Kaspi-Aktie: Was ist dran an der Shortseller-Attacke?

20. September 2024

Kaspi-Aktie

Nach dem erfolgreichen Debüt an der Börse in New York Anfang 2024 knabberte die Kaspi-Aktie kürzlich an ihren alten Höchstkursen von 140 Dollar. Eine Shortseller-Attacke hat den Kurs der Kaspi-Aktie auf unter 100 Dollar einbrechen lassen. Sind die Vorwürfe berechtigt oder ist das eine historische Kaufgelegenheit?

Kaspi-Aktie Kursverlauf

Shortsell Report schickt Kaspi-Aktie auf Talfahrt

Zum Geschäftsmodell vieler amerikanischer Shortseller gehört es, dass sie öffentlich und detailliert begründen, dass etwas faul sei an einem Unternehmen und dass ihre Leerverkäufe berechtigt seien. Zuletzt haben wir im vergangenen Jahr über den Shortseller-Report von Hindenburg Research zur Adani Gruppe berichtet. Jetzt hat es die Kaspi-Aktie erwischt. Eine frei zugängliche Analyse des Shortsellers Culper Research hat unseren Top-Wert unter Druck gesetzt. Die offensiv verfassten Vorwürfe sehen auf den ersten Blick nach starkem Tobak aus. Anleger müssen allerdings wissen, dass Shortseller-Anschuldigungen keine neutralen Unternehmensberichte sind. Es sind Verrisse, die das Ziel haben, einen Kursrutsch bei den betroffenen Unternehmen auszulösen. Die Verrisse müssen nicht falsch sein, aber sie sind zwingend einseitig. Wir haben den Report mit kühlem Kopf studiert, das Unternehmen ausführlich befragt und gehen auf die einzelnen Vorwürfe ein.

Die Untersuchung ist 30 Seiten lang. Was steht drin?

Das Kaspi-Exposure zu Russland im Fokus

Zentraler Vorwurf: Die Russland-Connection von Kaspi. Es geht also nicht um Bilanzbetrug. Der Verriss titelt vielmehr: Kaspi sei ein Fintech-Unternehmen, das Geld für Kriminelle und Kleptokraten bewege. 

Dabei fokussiert der Text weitestgehend auf die Frage, ob das Unternehmen ein systematisches Russland-Exposure habe, das beim Börsengang verschwiegen wurde. 

Im Wesentlichen stützt man sich dabei zunächst auf die Aussage russischer Flüchtlinge auf sozialen Netzwerken, dass eine Kontoeröffnung bei Kaspi möglich sei. Kaspi weise zudem keine Zahlen für Einlagen von Ausländern aus. Auf Basis falsch interpretierter Zentralbank-Daten behauptet der Shortseller, dass dieses Geschäft einen wesentlichen Teil des Wachstums der Einlagen bei Kaspi ausmachen müsse und dass Kaspi dies beim Börsengang in New York Anfang 2024 verschwiegen habe. 

In einem Gespräch hat uns das Management von Kaspi informiert, dass die Einlagen von “non residents” bei 2,9 Prozent liegen – und nicht bei den von Culper erwähnten 29 Prozent. An dieser Zahl hat sich in der Vergangenheit nichts Gravierendes geändert. Das liegt auch daran, dass finanzstarke Russen eher nach Dubai ausgewandert sind. Wer nach Beginn des Ukraine-Kriegs 2022 nach Kasachstan kam, sind eher einfache Menschen, die sich dem Wehrdienst entziehen wollen. 

Was der Shortseller skandalisiert, ist zudem gängige Praxis. In Georgien hat die russische Diaspora, wie wir in unserer Analyse zur TBC Bank berichtet haben, einen wahren Boom ausgelöst. Culper Research unterstellt, dass die Akzeptanz russischer Kunden eine Unterstützung des Putin-Regimes gleichkäme. Das ist absurd. In dem Artikel wird auch unterstellt, dass Kaspi ein “Partner Service Agreement” mit MIR Card unterhalten hätte. Das ist falsch. Das von Culper Research geschlussfolgerte „Risiko“, dass Kaspi aufgrund dieses Russland-Geschäftes sanktioniert werden könnte, halten wir für an den Haaren herbeigezogen. 

Der Shortseller argumentiert auch, dass russische Käufer und Verkäufer sich auf dem Kaspi-Marktplatz tummelten und über die Payment-Plattform Zahlungen tätigen könnten. Kaspi verschweige diese Zahlen. Allerdings sind die Daten öffentlich, wie ein Blick auf die Sensor-Tower-Daten über APP-Usage und monatlich aktiven Nutzer (MAU) zeigt. Demnach kommen 1,8 Prozent der MAU aus Russland kommen. Zur Einordnung: bei WhatsApp kommen 5,7 Prozent der MAU aus Russland. 

Auch diesbezüglich hat uns der Unternehmenssprecher heute versichert: Kaspi handelt nicht direkt mit russischen Käufern oder Verkäufern. Was natürlich passieren kann, ist, dass ein Mittelsmann in Kasachstan zwischen dem Marktplatz und den russischen Akteuren steht. Das ist aber kein spezifisches Kaspi-Problem. Russische BMW-Fahrer oder Liebhaber von Rheingauer Weinen werden ihre Nachfrage auch über Mittelsmänner decken. Auch im Payment Bereich ist es unwahrscheinlich, dass Russen einen erheblichen Teil der Zahlungen ausmachen. Kaspi ist engmaschig mit internationalen Zahlungsunternehmen wie Visa oder Mastercard sowie mit amerikanischen Banken wie Citigroup verbunden. Aufgrund der bestehenden Russland-Sanktionen sind die Compliance-Abteilungen dieser Institute besonders vorsichtig: auf wöchentlicher Basis muss Kaspi hier Rede und Antwort stehen.

Apropos USA-Präsenz von Kaspi: Die Kaspi-Aktie ist Anfang dieses Jahres in den USA an die Börse gegangen. Das war, wie wir letztes Jahr mehrfach betont haben, viel später als erwartet. Der wesentliche Grund: Die SEC hat das Unternehmen vor dem Hintergrund des Überfalls Russlands auf die Ukraine und der Sanktionen gegen das Putin-Regime auf mögliche Verbindungen nach Russland besonders gründlich untersucht. Auch die Konsortialbanken und ihre Juristen werden aus Reputationsgründen die “Due Diligence” sehr ernst genommen haben. Man fragt sich, wie wahrscheinlich es ist, dass ein unbekannter Shortseller aus New York ohne erkennbare Expertise für Kasachstan oder Russland gründlicher und besser gearbeitet haben soll als die SEC und die Konsortialbanken. Zudem: laut dem Kaspi-Unternehmens-Sprecher hat sich Culper Research nicht die Mühe gemacht, das Kaspi zu kontaktieren. Warum mit Fakten die eigenen Thesen zerstören?

Dunkle Schatten aus alten Zeiten

Anschließend liest man im Report fett gedruckt und unterstrichen, was die angeblich noch rauchende “smoking gun” sein soll: Der ehemalige Aktionär Kairat Satybaldy, Neffe des ehemaligen kasachischen Präsidenten Nursultan Nasarbajew, habe mittels Kaspi hunderte Millionen Dollar schmutziges Geld gewaschen und in Russland investiert. 

Nasarbajew ist schon lange nicht mehr der Präsident von Kasachstan. Sein Nachfolger Qassym-Schomart Toqajew hat sich bisher als kluger Reformer und weitsichtiger Außenpolitiker hervorgetan. Während in den Neunzigern und Nullerjahren bewaffnete Schwerkriminelle, Korruption und Vetternwirtschaft das Tagesgeschäft in weiten Bereichen der Wirtschaft bestimmten, ist das Land heute deutlich sicherer, moderner und – dank Kaspi – auch digitaler und damit transparenter geworden. 

Satyvaldi, der sich in der Nasarbajew-Ära in großem Maße bereichert hatte, wurde 2022 von der Justiz zur Rechenschaft gezogen und seine Vermögenswerte wurden großteils beschlagnahmt. Kaspi-Aktionäre müssen mit der Geschichte leben, dass die Bank, aus der das heutige Geschäft hervorgegangen ist, in einem schmutzigen Umfeld operiert hat und bis 2018 mit Satyvaldi einen kriminellen Aktionär an Bord hatte. Aber diese Ära ist vorbei, und es gab und gibt keine Ermittlungen gegen Kaspi in dem Zusammenhang. 

Die immer wieder auftauchende Behauptung, der Altaktionär sei noch immer der wirtschaftlich Berechtigte, halten wir für abwegig. Die Anschuldigungen von Culper Research schockieren keinen Osteuropa-Experten und auch keinen erfahrenen Emerging-Markets-Anleger. Die Zielgruppe des Shortsellers sind vielmehr amerikanische und westliche Kaspi-Investoren die die Kaspi-Aktie im Rahmen des Börsengangs gekauft haben und jetzt verschreckt reagieren, wenn sie zum ersten Mal von den schlimmen Zuständen hinsichtlich Gewalt und Korruption in der Historie der ehemaligen Sowjetrepublik erfahren.

Geschäfte mit Related Parties

Im Report folgen eine ganze Reihe weiterer Anschuldigungen hinsichtlich angeblich zweifelhafter Transaktionen mit Gesellschaftern und nahestehenden Personen. Diese sind finanziell von eher ungeordneter Bedeutung, aber sollen das Bild eines angeblich anrüchigen Unternehmens bestärken. 

So wird beispielsweise die Frage gestellt, ob man für das Business in Aserbaidschan zu viel bezahlt habe. Wir werden uns diese Vorwürfe im Einzelnen noch einmal genau anschauen. Fest steht allerdings, dass Aserbaidschan 2023 weniger als 0,2 Prozent der Umsätze von Kaspi ausgemacht hat und der Kaufpreis gerade einmal bei rund 31 Millionen Dollar lag. Zum Vergleich: Der Jahresgewinn von Kaspi belief sich 2023 auf 1,9 Milliarden Dollar. Es stellt sich also die Frage nach der Relevanz dieser Kritik.

An anderer Stelle wird behauptet, Kaspi sei ein Geschäft mit der Tochter des Gründers Vyacheslav Kim eingegangen. Allerdings bestreitet Kaspi, dass es hier um die Tochter des Gründers geht. Offensichtlich ist Culper Research nicht bekannt, dass etwa 20 Prozent der Koreaner den Nachnamen “Kim” führen. 

Die Unternehmenskommunikation ist gestern relativ schmallippig ausgefallen. Im Wesentlichen wurde nur gesagt, dass die Vorwürfe nicht richtig seien. Der Kurs der Kaspi-Aktie reagierte verständlicherweise darauf nicht. Warum hat Kaspi nicht die Gelegenheit genutzt und ist detailliert auf die Vorwürfe eingegangen? 

Der Shortseller hat einen Vorteil: Vorwürfe kann man schnell aus der Hüfte schießen, sie zu entkräften ist mühsam und führt schnell zu weiteren Fragen. In aller Regel bremsen die Juristen eine ausführliche Kommunikation. Daher ist die Kommunikation aller Opfer solcher Angriffe zunächst ähnlich schmallippig wie jetzt bei Kaspi. Wir gehen davon aus, dass hier nach gründlicher Analyse eine ausführliche Stellungnahme folgen wird. 

Fazit zur Kaspi-Aktie

Wir sollten statt “Research” eher von “Pamphlet” sprechen, wenn von der Attacke von Culper Research gegen Kaspi die Rede ist. Was auf den ersten Blick schwer wiegt, zeigt auf den zweiten erschreckend wenig Substanz. Screenshots aus dem Messenger-Dienst Telegram und steife Fotos korrupter sowjetischer Politiker füllen viele der Seiten. Die angeblichen Enthüllungen mögen kurzfristig westliche Investoren schockieren, dürften aber kaum einer ernsten Prüfung standhalten. 

Wir haben die Gunst der Stunde genutzt und Kaspi-Aktien nachgekauft.

In einem Nachtrag erreichte uns am 23.9.2024 von Kaspi folgendes Statement: Die Behauptung des Shortsellers Culper,  Kaspi habe im Mai 2024 ein „formales Abkommen“ mit dem russischen Unternehmen Smartix abgeschlossen, sei falsch. Man habe „nie“ mit Smartix zusammengearbeitet.  Dies gelte auch für das russische Verpackungsunternehmen Techline, das im Culper-Report als Zulieferer Kaspis beizeichnet wird.

Wie das Unternehmen weiter mitteilte, habe Kaspi ebenfalls „nie“ mit der im Culper-Report als Kreml-nah bezeichneten russischen PR-Agentur Contextual Technologies zusammengearbeitet. Unternehmensgründer Vyacheslav Kim habe die PR-Agentur im Jahr 2016 vielmehr mit einem „privaten“ Website-Design-Projekt betraut. Contextual Technologies verwende seitdem ein veraltetes Kaspi-Logo auf seiner Website.      

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Autor

  • Steffen Gruschka

    Steffen war von 1998 bis 2006 im Fondsmanagement der DWS als Leiter Aktien Osteuropa tätig und dort für bis zu 5 Mrd. Euro AuM verantwortlich. Er wurde für seine Arbeit als Fondsmanager mehrfach prämiert u.a. wurde er von der Zeitschrift Finanzen 2003 mit dem DWS Russia als Fondsmanager das Jahres ausgezeichnet. Anschließend machte er sich in London selbständig und verwaltete über 10 Jahre lang Hedge Fonds. Anfang 2021 stieg er als Partner bei Pyfore Capital ein und ist seither für das Fondsmanagement des EM Digital Leaders verantwortlich.

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Steffen Gruschka

Steffen war von 1998 bis 2006 im Fondsmanagement der DWS als Leiter Aktien Osteuropa tätig und dort für bis zu 5 Mrd. Euro AuM verantwortlich. Er wurde für seine Arbeit als Fondsmanager mehrfach prämiert u.a. wurde er von der Zeitschrift Finanzen 2003 mit dem DWS Russia als Fondsmanager das Jahres ausgezeichnet. Anschließend machte er sich in London selbständig und verwaltete über 10 Jahre lang Hedge Fonds. Anfang 2021 stieg er als Partner bei Pyfore Capital ein und ist seither für das Fondsmanagement des EM Digital Leaders verantwortlich.

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