Nebius-Aktie – Der neue Star am europäischen KI-Himmel?

17. January 2025

Nebius-Aktie

Lange Zeit schien der Markt für Cloud-Anbieter fest in Stein gemeißelt: Die Hyperscaler wie AWS, Microsoft Azure und Google Cloud dominierten das Feld, gefolgt von etablierten Legacy-Anbietern wie SAP, Oracle oder IBM. Doch die rasante Entwicklung der AI-Ökonomie und der wachsende Bedarf an Rechenleistung haben die Spielregeln verändert. Eine neue Generation von Anbietern betritt die Bühne – die sogenannten Neoclouds. Enter Nebius-Aktie.

Einer der spannendsten Herausforderer im dynamischen AI-Umfeld ist Nebius. Seit dem „Listing“ – mehr dazu unten – ist Nebius in beiden unserer Fonds vertreten, und wir möchten dieses faszinierende Unternehmen heute näher vorstellen.

Nebius-Aktie: Vom Yandex-Relikt zum Neocloud-Vorreiter

Die Nebius-Aktie hatten wir schon vor dem erneuten Listing in unserem Fonds EM Digital Leaders im Bestand. Sie war das Überbleibsel unserer Investition in Yandex, das bereits vor dem Ukraine-Krieg seinen Sitz in die Niederlande verlegt hatte. Zur Erinnerung: Wir haben Yandex in unserem Blogbeitrag „Das russische Alphabet beginnt mit Y“ ausführlich vorgestellt. Wie Alphabet hatte auch Yandex eine Cloud-Sparte aufgebaut, um seine vielfältigen Dienste zu unterstützen.

Nach Russlands Überfall auf die Ukraine verließen etwa die Hälfte der Yandex-Vorstände und 10 Prozent der Entwickler das Land. Arkady Volozh (auf Deutsch ausgesprochen: Arkadi Wolosch), Mitgründer von Yandex, gehörte zu den wenigen prominenten russischen Managern, die den Krieg später offen verurteilten. „Russlands Invasion in die Ukraine ist barbarisch, und ich bin kategorisch dagegen“, erklärte er im August 2023.

Daraufhin begann Volozh, die Cloud-Sparte und die Auslandsbeteiligungen von Yandex vom russischen Geschäft zu trennen, und leitete den Verkauf der russischen Anteile ein. Im Juli 2023 wurde der Verkauf abgeschlossen: Das Russland-Geschäft samt des Namens „Yandex“ wurde für 5,4 Milliarden US-Dollar verkauft – darunter 2,8 Milliarden in bar und 162 Millionen in Aktien der niederländischen Gesellschaft (Treasury Shares). Was zunächst wie ein Schnäppchen-Deal nur für das russische Konsortium aussah, erwies sich später als strategischer Geniestreich von Arkady Volozh.

Das neu gegründete Unternehmen wurde in Nebius umbenannt – ein Kunstwort, das vom lateinischen „Nebula“ (Wolke) und dem Möbiusband inspiriert ist. Das Kerngeschäft umfasst den Betrieb von Rechenzentren für High-Performance-Computing (HPC). Ergänzend dazu hält Nebius strategische Beteiligungen an vielversprechenden Unternehmen der AI-Ökonomie.

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Quelle: Nebius

Im März 2024 strich die EU Volozh von der Sanktionsliste, und Nebius ist heute ein rein europäisches Unternehmen. Zwar sind viele der 1.300 Mitarbeitenden ehemalige Yandex-Mitarbeiter, doch sie leben und arbeiten inzwischen in den Niederlanden, Serbien, Israel und den USA. Laut Unternehmensangaben gibt es keine Verbindungen mehr zum alten Yandex. Volozh erklärte dazu in einem Interview mit der Financial Times:

"We have zero connection, which means zero. There is no byte or bit going between us and our previous company. It’s a new company, new infrastructure, new corporate entity.”

Die Nebius-Aktie (ehemals Yandex) in unserem Fonds EM Digital Leaders wurde, wie alle russischen Aktien, nach Verhängung der Sanktionen gegen den russischen Finanzsektor 2022 als „wertlos“ gebucht. Doch mein Kollege Steffen Gruschka konnte 2024 bereits eine unserer „wertlosen“ russischen Beteiligungen, nämlich Cian, zu einem sehr ordentlichen Preis verkaufen. Daher haben wir auch die Entwicklung bei Nebius genauer analysiert. Schnell wurde klar, dass mit Nebius ein europäischer Neocloud-Anbieter entsteht, der eine einzigartige Investmentchance bietet. 

Als die Nebius-Aktie nach der Wiederaufnahme des Listings am 21. Oktober 2024 erstmals wieder handelbar war, nutzten wir den Verkaufsdruck des ersten Handelstages, um für beide Fonds zusätzliche Aktien zu erwerben. Die ersten Aktien konnten wir sogar zu einem Kurs von unter 15 Dollar kaufen. Mittlerweile notiert die Aktie bei über 37 Dollar.

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Nebius-Aktie: Kurschart seit Oktober 2024; USD

KI, Cloud und Milliardenpotenzial

Die Nebius Group ist ein KI-zentriertes Technologieunternehmen, das sich auf den Aufbau einer groß angelegten KI-Infrastruktur spezialisiert hat. Die firmeneigene Cloud-Plattform ist gezielt für KI-Workloads optimiert und ermöglicht es Entwicklern, ihre Modelle effizient zu trainieren und anzuwenden. Dafür bietet Nebius skalierbare Rechenressourcen, darunter leistungsstarke virtuelle Maschinen (VMs) und groß angelegte GPU-Cluster, die flexibel nach Kundenbedarf vermietet werden.

Zu den aktuell rund 40 Kunden zählen prominente Namen wie Mistral AI, Genesis Therapeutics und Recraft. Nebius betreibt ein eigenes Rechenzentrum in Finnland mit einer Anschlussleistung von 25 MW, das zu den sechs größten Supercomputern Europas zählt. Diese Kapazität soll bis Anfang 2026 auf 75 MW erhöht werden. Zusätzlich verfügt das Unternehmen über ein Rechenzentrum in Paris, das in Co-Location mit Equinix betrieben wird und 5 MW Leistung bietet. Ende November wurde der Bau des ersten Rechenzentrums in den USA angekündigt, das bereits im Frühjahr in Betrieb gehen soll. Bis 2025 sollen weitere Standorte in Europa und den USA hinzukommen, mit einem mittelfristigen Ziel, die Gesamtleistungs-Kapazität auf 240 MW auszubauen.

Zugang zu den wichtigsten Bausteinen, den KI-Beschleunigern von Nvidia, ist gesichert. Nvidia zählt mittlerweile zu den Gesellschaftern des Unternehmens, was die enge Partnerschaft unterstreicht.

Darüber hinaus hält Nebius Beteiligungen an mehreren Technologieunternehmen, darunter:

  • ClickHouse (28 %): ein führendes Open-Source-Datenbankmanagementsystem.
  • Toloka: ein Anbieter von KI-Entwicklungsdaten.
  • TripleTen: eine AI-Bildungsplattform.
  • Avride: eine Lösung für autonome Fahrtechnologie.

Der Kampf um die KI-Cloud-Dominanz

Im Gegensatz zu den großen Cloud-Anbietern wie AWS oder Google Cloud hat sich Nebius vollständig auf KI-Infrastrukturen spezialisiert und sein Angebot gezielt auf die Bedürfnisse von KI-Entwicklern zugeschnitten. Es ist zwar ein Start-up, aber die Ingenieure und Entwickler sind erfahren – sie haben das Cloud-Geschäft für Yandex entwickelt und betrieben. Im Unterschied zu anderen Neocloud-Anbietern wie CoreWeave, Crusoe und Lambda Labs setzt Nebius daher nicht auf OEMs wie Dell oder HPE. Nebius hat seine eigene proprietäre Cloud-Software-Architektur entwickelt, übernimmt selbst die physische Organisation der Rechenzentren, baut Server und Kühlsysteme eigenständig zusammen und erreicht dadurch erhebliche Effizienz- und Kostenvorteile.

Power usage effectiveness

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Quelle: Nebius

Aufgrund des Entwickler-zu-Entwickler-Geschäftsmodells und der Spezialisierung auf HPC kann Nebius das Angebot auf die Bedürfnisse seiner Kunden personalisieren und sieht sich hier im Vorteil gegenüber den großen Anbietern.

Explosives Wachstum

Nebius ist derzeit ein hochdefizitäres Unternehmen. In den ersten drei Quartalen 2024 hat das Unternehmen einen Umsatz von 79,6 Millionen Dollar erzielt und dabei 260 Millionen Dollar verbraten. Die Nachfrage nach GPU-Rechenleistung ist so groß, dass allein die begrenzte Leistungskapazität das Wachstum bremst. Der Umsatz wuchs im dritten Quartal gegenüber dem Vorquartal um beeindruckende 170 Prozent auf 43 Millionen Dollar. Die Annual Run Rate (ARR) für den Umsatz lag im September bei 120 Millionen Dollar und soll bis Ende 2024 auf 750 Millionen bis 1 Milliarde Dollar steigen.

Um dieses explosive Wachstum sicherzustellen, plant Nebius, massiv in weitere AI Cluster zu investieren und in den bereits vorhandenen Rechenzentren die Leistungskapazität hochzufahren. Nebius hat zuletzt Investitionen von bis zu 1,5 Milliarden Dollar angekündigt. Allerdings sollte diese Zahl im nächsten Analysten-Call deutlich nach oben korrigiert werden, da Volozh in jüngsten Interviews mehr Rechenzentren angekündigt hat, als bisher bekannt war.

Finanziell ist Nebius gut aufgestellt: Ende des dritten Quartals 2024 verfügte das Unternehmen über 2,3 Milliarden Dollar an Cash-Beständen. Hinzu kamen 700 Millionen Dollar aus dem Verkauf von 33,3 Millionen eigenen Aktien, also der Treasury Shares (aus dem Bestand von 162 Millionen Aktien) zu einem Kurs von 21 Dollar pro Aktie. Aktuell notiert die Nebius-Aktie bei über 37 Dollar. Das Unternehmen ist zudem nicht verschuldet. Zum Vergleich: CoreWeave, der größte Neo-Cloud-Anbieter, hat allein 2024 8 Milliarden Dollar an Fremdkapital für die weitere Expansion aufgenommen. Die ca. 130 Millionen verbliebenen Treasury Shares sind zum aktuellen Kurs ca. 4,8 Milliarden Dollar wert. Das ist eine komfortable Ausgangslage, um im Zweifel auch mit Fremdkapital weiteres Wachstum zu finanzieren. 

Am 2. Dezember hat sich Nebius durch die strategische Finanzierung von 700 Millionen Dollar ein beeindruckendes Konsortium neuer Investoren gesichert, darunter Nvidia, Accel, und Orbis Investments. Die Beteiligung von NVIDIA zementiert die enge Partnerschaft und sichert langfristig den Zugang zu den GPUs, die einen Großteil der Kosten für die Expansion ausmachen.

Milliarden-Bewertung – Ist der Hype um die Nebius-Aktie gerechtfertigt?

Die Bewertung eines Unternehmens wie Nebius ist tricky. Es gibt keine direkt vergleichbaren, reinrassigen Neocloud-Anbieter oder GPU-as-a-Service-Unternehmen, die an den Börsen gelistet sind. Zwar bieten Unternehmen wie Iren Limited und Core Scientific HPC-Dienstleistungen an, jedoch haben diese ein starkes Engagement im Bitcoin-Mining. Core Scientific wird beispielsweise mit dem 8,6-fachen EV/Sales für 2025 bewertet.

Bei Microsoft und Alphabet sind die Cloud-Geschäfte lediglich ein Teil des Portfolios. EV/Sales für 2025 liegt hier bei 11 bzw. 7,5. Betreiber von Rechenzentren wie Equinix und Digital Realty erreichen Multiplikatoren von 11 bzw. 14. Switch, ein weiterer Rechenzentrumsanbieter, wurde 2022 mit einem EV/Sales-Multiplikator von 12 übernommen. Nach dem Delisting soll Switch mit einer Bewertung von ca. 40 Milliarden US-Dollar bald wieder an die Börse gehen.

Die Bewertung von CoreWeave in Höhe von geschätzten 23 Milliarden Dollar erscheint im Vergleich zu Nebius fast günstig, wenn man die letzte Finanzierungsrunde von Anfang November 2024 zu Grunde legt. Der Umsatz 2024 wird mit ca. 2 Milliarden Dollar geschätzt. Der Umsatz 2025 wird dagegen schon mit 8 Milliarden Dollar taxiert. Nach einer Meldung von Reuters peilt CoreWeave ein IPO 2025 an, und zwar mit einer Bewertung von mindestens 35 Milliarden Dollar; das wäre ein EV/Sales Multiplikator von 4,4. 

Setzt man diesen Multiplikator bei Nebius an und unterstellt einen Umsatz von 1–1,5 Milliarden US-Dollar für 2025, liegt der Unternehmenswert zwischen 4,4 und 6,6 Milliarden Dollar. Aktuell liegt der EV von Nebius bei 6,6 Milliarden Dollar. Demnach wäre die Aktie nicht mehr günstig bewertet, allerdings bekommen Anleger den Wert der Beteiligungen von Nebius oben drauf. 

Allein Avride, ein Anbieter für autonomes Fahren, könnte mit 2-3 Milliarden Dollar Wert taxiert werden. Ein vergleichbares Unternehmen wie Pony.AI hat gerade erfolgreich ein IPO hingelegt und wird derzeit mit 3 Milliarden Dollar EV bewertet. Einwohner in Dallas und Austin bekommen ihre Uber-Eat-Bestellung teils von Avrides Lieferrobotern ausgeliefert. Wir werden auf Avride und auf die anderen Beteiligungen bei den regelmäßigen Updates zu Nebius noch genauer eingehen. 

Wenn wir extrem simplifiziert die Bewertungsmultiplikatoren der Hyperscaler und der etablierten Betreiber von Rechenzentren anwenden, kommen wir natürlich zu einer viel höheren Bewertung von Nebius. Allerdings haben diese Unternehmen einen anderen Reifegrad, sind profitabel, breit diversifiziert und daher nicht als Benchmark geeignet. 

Ich traue Nebius zu, einen ähnlich erfolgreichen Weg einzuschlagen wie CoreWeave, die einst als Bitcoin-Miner gestartet sind und heute so erfolgreich GPU-as-a-Service betreiben, dass selbst Microsoft die Dienste des Neocloud-Anbieters nutzt. Nebius Ausgangslage mit 850 erfahrenen Cloud-Ingenieuren und Entwicklern, einem starken Finanzpolster und der langjährigen Partnerschaft mit Nvidia ist einzigartig. Jetzt gilt es, den Kundenstamm in den USA auszuweiten und in den nächsten Monaten noch weitere AI-Unicorn-Kunden zu gewinnen. Nebius ist gut positioniert, um sich einen bedeutenden Anteil am KI-Infrastrukturmarkt zu sichern. Das erkennen nun auch die ersten Research-Häuser. BWS Financial hat das Coverage mit einem Kursziel von 51 Dollar aufgenommen. Die großen Sell-Side-Analysten haben das Unternehmen jedoch noch nicht auf dem Kurszettel.

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Autor

  • Baki Irmak

    Baki war viele Jahre in leitender Funktion für den Deutsche Bank Konzern und DWS tätig. Zuletzt u.a. als Global Head of Digital Business für die Deutsche Asset & Wealth Management und Mitglied im Digital Executive Commitee der Deutschen Bank. Seine berufliche Laufbahn hat er als Fondsmanager für Technologie, Telekommunikation und Medien bei BHF Trust begonnen. Danach war er Fondsmanager bei der Commerzbank und ABN Amro.

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Baki Irmak

Baki war viele Jahre in leitender Funktion für den Deutsche Bank Konzern und DWS tätig. Zuletzt u.a. als Global Head of Digital Business für die Deutsche Asset & Wealth Management und Mitglied im Digital Executive Commitee der Deutschen Bank. Seine berufliche Laufbahn hat er als Fondsmanager für Technologie, Telekommunikation und Medien bei BHF Trust begonnen. Danach war er Fondsmanager bei der Commerzbank und ABN Amro.

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