Themen ETFs: Risiken, so weit das Auge reicht

28. Mai 2021

Themen ETFs

Themen ETFs sind eine der heißesten Stories am ETF Markt. Die Jagd nach immer stärker spezialisierten Investments ist jedoch problematisch; einzelnen Anlegern drohen schmerzhafte Verluste, die durch Bewegungen der großen Massen extreme Ausmaße annehmen könnten.

FOMO ETF

Die nicht gerade an Hypes arme Themen ETF Szene ist seit dieser Woche um eine Facette reicher: Social Trading Strategien. Am vergangenen Dienstag startete der ETF mit dem sprechenden Namen „FOMO“ den Handel in den USA. FOMO, das muss man wissen, ist das Akronym für „fear of missing out“, also die Angst der Anleger, den neuesten heißen Scheiß an den Märkten zu verpassen. Das will der besagte ETF verhindern. Er soll bei jedem aktuellen Trend dabei sein. Der Name ist identisch mit dem Ticker, aber es bringt jetzt nichts, diesen in die Ordermaske einzutragen: Der FOMO ETF ist nicht in Europa zum Vertrieb zugelassen.

Es handelt sich beim FOMO ETF um einen aktiv verwalteten ETF, der eine taktische Handelsstrategie umsetzt. Das Portfolio wird wöchentlich adjustiert, damit sich der ETF „in Harmonie mit den aktuellen Markttrends bewegt“, so Matthew Tuttle, CEO von Tuttle Capital, dem Initiator des Fonds. Die Handelsstrategie kann mit praktisch allen Wertpapierarten am Markt umgesetzt werden: Anleihen, Aktien, einschließlich noch nicht gemergte SPACs, Delta eins ETFs, gehebelte ETNs (Zertifikate). Aktuell finden sich Aktien wie Airbnb, Baidu, BioNTech ebenso im Portfolio wie Berkshire Hathaway, Bank of New York Mellon oder AbbVie. Die Wege des FOMO ETFs sind unergründlich.

Themen ETFs: Von Cyber Security bis Wasser Investments

Auch wenn der FOMO ETF ein extremes Beispiel ist, so steht er dennoch sinnbildlich für einen aktuellen Trend an den Märkten: Das Geschäft mit Indexfonds boomt, und die Produktmanager der Indexfondsfabriken bilden immer feiner ziselierte Strategien mit ETFs ab. Ziel ist es, die Aktien von Unternehmen zusammenzubringen, die in besonders stark wachsenden Wirtschaftszweigen aktiv sind. Besonders stark wachsende Firmen sind in aller Regel wachstumsstarke Nebenwerte. 

Themen ETFs sollen also der ETF Branche mehr Wachstum bringen – koste es den Anleger, was es wolle. Was sind die heutigen Mega Trends bei thematisch investierenden ETFs?

Besonders beliebt sind heute ETFs, die auf die Themen Clean Energy, Cyber Security, Healthcare Innovationen, Robotics, Cloud Computing, Elektrofahrzeuge, E-Commerce, KI oder Gaming setzen. Nur selten finden sich dagegen die althergebrachten und eher breiter aufgestellten Themen Wasser oder Agrar unter den beliebtesten ETFs.

Während die Rechnung der ETF-Anbieter aufgegangen ist …

Die Rechnung der ETF-Anbieter ist aufgegangen. Belief sich das verwaltete Vermögen in Themen ETFs Ende 2017 in Europa noch auf etwas über fünf Milliarden Euro, so steckten Ende 2020 schon 22,6 Milliarden Euro in diesen ETFs. Befeuert wird das Wachstum von den Mittelflüssen. Die Fonds-Ratingagentur Morningstar schätzt, dass im Jahr 2018 1,9 Milliarden Euro in europäische Themen ETFs floss, 2019 waren es 1,3 Milliarden Euro. 2020 waren es sogar 8,9 Milliarden Euro. In diesem Jahr hat sich der Trend sogar noch einmal beschleunigt. Per Ende April haben Themen ETFs laut Morningstar knapp 6,8 Milliarden Euro eingesammelt.

Grafik: Mittelflüsse in Themen ETFs 2018 – 2021

Mittelflüsse in Themen ETFs 2018 – 2021
Mittelzuflüsse in Themen ETFs 2018-2021 in Milliarden Euro, Daten per 30.02.21.
Quelle: Eigene Berechnung, Morningstar.

In diesem Jahr beläuft sich der Themen ETF Anteil am ETF Neugeschäft in Europa insgesamt bei gut zehn Prozent. Das ist sehr beachtlich, bedenkt man, dass Themen ETFs noch immer einen winzigen Anteil am gesamten ETF Markt haben. Das in Themen ETFs investierte Vermögen belief sich per Ende April auf gut 30 Milliarden Euro. Das entspricht einem Anteil von 0,025 Prozent am ETF-Markt.

… ist die Lage bei den Anleger nicht ganz so eindeutig

So weit, so schön für die Anbieter. Aber, frei nach Fred Schwed, wie steht es um die Yachten der Kunden? Haben Anleger einen gute Deal mit Themenfonds gemacht? Hier gilt es zu unterscheiden. Wer frühzeitig bzw. punktgenau auf das richtige Thema und den richtigen Algorithmus setzte, dürfte eine mehr als ordentliche Performance mit Themen ETFs erzielt haben.

Die ARK ETFs von Cathy Wood liefern ein beredtes Zeugnis darüber ab. Die aktiv verwalteten ETFs, die auf disruptive Unternehmen setzen, konnten 2019 und vor allem 2020 stark zulegen. Doch der Wind hat sich gedreht. Die Anleger, die in diesem Jahr über 16,5 Milliarden Dollar in die ARK ETFs investiert haben, machten keine so gute Erfahrung. Trends haben leider die unschöne Eigenschaft dann zu kippen, wenn sie am heißesten sind. Auf spektakuläre Gewinne folgt häufig eine unterdurchschnittliche Entwicklung. So geschehen bei den ARK ETFs in diesem Jahr.

Tabelle: Performance der größten ARK ETFs 2019 – 2021

Performance der größten ARK ETFs 2019 - 2021
Vermögen und Performance per 26.5.2021, Vermögen in Millionen Dollar, Rendite in Prozent.
Quelle: Morningstar

In Europa erwischte es 2021 das Clean Energy Dickschiff von iShares

Auch einige der beliebtesten ETFs am europäischen Markt kamen zuletzt unter die Räder. Besonders hart erwischte es den iShares Global Clean Energy. Im Jahr 2020 legte Europas größter Themen ETF über 120 Prozent zu. In diesem Jahr brach er bis Ende Mai um knapp 19 Prozent ein.

Vielen Anlegern dürfte der gut Milliarden schwere ETF der Einbruch in diesem Jahr präsenter sein als der Aufschwung 2020. Denn 2,5 Milliarden Euro gingen dem iShares Clean Energy erst in den vergangenen sechs Monaten zu. Sie verpassten also einen Großteil der sensationellen Performance 2020 und nahmen vor allem die Verluste in diesem Jahr mit.

Ein Blick auf die größten 20 Themen ETFs in Europa zeigt, dass es zwar nicht überall so schlecht lief wie beim iShares Clean Energy, aber die Performance vieler der Top-Seller fiel dieses Jahr deutlich ab vom Niveau des Vorjahres.

Tabelle: Die Bilanz der größten Themen ETFs am Markt 2020 und 2021

Tabelle: Die Bilanz der größten Themen ETFs am Markt 2020 und 2021
Größte Themen ETFs, Vermögen in Millionen Euro, Performance in Prozent, Daten per 25.5.2021.
Quelle: Morningstar

Eine längerfristige Erfolgsbilanz des Research-Hauses Morningstar kommt zu einer ernüchternden Bilanz für Themenfonds insgesamt. Sie konnten weltweit in der Einjahresbilanz (Ende März) eine Erfolgsquote von ordentlichen 67 Prozent erreichen. Doch der Anteil der überlebenden und zugleich eine globale Aktien Benchmark outperformenden Themenfonds sinkt im historischen Verlauf deutlich. Nach 15 Jahren bleibt eine Erfolgsquote von 22 Prozent unter dem Strich.

Grafik: Die langjährige Erfolgsquote von Themenfonds weltweit

Grafik: Die langjährige Erfolgsquote von Themenfonds weltweit
Erolgsquote von Themenfonds, Daten per 31.3.2021. Quelle: Morningstar

Doch von längerfristigen Erfolgsbilanzen lassen sich Investoren wie Anbieter heute nicht beirren. Der Run auf Themen ETF zeigt, wie weit sich die ETF Branche von ihren Ursprüngen entfernt hat. Galten ETFs früher als Portfolios, welche die Performance etablierter Märkte einfingen, so handelt es sich heute um mehr oder weniger aktive Strategien mit immer konzentrierteren bzw. regelrecht abseitigen Themen. Stichwort: Sentiment-getriebene Strategien. Neben dem eingangs erwähnten FOMO ETF ist der im März lancierte VanEck Vectors Social Sentiment ETF hier zu nennen, der seine Holdings anhand Bullischer Kommentare in den Nachrichten, in Blogs und Social Media Kanälen vornimmt.

GraniteShares bringt Hebel-ETCs auf FANGMAN an die LSE

Wie weit es die Branche mit Themen und Trends treiben kann, illustriert der US ETF Anbieter GraniteShares, der seit 2019 in Europa aktiv ist. Jüngst ließ GraniteShares einige Hebelprodukte unter dem Label „ETC“ an der LSE in London listen, die Long- oder Short-Wetten auf US-Technologie Aktien ermöglichen.

Man muss wissen, dass ETCs (steht für Exchange Traded Commodity) zumeist besicherte Zertifikate sind. Wegen des Diversifikationsgebots für Fonds können einzelne Rohstoffe unter den Fondsregeln UCITS nur so investierbar gemacht werden. Gold ETCs (Stichwort: Xetra Gold oder Euwax Gold) sind für viele Anleger eine effiziente und günstige Möglichkeit, von der Entwicklung des Goldpreises zu profitieren, ohne einen Safe für die Goldbarren in die Wohnzimmerwand einbauen zu müssen.

 Heute werden in ETCs noch ganz andere Sachen verpackt. GraniteShares bietet nicht nur die Möglichkeit, in die allseits beliebten FAANG Aktien (Amazon, Apple, Alphabet, Facebook, Netflix) zu investieren. Im Angebot sind auch Zertifikate auf Aktienkörbe mit den Akronymen FATANG (von Facebook, Alphabet, Amazon, Apple, Tesla und Netflix) oder GAFAM (Amazon, Apple, Alphabet, Facebook, Microsoft).

Diese Indizes gibt es als „einfache“ Long- und Short-Varianten – oder mit bis zu dreifachem Hebel ausgestattet. Berechnet werden die Benchmarks vom Frankfurter Indexanbieter Solactive, der es in den vergangenen Jahren geschafft hat, in die Domäne der altehrwürdigen Indexanbieter MSCI, S&P und FTSE einzubrechen.

Themen ETFs: Risiken, wohin das Auge blickt

Themen ETFs sind aktuell die heißeste Story am ETF Markt. Einem vernachlässigenswerten Anteil am gesamten ETF-Markt steht ein sehr ordentlicher Zehn-Prozent-Anteil an den Mittelzuflüssen gegenüber. Das zeigt, dass ETF Anbieter nicht nur ein großes Geschäft mit Themen ETFs wittern, sondern sich das große Rad bereits dreht. Anleger greifen kräftig zu. Diesen muss allerdings klar sein, dass sie nicht nur das richtige Thema spekulieren müssen. Sie müssen sich auch bewusst machen, dass ein Trend dann erkennbar ein Trend ist, wenn die Kurse bereits ordentlich gelaufen sind.

Doch die Proliferation von Themen ETFs ist nicht nur aus den oben genannten Gründen bedenklich. Ja, es ist potenziell verlustträchtig, wenn Hot Money (der Antipode von Smart Money) den Kursen hinterherläuft. In diesem Jahr haben sich bereits einige Anleger an Themen ETFs verbrannt. Doch so unschön das ist, desto dramatischer könnte die Wirkung ganz anderer Risiken ausfallen: Viele Themen ETFs investieren in Nebenwerte. Das beinhaltet Liquiditätsrisiken, die Anleger auch heute offenbar nicht auf dem Schirm haben.

Die Transparenz von ETFs könnte zu unschönen Szenen führen

In Hausse-Zeiten sind diese Risiken zu vernachlässigen, nicht aber dann, wenn die Volatilität an den Märkten steigt und viele Anleger den Ausstieg aus Nebenwerte-lastigen ETFs suchen. Dann können die Verluste mitunter dramatisch ausfallen. Denn ETFs haben keine Möglichkeit, Anleger abzuweisen bzw. bei Abflüssen ihre Tore zu schließen.

Während aktiv verwaltete Fonds, wie The Digital Leaders Fund oder EM Digital Leaders, die Möglichkeit haben, die Zeichnung von Anteilsscheinen zu stoppen, winken ETF-Manager Neugelder rein – auch wider besseren Wissens. Bleiben die Börsen offen, steht es Anlegern frei, neue ETF-Anteile zu kaufen – oder zu verkaufen.

Angesichts der täglichen Transparenz von ETFs kennen Shortseller die aktuellen Positionen von Indexfonds. In den USA ging bereits Anfang des Jahres die Befürchtung um, dass sich Leerverkäufer sich auf die Favoriten der ARK ETFs einschießen könnten. Etliche der ARK ETFs hielten (und halten) hohe Anteil an gering kapitalisierten Firmen.

Sollten nun angesichts steigender Risiken immer mehr Investoren den Ausstieg aus solchen ETFs suchen – die Mittelflüsse in ETFs sind ebenfalls börsentäglich transparent -, dann könnten Shortseller ein regelrechtes Schützenfest feiern und Cathy Woods Small Cap Favoriten massiv unter Beschuss nehmen. So mancher Themen ETF Wal wäre solchen Attacken schutzlos ausgeliefert.

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Disclaimer

The Digital Leaders Fund und/oder der Autor und/oder verbundene Personen oder Unternehmen besitzen Anteile von The Digital Leaders Fund und EM Digital Leaders. Dieser Beitrag stellt eine Meinungsäußerung und keine Anlageberatung dar. Bitte beachte die rechtlichen Hinweise.

Autor

  • Ali Masarwah

    Ali Masarwah ist Gesellschafter-Geschäftsführer der Fondsplattform envestor.de und schreibt auch Kolumnen über Investmentthemen für The Digital Leaders Fund. Anleger-orientiertes Research ist seit über 20 Jahren Alis Ding. Vor seiner Zeit bei envestor.de war er zehn Jahre lang bei Morningstar, wo er für die Personal Finance Websites des Analysehauses in Deutschland verantwortlich war. Als Experte für Anlagethemen ist er ein gefragter Ansprechpartner für Finanzmedien im deutschsprachigen Raum.

Ali Masarwah

Ali Masarwah

Ali Masarwah ist Gesellschafter-Geschäftsführer der Fondsplattform envestor.de und schreibt auch Kolumnen über Investmentthemen für The Digital Leaders Fund. Anleger-orientiertes Research ist seit über 20 Jahren Alis Ding. Vor seiner Zeit bei envestor.de war er zehn Jahre lang bei Morningstar, wo er für die Personal Finance Websites des Analysehauses in Deutschland verantwortlich war. Als Experte für Anlagethemen ist er ein gefragter Ansprechpartner für Finanzmedien im deutschsprachigen Raum.

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Eine Antwort

  1. Sehr geehrter Herr Masarwah,
    ganz herzlichen Dank für diesen ausführlichen und wichtigen Artikel! Gerade die fehlende Liquidität in Abwärtsphasen bei Nebenwerten wird m.E. völlig unterschätzt. Wenn sich dann noch Short Seller auf ausgewählte, marktenge Einzeltitel der ETFs / Fonds fokussieren, kann das einen Fonds in die Knie zwingen. Hierfür gibt es beeindruckende Beispiele. Gerne mehr von Artikeln dieser Art.
    Herzliche Grüße
    SD

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