Netflix, Lendingclub, Microsoft – Start in eine aufregende Berichtssaison

27. Januar 2023

Netflix Microsoft Lendingclub Quartalszahlen

Mit Quartalszahlen Updates zu Netflix, Lendingclub und Microsoft starten wir in die Berichtssaison, die viel Spannung verspricht. Anleger schauen zwar unverändert auf die Gewinne, aber die Umsatzlage gibt Aufschluss auf die Frage, wie sich die Auftragslage angesichts einer sich verlangsamenden US-Wirtschaft entwickelt.

Netflix Quartalszahlen – Zurück auf dem Wachstumspfad

Netflix hatte mit den Q4-Zahlen eine ganze Reihe von Überraschungen zu verkünden: Netflix Gründer und CEO Reed Hastings zieht sich aus der operativen Rolle zurück und wird künftig das Unternehmen als Executive Chairman begleiten. Die Führung teilen sich Ted Sarandos, der bisher schon Co-CEO war sowie Greg Peters, der bisherige COO. Mit beiden arbeitet Hastings schon über 15 Jahre zusammen. Hastings hat die Art, wie wir TV-Inhalte konsumieren, revolutioniert. Das als DVD-Verleihservice gestartete Unternehmen ist heute nach Disney das mächtigste Medienunternehmen der Welt. Vor 21 Jahre kam Netflix mit einem Aktienpreis von 1 Dollar an die Börse. Heute notiert die Aktie bei über 300 Dollar. Eine beeindruckende Managementleistung. Mit dem Einstieg ins Werbegeschäft übergibt Hastings das Zepter nun an die nächste Managergeneration.

Und die übernehmen ein kerngesundes Unternehmen. Für das vierte Quartal hat Netflix 7,7 Millionen neue Abonnenten vermeldet. Das ist eine faustdicke Überraschung. Analysten hatten im Schnitt 4,5 Millionen neue Bezahlkunden erwartet. Netflix Strategieschwenk, eine werbefinanzierte und somit günstige Subskription anzubieten, ist voll aufgegangen. Offensichtlich haben bestehende Kunden kaum zum neuen Angebot geswitcht. Auch die „Passwort-Schnorrer“ will Netflix nun zum Bezahlen nötigen. Netflix sagt, dass etwa 100 Millionen Nutzer das Passwort außerhalb des eigenen Hauses teilen. Künftig müssen die zusätzlichen Nutzer in allen Ländern zahlen. Das alles wird in den kommenden Quartalen zu einem deutlichen Abonnentenwachstum führen, auch wenn sich das auf Umsätze und Gewinne noch wenig auswirken wird. So waren die Umsätze im vierten Quartal im Rahmen der Erwartungen, die Gewinne fielen jedoch geringer aus. Dennoch will Netflix bei stabilen Wechselkursen eine operative Marge von ca. 19 Prozent für 2023 erreichen. Bei einem schwächeren Dollar kann es mehr werden. Der Free-Cashflow soll in den nächsten 12 Monaten mit mindestens 3 Mrd. Dollar nahezu verdoppeln.

Lendingclub Quartalszahlen – Aktuell eine stinknormale Bank mit hohen Risiken

Lendingclub präsentierte am Mittwochabend Q4-Zahlen, die ein Tick besser ausgefallen sind als erwartet: Der Umsatz ist mit 262,7 Mio. Dollar gegenüber dem Vorjahresquartal gleich geblieben, der Nettogewinn mit 23,6 Mio. Dollar 19 Prozent gefallen. Die Umsatzzusammensetzung verlagert sich aber deutlich in Richtung Bank und Asset-Heavy-Modell. Da die Finanzierung von unbesicherten Krediten über den Marktplatz im aktuellen Zins- und Risikoumfeld wenig funktioniert, nimmt Lendingclub immer mehr Kredite in die eigenen Bücher, bläht somit die Bilanz auf und steigert die Zinseinnahmen.

Zinseinnahmen vs. Gebühren

Machten in Q4 2021 die transaktionalen Einnahmen/Gebühren 68 Prozent des Umsatzes aus, sind es im abgelaufenen Quartal nur noch 48 Prozent. In den nächsten Quartalen sollte sich das fortsetzen, wobei die Kreditvergabe insgesamt deutlich abnehmen wird, so das Unternehmen. Das führt allerdings dazu, dass mit einem reiferem Kreditbuch und weniger neuen Krediten der Anteil der faulen Kredite naturgemäß steigen wird. Lendingclub ist keine etablierte Bank, denen Einlagenkunden nur so zulaufen. Um die Einlagen zu halten, muss das Haus die steigenden Zinsen direkt an die Kunden weitergeben, und zwar bezogen auf die gesamten Einlagen. Mit den höheren Zinsen kann man aber nicht das gesamte Kreditbuch belasten, sondern nur bei neuen Krediten die Zinsen hochfahren. Die Nettozinsmarge ist zwar gegenüber Vorjahr von 7,6 Prozent auf 7,8 gestiegen. Aber gebenüber Vorquartal ist das ein Rückgang von 0,7 Prozent. Das ist heftig. Der Markt hat verschnupft auf die Zahlen reagiert. Die Aktie von Lendingclub ist bis zum Börsenschluss am Donnerstag um 11 Prozent gefallen. Lendingclub ist aktuell eine stinknormale Retailbank, die wenig diversifiziert ist und im Falle einer Rezession hohe Abschreibungen vornehmen müsste. Das wäre der Worst-Case. Im Best-Case bekommen wir in den USA ein Softlanding und eine Zinspause. Dann könnte das Kreditbuch bilanzschonend, nämlich über den Marktplatz, wieder deutlich ausgeweitet werden.

Microsoft Aktie Quartalszahlen – Quality, aber zu welchem Preis?

Lange Zeit galt es für Big Tech als Nachteil, nicht zum Klub der FANGs zu zählen. Die Plattform-Stars waren die Hauptprofiteure des Growth-Hypes, der 2020 seinen Höhepunkt fand. Seit Beginn des High-Growth Crashs hat sich das Umfeld für Tech insgesamt eingetrübt, und die FANGs sind 2022 in den Sog der Korrektur geraten. Der Kurs der Meta Aktie brach 2022 um fast zwei Drittel ein, die Kurse von Netflix und Amazon halbierten sich, und auch Alphabet verlor 40 Prozent (alle Angaben in US-Dollar). Microsoft schlug sich dagegen vergleichsweise wacker. 2022 verlor die Aktie relativ moderate 28 Prozent – und das auch nur wegen der hohen Verluste gegen Jahresende. Anleger wussten die Qualitäten von Microsoft zu schätzen: solide Bilanzen dank der Legacy Produkte (Office), die seit dem Amtsantritt von Satya Nadella 2014 um reichlich Cloud-Phantasie ergänzt wurden. Nadella gelang es, das oft belächelte Legacy-Tech Unternehmen neu zu erfinden und zu einem der führenden Cloud-Anbieter zu positionieren. Azure gilt als Herzstück der Wachstums-Story, und inzwischen ist sogar Office 365 mit viel Sex-Appeal ausgestattet – Stichwort SaaS.

Doch es kam, wie es kommen musste: Auch die besten Quality Aktien werden irgendwann von der Realität der Realwirtschaft eingeholt. Die Guidance des Unternehmens für das laufende Jahr fiel gedämpft aus. Die Nachfrage nach Cloud-Dienstleistungen sei Ende 2022 deutlich zurückgegangen. Nadella berichtete anlässlich der Bekanntgabe der Quartalszahlen am Dienstag, dass sich Kunden mit neuen Cloud-Projekten zurückhalten würden. Wegen der Investitionszurückhaltung in konjunkturell unsicheren Zeiten taxiert Microsoft jetzt einen Umsatz von zwischen 50,5 und 51,5 Milliarden Dollar für dieses Quartal. Das ist unter dem Median der Analysten-Schätzungen und nur drei Prozent Umsatzwachstum gegenüber dem Vorjahresniveau. In den drei Monaten per Ende Dezember lag das YoY-Umsatzwachstum bei zwei Prozent. Dahinter steckt im Einzelnen ein Plus von 38 Prozent bei Azure und ein Wachstum von knapp 30 Prozent im Dynamics 365 Bereich sowie ein Rückgang von 19 Prozent im Legacy-PC-Business.

Auch der Gewinn brach ein. Der Nettogewinn ging gegenüber dem Vorjahresquartal um zwölf Prozent auf 16,4 Milliarden Dollar zurück. Dies enthält auch Restrukturierungskosten von 1,2 Milliarden Dollar. Diese gehen – und das ist der wohl wichtigste Indikator für magere Zeiten – auf den geplanten Abbau von 10.000 Jobs zurück. Azure und SaaS wachsen, aber dass jetzt auch Microsoft bei den Personalkosten die Axt ansetzt, dürften viele Growth-Anleger als Menetekel verstehen.

Die Kursverluste fielen eher maßvoll aus, was auch daran gelegen haben mag, dass Microsoft wenige Tage zuvor ankündigt hatte, seinen Anteil an OpenAI (Chat GPT!) weiter auszubauen. Allerdings täuscht das nicht darüber hinweg, dass Investoren skeptisch geworden sind. In diesem Jahr hinkt die Microsoft Aktie den FANGs hinterher: Netflix legte seit Anfang Januar – hatte das jemand auf dem Schirm? – um ein Viertel zu, die Meta Aktie stieg in den vergangenen vier Wochen um 20 Prozent, Amazon legte um 14 Prozent zu. Die Microsoft Aktie liegt bisher 2023 nur minimal im Plus. Anleger wissen natürlich um die Qualitäten von Azure und dem Subscription Business von Microsoft – die Frage ist nur, wie viel man bereit ist, für das Qualitätswachstum zu zahlen. Die Bewertungen reflektieren deutlich mehr als magere, niedrige einstellige Wachstumsraten. Zwar ist auch Microsoft längst nicht mehr so hoch bewertet wie 2020 oder 2021, aber mit einem TTM PE von 26 ist Microsoft noch immer ziemlich teuer. Meta kommt dagegen auf ein KGV von 11, Alphabet bringt es auf 18, Apple auf 21 und sogar Netflix spielt mit einem KGV von 26,5 längst nicht mehr in der außerirdischen Liga von einst.

Von sehr teuer zu teuer: Das 12 TTM KGV von Microsoft seit Ende 2020

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Autor

  • Baki Irmak

    Baki war viele Jahre in leitender Funktion für den Deutsche Bank Konzern und DWS tätig. Zuletzt u.a. als Global Head of Digital Business für die Deutsche Asset & Wealth Management und Mitglied im Digital Executive Commitee der Deutschen Bank. Seine berufliche Laufbahn hat er als Fondsmanager für Technologie, Telekommunikation und Medien bei BHF Trust begonnen. Danach war er Fondsmanager bei der Commerzbank und ABN Amro.

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Baki Irmak

Baki war viele Jahre in leitender Funktion für den Deutsche Bank Konzern und DWS tätig. Zuletzt u.a. als Global Head of Digital Business für die Deutsche Asset & Wealth Management und Mitglied im Digital Executive Commitee der Deutschen Bank. Seine berufliche Laufbahn hat er als Fondsmanager für Technologie, Telekommunikation und Medien bei BHF Trust begonnen. Danach war er Fondsmanager bei der Commerzbank und ABN Amro.

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2 Antworten

  1. Hallo Baki.
    im Zuge der Berichterstattung zu Microsoft sehe ich den Bereich OpenAI bzw. das Engagement in Chat GPT als Key Message. Siehst Du das im Zusammenhang mit the DLF ebenso? … und wie steht the DLF eigentlich zu dem kommerziellen Einsatz von Quantum Computers? z.b. die Firma D-Wave die mit commercial applications teilweise mit Quantum Computern arbeitet, scheint aber finanziell nicht so recht in die neue Datenwelt eindringenzu können, ist das (auch im Zusammenhang mit AI noch alles zu früh für Quanten-Computer?

    1. Hallo Peter, ich denke, AI ist schon längst in der Wirtschaft angekommen, die Usecases sind mannigfaltig, sie haben Impact und sind daher ein entscheidendes Anlagethema. OpenAI veranschaulicht das noch prominenter. Zum Thema Microsoft und einer möglicher Positionierung gegen Google hat der großartige Andrew NG, Ex-Baidu AI Head, einen spannenden Blogartikel geschrieben: https://www.deeplearning.ai/the-batch/issue-180/. Grüße und bis bald.

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