Trumps Zollkrieg droht die globale Handelsordnung zu zerstören. Die EU, China und Japan stehen besonders unter Druck, sind aber nicht machtlos. Sollte der US-Technologiesektor als potenzielles Ziel ins Visier der Handelspartner rücken, könnten die USA für den “Liberation Day” einen hohen Preis bezahlen.
Trumps Zölle: Ein Frontalangriff auf den Welthandel
Am 2. April 2025 erklärte US-Präsident Donald Trump den „Liberation Day“ – eine symbolträchtige Kampfansage an das bestehende globale Handelssystem. In einer Rede im Rosengarten des Weißen Hauses verkündete er Zollerhöhungen, die es in sich haben. Setzen die USA diese Maßnahmen um, trifft das nicht nur die Handelsbeziehungen der USA zu ihren wichtigsten Partnern, die globale Handelsordnung der Nachkriegszeit könnte vielmehr schlimmstenfalls zerstört werden.
Die erste Maßnahme ist ein pauschaler Importzoll von 10 Prozent auf alle in die USA eingeführten Waren, der ab dem 5. April in Kraft tritt. Diese Regelung betrifft sämtliche Güterklassen – von Rohstoffen über Maschinen bis hin zu Konsumgütern und Elektronik – und macht Importe für US-Unternehmen und Verbraucher teurer. Die zweite Maßnahme ist noch weitreichender: Ab dem 9. April werden zusätzliche Strafzölle auf Importe aus rund 60 Ländern erhoben, die von der US-Regierung als „schlimmste Übeltäter“ bezeichnet werden. Besonders betroffen sind China (34 Prozent zusätzlich zu den 20 Prozent bisher erhobenen), die Europäische Union (20 Prozent) und Japan (24 Prozent), während kleinere asiatische Volkswirtschaften wie Vietnam mit Zöllen von bis zu 46 Prozent konfrontiert werden.
Interessant ist die Art und Weise, wie die Zölle berechnet werden. Es sind eben keine reziproken Tarife, es geht also nicht um das Prinzip Auge um Auge, Zahn um Zahn. Vielmehr hat die Trump-Administration einfach das Handelsdefizit gegenüber den Handelspartnern ins Verhältnis gesetzt zu den Exporten in die USA und dann – “großzügigerweise” – etwa die Hälfte von diesem Wert als Zoll ermittelt. Das entspricht einer Mafia-Logik: Denn die Partnerländer können den USA nicht mit niedrigeren Zöllen entgegenkommen, um die US-Zölle abzuwenden, sondern nur damit, dass sie künftig mehr US-Produkte importieren.
Ein dritter Schlag trifft die Automobilindustrie direkt: Ein Sonderzoll von 25 Prozent auf alle importierten Fahrzeuge tritt bereits am 3. April in Kraft und zielt auf einen der sensibelsten Sektoren der europäischen und asiatischen Wirtschaft ab.
Die Absurdität dieser Zölle ist, dass sie der Trump-Administration weitere Ausreden liefert, künftig weiter an der Zollschraube zu drehen. So haben etwa viele Firmen nach dem Handelsstreit mit China in der ersten Trump-Administration ihre Produktion teilweise nach Thailand, Vietnam und andere asiatische Länder verlegt. Dadurch sind große Handelsüberschüsse mit USA passiert, jetzt werden diese Länder dafür bestraft. Die unterschiedlichen Zollsätze werden Unternehmen Anreize schaffen zur Produktionsverlagerung in weniger stark penalisierte Länder – was neue Ungleichgewichte schaffen wird.
Insgesamt markieren die Maßnahmen den aggressivsten protektionistischen Schritt der USA seit Jahrzehnten und stellen eine erhebliche Belastung für das multilaterale Handelssystem dar, das seit dem Zweiten Weltkrieg aufgebaut wurde. Die Märkte haben nachbörslich am Mittwoch sehr negativ reagiert. Asien eröffnete mit tiefroten Zahlen.
Die EU: Tödlicher Cocktail DSA und ACI für US-Big-Tech
Die Europäische Union ist durch Trumps Maßnahmen besonders verwundbar. Der Sonderzoll auf Fahrzeuge trifft insbesondere Deutschland, dessen Automobilindustrie jährlich Fahrzeuge im Wert von über 20 Milliarden Euro in die USA exportiert und Millionen Arbeitsplätze stützt. Doch Brüssel verfügt über ein mächtiges Gegengewicht: den digitalen Binnenmarkt und seine regulatorische Macht gegenüber US-Technologiekonzernen wie Google, Amazon und Meta.
Eine mögliche Antwort wäre die Einführung einer Digitalsteuer, die seit Jahren diskutiert wird, jedoch bislang aufgrund des Widerstands aus Washington nicht umgesetzt wurde. Eine EU-weite Steuer von 3 Prozent auf die Umsätze von US-Tech-Plattformen könnte jährlich bis zu 12 Milliarden Euro generieren. Diese Summe wäre eher symbolisch, angesichts der Umsätze, die die “Magnificent 7” erwirtschaften. Doch das könnte nur eine erste Daumenschraube sein, die die EU anbringt.
Der Digital Services Act (DSA) der EU, der 2024 in Kraft trat, könnte zum strategischen Machtinstrument der EU avancieren. Er kombiniert wirtschaftlichen Druck mit operativer Kontrolle. Kern des DSA sind Sanktionen von bis zu 20 % des globalen Umsatzes bei Verstößen – eine brutale Bedrohung für Unternehmen wie Meta, das bei einem Umsatz von 134 Mrd. USD (2024) mit Strafen von bis zu 26,8 Mrd. USD rechnen müsste. Gleichzeitig zwingt der DSA Plattformen zur Offenlegung ihrer Algorithmen (Art. 27), was Geschäftsmodelle von Google bis TikTok tangiert, da KI-gesteuerte Empfehlungssysteme nun transparent gemacht werden müssen. Zudem werden Content-Moderation-Pflichten verschärft: Plattformen wie X (ehemals Twitter) müssen Hassrede unverzüglich löschen, andernfalls drohen tägliche Zwangsgelder von 5 % des Tagesumsatzes – bei X wären das 4,6 Mio. USD pro Tag. Ergänzt wird dies durch Artikel 42, der der EU die Befugnis gibt, Plattformen bei systemischen Risiken wie KI-Desinformation während der EU-Wahlen 2025 oder ungekennzeichneten Deepfakes im Ukraine-Kontext vorübergehend zu sperren.
Doch es könnte für US-Tech-Plattformen noch doller kommen: Im Verbund mit dem Anti-Coercion-Instrument (ACI) entfaltet der DSA regelrecht eine geopolitische Schlagkraft: Während der DSA direkte Sanktionen gegen Unternehmen vorsieht, ermöglicht das ACI Maßnahmen gegen die US-Regierung und verbündete Firmen. Dazu zählen Finanzblockaden gegen US-Bankaktivitäten in der EU – etwa Derivatehandel von Goldman Sachs in Frankfurt – oder der Entzug von US-Patenten in Schlüsseltechnologien wie Quantencomputing. Diese Doppelstrategie transformiert den DSA von einer regionalen Regulierung in ein globales Druckmittel, das die Abhängigkeit der USA von europäischen Märkten und Technologielizenzen ausnutzt. Die laufenden Ermittlungen gegen Apple (App-Store-Regeln) und Alphabet (Suchresultatsdiskriminierung) demonstrieren bereits jetzt, wie die EU ihre regulatorische Macht einsetzt, um Compliance zu erzwingen und gleichzeitig die Spielregeln im tech-dominierten Handelskonflikt neu zu definieren.
Doch diese Maßnahmen bergen Risiken: Die USA könnten mit Vergeltungsmaßnahmen reagieren, etwa durch Zölle auf europäische Agrarexporte oder Investitionsbeschränkungen für europäische Unternehmen im US-Markt. Zudem ist Europa selbst stark abhängig von amerikanischen Tech-Investitionen: Google beschäftigt allein in Irland mehr als 8.000 Mitarbeiter, während Amazon große Logistikzentren in Deutschland betreibt. Dennoch bleibt Big Tech ein zentraler Hebel für Brüssel, um Trump an den Verhandlungstisch zu zwingen – insbesondere wenn es gelingt, diese Maßnahmen mit anderen betroffenen Handelspartnern zu koordinieren.
"Im Verbund mit dem Anti-Coercion-Instrument (ACI) entfaltet der DSA regelrecht eine für US-Tech-Giganten verheerende geopolitische Schlagkraft."
China: Seltene Erden als geopolitische Waffe
China steht vor einer ähnlichen Herausforderung wie die EU, hat jedoch andere Mittel zur Verfügung – insbesondere die Kontrolle über Seltene Erden. Diese Rohstoffe sind essenziell für Hightech-Produkte wie Elektroautos, Windturbinen und KI-Chips. Bereits im Dezember 2024 stoppte Peking den Export von Gallium und Germanium in die USA als Reaktion auf amerikanische Sanktionen gegen chinesische Chiphersteller. Nun könnte China diesen Ansatz ausweiten und Exportkontrollen für Neodym oder Dysprosium verhängen – Materialien, die unverzichtbar für Elektromotoren und andere Schlüsseltechnologien sind.
Ein solcher Schritt würde Tesla, Apple und Lockheed Martin empfindlich treffen und könnte die Produktion moderner Technologien in den USA binnen Wochen lahmlegen. Doch auch China ist verwundbar: Die Abhängigkeit von amerikanischen Chips bleibt hoch, während Kapitalabflüsse drohen, da Investoren sich vor einer weiteren Eskalation des Konflikts schützen wollen.
Peking könnte daher eine Doppelstrategie verfolgen: gezielte Importkontingente kombinieren mit Verhandlungsangeboten über Marktzugänge oder Technologietransfers. Gleichzeitig könnte China versuchen, seine Position innerhalb des RCEP-Handelsblocks zu stärken und alternative Märkte in Asien zu erschließen – eine langfristige Strategie zur Reduzierung der Abhängigkeit vom US-Markt. Zusätzlich steht es China natürlich auch offen, gegen US-Tech-Unternehmen wie Tesla, Microsoft und Apple vorzugehen, die auch heute gute Geschäfte mit China machen.
Japan: Technologische Präzision als stille Waffe
Japan hat bislang zurückhaltend reagiert, doch Tokio verfügt über strategische Optionen im Handelskonflikt – insbesondere im Bereich der Halbleiterproduktion. Japanische Unternehmen wie Tokyo Electron dominieren den Markt für Fotolacke, ein unverzichtbares Material bei der Herstellung moderner Chips. Ein Exportstopp würde Intels Fabriken in Arizona oder Samsungs Anlagen in Texas binnen Monaten lahmlegen und könnte Trumps Bemühungen um eine Wiederbelebung der heimischen Halbleiterproduktion empfindlich stören.
Gleichzeitig könnte Japan gezielt Investitionen in den USA einfrieren oder Produktionsverlagerungen prüfen – etwa bei Toyota oder Sony –, um Trump unter Druck zu setzen. Allerdings ist Japans eigene Wirtschaft stark in globale Lieferketten eingebunden; ein offener Konflikt könnte das fragile Wirtschaftswachstum gefährden und den Nikkei-Index weiter abstürzen lassen. Tokio wird daher wahrscheinlich versuchen, diplomatische Lösungen zu finden und technologische Sanktionen nur als letztes Mittel bereithalten.
Der US-Tech-Sektor: Verwundbarkeit in seiner Stärke
Die Abhängigkeit der USA von ihrem Technologiesektor ist Fluch und Segen zugleich. Einerseits generieren Unternehmen wie Google oder Microsoft enorme Exportüberschüsse durch digitale Dienstleistungen und Softwarelizenzen; andererseits machen diese Firmen die USA anfällig für gezielte Angriffe ihrer Handelspartner. Ob der US-Finanzminister bei einem Tech-Winter eine Malaise der großen Plattformen lappidar als “a Mag 7 problem, not a MAGA problem” verharmlosen kann, steht in den Sternen.
Europa könnte durch neue Digitalsteuern oder verschärfte Regulierungen Milliardenverluste verursachen; China durch Exportkontrollen für Seltene Erden die Produktion von Hightech-Produkten lahmlegen; Japan durch Einschränkungen bei Chipmaterialien den Zugang zu essenziellen Komponenten blockieren.
Die zentrale Frage lautet: Wie weit sind die Handelspartner bereit zu gehen? Ein koordiniertes Vorgehen gegen den US-Tech-Sektor würde Trump erheblich unter Druck setzen, birgt jedoch das Risiko einer unkontrollierten Eskalation des Konflikts
Ein totaler Handelskrieg hätte verheerende Folgen: Lieferketten würden zusammenbrechen, Börsen weltweit abstürzen, und Innovationen in Schlüsseltechnologien verzögert werden. Doch es gibt auch Chancen für Verhandlungen – insbesondere wenn alle Seiten erkennen, dass sie langfristig mehr verlieren als gewinnen können.
Die EU könnte ihre Digitalsteuerpläne gegen Zollbefreiungen für Autoexporte eintauschen; China könnte Seltene Erden freigeben im Austausch gegen Lockerungen bei Chip-Exportbeschränkungen; Japan könnte garantierte Fotolack-Lieferungen anbieten im Gegenzug für US-Investitionen in japanische Batteriefabriken.
Die neuen Zölle markieren nicht nur einen Handelskrieg um Stahl oder Soja, sondern einen Machtkampf um technologische Vorherrschaft im 21. Jahrhundert. Europa, China und Japan haben die Mittel, den US-Tech-Sektor gezielt zu treffen – doch der Preis wäre hoch.
Die nächsten Wochen werden zeigen, ob multilaterale Spielregeln gefunden werden können oder ob sich die Fehler der Vergangenheit wiederholen. Klar ist jedoch: Ohne Kompromisse droht ein Teufelskreis aus Vergeltung und Eskalation – mit globalen Konsequenzen für Wirtschaft und Technologie gleichermaßen.
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Autor
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Ali Masarwah ist Gesellschafter-Geschäftsführer der Fondsplattform envestor.de und schreibt auch Kolumnen über Investmentthemen für The Digital Leaders Fund. Anleger-orientiertes Research ist seit über 20 Jahren Alis Ding. Vor seiner Zeit bei envestor.de war er zehn Jahre lang bei Morningstar, wo er für die Personal Finance Websites des Analysehauses in Deutschland verantwortlich war. Als Experte für Anlagethemen ist er ein gefragter Ansprechpartner für Finanzmedien im deutschsprachigen Raum.
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