Vor einigen Monaten hatten wir hier im DLF-Blog über die bevorstehende Trennung der Tinder-Mutter Match Group von ihrem Mehrheitseigentümer IAC berichtet. Diese Transaktion wurde Ende Juni vollzogen.
Was im IAC-Chart nach einem Kurssturz aussieht, ist also in Wirklichkeit die Abspaltung der bei weitem größten Beteiligung an der Match Group. Seit der Abspaltung von Match hat die „neue IAC“ sogar gut 20 Prozent an Wert zugelegt. Die neue IAC ist nun wesentlich kleiner bezogen auf die Marktkapitalisierung, die aktuell bei ca. $11 Milliarden liegt.
Wir haben uns mit unserem Fonds in den vergangenen Monaten an der neuen IAC beteiligt. Die Aktie gehört aktuell sogar zu den Top10 der am höchsten gewichteten Titel im Portfolio von The Digital Leaders Fund.
Die Gründe dafür wollen wir mit diesem Beitrag etwas näher beleuchten. In den folgenden Abschnitten werden wir die wesentlichen Assets der neuen IAC vorstellen und uns an einer Schätzung des Wertes der wichtigsten Beteiligungen versuchen.
Inhaltsverzeichnis
ANGI Homeservices
Nach dem Abschied von der Match Group ist die Mehrheitsbeteiligung der IAC an der ebenfalls börsennotierten ANGI Homeservices Inc. das wertvollste verbliebene Asset der IAC Holding. ANGI betreibt weltweit unter unterschiedlichen Marken mehrere Marktplätze für die Online-Vermittlung von Handwerkern. Derzeit zahlen über 225.000 Handwerker Gebühren an ANGI, um ihre Leistungen über die Plattformen der ANGI Homeservices Gruppe anzubieten.
In der heutigen Form ist ANGI Homeservices im September 2017 entstanden durch die Fusion der schon seit 2011 börsennotierten Angie’s List mit der HomeAdvisor-Plattform. Das deutsche Handwerkerportal MyHammer gehört – wie einige andere vergleichbare europäische „Local Champions“ – mittlerweile auch zu ANGI.
ANGI ist ein Unternehmen mit einem Umsatz von über $1,3 Milliarden, das unserer Meinung nach noch auf Jahre hinaus mit ca. 15-20 Prozent p.a. organisch wachsen kann. In den monatlichen Kennzahlen zeigt sich, dass das Wachstum in der Corona-Krise im März/April deutlich eingebrochen ist, sich aber inzwischen schon wieder erholt hat.
IAC hält 83 Prozent der Anteile an ANGI. Das Unternehmen wird derzeit bei einem Kurs von knapp 15$ mit einem EV von $7,1 Milliarden bewertet, d.h. der Anteil von IAC ist aktuell an der Börse knapp $6 Milliarden wert.
Vimeo
Ein Corona-Gewinner im Portfolio der IAC ist der Video-Software-Anbieter Vimeo. Ursprünglich war Vimeo bekannt als Video-Sharing-Plattform und Alternative zu YouTube. 2017 begann man sich mit großem Erfolg auf verschiedene Software-Services für die Ersteller von Videos zu fokussieren, d.h. man wandelte das B2C-Geschäft komplett um und ist nun ein subskriptions-basierter B2B-Software-Anbieter.
Vimeo ist heute Weltmarktführer im boomenden Markt für die Erstellung von Bewegtbild. 1,3 Millionen Kunden zahlen für ihre Vimeo-Subskription. 175 Millionen Menschen nutzen die kostenlosen Vimeo-Tools. Damit konkurriert Vimeo nicht mehr mit YouTube oder Facebook, sondern liefert die Tools für eine immer größer werdende Zahl von Unternehmen sowie den Influencern auf den Social Media Plattformen.
Dieser sehr diversen Zielgruppe von Video-Produzenten bietet Vimeo nicht nur die Produkte zur einfachen Video-Erstellung, sondern man bietet auch Services, um eigene Streaming-Kanäle zu hosten und via Subskription zu monetarisieren.
Vimeo machte $196 Millionen Umsatz in 2019, das war ein Wachstum von 23 Prozent gegenüber 2018. Im Q1 2020 wuchs der Umsatz über 30 Prozent, im Q2 2020 sogar weit über 40 Prozent. Für 2020 kann man wohl von einem Umsatz über $270 Millionen und einem Corona-bedingten Wachstumssprung um ca. 35 Prozent ausgehen. Auch in den Folgejahren hat Vimeo alle Möglichkeiten, weiterhin um 25-30 Prozent zu wachsen.
Vimeo ist noch nicht profitabel. In 2019 wurde ein operativer Verlust von $52 Millionen ausgewiesen, das ist eine negative Marge von -26 Prozent.
Vimeo ist für uns bei weiterhin positivem Börsenumfeld durchaus ein IPO-Kandidat und dürfte dann mindestens das 6-8 fache des Umsatzes d.h. > 1,5 Milliarden wert sein. IAC besitzt 98 Prozent von Vimeo.
Dotdash
Dotdash ist ein Online-Publishing-Unternehmen und erreicht mit seinen 11 unterschiedlichen Brands monatlich über 100 Millionen User. Hier findet sich ein Überblick über die Online-Medien zu den unterschiedlichsten Bereichen des täglichen Lebens wie Gesundheit, Wellness, Heimwerken, Finanzen, Technologie, Kosmetik, Reisen u.a. Diese grundverschiedenen Medien werden gemeinsam unter dem Dach von Dotdash vermarktet.
In 2019 erwirtschaftete Dotdash $168 Millionen Umsatz, das war ein Wachstum von 28 Prozent gegenüber Vorjahr. Davon stammten bereits knapp 25 Prozent aus dem Performance Marketing. Dieser Umsatzstrom wuchs damit um über 50 Prozent gegenüber Vorjahr.
Seit einiger Zeit ist das Dotdash-Management Team verstärkt dabei, neue Erlösquellen im Performance Marketing neben dem klassischen Display Advertising zu erschließen. Während das klassische Display-Advertising-Geschäft in der Corona-Krise eingebrochen ist, boomt in diesen unsicheren Zeiten das für den Werbetreibenden besser messbare und ergebnisorientierte Performance Marketing mit teilweise sogar 3-stelligen Wachstumsraten. Es ist absehbar, dass in wenigen Jahren das Performance Marketing die Umsätze bei Dotdash dominieren wird.
Insgesamt wuchs Dotdash auch akquisitionsbedingt vor Corona um ca. 30 Prozent p.a. Das Unternehmen ist seit Jahren profitabel und dadurch auch in der Lage die Übernahme von neuen Brands aus eigener Kraft zu finanzieren. 2019 betrug die operative Marge bei Dotdash 17 Prozent, der Gewinn verdoppelte sich damit gegenüber 2018 auf $29 Millionen.
Wir schätzen den Wert von Dotdash auf mindestens $500 Millionen.
Care.com
Im Februar 2020 hat IAC den weltweit größten Online-Marktplatz für die Vermittlung von Pflegepersonal (für Altenpflege, Babysitter, etc.) für $500 Millionen akquiriert und die Börsennotierung eingestellt. Care.com wird jetzt – nach bewährtem Playbook – als privates Unternehmen geführt und unter einem neuen Management weiterentwickelt. Derzeit werden keine Zahlen veröffentlicht, in 2019 wurden gut $200 Millionen Umsatz erzielt.
Es ist davon auszugehen, dass Care.com erhebliches Potential zur Weiterentwicklung und Wertsteigerung bietet. Das neue Management hat durchblicken lassen, dass z.B. der Matching-Algorithmus für die Vermittlung von Pflegepersonal nach der Übernahme nun zum ersten Mal seit 14 Jahren verändert wurde. Das klingt nach einem erheblichen Investitionsstau, der nun erst einmal behoben werden muss.
Zudem war Care.com in der Vergangenheit in die Kritik geraten, weil man Personal vermittelt hatte, ohne dieses hinreichend zu überprüfen. Diese Qualitätsmängel sollen nach Aussage des Unternehmens mittlerweile abgestellt sein. Ob hier ein nachhaltiger Imageschaden entstanden ist, das muss die Zukunft zeigen.
Weitere Assets
IAC besitzt neben ANGI, Vimeo, Dotdash und Care.com zahlreiche weitere Unternehmen, die in 2019 insgesamt über $1 Milliarde Umsatz beigesteuert haben. U.a. ist IAC auch der größte Aktionär der Peer-to-Peer Car-sharing Company Turo. In 2019 investierte man $250 Millionen in das „AirBnB für Autos“.
Nach der Abspaltung der Match Group ist IAC nahezu schuldenfrei. Die Holding verfügt über Cashreserven von ca. $4 Milliarden. Das Unternehmen ist damit derzeit überkapitalisiert. Es ist zu erwarten, dass man aus dieser Position der Stärke heraus geduldig auf Chancen zur Übernahme von weiteren Digital-Unternehmen wartet.
Sollten sich auf absehbare Zeit keine Möglichkeiten der Kapitalallokation bieten, so sind auch größere Aktienrückkäufe denkbar. Dies macht natürlich nur dann Sinn, wenn die IAC unter dem NAV (Net Asset Value) notiert.
Sum-of-the-Parts
Insgesamt schätzen wir den Wert der IAC Assets wie folgt:
ANGI | $5,9 Milliarden |
Vimeo | $1,5 Milliarden |
Dotdash | $0,5 Milliarden |
Care | $0,5 Milliarden |
Other | $1 Milliarden |
Cash | $4 Milliarden |
Gesamt | $13,4 Milliarden |
Demgegenüber steht bei einem IAC Aktienkurs von 127$ eine Marktkapitalisierung von $10,8 Milliarden. Anders ausgedrückt: berücksichtigt man den Börsenwert der ANGI Mehrheitsbeteiligung und die Barreserven, dann erhält man als IAC Aktionär die Anteile an allen anderen Beteiligungen für deutlich weniger als die Hälfte ihres eigentlichen Wertes.
Ein derartiger Holding Abschlag erscheint uns angesichts des Track-Records von IAC in den vergangenen 25 Jahren als ungerechtfertigt. Zur Erinnerung: die Match Group war nach Expedia, LendingTree, TripAdvisor, trivago, Hotels.com u.a. bereits das 7. Unternehmen, das von IAC nach einer erfolgreichen Weiterentwicklung in die Unabhängigkeit entlassen wurde.
IAC ist keine klassische Holding, die ihre Beteiligungen ewig hält. Es ist gut vorstellbar, dass auch das Spin-Off von ANGI Homeservices in nicht allzu ferner Zukunft bevorsteht. Mit einer solchen Transaktion würde die Unterbewertung der IAC Aktie noch klarer sichtbar.
IAC Aktie – Value-Investment in Digitalisierung – Fazit
Wir investieren mit IAC in ein Management Team, das uns überzeugt. Die Langfristigkeit im Denken von Barry Diller als Mehrheitseigentümer und Chairman, Joey Levin als CEO und Glenn Schiffman als CFO hebt sich sehr wohltuend von der kurzfristigen Quartalsdenke ab, die im Silicon Valley vorherrscht.
IAC bezahlt keine überteuerten Preise bei ihren Übernahmen. Man weiß genau wie digitale Plattformen funktionieren, wie man Netzwerkeffekte nutzt und wann man sinnvollerweise ein „reifes” Geschäft wieder in die Unabhängigkeit entlässt.
Schon vor Corona hat man bei IAC beschlossen, keine Guidance mehr auszugeben. Statt dem Blick in die Kristallkugel veröffentlicht man stattdessen monatliche operative Kennzahlen aus den wichtigsten Tochtergesellschaften. Diese Transparenz ist vorbildlich.
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DISCLAIMER
The Digital Leaders Fund und/oder der Autor und/oder verbundene Personen oder Unternehmen besitzen Anteile von IAC. Dieser Beitrag stellt eine Meinungsäußerung und keine Anlageberatung dar. Bitte beachte die rechtlichen Hinweise.
Autor
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Stefan war in seinem gesamten Berufsleben in der High-Tech-Industrie tätig. Er hat sein eigenes Software-Unternehmen gegründet, internationalisiert und vor einigen Jahren ins Silicon Valley verkauft. Der Wirtschaftsmathematiker investiert seit über 30 Jahren in Aktien. Er verwaltet eines der erfolgreichsten investierbaren Musterportfolios auf der wikifolio Plattform.
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5 Responses
Hi Stefan,
IAC zählt für mich in Anbetracht der Bewertung aktuell zu den spannendsten US-Techwerten und es gibt ziemlich wenig, das mich hier stört. Eines der wenigen Haare in der Suppe ist sicherlich das Suchsegment. Ist dir bekannt, welche Strategie mit diesem Asset langfristig verfolgt werden soll? Ich könnte mir etwa vorstellen, dass IAC Ask.com “durchfüttert”, um Daten zu aktuellen Trends gewinnen zu können, aber das ist nur eine Spekulation. Vielleicht weißt du ja ein bisschen mehr, wo bei Ask.com die Reise hingehen könnte …
Übrigens mal ein riesiges Kompliment für euren Fonds! Ich stocke meine Anteile jeden Monat kontinuierlich auf und werde sicherlich noch ganz, ganz lange euer Investor bleiben.
Viele Grüße
Martin
Danke für das Kompliment und Dein Vertrauen in den DLF. Zur Strategie der IAC rund um Ask.com könnte ich derzeit auch nur spekulieren, sorry. Und hier wird bei uns wird grundsätzlich nicht spekuliert… 😉
Hi Stefan,
Danke für Deine Analyse. Beteiligungsgesellschaften notieren ja leider häufiger mit einem sunstanziellen Abschlag zum sum of the parts. Die Chancen in ANGI und VIMEO sind eindrucksvoll.
Wie siehst Du den Erwerb des 10% Anteils an dem Casino-Betreiber MGM?
Einerseits interessant, dass IAC seine digitale Expertise in die bisher zu 99% stationäres Glücksspiel betreibende MGM einbringt. Eine Steigerung des aktuellen Online-Umsatzes der MGM von 1% ist sicher möglich:)
Andererseits ist Glücksspiel ein sehr reguliertes Geschäft nicht vergleichbar mit anderen digitalen Disruptionen die IAC betrieben hat.
Das finde ich nicht problematisch – darin liegt bestimmt auch eine Stärke von IAC. Aktuell stört dass – so lange COVID will – der MGM- Cashflow stark reduziert ist. Wie siehst Du diese Beteiligung?
Wie waren wie wohl die meisten Investoren überrascht von der Minderheitsbeteiligung an MGM, denn diese entspricht nicht der bewährten Strategie von Barry Diller und dem IAC Management. Aber mir ist das so lieber als wenn man die aktuell wohl überhöhten Marktpreise für eine mehrheitliche Übernahme einer mittelmäßigen Firma zahlen würde. Für mich kein unbedingt negativer Schritt, aber auch kein Grund zum Jubeln.
Danke, Stefan für die rasche Antwort. Der Track Record von IAC ist beeindruckend. Und ausreichend Cash hat IAC auch nach dem dem MGM Deal. Spannend finde ich, dass man sich hier die Infrastruktur, die IAC typischerweise mit Online Offering disprupted ans Bein bindet und als Schlüssel für Mehrwert sieht.
Es bleibt spannend.
Unabhängig davon Kompliement für euren Erfolg. Es macht Spaß eure Einschätzungen zu lesen und bei euch zu investieren.
Viele Grüße, Philipp