Die Aktionäre von Netflix können erst einmal durchatmen. Die in dieser Woche vorgelegten Ergebnisse zum 3. Quartal 2019 haben zwar (bezogen auf das Wachstum der Abonnenten) zum zweiten Mal hintereinander die eigene Guidance verfehlt, aber die niedrigen Erwartungen des Marktes wurden deutlich übertroffen. Daher macht die Netflix Aktie, die sich in den vergangenen Monaten in der Spitze um 30 Prozent verbilligt hatte, einen erleichterten Freudensprung.
Überblick über die Ergebnisse von Netflix zum 3. Quartal 2019
Die Zahlen lesen sich auf den ersten Blick sehr gut: Das Umsatzwachstum von 31 Prozent konnte gegenüber dem Vorjahr etwas gesteigert werden, die Erlöse betrugen $5,2 Milliarden. Die operative Gewinnmarge wurde um mehr als 50 Prozent gesteigert, der operative Gewinn in absoluten Zahlen wurde sogar verdoppelt. Chapeau. Netflix hat es also weitestgehend geschafft, die Preiserhöhungen in 2019 wie angekündigt durchzusetzen. Denn ein guter Teil dieser Mehreinnahmen ist darauf zurückzuführen, dass der durchschnittliche Umsatz pro Benutzer (ARPU = Average Revenue per User) um 9 Prozent gesteigert werden konnte.
Auf den zweiten Blick zeigen sich jedoch einige Bremsspuren: Die Anzahl der zahlenden Kunden (Subscribers) stieg im Q3 um 21,4 Prozent gegenüber 25,4 Prozent im Vorjahr. Es konnten gegenüber dem Vorjahr 6,8 Millionen Abonnenten hinzugewonnen werden. Im US-Markt stagnieren die Abonnentenzahlen allerdings seit nunmehr 2 Quartalen, das Wachstum resultiert mittlerweile ausschließlich aus dem internationalen Geschäft. Dadurch wird der Zuwachs an Abonnenten im Gesamtjahr 2019 insgesamt wohl erstmals zurückgehen.
Problematisch bleibt weiter die Entwicklung der Bilanzrelationen und des Free Cashflows. Auch im 3. Quartal 2019 war mehr als $500 Millionen Cashburn zu konstatieren, das entspricht einer Marge von -10,5 Prozent. Das war eine deutliche Verbesserung gegenüber dem Vorjahr als die Free Cashflowmarge noch -21 Prozent betragen hatte. Es wird also zwar weiterhin wie geplant heftig in die Produktion von eigenem Content investiert, aber es ist durchaus ein Licht am Ende des Tunnels erkennbar. Das ist aber auch dringend nötig, denn die Verbindlichkeiten betragen mittlerweile $24 Milliarden bei einem Eigenkapital von weniger als $7 Milliarden. Eine sturmsichere Bilanz sieht sicherlich anders aus.
Zum Start der „Streaming Wars“
Und es könnte durchaus ein heftiger Sturm werden, der da im November auf Netflix hereinbricht. Denn am 1. November startet Apple seinen eigenen Streamingdienst Apple TV+ zum Kampfpreis von $4,99 monatlich. Und am 12. November – rechtzeitig zum Weihnachtsgeschäft in den USA – ist dann der Launch von Disney+ (zum Preis von $6,99 monatlich) geplant.
Die US-Medien haben längst die „Streaming Wars“ ausgerufen. Dabei geht es nicht nur um die nackten Abonnentenzahlen. In dieser Hinsicht erwarte ich genauso wenig wie das Netflix-Management kurzfristig große Probleme. Denn es ist zu erwarten, dass die meisten Netflix-Haushalte durchaus mehrere Streaming-Anbieter abonnieren werden. Die Streaming Wars sind auch ein Kampf um die angesagtesten Schauspieler, Regisseure und Produzenten, damit geht es um viel Geld aber vor allem auch um die Zeit der Zuschauer.
Ich gehe davon aus, dass es durch den Markteintritt von Disney und Apple kurzfristig keine großen Kündigungswellen bei Netflix geben wird. Es wird in den nächsten Quartalen wohl vielmehr darum gehen, wie viele Haushalte sich neben Netflix zusätzlich noch Disney+ und/oder Apple TV+ gönnen werden.
Allerdings wird sich Netflix wohl von seiner Strategie der stetigen Preiserhöhung verabschieden müssen. Ich wage zu prognostizieren, dass in Anbetracht der zukünftig zahlreichen Streaming-Alternativen Preiserhöhungen von den Kunden nicht mehr klaglos hingenommen werden und zu erhöhten Kündigungsraten führen würden. Netflix wird in Zukunft nicht mehr als die günstige Alternative zu einem PayTV-Kabelanschluss, sondern eher als der teuerste Streaming-Anbieter wahrgenommen werden. So schnell ändern sich die Zeiten.
Strategieänderung notwendig?
Netflix wird sich mittel- und langfristig also neue Wachstumsstrategien einfallen lassen müssen. Derzeit gibt es für das Unternehmen keine andere Alternative als die heftige Investition in eigenen internationalen Content. Letztendlich ist es eine Glaubensfrage, ob Netflix in der Lage sein wird, den Abzug des Disney-Contents aus dem Netflix Programm durch die Eigenproduktionen zu kompensieren?
Ich bin skeptisch. Insbesondere wenn ich mir anschaue mit welchem Content Disney+ am 12. November an den Start geht. Wer würde sich nicht gerne zu Weihnachten von all diesen Klassikern verzaubern lassen, die da in den letzten 80 Jahren entstanden sind. Hier findet sich eine imposante Liste des Disney+ Content zum Start inklusive eines mehr als 3-stündigen Trailers auf YouTube.
Ich erwarte früher oder später zumindest in einigen Regionen den Einstieg von Netflix in den werbefinanzierten Streaming-Markt. Dadurch könnte ein neues für den Nutzer kostengünstiges Angebot geschaffen und die ambitionierten Ziele (was Subscriber-Growth angeht) erreicht werden. Was sollte langfristig dagegen sprechen, einen solchen zusätzlichen Umsatzstrom zu erschließen? Derzeit will das Management sich zu 100 Prozent auf seine bewährte Strategie fokussieren und lehnt den Einstieg in den Werbemarkt kategorisch ab. Ich bin ein großer Freund von Fokus. Aber ich glaube das Management wird hier zu gegebener Zeit umdenken müssen.
Warum wir anstatt in die Netflix Aktie in Disney investieren
Wir haben für das Portfolio des DLF seit dem Start unseres Fonds im März 2018 nicht in den Digital Leader Netflix, sondern in Disney als Digital Transformation Leader investiert. Diese Entscheidung war bisher richtig: während die Netflix Aktie seitdem sogar etwas verloren hat, konnte der Disney Anteilschein um mehr als 25 Prozent zulegen.
Die fundamentale Stärke spricht auch weiterhin für Disney und gegen Netflix. Zwar haben sich die ehemals extrem ungleichen Bewertungen inzwischen aneinander angenähert, aber immer noch steht ein EV/Sales Verhältnis von 7,5 bei Netflix einem Wert von 4,5 bei Disney gegenüber. Das Kurs-Gewinn-Verhältnis liegt auch auf der Basis der zu erwartenden Zahlen für 2020 bei Netflix noch über 50 gegenüber 20 bei Disney.
Der für uns alles entscheidende fundamentale Unterschied ist der Cashflow: während Netflix bei einer Eigenkapitalquote von derzeit 22 Prozent noch einige Jahre mit einem negativen Cashflow und einer schwachen Bilanz kämpfen muss, kann sich Disney seine Milliardeninvestitionen in den Streaming-Markt aus einer Position der Stärke heraus leisten. Das Eigenkapital von Disney ist 13-mal so hoch wie bei Netflix, der Enterprise Value mit $300 Milliarden aber nur circa 2,5 mal größer.
Wir fühlen uns auch angesichts dieser Diskrepanz weiterhin sehr wohl mit unserem langfristigen Disney Investment und werden weiterhin nicht in die Netflix Aktie investieren.
Es bleibt also spannend. Wenn Du auch in Zukunft die “Streaming Wars” gemeinsam mit uns weiterverfolgen willst, kannst Du Dich hier für unseren Newsletter anmelden.
Autor
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Stefan war in seinem gesamten Berufsleben in der High-Tech-Industrie tätig. Er hat sein eigenes Software-Unternehmen gegründet, internationalisiert und vor einigen Jahren ins Silicon Valley verkauft. Der Wirtschaftsmathematiker investiert seit über 30 Jahren in Aktien. Er verwaltet eines der erfolgreichsten investierbaren Musterportfolios auf der wikifolio Plattform.
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