Netflix-Aktie: Was hinter dem Margenwunder steckt

24. Oktober 2024

Anleger haben den Quartalsbericht von Netflix sehr positiv aufgenommen. Seit Aufnahme ins Portfolio des The Digital Leaders Funds hat die Netflix-Aktie nochmals 20 Prozent zugelegt. Wir haben die Zahlen analysiert und gehen der Frage nach, was sie über die laufende Gewinnsaison verraten, insbesondere mit Blick auf Spotify und Disney.

Netflix-Aktie Kursverlauf

Netflix-Aktie Kurschart seit Oktober 2023; USD

Netflix-Aktie: Zahlen zum dritten Quartal

Netflix hat wieder sehr solide Zahlen präsentiert. Der Umsatz stieg im dritten Quartal gegenüber dem Vorjahreszeitraum um 15 Prozent auf 9,37 Milliarden Dollar. Das war leicht über den Erwartungen. Auch für das vierte Quartal erwartet Netflix ein Wachstum von 15 Prozent. Die Bruttomarge erhöhte sich um beachtliche 13 Prozent auf nun 47,9 Prozent; erwartet waren 46 Prozent. Die Skaleneffekte machen sich in der Profitabilität immer stärker bemerkbar. Der operative Gewinn legte um 52 Prozent auf 2,9 Milliarden Dollar zu. Der Free Cashflow stieg um 16 Prozent auf 2,2 Milliarden Dollar.

Netflix-Aktie Q3 Bericht

Im dritten Quartal hat Netflix 5,1 Millionen zahlende Kunden gewonnen. Auch hier hat man die durchschnittliche Schätzung der Analysten übertroffen. Die meisten Neukunden kamen aus Europa und Asien (Spätfolgen der neuen Passwort-Policy) mit 2,17 Millionen und 2,28 Millionen Nutzern. In den USA flaut das Wachstum dagegen ab: Es kamen lediglich 694.000 Kunden dazu.

In Lateinamerika ist die Zahl der Abonnenten mit Minus 68 Tausend nach den jüngsten Preiserhöhungen geschrumpft. Allerdings kennen wir das Phänomen aus den anderen Regionen. Die meisten Kunden sind nach einem Quartal wieder dabei; der Trend bei MAU (Monthly Active User) zeigt im vierten Quartal wieder nach oben. Die Zahl der Abonnenten insgesamt ist im dritten Quartal auf 282,7 Millionen gewachsen.

Positiv

Mit 283 Millionen Haushalten erreicht Netflix über 600 Millionen Menschen weltweit und setzt sich immer mehr von der Konkurrenz ab. Vor nicht allzu langer Zeit war das große Thema bei Netflix, ob die Content-Kosten nicht überhandnehmen, das Unternehmen in der Lage sei, Margen zu steigern, Gewinne zu machen und Free Cashflow zu erwirtschaften. 

Heute lässt Netflix die Skaleneffekte wirken und strotzt nur so vor Finanzkraft. Mit 2,9 Milliarden Dollar Gewinn kommt das Unternehmen auf eine operative Marge (GAAP!) von 29,6 Prozent. Das Management hat bereits angekündigt, kurzfristig wieder einen stärkeren Fokus auf Investitionen in Content statt in die Ausweitung der Marge setzen zu wollen.

Doch auch die Margin-Guidance für 2025 liegt bei stolzen 28 Prozent. Auch der Umsatz soll nächstes Jahr wieder zweistellig auf 43 bis 44 Milliarden Dollar wachsen. Die Finanzkraft von Netflix ist so stark, dass sie immer stärker in Live-Entertainment und Sportrechte (WWE in 2025 und ab 2024 die NFL Christmas Games) investieren und die Konkurrenz ausbooten können; im Grunde kann nur noch Amazon und Apple und – mit Abstrichen – Disney in ähnlicher Höhe in die Erstellung und den Erwerb von Inhalten investieren. Viele Filmstudios werden sich langfristig in der Rolle als Werkbank für Netflix begnügen müssen. 

Welche Macht Netflix heute darstellt, zeigt der bizarr anmutende Streit zwischen Frankreich und Italien um den künftigen Drehort des Serien-Schlagers “Emily in Paris”. Man werde ”hart kämpfen“, damit die Serie in Paris bleibe, kündigte Frankreichs Staatspräsident Emmanuel Macron in einem Interview mit der Zeitschrift „Variety“ an.

Negativ

Hier muss ich mich nochmal wiederholen. Netflix möchte ab dem Jahr 2025 nicht mehr über die Zahl der Bezahlkunden und über ARM (Average Revenue per Member) berichten. Das finde ich sehr ärgerlich. Bereits seit letztem Jahr veröffentlicht Netflix nicht mehr die Nutzerzahlen. Diese sind nämlich rückgängig. Aber die Konversion der „Schnorrer“ zu Abonnenten hat Netflix so viel mehr Umsatz zugeführt, dass es dem Markt egal war. Die Anleger wurden mit Zahlen zu Bezahlkunden und ARM besänftigt. Jetzt, wo der Effekt bei Bezahlkunden abnimmt, verschwinden auch diese KPIs. 

Die Hoffnung war, dass ab 2025 die Werbung genauso auf die Umsätze einschlägt wie der „Password-Sharing-Crackdown“. Das wird aber nicht passieren. Die Werbeeinahmen werden nach aktueller Einschätzung des Managements keinen merklichen Beitrag leisten, auch wenn diese sich gegenüber dem Vorjahr verdoppelt haben. Netflix setzt den Fokus auf Kundenwachstum und Werbeinventar vor Monetarisierung. Aber es ist meines Erachtens nur eine Frage der Zeit, dass Werbung und auch Gaming die Margen weiter pimpen werden.

Netflix kontra Spotify und Disney

Die Netflix-Aktie hat mit einem Kursfeuerwerk von über 10 Prozent die Zahlen gefeiert. Die Aktie ist mit einem KGV (Gewinnschätzung 2025) von 31 und einem EV/Revenue-Verhältnis von 7,5 sportlich bewertet. Allerdings prognostizieren Analysten, dass Netflix auch in den nächsten drei Jahren beim Umsatz zweistellig wachsen sollte und aufgrund der hohen Free-Cashflow-Marge schon bald im Club der Rule-of-40-Unternehmen sein wird. 

Sollte sich das Kundenwachstum fortsetzen, dann wird, wie in den alten Tagen, wieder ein Medium die Wohnzimmer dominieren, allerdings weltweit. Dann haben sehr viele Menschen plötzlich nicht mehr eine geteilte Öffentlichkeit, sondern Netflix. Werbekunden kommen dann an diesem Medium nicht mehr vorbei. Daraufhin sind auch Gewinnmargen jenseits der 30, vielleicht sogar 40 Prozent möglich. Und spätestens dann muss Netflix nicht mehr mit Medienunternehmen verglichen werden, sondern mit den Margenwundern wie Mastercard und Visa. 

Ich hatte in meinem letzten Artikel zu Netflix bemerkt, dass kein Konkurrent annähernd die Engagementzahlen von Netflix erreicht und so eine hohe Preisdurchsetzungsmacht hat. Allerdings gibt es ein Streamingunternehmen, das kein unmittelbarer Konkurrent ist, das aber noch „engagiertere“ und loyalere Kunden hat: Spotify. Unsere Daten zeigen, dass die Retention der Kunden bei Spotify sogar noch höher liegt als bei Netflix. Allerdings hat Spotify offensichtlich lange nicht gewusst, wie unbeeindruckt die Nutzer von Preiserhöhungen sind. Die letzte Preiserhöhung von Spotify hat das Kundenwachstum nicht bremsen können. Kein Streamingdienst kommt nur annähernd auf die Nutzerzahl und wächst weiterhin derart stark. Mit dem Ausstieg von TikTok aus dem Musik-Streaminggeschäft ist der Weg frei für Spotify, die globale Dominanz zu festigen. Ich rechne daher mit weiterhin sehr guten Zahlen von Spotify in der zweiten Novemberwoche. 

Bei Disney, zumindest bei Disney+, rechne ich auch mit besseren Zahlen als erwartet und nehme damit angesichts der überwiegend düsteren Konsens-Prognosen eher eine Contrarian-Position ein. Disney+ hat im abgelaufenen Quartal davon profitiert, dass Star+ in Südamerika nur noch im Paket angeboten wird. Dass die Nutzerzahl steigt, sehen wir in den Sensor Tower Daten. Ich rechne aber auch damit, dass die neue Passwort-Policy, die seit dem 1. September in den USA in Kraft getreten ist, zu einem deutlichen Anstieg bei den Bezahlkunden geführt hat. In der zweiten Novemberwoche werden wir es erfahren und in unserem Blog besprechen.

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Autor

  • Baki Irmak

    Baki war viele Jahre in leitender Funktion für den Deutsche Bank Konzern und DWS tätig. Zuletzt u.a. als Global Head of Digital Business für die Deutsche Asset & Wealth Management und Mitglied im Digital Executive Commitee der Deutschen Bank. Seine berufliche Laufbahn hat er als Fondsmanager für Technologie, Telekommunikation und Medien bei BHF Trust begonnen. Danach war er Fondsmanager bei der Commerzbank und ABN Amro.

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Baki Irmak

Baki war viele Jahre in leitender Funktion für den Deutsche Bank Konzern und DWS tätig. Zuletzt u.a. als Global Head of Digital Business für die Deutsche Asset & Wealth Management und Mitglied im Digital Executive Commitee der Deutschen Bank. Seine berufliche Laufbahn hat er als Fondsmanager für Technologie, Telekommunikation und Medien bei BHF Trust begonnen. Danach war er Fondsmanager bei der Commerzbank und ABN Amro.

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