Asset-Klassen zu konzentrieren: Aktien, Anleihen, Cash, Rohstoffe und/oder Gold, fertig ist das diversifizierte Portfolio!

2022 Performance wichtiger Märkte Tabelle

Abonniere hier unseren kostenfreien Newsletter

Disclaimer

Dieser Beitrag stellt eine Meinungsäußerung und keine Anlageberatung dar. Bitte beachte die rechtlichen Hinweise.

Autor

  • Ali Masarwah

    Ali Masarwah ist Gesellschafter-Geschäftsführer der Fondsplattform envestor.de und schreibt auch Kolumnen über Investmentthemen für The Digital Leaders Fund. Anleger-orientiertes Research ist seit über 20 Jahren Alis Ding. Vor seiner Zeit bei envestor.de war er zehn Jahre lang bei Morningstar, wo er für die Personal Finance Websites des Analysehauses in Deutschland verantwortlich war. Als Experte für Anlagethemen ist er ein gefragter Ansprechpartner für Finanzmedien im deutschsprachigen Raum.

    Alle Beiträge ansehen
Picture of Ali Masarwah

Ali Masarwah

Ali Masarwah ist Gesellschafter-Geschäftsführer der Fondsplattform envestor.de und schreibt auch Kolumnen über Investmentthemen für The Digital Leaders Fund. Anleger-orientiertes Research ist seit über 20 Jahren Alis Ding. Vor seiner Zeit bei envestor.de war er zehn Jahre lang bei Morningstar, wo er für die Personal Finance Websites des Analysehauses in Deutschland verantwortlich war. Als Experte für Anlagethemen ist er ein gefragter Ansprechpartner für Finanzmedien im deutschsprachigen Raum.

Aktuelle Beiträge

Schreibe einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert

Neueste Beiträge

Tags

Neuste Kommentare

Twitter

Instagram