Der Goldpreis eilt von Hoch zu Hoch. Anleger staunen und fragen sich, wie lange die inzwischen unheimliche Hausse noch andauern kann. Die Antwort: Möglicherweise noch ziemlich lange. Wir haben die Gründe dafür und dagegen abgewogen.
Wer Gründe für einen Anstieg des Goldpreises sucht, landet zunächst bei fürchterlich abgestandenen Binsenweisheiten: Wirtschaftliche Unsicherheit, politische Turbulenzen, volatile Märkte treiben Anleger zu stabilen Investments, und dazu zählt Gold. Aber wann sind, bitte schön, die wirtschaftlichen Perspektiven nicht unsicher, wann gibt es keine politischen Turbulenzen, und wann sind Märkte spiegelglatt wie ein Goldfischteich? Dass der Goldpreis in der vergangenen Woche zwischenzeitlich auf den Rekordwert von 2.670 Dollar pro Feinunze gestiegen, ist erklärungswürdig. Im heutigen Blogbeitrag unternehmen wir den Versuch, die Entwicklung des Goldpreises mit den aktuellen makro-ökonomischen Rahmenbedingungen in Einklang zu bringen.
Gold: Welche Funktion das Edelmetall hat
Gold nimmt im Finanzsystem eine Sonderstellung ein. Weil es aus dem Boden geholt wird, wird es oft als Rohstoff bezeichnet. Allerdings enden hier die Gemeinsamkeiten: Die meisten Metalle haben eine Funktion in industriellen Produktionsprozessen. Großzügig bemessen, kommen aber nur rund zehn Prozent der jährlich geförderten Menge Gold in der Produktionswirtschaft zum Einsatz. Der Rest geht in die Schmuckproduktion oder wird als Investment vom Markt genommen. Bei den Edelmetallen Silber und Platin liegt die Quote, die in der Industrieproduktion landet, bei über 50 Prozent.
Und wie sieht es mit Gold als Währung aus? Tatsächlich war der Goldstandard über die ersten Jahrtausende der Menschheitskultur das Maß aller Dinge – nicht nur römische Münzen sorgten für die Stabilität des Finanzsystems in der Antike. Der Goldstandard spielte bis ins 20. Jahrhundert im globalen Währungssystem die erste Geige. Aber das ist doch ein gutes Weilchen her: Während des Ersten Weltkriegs setzten viele Staaten die Einlösungspflicht von Banknoten in Gold zeitweilig aus – und in seiner Absolutheit wurde sie nie wieder eingeführt. Das Bretton-Woods-System 1944 koppelte den US-Dollar an den Goldpreis. Diese Ära ging 1971 in der Nixon-Präsidentschaft endgültig zu Ende. Seitdem besteht das Fiat-Geldregime. Auch wenn man Gold als Zahlungsmittel einsetzen könnte – aus dem Grund fällt bei Goldmünzen keine Mehrwertsteuer an – ist das eine höchst theoretische Möglichkeit. Für Goldapologeten wie dem Broker-Veteranen Uto Baader gilt dennoch: Gold ist Geld, alles andere ist Kredit.
Bleibt die Funktion als Wertspeicher. Anders als Aktien oder Anleihen generiert Gold zwar keine Erträge wie Dividenden oder Zinsen. Aber seine Knappheit und die weltweite Akzeptanz als Wertaufbewahrungsmittel machen ihn zu einem Asset sui generis. Gold entzieht sich einer klaren Zuordnung. Und bleibt dennoch unter dem Strich ein Spekulationsobjekt: Eine Feinunze ist das wert, was der Käufer bereit ist zu zahlen. Aktuell sind es rund 2.650 Dollar pro 31,103 Gramm Gold. Weil Gold keine Zinsen zahlt und keine Cashflows erwirtschaftet, entzieht es sich den üblichen Bewertungsmaßstäben.
Gold als Diversifikationsinstrument
Aber halten wir fest, dass Gold als Wertspeicher anerkannt wird. Es ist also ein Asset. Dann stellt sich die Frage, welche Eigenschaften Gold im Verhältnis zu den wichtigen Anlageklassen Aktien und Anleihen hat. Jetzt wird es spannend: Der Goldpreis hängt kaum bzw. nur wenig mit der Kursentwicklung von Aktien und Anleihen zusammen. Man spricht von einer sehr niedrigen bzw. niedrigen Korrelation. Es gibt allenfalls einen nur geringen linearen Zusammenhang zwischen dem Goldpreis und der Entwicklung der Aktien- und Anleihenkursen. Die Korrelation wird durch eine Skala zwischen -1 (gegenläufige Entwicklung) über 0 (kein Zusammenhang) bis 1 (perfekter Gleichlauf) ausgedrückt. Seit 2001 liegt die Korrelation von Gold zu Aktien bei etwas über null und gegenüber Anleihen bei 0,4 bis 0,5. Die untere Grafik zeigt den Zusammenhang verschiedener Aktien- und Anleihenindizes und dem Goldpreis.
Gold lieferte seit 2001 eine solide Outperformance
Gold als Inflationsschutz und Krisen-Hedge
Historisch betrachtet gilt Gold als Schutz gegen Inflation. In Zeiten stark steigender Preise und sinkender Kaufkraft tendierte der Goldpreis zur Stärke. Für Anleger aus dem Euro-Raum, die besorgt über langfristige Inflationsrisiken sind, kann Gold daher eine sinnvolle Ergänzung des Portfolios darstellen – zumal Gold auf Dollar lautet. Euro-Anleger diversifizieren also mit einem Gold-Investment über Bande Ihr Euro-Risiko.
Die untere Grafik zeigt die Performance der bereits oben erwähnten Assets im Vergleich zum Goldpreis seitdem die Inflation Ende 2021 anfing wehzutun. Der Goldpreis legte (in Euro) um 58 Prozent zu. Kein Aktien-Investment konnte mithalten. Der MSCI World stieg seit dem vierten Quartal 2021 um 31 Prozent. Euro-Anleihen verloren in den vergangenen drei Jahren gut zehn Prozent. Die zweitbeste Performance legte der Index für Goldaktien hin. Der NYSE Arca Gold Bugs legte um 52 Prozent zu.
Gold schützte Anleger seit 2021 vor der Inflation
Die ersten 25 Jahre des dritten Millenniums war gleich von mehreren großen und mittleren Kapitalmarktkrisen geprägt: vom Dot-Com-Crash (2000 bis 2003), der großen Finanzkrise (2007 bis 2009), der Euro-Krise (2010 bis 2012) und der Coronakrise (2020). Weil Gold als Wertspeicher fungiert, verwundert nicht, dass sich der Goldpreis auch über die vergangenen 20 Jahre hervorragend entwickelte, wie die untere Grafik zeigt. Auch seit 2001 konnte der Goldpreis mit einem Plus von 650 Prozent die Performance aller anderen Assets hinter sich lassen. Small Caps und Emerging Markets Aktien lagen mit plus 554 bzw. 542 Prozent abgeschlagen auf Platz zwei und drei.
Diese glänzende Bilanz hat dazu beigetragen, den Ruf von Gold als Krisenwährung und Wertspeicher zu zementieren. Dass Gold ein krisensicheres Investment ist, haben Menschen Generation um Generation erfahren: Gold hat Kriege, Inflation, Währungsreformen und Finanzkrisen überstanden. Interessant ist, dass sich kein Goldfan an der hohen Volatilität des Goldpreises stört, die nicht so weit von der Schwankungsbreite von Aktien entfernt ist. Der Glanz des Goldes übertrumpft offenbar unser traditionelles Risikoempfinden.
Aktuelle Marktbedingungen und Ausblick
Wer bisher hierher gelesen hat, könnte meinen, dass Gold als Asset-Klasse nur Vorteile kennt. Das ist natürlich nicht der Fall. Typischerweise ist Gold nur in Hochinflations-Zeiten eine Absicherung gegen die Teuerung, und wenn die Kapitalmarktkrisen sich nicht derart häufen wie in den vergangenen 20 Jahren, dümpelt der Goldpreis mitunter Jahrzehnte vor sich hin. Schlecht für Anleger, die gerne auf den Dollar setzen, ist auch, dass der Goldpreis negativ zum Dollar korreliert ist – tendiert der Dollar fester, neigt der Goldpreis zur Schwäche.
Steigen die Zinsen, gilt das ebenfalls als schlecht für den Goldpreis. Da Gold keine Zinsen generiert, ist es in einem Umfeld hoher Zinsen gegenüber Anleihen im Nachteil. In der Nullzinsphase waren die Opportunitätskosten, in Gold zu investieren, niedrig. Im Gegensatz zu Anleihen, die mit immer weiter steigenden Kursen immer größere Durations-Risiken aufwiesen, war Gold in Zeiten negativer Nominalzinsen sogar ein Sicherheitsanker.
Das Interessante ist, dass diese beiden Nachteile aktuell nicht zur Geltung kommen. Auch wenn der Dollar gegenüber dem Euro relativ stark ist, ist der Goldpreis in den vergangenen Jahren stramm nach oben gestiegen. Der Höhenflug des Goldpreises der letzten Jahre fiel auch mit den stark steigenden Zinsen zusammen. Das zeigt, dass die Beziehungen zwischen Gold, dem Zins und dem Dollar komplexer sind, als es die allgemeinen Faustregeln suggerieren. Aktuell lautet die Erklärung für die Stärke des Goldpreises so: Gold und Dollar sind gleichermaßen gefragt, weil beide als Krisenwährung gelten – und seit Beginn des Ukrainekrieges und der Dauerkrise im Nahen Osten sind die politischen Spannungen erheblich gestiegen. Zudem haben die Krisen für einen massiven Teuerungsschub geführt, was wiederum Gold als Inflations-Hedge interessant machte.
Auch der Zusammenhang zwischen Zinsen und Gold ist nicht linear. Vielmehr sind die Realrenditen die entscheidende Größe: In den vergangenen Jahren waren die Realzinsen zeitweilig negativ, was dem Goldpreis zugutekam. Die Entspannung bei der Inflation in diesem Jahr könnte einem weiter steigenden Goldpreis entgegenstehen.
Notenbanken sorgen für hohe Nachfrage
Eine relativ neue Stütze für den Goldpreis hängt mittelbar an den steigenden Spannungen zwischen den Ländern des globalen Nordens und des globalen Südens zusammen. Hier lautet das Stichwort: „Weaponization of the Dollar“. Der Dollar als Leitwährung der Weltwirtschaft ermöglicht es den USA, den Dollar als Instrument der Sanktionspolitik einzusetzen. Durch die Kontrolle über den Dollar-Zahlungsverkehr können die USA bzw. US-Banken wirksame Finanzsanktionen gegen Personen, Organisationen und Länder durchsetzen. Nicht nur Nordkorea, der Iran, Syrien und Russland können davon ein Lied singen: Zunehmend drohen US-Finanzsanktionen auch gegen China eingesetzt zu werden. Die Zentralbanken vieler Südländer gehen deshalb dazu über, sich vom Dollarregime unabhängiger zu machen. Dazu zählen der Aufbau alternativer Zahlungssysteme (beispielsweise Chinas CIPS-System), die Entwicklung digitaler Währungen – und eben verstärkte Goldkäufe durch die Zentralbanken der Südländer. So wurden 2022 und 2023 jeweils über 1.000 Tonnen Gold durch Zentralbanken weltweit gekauft. Das waren Rekordwerte laut dem World Gold Council. Führend war dabei China mit Goldkäufen von gut 316 Tonnen zwischen November 2022 und April 2024. Unabhängig von der Frage, ob der US-Dollar mittel- oder langfristig als Weltleitwährung langfristig in Gefahr geraten könnte, stützen die Goldkäufe der Zentralbanken der Länder des globalen Südens aktuell den Goldpreis.
Wird dieser Trend nachhaltig anhalten? Auch wenn die Logik der geopolitischen Konflikte dafür spricht und das neue Zinsregime eine weitere Stütze für den Goldpreis ist, sollten Anleger nicht von einem Selbstläufer ausgehen. Aktuell sind Anleger auf die nächste magische Schwelle von 3.000 Dollar pro Unze fixiert. Weil aber Gold am Ende des Tages ein Spekulationsobjekt ist, werden die Auguren im Nachhinein gute Begründungen dafür finden, war der Goldpreis doch auf 2.000 Euro gefallen ist. Manche Investoren ordnen Gold daher als Versicherung ein, für den Fall, dass etwas gravierend schiefgeht im globalen Finanzsystem. Wer dieser Idee folgt, wird mögliche Opportunitätskosten als Versicherungsprämie abhaken und diesen nicht nachtrauern.
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Autor
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Ali Masarwah ist Gesellschafter-Geschäftsführer der Fondsplattform envestor.de und schreibt auch Kolumnen über Investmentthemen für The Digital Leaders Fund. Anleger-orientiertes Research ist seit über 20 Jahren Alis Ding. Vor seiner Zeit bei envestor.de war er zehn Jahre lang bei Morningstar, wo er für die Personal Finance Websites des Analysehauses in Deutschland verantwortlich war. Als Experte für Anlagethemen ist er ein gefragter Ansprechpartner für Finanzmedien im deutschsprachigen Raum.
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