In polnische Banken zu investieren, ist ein ziemlich ambivalentes Projekt. Einerseits ist der polnische Bankmarkt (Bilanzsumme 500 Milliarden Euro; Marktkapitalisierung über 30 Milliarden Euro) ein Laboratorium für digitale Geschäftsmodelle. Andererseits holt den Sektor immer noch seine wenig schmeichelhafte Vergangenheit ein, und wenig vorausschauende Strategien verkomplizieren die Sache zusätzlich. Wir wollen Euch kurz erläutern, warum wir die Branche spannend und dennoch derzeit für kaum investierbar halten.
Historie und Umfeld
Im Zuge der Privatisierung des polnischen Bankensektors in den 1990er Jahren wurden Mehrheitsbeteiligungen an den neu entstandenen regionalen Banken im Rahmen von Bieterverfahren an ausländische, zumeist europäische, Banken verkauft. Diese testen gerne neue Digitallösungen zunächst bei den Töchtern in Polen aus, was dazu geführt hat, dass der Markt im europäischen Kontext eher fortschrittlich ist.
In den vergangenen Monaten sind die Zinsen von rund ein auf sieben Prozent gestiegen. Das ist gut für die Nettozinsmarge und damit für die Gewinne der Geschäftsbanken. Diese Kombination sollte eigentlich zu attraktiven Opportunitäten für Investoren führen. Entsprechend sprangen im letzten Jahr die Kurse an, und es sah so aus, als ob der Markt nach knapp 15 Jahren die alten Höchststände aus 2008 endlich hinter sich lassen würde.
Dann kam der Hammer: Laut einer aktuellen Gesetzesnovelle der populistischen Regierungspartei PiS dürfen in den zwei Jahren 2022 und 2023 Baukreditnehmer insgesamt 8 Kreditraten auslassen. Diese müssen zwar am Ende der Laufzeit nachgeholt werden, die Banken dürfen aber keine zusätzlichen Zinsen berechnen. Das wird für die Banken richtig teuer. Sie sind insofern nur scheinbar günstig bewertet.
Die Geschichte wiederholt sich
Erschwerend hinzu kommt, dass der Sektor die Lektionen aus der Krise 2008 offenbar nicht gelernt hat. Dazu ein kleiner historischer Exkurs.
Bis 2008 hatten die polnischen Banken mit Fremdwährungskrediten in den Währungen von Niedrigzinsländern viel Geld verdient. Besonders beliebt waren Kredite in Schweizer Franken. Die polnischen Kreditinstitute hatten munter optisch fast kostenlose Kredite zu nominal sehr niedrigen Zinsen in Franken an Verbraucher vertickt, die sich über das Währungsrisiko oft nicht im Klaren waren.
Als der Zloty dann im Rahmen der Finanzturbulenzen während der Finanzkrise gegenüber dem Schweizer Franken rund 30 Prozent abwertete, waren nicht nur viele außerstande, die gestiegenen Ratenzahlungen zu leisten, manche Immobilien waren weniger Wert als der ausstehende Kredit. Eine Pleitewelle drohte.
Zum Schrecken der Banken griff die Politik zum Schutz der Verbraucher ein und verpflichtete die Banken, die gesamten Kosten der Abwertung zu übernehmen.
Noch heute ist die Restrukturierung der oft 30 Jahre laufenden Hypotheken bei einigen Banken noch nicht abgeschlossen, und eine immer noch erhebliche Zahl an Gerichtsverfahren ist immer noch anhängig. Für die Kosten der Saga haben die Banken bisher 17 Milliarden Zloty zurückgestellt. Laut Analystenschätzungen werden die Verluste am Ende 30 bis 60 Milliarden Zloty betragen.
Doch es kommt noch arger: Auch die laufende Kreditvergabepraxis ist meines Erachtens eine Zeitbombe. In den vergangenen Jahren haben polnische Banken vor allem variabel verzinste Kredite vergeben. Sie machen rund 80 Prozent aller Immobilienkredite aus. Es ist für mich vor dem Hintergrund der unguten Historie schwer nachzuvollziehen, warum die polnischen Banken dieses Risiko eingehen. Eigentlich hätte den Banken klar sein müssen, dass irgendwann die Zinsen massiv ansteigen (immerhin ist Polen immer noch ein Emerging Market) und viele Kreditnehmer ein Problem bekommen werden. Gemäß den Erfahrungen aus 2009 hätte auch klar sein müssen, dass populistische Politiker auf Stimmenfang die Kosten einfach wieder bei den Banken abladen würden. Offensichtlich war die kurzfristige Gier nach Abschlussgebühren aber stärker als der Weitblick.
Die von der Regierung beschlossenen Maßnahmen finden auch im Parlament Anklang. Die Opposition hat mit Blick auf die Parlamentswahlen im nächsten Jahr die Regierung rhetorisch im Populismus überboten. Der Sejm (die untere Kammer des Parlaments) hat dem Zahlungsmoratorium für alle Konsumenten zugestimmt. Die Vorlage liegt jetzt im Senat, es besteht allerdings kaum Zweifel, dass das Gesetz kommt. Die Analysten von Wood & Co schätzen, dass rund zwei Drittel der Kunden das Angebot der Politik annehmen werden. In diesem Fall wird das den Sektor rund 13 Milliarden Zloty kosten. Im schlimmsten Fall (wenn alle partizipieren) könnten es sogar bis zu 20 Milliarden Zloty werden, also ein ganzer Jahresgewinn der Branche.
Die kurzsichtige Gewinnorientierung in Verbindung mit einer populistischen Politik der polnischen Regierung machen Investoren damit zum zweiten Mal einen Strich durch die Rechnung. Dabei spielte im Kalkül der Politiker mit Sicherheit auch eine Rolle, dass sich der polnischen Bankensektor mehrheitlich in ausländischem Besitz befindet. Zum einen haben fünf der acht Banken einen Mehrheitsaktionär im Ausland; so hält die Commerzbank 69 Prozent der Aktien der mBank. Aber auch internationale Fonds spielen als ausländische Investoren seit jeher eine wesentliche Rolle. Der nach Bilanzsumme gewichtete Durchschnitt der Beteiligung ausländischer Investoren am Aktienkapital liegt bei 54 Prozent. Die Kosten der Maßnahmen werden also größtenteils exportiert.
Fazit
Das Hauptfeld der Banken ist laut Bloomberg-Konsens mit einem 2022-er KGV von zwischen 3 und 5 und einem KBV von etwa 1,0 scheinbar günstig bewertet. Leider sind die Gewinnschätzungen aber angesichts des neuen Gesetzes Makulatur.
Wir haben keine aktuellen Investments in polnische Banken. Die Börsen haben mit Kurskorrekturen von rund 35 Prozent im laufenden Jahr die Nachricht unseres Erachtens teils eingespeist. Einige Broker schauen jetzt auf die erwarteten Gewinne in den Folgejahren und empfehlen die Banken zum Kauf.
Wir sind vorsichtiger. Die Regierungspolitik in Polen macht jede Prognose für polnische Banken derzeit extrem schwierig. Es gibt leider auch keine Garantie, dass 2024 nicht ein zusätzliches Moratorium für die Stundung von Immobilienkrediten folgen könnte. Das würde die Gewinnschätzung erneut über den Haufen werfen.
Wir werden den Sektor weiter beobachten.
Disclaimer
Dieser Beitrag stellt eine Meinungsäußerung und keine Anlageberatung dar. Bitte beachte die rechtlichen Hinweise.
Autor
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Steffen war von 1998 bis 2006 im Fondsmanagement der DWS als Leiter Aktien Osteuropa tätig und dort für bis zu 5 Mrd. Euro AuM verantwortlich. Er wurde für seine Arbeit als Fondsmanager mehrfach prämiert u.a. wurde er von der Zeitschrift Finanzen 2003 mit dem DWS Russia als Fondsmanager das Jahres ausgezeichnet. Anschließend machte er sich in London selbständig und verwaltete über 10 Jahre lang Hedge Fonds. Anfang 2021 stieg er als Partner bei Pyfore Capital ein und ist seither für das Fondsmanagement des EM Digital Leaders verantwortlich.
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Eine Antwort
Wie ist Ihre Meinung zu georgischen Banken (BoG, TBC)? Digital sehr fortschrittlich mMn.