Futu Holdings: Halbe Sachen nur beim Preis

9. September 2021

Futu Holdings Aktie

Futu (bedeutet auf Chinesisch “so viele wie der Weg zum Reichtum”)  ist ein digitaler Broker und Vermögensverwalter mit Fokus auf Hongkong, Singapur, Südostasien und die USA. Das Unternehmen ging im März 2019 zu einem Kurs von 12 Dollar an der Nasdaq an die Börse und erreichte im Februar dieses Jahres ein Allzeithoch von rund 200 Dollar. Die Kursturbulenzen in China gingen an dem Broker erwartungsgemäß nicht spurlos vorbei; der Kurs brach um die Hälfte ein und liegt aktuell bei unter 100 Dollar. Wir wollen prüfen, wie der aktuelle Kurs zur Bewertung und zum Ausblick passt.

Futu Holdings Aktie Kurs Chart
Futu Holdings Aktie Kursentwicklung seit dem IPO. Quelle: Bloomberg

Futu Holdings Unternehmen

Das Unternehmen wurde 2009 von Leaf Hua Li, dem Chairman, CEO und kontrollierenden Aktionär, gegründet. Li war der Mitarbeiter Nummer 18 bei Tencent. Es war 2004, dem Jahr, in dem Tencent in Hongkong an die Börse ging, als sich Li nach eigenen Aussagen entschied, es den Brokern dort zu zeigen. Er sei vom primitiven Interface und dem oberflächlichen Service der Broker schockiert gewesen, so Li. 

Li, 45 Jahre jung, kontrolliert das Unternehmen auch heute noch mit 37 Prozent der Aktien und 68 Prozent der Stimmrechte. Daneben hält sein ehemaliger Arbeitgeber Tencent 23 Prozent. Das Management besitzt 1 Prozent der Anteile. 39 Prozent befinden sich im Free Float.

Die Investition von Tencent hat mehr als rein finanziellen Wert. Der Tencent Name im Hintergrund schafft Vertrauen. Nach dem Einstieg von Tencent fiel der Anteil der Kundendepots mit weniger als 150 000 Hong Kong Dollar Einlagen merklich. Außerdem hilft die Verbindung beim Gewinnen von Kunden im Bereich von ESOPs (Mitarbeiterbeteiligungsprogrammen).

Futu Firmenhistorie im Überblick
Futu Firmenhistorie im Überblick. Quelle: Futu

Futu positioniert sich mit der App NiuNiu (bedeutet übersetzt  “BulleBulle”) zeitgemäß als Community anstatt als reines Trading Tool. Das Firmenmotto lautet dementsprechend  „make investing easier and not alone”, ein Hinweis auf die Einbindung eines interaktiven Elements, um der Einsamkeit des Investierens entgegenzuwirken. Das funktioniert, engagierte Communities tendieren dazu, deutlich mehr zu handeln, laut Management 20 Mal mehr.

Das Futu Geschäftsmodell

Das Unternehmen hat eine Lizenz für Hongkong. Es werden damit jedoch nicht nur die Einwohner der ehemaligen britischen Kronkolonie, sondern auch Festlands-Chinesen mit einem Konto in Hongkong beziehungsweise Kunden im Ausland angesprochen.

Kundenmix Ende 2020 (vor der Expansion nach Singapur)

Futu wendet sich an eine relativ junge Zielgruppe; das Durchschnittsalter der Kunden liegt bei 37 Jahren. China gilt übrigens das Land der Zocker, der Anteil der Retail Investor am Börsenhandel ist im internationalen Vergleich sehr hoch. Ein lukrativer Markt.

Anteil von Retail Kunden am Börsenhandel im internationalen Vergleich. Quelle: Nationale Börsen

Die Firma begann zunächst mit dem Handel von in Hongkong gelisteten Aktien und expandierte das Angebot anschließend auf die anderen wesentlichen Aktienmärkte, vor allem aber lokale chinesische Aktien via Stock Connect sowie US-Aktien, die heute fast zwei Drittel des Handelsvolumens ausmachen. Dabei sind nur 15 Prozent der gehandelten US-Aktien chinesische ADR. Die Handelsgebühren sind deutlich niedriger als die der Konkurrenz.

Handelsgebühren im Vergleich. Quelle: APP Preisliste

Transformation zum Allfinanzdienstleister – was macht Futo Holdings?

Dem Erfolg des Brokers folgte die Transformation zu einem Allfinanzdienstleister, der Trading, Wealth Management, Marktdaten & Informationen, soziale Interaktion und Emittentendienstleistungen unter ein Dach bringt.

Die gesamte Clearing-Wertschöpfungskette wird in-house durchgeführt, auch in den USA, wo das Unternehmen eine Clearing-Lizenz hat. Dazu gehören Clearing, Settlement und Custody. Dadurch verbleibt die sogenannte Clearing Marge, die ansonsten extern bezahlt werden müsste, im Haus. Gleichzeitig sinken die Kosten der Finanzierung von Wertpapierkrediten und es werden mehr Zinsen auf Kundeneinlagen generiert.

Futu hat mittlerweile 15 Millionen registrierte Community User; über die letzten beiden Jahre konnte man hier ein CAGR von 60 Prozent verzeichnen.

Starkes Wachstum bei den Nutzern. Quelle: Futu

Wealth Management

Das Wealth Management Futu Money Plus bietet in Partnerschaft mit 50 globalen Asset Management Gesellschaften über 100 Investmentfonds an. Die Gesellschaft hat zum Ende des zweiten Quartals 74 000 Kunden und 13,8 Milliarden Hong Kong Dollar an Assets und ist damit noch relativ klein.

Internationale Expansion

Die Firma expandiert aber auch international mit der App MooMoo, der internationalen Version von NiuNiu. Dabei liegt der Fokus vor allem auf Singapur, wo Li im Mangel an entwickelten mobilen Angeboten und sehr hohen Gebühren Chancen wittert, das Geschäftsmodell direkt zu übertragen. Singapur weist mit Hongkong bemerkenswert viele Gemeinsamkeiten auf. Sie sind vergleichbar mit Blick auf Historie (beides waren britische Kronkolonien), Größe, Bevölkerungszahl, Altersstruktur und Wirtschaftsleistung und sie gehören, last but not least, zu den führenden asiatischen Finanzplätzen. Laut Global Financial Centers Index steht Singapur mit nur einem Punkt und Platz Rückstand auf Hongkong mit 740 Punkten an fünfter Stelle der 114 bewerteten Finanzmetropolen. Den AuM im Asset Management in Hongkong in Höhe von 4,5 Billionen Dollar standen zum Jahresende 3,5 Billionen Dollar in Singapur gegenüber. Die Expansion macht daher unseres Erachtens absolut Sinn.

Aber auch die USA werden vom Management als Priorität genannt, wo Futu auf eine Lücke zwischen den auf Neulinge ausgerichteten Online-Brokern mit einfachem Interface und den Platzhirschen mit einem unzureichenden mobilen Angebot setzt. Laut Morgan Stanley hatte man 2020 in dem kompetitiven Markt einen beachtlichen Marktanteil von 1.6 Prozent.

Personalstrategie

Aufschlussreich ist die Analyse der funktionalen Personalverteilung. Von den 1315 Mitarbeitern per Ende 2020 entfallen 919 auf Research und Development, ein Anteil von 70 Prozent. In Customer Services (125) und Marketing (139) entfallen dagegen nur jeweils zehn bzw. elf Prozent (der Rest ist Verwaltung).

Mit 1199 waren über 90 Prozent der Mitarbeiter in China beschäftigt. In Hongkong waren es immerhin noch 91, gefolgt von 21 in den Vereinigten Staaten und 4 in Singapur.

Das zeigt eindrucksvoll, wie technologiegetrieben das Unternehmen ist und somit auf deutlich weniger Personal mit Kundenkontakt angewiesen ist.

Regelmäßige App Updates

Das Unternehmen legt hohen Wert auf continuous deployment, so das neue App releases in höherer Frequenz passieren mit entsprechend positiver Auswirkung auf das App Rating.

Apple Store China Updates in den letzten 90 Tagen im Vergleich. Quelle: Apple store
App store Scoring. Quelle: Apple store

B2B Geschäft

Auch das B2B Geschäft von Futu ist spannend. Futu strebt bei IPOs an, die ESOP Konten der Mitarbeiter zu verwalten. Nach Aussagen des Managements kommt man hier aktuell auf einen Marktanteil von über 80 Prozent. Die langfristige Bindung der Mitarbeiter dieser Unternehmen ist natürlich ein genialer Schachzug für die Kundenakquise. Allerdings leidet dieses Geschäft massiv an den aktuellen regulatorischen Maßnahmen, die das IPO-Geschäft deutlich reduziert haben. Gleichzeitig ist der aktuelle Trend zum Hong Kong listing für Futu positiv.

Die Futu Zahlen

Der Umsatz ist in den letzten Jahren mit atemberaubender Geschwindigkeit auf zuletzt 437 Millionen US-Dollar gewachsen und der Konsensus schreibt dies auch fort. Allerdings war der Rückgang im zweiten Quartal mit minus 29 Prozent aufgrund eines starken Rückgangs der Handelsaktivität dramatisch, wenn auch nicht verwunderlich, da chinesische Wertpapiere an den Assets doch immerhin die Hälfte ausmachen und die Umschlaghäufigkeit in fallenden Märkten deutlich sinkt. Die Marktreaktion war entsprechend auch verhalten, die Aktie schloss nach Bekanntgabe der Zahlen leicht im Plus.

Umsatzwachstum seit 2016. Quelle: Futu

Das Unternehmen profitierte dabei noch von einer sensationellen Steigerung der Kundenzahl gegenüber dem Vorquartal von 25 Prozent und erreichte damit erstmals die Marke von einer Million.

Entwicklung der Konten und der aktiven Konten. Quelle: Futu

Besonders wichtig ist dabei: Das Conversion Ratio (zahlende Kunden versus Community Mitglieder) steigt damit weiter auf 6,5 Prozent, noch vor zwei Jahren waren das nur 2,6 Prozent.

Stetig steigender Anteil der zahlenden Kunden an den Usern

Dabei machte sich die internationale Expansion in den Zahlen deutlich bemerkbar, da die Hälfte der Neukunden aus Singapur kamen. Die AuM für die neuen Kunden in Singapur sind mit 6000 Dollar zwar auf einem niedrigen Niveau, wachsen allerdings stark. So haben sich die Assets der März/April Kohorte der Kunden bereits verdoppelt.

Das Potenzial ist aber bei weitem nicht ausgereizt, Goldman Sachs schätzt das Marktpotential für Futu auf 40 Millionen Kunden. Die Kosten für die  Kundenakquisition stiegen auf 232 Dollar, ein Plus von 20 Prozent gegenüber dem Vorjahr. Hier erwartet das Management eine Stabilisierung.

Der Ausblick für das dritte Quartal war im Management Call konstruktiv: Man sah im Kundenstamm verstärkt Bottom Fishing, nachdem diese im zweiten Quartal eher passive zugeschaut hatten. Gegenüber dem zweiten Quartal wächst man wieder. Um die für 2021 geschätzte Milliarde Dollar an Umsatz zu knacken, wird es jedoch zumindest eines moderaten Aufschwungs am chinesischen Markt bedürfen. Im langfristigen Trend ist das aber nicht kriegsentscheidend, denn das Unternehmen sollte weiter phänomenal wachsen, der Konsensus für 2024 liegt bei einem Umsatz von 2,6 Milliarden Dollar.

Umsatzaufteilung zweites Quartal 2020. Quelle: Futu

Der Umsatz verteilt sich hälftig auf die Handelsgebühren und zu knapp 40 Prozent auf Zinseinkommen. Unter sonstigem Einkommen verstecken sich hauptsächlich Einkünfte aus Gebühren im Zusammenhang mit Börsengängen.  

Das  Zinseinkommen setzt sich wiederum hälftig aus der Finanzierung von Wertpapierkrediten zusammen, der Rest entfällt auf IPO Finanzierung, Wertpapierleihe und Bankeinlagen. Die Durchdringung mit Margin Krediten im Vergleich zu Assets liegt dabei bei noch moderaten 6,6 Prozent.

Aufteilung des Zinseinkommens 2020. Quelle: Futu Jahresbericht 2020

Sensationell ist auch die Entwicklung der Bruttomarge, die bei über 80 Prozent angekommen ist. Wir erwarten auch, dass dies zukünftig so bleibt.

Bruttomarge seit 2016. Quelle: Futu

Beim Nettoerlös sieht man hingegen die Delle im 2. Quartal deutlich. Für das Erreichen des Konsensus von 460 Millionen Dollar für das Gesamtjahr wird ein positives Marktumfeld entscheidend sein. Im langfristigen Kontext ist das nur bedingt relevant, denn für 2024 werden 1,3 Milliarden erwartet.

Nettoergebnisse seit 2016. Quelle: Futu

Das Geschäft mit Investmentfonds ist noch relativ klein und trug gerade einmal zwei Prozent zum Umsatz im Jahre 2020 bei. Dieses Geschäft wird mit dem Vermögen der jungen Kundengruppe aber mittelfristig deutlich wachsen.

Die Bewertung

Im Vergleich mit dem bekannten US-Counterpart Robin Hood sind die Assets pro Kunden mit 28.000 fast sechsmal so hoch.

Wie man im Vergleich mit der Peer Group, allen voran Robin Hood sieht, ist das Wachstum von Futu phänomenal und hebt das Unternehmen von der Konkurrenz ab. Einzig XP, auch im Fonds vertreten, kann da mithalten.

Die Rule of 40 Werte von Futu sind daher stabil und auch in der absehbaren Zukunft weit über 100 und das KGV von 33 vollkommen gerechtfertigt, insbesondere da vom Markt eine Vervierfachung der Gewinne in den nächsten 3 Jahren erwartet wird.

Kennzahlen Vergleich Futu, XP, Robin Hood und Interactive Brokers. Quelle: Bloomberg

Risiken

Die Anteile an der separaten und für die Produktion zuständige Gesellschaft in China wird aus regulatorischen Gründen nicht von der Gesellschaft gehalten, die Anteile werden vielmehr im Privatvermögen vom Chairman und seiner Frau gehalten. Es gibt zwar zahlreiche Verträge, die die Kontrolle und Rechtssicherheit gewährleisten sollen, ein Risiko besteht aber bei solchen Konstrukten dennoch.

Außerdem treffen wir bei Futu wie immer bei US-Listings auf einen alten Bekannten, die VIE Struktur mit Ihren Bekannten Risiken und Nebenwirkungen. Hier erwarten wir neue Regulierung und mehr Klarheit innerhalb der nächsten 1-2 Monate. Dies dürfte einen positiven Einfluss auf die Volatilität der US ADR haben.

Sollte China außerdem zukünftig beim Kapitalverkehr restriktiver werden, würde sich das stark negativ auf die offshore vorhandenen Kundengelder der Festlandchinesen und damit auch auf Futu auswirken. Dem wirkt die Expansion nach Singapur entgegen.

Futu Holdings Analyse

Das Unternehmen wächst auch in der Zukunft fantastisch und hat bärenstarke Margen. Wenn der chinesische Sturm vorbeizieht, wird die Sicht auf den Weg zum Wohlstand auch für Aktionäre von Futu frei werden. Futu gehört daher zu den Top-Werten im Portfolio des EM Digital Leaders, wenngleich die Aktienvolatilität nichts für schwache Nerven ist. Im langfristigen Chart wird man diese aber dann nicht mehr in dem Umfang erkennen, wie wir sie aktuell von Tag zu Tag erleben.

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Disclaimer

Der EM Digital Leaders Fund und/oder der Autor und/oder verbundene Personen oder Unternehmen besitzen Anteile von Futu. Dieser Beitrag stellt eine Meinungsäußerung und keine Anlageberatung dar. Bitte beachte die rechtlichen Hinweise.

Autor

  • Steffen Gruschka

    Steffen war von 1998 bis 2006 im Fondsmanagement der DWS als Leiter Aktien Osteuropa tätig und dort für bis zu 5 Mrd. Euro AuM verantwortlich. Er wurde für seine Arbeit als Fondsmanager mehrfach prämiert u.a. wurde er von der Zeitschrift Finanzen 2003 mit dem DWS Russia als Fondsmanager das Jahres ausgezeichnet. Anschließend machte er sich in London selbständig und verwaltete über 10 Jahre lang Hedge Fonds. Anfang 2021 stieg er als Partner bei Pyfore Capital ein und ist seither für das Fondsmanagement des EM Digital Leaders verantwortlich.

Steffen Gruschka

Steffen Gruschka

Steffen war von 1998 bis 2006 im Fondsmanagement der DWS als Leiter Aktien Osteuropa tätig und dort für bis zu 5 Mrd. Euro AuM verantwortlich. Er wurde für seine Arbeit als Fondsmanager mehrfach prämiert u.a. wurde er von der Zeitschrift Finanzen 2003 mit dem DWS Russia als Fondsmanager das Jahres ausgezeichnet. Anschließend machte er sich in London selbständig und verwaltete über 10 Jahre lang Hedge Fonds. Anfang 2021 stieg er als Partner bei Pyfore Capital ein und ist seither für das Fondsmanagement des EM Digital Leaders verantwortlich.

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2 Antworten

  1. Guten Tag, beobachte die Aktie noch immer. Die Regulierungen nehmen nun auch bei Futu Formen an, wie sieht es mit einem Update der Einschätzung aus? Oder alles beim Alten?
    Danke und Gruß

    1. Hi Niklas,
      wir denken, dass Futu am Ende de fakto eine lokale Lizenz brauchen und auch beantragen wird.
      Sollte das so kommen, wird die Aktie deutlich steigen.
      Aber auch wir müssen jetzt die Entwicklung abwarten.
      Viele Grüße,
      Steffen

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