NIO Aktie: Der Tesla von China – Teil 1

1. April 2022

NIO Aktie

China kannte bisher nur große staatseigene Autobauer und ihre ausländischen Joint-Venture Partner. Eine junge Garde von Tech Unternehmern mischt die Szene nun ordentlich auf. An vorderster Stelle steht die Marke NIO. Wer hinter ihr steht und was NIO zum führenden China-EV-Player gemacht hat. Der erste Teil unseres Portraits der NIO Aktie, die zum China Digital Leaders Portfolio gehört.

Lange Zeit beherrschten große staatseigene Autobauer den chinesischen Markt und bestimmten, welche Modelle in China gebaut und verkauft wurden. Auswahl gab es nicht viel. Das änderte sich dramatisch mit dem Eintritt der ausländischen Marken in den 80er und 90er Jahren im Rahmen von Joint-Venture Abkommen für den chinesischen Markt. Allen voran natürlich Volkswagen. Hinter den chinesischen Firmen standen aber keine großen und bekannten Gründernamen wie ein Henry Ford, Elon Musk oder gar Enzo Ferrari. Mit dem neuen Zeitalter der Elektroautos (“EV”) änderte sich dies in China. Wir haben eine Serie zu diesem Thema gestartet, in der wir in lockerer Reihenfolge die wichtigsten chinesischen Elektroauto Aktien analysieren. Den Start machen wir mit der NIO Aktie, dem Unternehmen werden wir zwei Artikel widmen.

Wenn insbesondere ein Name für die neue Riege von chinesischen Auto-Titanen steht, dann ist das William Li und sein EV Startup NIO. Im heutigen ersten Teil befassen wir uns mit der Geschichte des Unternehmens, dem Gründer und den Produkten. In einem zweiten Teil zur NIO Aktie folgt ein Deep-Dive in das operative Geschäft und die finanzielle Bewertung des Unternehmens.

NIO Unternehmensvorstellung

Der Mann hinter der Marke – William Li

William Li (Li Bin 李斌) stammt aus ärmlichen Verhältnissen. Er wurde 1974 als Sohn eines Milchbauern in der Provinz Anhui geboren. In seinen jungen Jahren half William auf der Farm aus. Angeblich hatte er Spaß dabei, seinem Großvater beim Verkauf von Kühen zu helfen. Als William sieben Jahre alt wurde, begannen seine Eltern bereits, Geld für seine akademische Ausbildung zu sparen. Die landesweite Universitätsprüfung, auch Gaokao 高考 genannt, schloss er unter Hunderttausenden von Mitbewerbern als Jahresbester in seiner Heimatprovinz Anhui ab und ergatterte einen hoch begehrten Studienplatz an der renommierten Peking Universität, das Harvard von China. Wer das chinesische Schulsystem versteht, weiß, welch eine Leistung der junge William hier vollbracht haben muss.

William Li

Nach dem Studienende gründete William 1996 sein erstes eigenes Internetunternehmen. Es war der Vorläufer von Bitauto Holdings (auf chinesisch: 易车), einem Unternehmen, das er im Jahr 2000 gründete. Bitauto ist eine Plattform für Dienstleistungen, Marketing und Werbung rund um das Thema Auto und gleichzeitig ein bekanntes Auto-Nachrichtenportal. Das Unternehmen wuchs exponentiell und ging in 2010 in New York an die Börse. Bitauto machte William zu einem wohlhabenden Mann, als er 2013 seine Anteile verkaufte (das Unternehmen gibt es im übrigen auch heute noch). William investierte mit dem Verkaufserlös in über 40 Mobilitäts-Startups: das bekannteste darunter Mobike, einer von Chinas größten Fahrrad-Sharing Diensten, der später für 2,7 Milliarden Dollar von Meituan übernommen wurde. Im November 2014 gründete er NextEV Inc. (Anmerkung: der Name wird erst später in NIO umgewandelt) auf den Kaimaninseln, eine ausländische Holdinggesellschaft für sein in China zu gründendes Unternehmen für High-End Elektroautos.

Kurzer Exkurs: Ein Wort zum Namen und Logo

Das NIO-Logo wurde mit einer sehr chinesisch anmutenden Idee entworfen, bei dem Himmel und Erde in das Design einbezogen werden. Der obere Teil des Logos stellt den Himmel dar und vermittelt die Präsenz von Visionen. Der untere Teil des Logos stellt die Erde dar und soll Aktion symbolisieren.

Der chinesische Name für NIO ist Weilai 蔚来 – auf Englisch als “Blue Sky Coming” übersetzt, was die Vision und das Engagement des Unternehmens für eine umweltfreundlichere Zukunft widerspiegelt. Übrigens: Weilai, gleich ausgesprochen aber mit einem anderen Schriftzeichen an erster Stelle – 未来 – ist das viel bekanntere Wort im Chinesischen und bedeutet: Zukunft. Geschicktes Wortspiel würde der chinesische Branding Experte sagen.

Die Anfänge im Rennsport

William Li ist ein begnadeter Verkäufer. Die Namen in den ersten Investorenrunden für NIO lesen sich wie das “Who is Who” der chinesischen Kapitalwelt: Pony Ma von Tencent, Lei Jun von Xiaomi, Li Xiang von Chehejia (und später selber Gründer von LI Auto!) sowie Richard Li von JD.com. Natürlich fehlten illustre VC Firmen wie Hillhouse Capital oder Sequoia China ebenfalls nicht. Auch Baidu kam später dazu.

Die Entstehung von NextEV blieb außerhalb Chinas weitgehend unbemerkt, aber nicht lange. NextEV erlangte weltweite Bekanntheit, als es in der Eröffnungssaison in 2014 Titelsponsor des Formel-E Teams “Team China Racing” wurde. Mithilfe des bekannten Piloten Nelson Piquet Jr. holte man den Meistertitel für NextEV.

Next EV

NextEV wurde ehrgeizig und kaufte im Jahr 2016 gar das ganze Team. Man entwickelte einen hauseigenen Antriebsstrang und gründete eine eigene Niederlassung in London. Die erste Saison blieb jedoch die erfolgreichste. Seitdem ist die Mannschaft bestenfalls im Mittelfeld und im Augenblick nur auf dem vorletzten Platz. Vielleicht auch deswegen hat NIO das Renn-Business im August 2019 an den in Shenzhen gelisteten chinesischen Betreiber Lisheng Racing verkauft.

Das Rennteam war auch an der Entwicklung des ersten Straßenautos von NextEV beteiligt. Hierbei handelte es sich um ein spektakuläres Design: ein Kohlefaser Monocoque basierend auf einem Lola-Sportwagen, ausgestattet mit vier Elektromotoren mit einer Gesamtleistung von 1000 kW, Torque Vectoring und austauschbaren Batterien. Das Auto mit dem Namen EP9 wurde im November 2016 in London in der Saatchi Galerie vorgestellt.

NIO EP9

Wenige Monate später, im Mai 2017, stellte der EP9 den Rundenrekord für Serienautos auf dem Nürburgring auf mit einer Zeit von 6 Minuten und 45 Sekunden. Bei der Enthüllung in London gab NextEV übrigens auch seinen neuen Markennamen bekannt: “NIO”. Vom EP9 gibt es heute nur sechs verkaufte Exemplare. Angeblich sollen auf Kundenwunsch weitere zehn Autos derzeit in Produktion sein. Günstig sind sie bei einem Preis von 1,2 Millionen Dollar sicher nicht.

Bereits 2015 gründete NIO Niederlassungen in München (für Autodesign) und in San Jose (für die Entwicklung autonomer Systeme und Software) und gründete XPT. Dieses Tochterunternehmen in der Nähe von Nanjing fungiert als Technologielieferant für NIO, indem es Elektromotoren, Batteriepakete und alle Arten von Hilfssystemen (wie Ladelösungen und Heimspeicher) herstellt. Im Mai 2016 unterzeichnete NIO einen Vertrag mit dem in Hefei ansässigen staatlichen Autohersteller JAC (Jianghuai Automobile Group Co., Ltd.) zur Produktion seiner Straßenfahrzeuge und umging damit geschickt die Notwendigkeit, eine eigene Produktionslizenz zu beantragen.

Die NIO Produkte

Das erste Serienmodell – ES8

Im November 2017 eröffnete das Unternehmen sein erstes NIO-Haus in Peking. Bereits im Dezember fand der NIO-Day statt, wo zum ersten Mal der ES8 einer breiten Öffentlichkeit vorgestellt wurde. Die NIO-Days haben sich übrigens zu einem alljährlichen Kultevent entwickelt, auf dem neben dem Gründer und CEO jetzt auch regelmäßig nationale und internationale Stars auftreten.

NIO Days

Der ES8 ist vollgepackt mit hochmoderner Technologie, die NIO klar in das Premium-Segment hebt. Der Preis ist entsprechend: das Einstiegsmodell kostet ca. 450.000 Yuan (63.000 Euro) und kann somit in China mit BMW, Mercedes und Tesla konkurrieren. Die gesamte Karosseriestruktur, die in Zusammenarbeit mit Tata Technologies entwickelt wurde, besteht aus leichtem Aluminium und weist ein Skateboard-Design wie Tesla auf. Der ES8 kann wahlweise als 6- oder 7-Sitzer bestellt werden. Das Auto hat eine Gesamtleistung von 480 kW. Das Batteriepaket wird von CATL geliefert und besteht aus prismatischen Zellen mit einer Gesamtkapazität von 70 kWh. Wie bei allen NIOs ist der Akku austauschbar.

Das Armaturenbrett wird dominiert von großen Touchscreens. Auf dem Armaturenbrett sitzt NIOs Fahrassistent und Sprachroboter namens Nomi, der wie ein freundliches Emoticon aussieht (siehe Bild unten). Nomi ist Berichten zufolge das erste künstliche Intelligenzsystem in Serienautos. Nomi kann Fenster öffnen und schließen, die Navigation des Fahrzeugs anhalten, die Innenraumtemperatur ändern und die Musik steuern. Und in China besonders beliebt: Mit ihr können Passagiere im Auto ein Selfie machen.

NIO Nomi

Nomi ist auch der Zugangspunkt für NIO Pilot, das autonome Fahrsystem der Stufe 2. Es wurde gleichzeitig mit dem ES8 eingeführt. Der NIO-Pilot wurde 2018 und 2019 mit einer Reihe von Over-the-Air-Upgrades verbessert, die Funktionen wie Spurhalten, Spurverlassenswarnungen, adaptive Geschwindigkeitsregelung, automatische Notbremsung, Staupilot, automatischer Spurwechsel, Autobahnpilot und vieles mehr beinhalten. Das Sensor Set für den NIO Pilot besteht aus 5 Radargeräten, einer Trifokal-Frontkamera, einer Fahrermonitorkamera und 12 Ultraschallsensoren. NIO war der erste Automobilhersteller, der ein Fahrzeugmodell auf den Markt brachte, das den EyeQ4-Vision-Chip von Mobileye verwendet.

Die Auslieferung des ES8 begann im Sommer 2018. In den chinesischen Automagazinen gab es fast nur positive Bewertungen. Es schien jetzt zu laufen für William Li. Die Flitterwochen halten jedoch nicht an. Ein allzu bekanntes Tesla Problem trifft nun auch NIO: Ende 2018 gehen mehrere ES8 Modelle in China ohne ersichtlichen Grund in Flammen auf. Die interne Untersuchung führt letztendlich zu einem fehlerhaften Steckermantel, der einen Kurzschluss verursachen kann. Anfang 2019 müssen alle vom Unternehmen produzierten Autos zur Reparatur zurückgerufen werden. Die Ereignisse werden auf Wechat und Weibo von Chinas Netzbürgern genauestens dokumentiert und beschädigen das makellose Image von NIO.

Wie auf dem zweiten NIO-Day im November 2018 in Shanghai angekündigt, begann NIO Mitte 2019 mit der Auslieferung seines zweiten Modells, des ES6. Ein mittelgroßer 5-Sitzer-SUV mit normaler Stahlkarosserie, aber immer noch mit Luftfederung und als zweimotoriges 4WD-Modell erhältlich. Der ES6 erlaubt NIO den Einstieg in ein niedrigpreisiges Segment, das notwendig ist, um das Volumen zu erhöhen. Der Einstiegspreis liegt nur noch bei knapp 360.000 Yuan (51.000 Euro).

NIO ES6

Eigentlich lief alles nach Plan. Doch das Unternehmen hatte enorme Geldsummen verbrannt, um das zugegebenermaßen kompakte und überzeugende Setup auf die Beine zu stellen. Doch jetzt ging NIO das Geld aus. Die NIO Aktie stand nur noch bei 1,50 Dollar und das Unternehmen hatte ein Market Cap von nur noch 2,5 Milliarden Dollar. Zu allem Überdruss führte die chinesische Regierung auch noch eine erhebliche Kürzung der Subventionen für Elektroautos durch. Während sich NIO noch von den negativen Auswirkungen rund um den ES8-Rückruf erholte und versuchte, den ES6 in höhere Stückzahlen zu bringen, begann in Wuhan ein noch unbekannter Virus die Runde zu machen.

Alle Schwierigkeiten schienen für NIO auf einmal zu kommen. Heute kaum noch vorstellbar, aber Anfang 2020 stand das Unternehmen kurz vor der Pleite. Obwohl immer noch viel Geld ausgegeben wurde, hatten die Covid-Pandemie und der daraus resultierende Einbruch des Marktes für neue Energien jegliche Finanzspritzen für den Sektor zum Erliegen gebracht.

Den Rettungsanker fand William Li im Februar 2020 in der lokalen Regierung von Hefei, der Hauptstadt der Provinz Anhui. Über mehrere staatseigene Investmentfonds stellte die Regierung NIO sieben Milliarden Yuan (1 Milliarde Euro) zur Verfügung. Im Gegenzug erhielt es mit 25 Prozent eine bedeutende Beteiligung an NIO China. Das Unternehmen versprach im Gegenzug, seinen Hauptsitz von Shanghai nach Hefei zu verlegen.

Was aber letztlich den Wiederaufstieg der NIO Aktie herbeiführte, waren die dramatischen Kursgewinne bei Tesla. Im Jahr 2020 stieg die Tesla Aktie auf exorbitante Höhen. Zeitweise war der Marktwert von Tesla höher als die 20 größten globalen Autohersteller zusammen. Von März bis Ende Dezember 2020 verachtfachte sich der Kurs der Tesla Aktie. 

Im Zuge dieser Entwicklungen erholte sich auch NIO schnell wieder. Die Verkäufe stiegen schnell auf Rekordzahlen, und ähnlich wie bei Tesla explodierte der Aktienwert von 4 Dollar auf über 55 Dollar im November 2020. Am Ende des Jahres überstieg der Marktwert von NIO den von SAIC (Shanghai Automotive Industry Corporation), Chinas größtem Autohersteller, der hundertmal so viele Autos verkauft wie NIO. NIO hat den Sturm überstanden und ist gestärkt daraus hervorgegangen. Viele haben es nicht geschafft. Am Ende waren von den über 380 EV Startups in China im Jahre 2015 weniger als zehn übrig geblieben.

Der rasante Aufschwung ermöglichte es NIO, Aktien von Hefeis Investmentfonds zurückzukaufen. Heute besitzt NIO bereits wieder mehr als 90 Prozent seines China Geschäfts. Auch hat NIO seinen Produktionsvertrag mit JAC noch einmal um drei Jahre bis Mai 2024 verlängert. Gleichzeitig aber investiert NIO seit 2021 in eine gigantische zweite firmeneigene Fabrik im Xinqiao Industrial Park in der Nähe des Flughafens von Hefei, auch NeoPark genannt. Im Earnings Call vor wenigen Tagen wurde bekannt gegeben, dass diese neue Fertigungsanlage – intern auch “F2” genannt – im dritten Quartal mit der Produktion des neuen ET5 Sedans beginnen wird.

NeoPark

NIO Marketing

Wie bereits erwähnt, schloss Li Bin die Universität mit einem Abschluss in Soziologie ab. Ein Teil dieses Wissens hat er zweifellos im Marketing seiner eigenen Firma einzusetzen gewusst, da NIO einen deutlich anderen Ansatz verfolgt als andere Marken für den chinesischen Massenmarkt.

In den dunklen Monaten, in denen das Unternehmen kurz vor dem Zusammenbruch stand, wurde deutlich, dass eine starke Gemeinschaft NIO unterstützt. Die Marke hat eine Social-Media App herausgebracht, über die Besitzer miteinander in Kontakt bleiben, über ihre Autos sprechen, NIO Markenwaren kaufen oder sonstige Vorteile genießen können, die mit der Marke verbunden sind. Dass die Strategie funktioniert, steht außer Frage. Wann immer Li Bin auf einer Autoshow oder beim NIO-Day auftritt, wird er von seinen Fans und NIO-Besitzern wie ein Rockstar begrüßt.

Dasselbe gilt für eine andere Marketinginnovation von NIO, das NIO-Haus. Zwar werden hier auch Autos zur Schau gestellt, aber dies ist trotzdem kein normales Autohaus, sondern ein Clubhaus für NIO-Besitzer. NIO-Häuser verfügen über Arbeitsräume, eine Bibliothek, Kinderbetreuung, eine attraktive Kaffeebar und andere Einrichtungen, die normalerweise nicht mit einer Automarke in Verbindung gebracht werden. NIO verfügt sonst nicht über ein traditionelles Händlernetz, sondern vertreibt seine Autos digital über die App. Das NIO-Haus ist ein wichtiger emotionaler Ankerpunkt für die Marke. Insgesamt gibt es bereits 46 NIO-Häuser. Das erste hat im Oktober in Oslo geöffnet.

NIO Haus

NIO Power

Die Ladelösungen von NIO folgen demselben benutzerorientierten Ansatz. Natürlich ermöglichen die Autos schnelles Aufladen an öffentlichen Ladesäulen, aber NIO bietet auch Heimladelösungen für zu Hause mit Power Home und Power Home Plus.

NIO Power Home und Power Home Plus

Und für unterwegs.

Power Charger: Von 20 Prozent auf 80 Prozent Batterieladung in nur einer halben Stunde. NIO Power Charger ist in der Lage, mit bis zu 180 kW und 250 A zu laden und bietet schnelle, intelligente und zuverlässige Ladedienste für NIO-Fahrzeuge und andere E-Fahrzeuge im öffentlichen Raum. 

Power Mobile: Mit einem Klick in der NIO-App kommt das Power Mobile (siehe im Bild oben rechts) zum Kunden und lädt das Auto an Ort und Stelle auf.

Valet Charging: Mit nur einem Klick auf dem Handy holt ein NIO-Servicespezialist das Auto vor der Haustür ab und lädt es auf. Mit der besten Ladeoption, welche die Cloud-Plattform empfiehlt, wird das Auto in kürzester Zeit aufgeladen und zurückgebracht.

Batteriewechselstationen: NIO verfügt mittlerweile über 718 solcher Stationen in 190 Städten. Diese Batteriewechselstationen können den Batteriewechsel innerhalb von fünf Minuten abschließen. 

Entsprechende Rückendeckung von der Zentralregierung gibt es ebenfalls: Im November 2020 verkündete der Staatsrat den „Entwicklungsplan für die Industrie für Fahrzeuge mit neuer Energie (2021-2035)“. Darin wird vorgeschlagen, „den Aufbau der Batteriewechsel-Infrastruktur zu stärken“ und „die Entwicklung von Modellen für den Batteriewechsel zu fördern“. Im März 2021 wurde die Aufstockung von Ladesäulen und Batteriewechselstationen in den Arbeitsbericht der Regierung geschrieben. Diese staatlichen Subventionen sind nicht nur willkommen, sondern auch nötig. Auch wenn NIO in seinen Finanzberichten derzeit nichts zu den Kosten einer einzelnen Batteriewechselstation sagt, so geht man in Fachkreisen von Kosten zwischen 1,5 bis 2 Millionen Yuan (210.000 bis 280.000 Euro) aus. Dies inkludiert nicht die Miete und andere Nebenkosten zum Aufbau der Einheit. Der Service wird vom Kunden gerne angenommen. Insgesamt wurden bis Jahresende bereits 7,6 Millionen Batteriewechsel durchgeführt.

Ganz neu gedacht ist das NIO Modell: Battery as a Service (BaaS). Einfach ausgedrückt geht es hier um die Trennung von Fahrzeug und Batterie. Der Käufer eines NIO Autos mit einer 70 kWh Batterie erhält einen Preisnachlass von 70.000 Yuan (ca. 10.000 Euro) und wählt ein Abo-Modell für seine Batterie für monatlich 980 Yuan (ca. 140 Euro). Das gesamte BaaS Geschäft wird nicht von NIO selber, sondern von der in Wuhan ansässigen Weineng Battery Asset Company verantwortet, welche ein Joint Venture zwischen NIO, CATL und Guotai Junan Securities ist.

NIO Battery as a Service (BaaS)

Die neuen Modelle: EC6, ET7 und ET5

Im Sommer 2020 brachte NIO sein drittes Modell auf den Markt. Der EC6 ist eine sportliche Crossover-Version des ES6. Auch der Preispunkt ist mit dem des ES6 vergleichbar. Es ist das letzte Auto der ersten Generation. In den Startlöchern wartet bereits der ET7, die neue große Limousine von NIO, die zum Markenzeichen und Tesla Challenger werden soll. NIO zeigte auf seinem NIO-Day im Januar 2021 eine vorläufige Version und kündigte eine lange Liste von Innovationen an, darunter ein fortschrittliches Selbstfahrpaket und semi-Festkörper Batterien. Der gerade vor kurzem ernannte Lieferant dieser Batterien ist nicht mehr CATL, sondern der in Peking ansässige Batteriehersteller WeLion 卫蓝.

Vor wenigen Monaten wurde nun auch der bereits heiß erwartete ET5, der kleinere Bruder zum ET7 vorgestellt, dessen Verkaufsstart für September dieses Jahres angesetzt wird. Damit enden aber nicht die Ambitionen für eine noch größere Modellpalette. Schon letztes Jahr machten Gerüchte die Runde, dass NIO eine zweite Sub-Marke für das Niedrigpreis-Segment plane, um noch besser mit dem Rivalen Xpeng konkurrieren zu können. Dies ist mittlerweile offiziell bestätigt worden. Laut Angaben im letzten Earnings Call ist das Recruitment in vollem Gange und das Kernteam aufgebaut. Die strategische Ausrichtung und Markenpositionierung ist abgeschlossen, so dass jetzt mit der Forschungs- und Entwicklungsphase für die ersten Produkte begonnen werden kann. Ein Markenname wurde aber noch nicht bekannt gegeben.

Internationale Ambitionen

NIO ES8 verschifft nach Norwegen

William Li möchte sich nicht mit dem chinesischen Markt begnügen. Schon lange steht fest, dass NIO auch den europäischen Markt erobern will. Erster Anlaufpunkt ist das für Elektroautos besonders aufgeschlossene Norwegen. Im Augenblick werden 100 ES8 pro Monat verkauft. Wie bereits erwähnt, gibt es seit letztem Jahr ein NIO-Haus in Norwegens Hauptstadt. Die erste Batteriewechselstation in Norwegen wurde vor kurzem in Betrieb genommen. Am Ende des Jahres sollen es 20 sein. Im letzten Earnings Call gab William Li bekannt, dass dieses Jahr der Markteintritt für Deutschland, Holland, Schweden und Dänemark folgen soll. Es ist als nur noch eine Frage von Monaten, bis wir die ersten NIO Autos auch auf deutschen Straßen sehen werden.

Im Teil 2 werden wir uns gemeinsam die finanziellen Kennzahlen von NIO genauer anschauen und an den entscheidenden Stellen auch den direkten Vergleich zu den beiden Wettbewerbern Tesla und Xpeng ziehen. Hier geht es zum zweiten Teil der Serie zu NIO.

Disclaimer

China Digital Leaders und/oder der Autor und/oder verbundene Personen oder Unternehmen besitzen Anteile von NIO. Dieser Beitrag stellt eine Meinungsäußerung und keine Anlageberatung dar. Bitte beachte die rechtlichen Hinweise.

Autor

  • Mirko Wormuth

    Mirko war 23 Jahre lang in China als Anwalt und Unternehmer tätig. Zuletzt war er Global Head of HR für das chinesische EV Startup BYTON in Nanjing. Davor lagen seine unternehmerischen Tätigkeiten im Bereich des chinesischen E-Commerce und Einzelhandels. Seit 2020 managt Mirko den auf die chinesische Digitalisierung spezialisierten “China Digital Leaders” Fonds.

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Mirko Wormuth

Mirko war 23 Jahre lang in China als Anwalt und Unternehmer tätig. Zuletzt war er Global Head of HR für das chinesische EV Startup BYTON in Nanjing. Davor lagen seine unternehmerischen Tätigkeiten im Bereich des chinesischen E-Commerce und Einzelhandels. Seit 2020 managt Mirko den auf die chinesische Digitalisierung spezialisierten “China Digital Leaders” Fonds.

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