Hot Money zerstört Anleger Performance

3. Juni 2021

Hot Money

Hot Money, spekulatives Geld, steuert vor allem volatile Kapitalmarktsegmente an. Mit oftmals verheerenden Folgen für die Anleger Performance. Die persönliche Performance von Investoren hat gerade dort wenig mit der von Fonds und ETFs ausgewiesenen Performance zu tun. Die Hintergründe und Folgen dieser Divergenz.

Hot Money Phänomen

Das „Hot Money“ Phänomen wird zumeist mit kurzfristigen Zinsspekulationen assoziiert, die über verschiedene Länder bzw. Währungsräume unternommen werden. Investoren, die den schnellen Euro machen wollen, verschieben ihr Geld vom Heimatmarkt in Länder mit höheren Zinsen. Oftmals ist auch der Einsatz von Fremdkapital Programm. Doch dieses Phänomen existiert auch am Markt für herkömmliche Anlageprodukte wie Fonds und ETFs. 

Man muss nur die Nachrichten durchforsten, um über Meldungen zur Renditejagd von Anlegern zu stolpern. Etwa zur aktuellsten Rotation von Kryptowährungen zu Meme Stocks, von „langweiligen“ DAX-Titeln zu rasant wachsenden SaaS-Anbietern aus dem Silicon Valley. Das spiegelt sich auch bei Fonds wider. Mal sind Fonds für „Quality“ Stocks gefragt (Johnson & Johnson, Nestle), dann wieder Fonds für zyklische Konsumwerte statt Luxuskonsum, oder Growth statt Value, Emerging Markets statt MSCI World Fonds. Aktuell sind vor allem Themen Fonds und ETFs gefragt. Unabhängig von der Frage, welche Themen gerade gespielt werden: An der Börse gilt das immerwährende Motto: Das Spekulationsrad dreht sich und dreht sich und dreht sich.

Alle heißen Stories haben eines gemein: Sie produzieren wenige Gewinner und viele Verlierer. Die Folgen sind allerdings schwer zu fassen. Nicht, weil es an Informationen mangelte. Jeder von uns, der sich in sein Online-Konto einloggt, wird auf einen Blick seine persönliche Performance erfassen. Oft  wird er damit hadern, dass seine Performance so gar nichts mit der Performance gemein hat, die „seinem“ Asset in den üblichen Performance Ranglisten zugeschrieben wird. „Wieder zu spät eingestiegen, wieder die Story verpasst“, heißt es täglich landauf, landab. Bewegt sich der Fonds oder die Aktie so gar nicht von der Stelle oder sogar in die falsche Richtung, ziehen frustrierte Anleger oft die Reißleine und steigen aus.

Das Hot Money Phänomen ist in der Masse schwer greifbar

Dieses Phänomen ist die Kehrseite vom Hot Money: Aber wie weitreichend ist es, wo schlägt es besonders hart ins Performance Kontor? Wie erfasst man die realen Konsequenzen der täglichen großen und kleinen Spekulation?

Um dem Phänomen des Hot Money auf die Spur zu kommen, muss die persönliche Rendite Erfahrung auf die der Allgemeinheit erweitert werden. Das ist natürlich präzise nicht möglich und auch nicht wünschenswert, da ja immer noch das Bankgeheimnis gilt und wir uns im stillen Kämmerlein für unsere Anlageentscheidungen geißeln können, aber tunlichst nicht öffentlichem Performance Shaming ausgesetzt werden sollten.

Die naheliegende Kennzahl, die reale Investmenterfahrung vieler Anleger zu erfassen, ist die geldgewichtete Rendite, die ich hier als Anleger Rendite bezeichnen möchte. Sie zeigt an, wie die tatsächliche Performance des typischen Investors ausgefallen ist. Um den Ansatz verständlicher zu machen, werde ich ihn anhand aktueller realer Fonds beispielhaft erläutern. Dabei illustriere ich auch die Erfahrungen von Anlegern mit einigen Highflyer Fonds der letzten Jahre.

Anleger Rendite contra Gesamtrendite

Die Standard-Präsentation der Fonds Performance ist der Total Return, auch Gesamtertrag oder schlicht Performance genannt. Die Performance eines Fonds wird in den Zeitungen, den Informationsplattformen und den Fondsprospekten aufgeführt. Beim Total Return handelt sich um die zeitgewichtete Rendite. Sie stellt die Performance eines Fonds dar, unabhängig von der Frage, wie viel Geld in dem Fonds zu welchem Zeitpunkt investiert war. Der Total Return spiegelt mit anderen Worten die Erfahrung von Buy-and-Hold-Anlegern in einem gegebenen Zeitfenster wider.

Die allermeisten Anleger machen allerdings eine andere Erfahrung, weil sie eben nicht stillhalten. Sie kaufen und verkaufen Fonds am laufenden Band. Aus unterschiedlichen Motiven.

Wann kam die Performance für wen zustande?

Im Gegensatz zur zeitgewichteten Rendite ist die geldgewichtete Rendite etwas komplizierter. Weil sie stärker auf die individuellen Erfahrungen von Anlegern abzielt, spielt bei ihrer Berechnung das Fondsvermögen eine wichtige Rolle. Die Entwicklung des Fondsvermögens wird nicht nur durch die Performance, sondern auch durch die Höhe der Mittelzu- und -abflüsse bestimmt. Die Anleger Rendite misst die Performance unter Berücksichtigung der Veränderungen im Fondsvermögen.

Vereinfacht formuliert: Die Anleger Rendite misst die Rendite der sich zeitlich verändernden Geldeinheit, hinter der wiederum die Masse der individuellen Anleger steht. Ist die Differenz zwischen Anleger Rendite und Total Return negativ, spricht man von einer „Rendite Lücke“. Dann dürfte die Anlegererfahrung schlechter sein, als es die Gesamtrendite darstellt. Ist sie positiv, lässt das auf eine überdurchschnittlich gute Anlegererfahrung schließen.

Die Formel für die Berechnung der Anleger Rendite

Formel Anleger Rendite

 

Formel Anleger Rendite

PVO= Zuflüsse (Present Value Outflows); PVI= Abflüsse (Present Value Inflows); CF0= Basisinvestition

 

CF1 CF02 CF03,…,  CF0n= Mittelflüsse in jeder Periode; N= Periode; IRR= Interner Zinsfuß. Quelle: Investopedia

 

 

Zur Verdeutlichung der Folgen des Anlegerverhaltens ein Beispiel. Die untere Tabelle zeigt den Verlauf eines 10.000 Euro-Investments in einem hypothetischen Fonds in einem hypothetischen Kalenderjahr. Anleger A hält den Fonds seit Jahresanfang. Bis Ende August wären dank einer guten Performance aus den 10.000 Euro 14.171 Euro geworden. Dann fielen Verluste an, aber der Fonds beendete das Jahr immer noch mit einem Plus von 3,6 Prozent. Das war auch die Rendite von Anleger A. Doch die Erfahrung der Anleger, die innerhalb dieses Jahres ein- und ausgestiegen sind, fällt anders aus.

 

 
 

 

Tabelle: Anleger Rendite contra Gesamtrendite

 

Anleger Rendite contra Gesamtrendite

 

Renditeangaben in Prozent, Investment in Euro, Fondsvermögen insgesamt in Millionen Euro, Beispielfonds nach dem Morningstar Investor Return Methodology Papier, 2010

 

In unserem Beispiel haben Investoren laufend Fondsanteile gekauft. Per Saldo hatte der Fonds Zuflüsse. Auch in der zweiten Jahreshälfte, in der besonders schwache Monatsrenditen anfielen. Das Fondsvermögen stieg bis Ende Oktober stetig, wie die rechte Spalte der oberen Tabelle zeigt. Die Performance von August bis Dezember fällt also per Geldeinheit stärker ins Gewicht als in der ersten Jahreshälfte, als das Fondsvermögen geringer war. Das drückt auf die Rendite der durchschnittlichen Geldeinheit, hinter der natürlich reale Investoren stehen.

 

Weil das Fondsvermögen in der zweiten Jahreshälfte größer war als in der ersten und die Performance schwächer, trübt sich das Bild insgesamt ein. Während unser Buy-and-Hold-Guy ein Plus von 3,6 Prozent erwirtschaftete, lag die Anleger Rendite insgesamt bei minus 10,98 Prozent. Das war die durchschnittliche Rendite der Geldeinheit über die gesamte Periode.

Hohe Volatilität an den Märkten seit 2018 verhagelt vielen Anlegern die Performance

Schauen wir nun auf die Erfahrungen, die Anleger in einigen Fonds in den vergangenen drei Jahren gemacht haben. Die untere Tabelle zeigt die zehn Aktienfonds mit der höchsten Dreijahresrendite. Die Tabelle lest Ihr von links nach rechts: Neben Fondsnamen und Wertpapierkennzahl (ISIN) und Fondskategorie folgt die Gesamtrendite (Total Return), weiter rechts die Anleger Rendite. Grüne Zahlen in der Spalte “Rendite Lücke” bedeuten, dass die tatsächliche Anlegerrendite sogar größer als die ausgewiesene Gesamtrendite war.

Renditeangaben in Prozent und jährlich, Rendite-Lücke in Punkten und pro Jahr, Daten per 31.5.2021. Quelle: Morningstar

Die Performance des Green Benefit Global Impact Fund P fiel in den vergangenen drei Jahren spektakulär aus mit einem Plus von gut 40 Prozent pro Jahr. Doch die kam nur denen zugute, die seit Juni 2018 dabei waren, und das waren nur sehr wenige Anleger. Gerade einmal 1,5 Millionen Euro waren damals in der Tranche dieses Fonds investiert.

Volatile Kategorien machen aus Anlegern Market Timer

Nach einem schwachen Gesamtjahr 2018, war die Performance des Green Benefit Impact Fund P 2019 mit einem Plus von gut 75 Prozent sensationell gut. Die starke Rendite zog im Jahr 2020 Mittelflüsse von gut 50 Millionen Euro an. In dem Jahr stieg die Fonds Performance um sage und schreibe 171 Prozent. Dasselbe Muster wiederholte sich im bisherigen Jahresverlauf: In den ersten fünf Monaten 2021 investierten Anleger netto knapp 80 Millionen Euro, was das Vermögen dieser Fondstranche auf gut 140 Millionen Euro hochtrieb.

Doch mit einem Minus von knapp fünf Prozent in diesem Jahr fiel die Performance deutlich schlechter aus als in den Vorjahresperioden. In der Zeit, in der das meiste Kapital in dem Fonds investiert war, wurde eine deutlich geringere Performance als 2020 und 2019 erzielt. Mit der Folge, dass die Anleger Rendite insgesamt sehr viel geringer war als die ausgewiesene Gesamtrendite, die nur von einer sehr geringen Zahl an Investoren vereinnahmt wurde.

Stetige Zuflüsse glätten die Volatilität der Zuflüsse

Ähnlich groß war die Differenz zwischen Gesamtrendite und Anleger Rendite im Heptagon Driehaus US Micro Cap Equities, der pro Jahr seit Mai 2018 um durchschnittlich 35 Prozent zulegte. Die Anleger Rendite lag indes nur bei 16 Prozent pro Jahr. Auch beim Stabilitas Gold + Ressourcen lagen Gesamtrendite und Anleger Rendite recht weit auseinander.

Anders das Bild beim BGF World Technology und beim JPMorgan US Technology. Hier lag die kapitalgewichtete Rendite über der Gesamtrendite, was bedeutet, dass in relativ starken Performance Phasen überdurchschnittlich viel Geld investiert war. Auch der The Digital Leaders Fund, den wir nachrichtlich unterhalb der Top 10 Performer aufführen, konnte mit einer positiven Anleger Rendite aufwarten. Hier halfen die stetigen Mittelflüsse, die unabhängig der aktuellen Marktentwicklung dem Fonds zugingen, aber auch die weniger volatile Performance, was vermutlich etliche nervöse Finger vom Druck auf den Verkaufsknopf abhielt.

Unsere oberen Fonds Beispiele sind längerfristig auf drei Jahre angelegt, um zu zeigen, dass das prozyklische Handeln von Anlegern längerfristige Konsequenzen hat. Ein kurzer Blick auf das Jahr 2020 ist jedoch ein Musterbeispiel, wie extrem die Rendite Lücke in Zeiten abrupter Marktumschwünge ausfallen kann. 2020 kann sogar als Lehrstunde hierfür herhalten: Viele High Growth Fonds konnten in der ersten Jahreshälfte 2020 glänzen. Es folgten oft hohe Mittelzuflüsse. Anschließend fiel die Performance mancher dieser Fonds regelrecht in sich zusammen. Das wohl prominenteste Beispiel dürfte der Nikko AM ARK Disruptive Innovation sein, der die ARK ETF Strategie aus den USA repliziert. Während die Ein-Jahres Performance mit einem Plus von knapp 77 Prozent blended ausfällt, liegt die Anleger Rendite bei knapp Minus drei Prozent per Ende Mai. Das “Hot Money” steuerte diese Strategie an, nachdem die Outperformance erzielt wurde.

Fazit: Hot Money verbrennt Anleger Performance

Die obere Tabelle veranschaulicht ganz gut den Hot Money Effekt bei Fonds in der Praxis. Auch wenn der Durchschnitt der Anleger in einigen Fonds wie dem BlackRock Global Technology, dem JPMorgan US Technology oder auch dem The Digital Leaders Fund durch die Fondskäufe und -Verkäufe eine bessere Rendite vereinnahmte, als es die zeitgewichtete Rendite ausweist, so war der Effekt des Fonds Tradings insgesamt negativ.

Wie eine Untersuchung des Fonds-Research Hauses Morningstar für den US-Markt illustriert, tritt der negative Trading Effekt stärker bei Fonds aus volatilen Marktsegmenten auf. In anderen Fonds-Segmenten führt das Investment Verhalten der Anleger zu weniger negativen Konsequenzen. In manchen Fällen, wie bei Mischfonds, entstanden in der untersuchten Zehn-Jahres-Periode sogar positive Rendite Effekte, wie die untere Grafik zeigt.

Tabelle: Sektor Fonds mit höchster Rendite-Lücke (2009-2019)

Sektor Fonds mit höchster Rendite Lücke Chart
Renditeangaben in Prozent, Rendite-Lücke in Punkten, Daten per 31.12.2019. Quelle: Morningstar

Ausweg Buy-and-Hold

Einen Ausweg aus dem Dilemma ist so lange nicht zu erwarten, wie im Fonds Marketing der Past Performance Effekt hervorgehoben wird. Denn der trifft auf die Gier vieler Anleger, die gerne nach dem Motto investieren: schnell ohne Arbeit reich werden. Das ist schade, denn diesen Missstand zu beheben erfordert eigentlich nicht viel. Buy-and-Hold Strategien, und das haben wiederholte Untersuchungen gezeigt, versprechen einen größeren Erfolg als taktische. Investoren sollten also nicht versuchen, den Markt zu timen, sondern dann investieren, wenn sie Geld zum Anlegen zur Verfügung haben oder der Markt einmal wieder deutlich korrigiert hat.

Natürlich ließe sich einwenden, dass Einmalanlagen riskant sind. Langfristig steigen die Aktienkurse, und daher gilt es, möglichste lange mit möglichst viel Geld dabei zu sein. Für erfolgreiches Investieren sind nicht nur steigende Kurse, sondern möglichst viel gebundenes Kapital nötig. Zudem wird an der Börse weder zum Ein- noch zum Ausstieg geklingelt. In den meisten Fällen steigen Market-Timer zur Unzeit aus und versäumen es dann, zeitig den Wiedereinstieg zu finden.

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Disclaimer

Der Autor und/oder verbundene Personen oder Unternehmen besitzen Anteile von The Digital Leaders Fund. Dieser Beitrag stellt eine Meinungsäußerung und keine Anlageberatung dar. Bitte beachte die rechtlichen Hinweise.

Autor

  • Ali Masarwah

    Ali Masarwah ist Gesellschafter-Geschäftsführer der Fondsplattform envestor.de und schreibt auch Kolumnen über Investmentthemen für The Digital Leaders Fund. Anleger-orientiertes Research ist seit über 20 Jahren Alis Ding. Vor seiner Zeit bei envestor.de war er zehn Jahre lang bei Morningstar, wo er für die Personal Finance Websites des Analysehauses in Deutschland verantwortlich war. Als Experte für Anlagethemen ist er ein gefragter Ansprechpartner für Finanzmedien im deutschsprachigen Raum.

Ali Masarwah

Ali Masarwah

Ali Masarwah ist Gesellschafter-Geschäftsführer der Fondsplattform envestor.de und schreibt auch Kolumnen über Investmentthemen für The Digital Leaders Fund. Anleger-orientiertes Research ist seit über 20 Jahren Alis Ding. Vor seiner Zeit bei envestor.de war er zehn Jahre lang bei Morningstar, wo er für die Personal Finance Websites des Analysehauses in Deutschland verantwortlich war. Als Experte für Anlagethemen ist er ein gefragter Ansprechpartner für Finanzmedien im deutschsprachigen Raum.

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Eine Antwort

  1. Sehr geehrter Herr Masarwah,
    ganz herzlichen Dank für diesen ausführlichen und wichtigen Artikel! Gerade die fehlende Liquidität in Abwärtsphasen bei Nebenwerten wird m.E. völlig unterschätzt. Wenn sich dann noch Short Seller auf ausgewählte, marktenge Einzeltitel der ETFs / Fonds fokussieren, kann das einen Fonds in die Knie zwingen. Hierfür gibt es beeindruckende Beispiele. Gerne mehr von Artikeln dieser Art.
    Herzliche Grüße
    SD

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