Anfang diesen Jahres hatten wir unseren Investment Case bei Twitter erstmals im Blog vorgestellt. Wir hatten den Beitrag damals betitelt „Wie aus Twitter ein profitables und attraktives Unternehmen geworden ist“.
Dann kam die Corona Pandemie und in der Folge ein großer Einbruch der Werbeausgaben weltweit, der sich erheblich auf das stark von Werbung abhängige Geschäft von Twitter auswirkte.
Es wird also Zeit für ein Update und einen kritischen Blick darauf, ob unser Investment in Twitter auch in Zeiten der Pandemie und vor allem danach noch sinnvoll ist.
Wir denken schon. Und das kannst Du schon beim Blick auf das Factsheet von The Digital Leaders Fund erkennen, denn die Twitter Aktie erscheint dort mittlerweile unter unseren Top-10-Positionen.
Beim Blick auf den Kursverlauf der Twitter Aktie in den vergangenen 12 Monaten erkennt man, dass die Aktie sich in den vergangenen Monaten wieder fast vollständig von ihrem Einbruch beim Corona-Crash im März erholt hat.
Inhaltsverzeichnis
Schwaches Werbegeschäft verhagelt die Bilanz im 2. Quartal 2020
Dabei waren die nackten Geschäftszahlen, die Jack Dorsey als CEO zum 2. Quartal präsentiert hatte, eher durchwachsen:
Der Umsatz war im Q2 mit $683 Millionen aufgrund der schwachen Nachfrage nach Werbeplätzen um 19 Prozent rückläufig gegenüber dem Vorjahresquartal. In der Pandemie pausierten viele Unternehmen ihre digitalen Kampagnen.
Obwohl man auf die Kostenbremse trat, musste im Q2 ein operativer Verlust von $124 Millionen (18 Prozent vom Umsatz) hingenommen werden. Im Vorjahresquartal hatte man noch $76 Millionen verdient und eine operative Marge von 9 Prozent erzielt.
Die bilanzielle Situation ist nach wie vor komfortabel. Zum Ende des Q2 verfügte Twitter über eine Cashreserve von circa $7,8 Milliarden.
Der operative Cashflow war mit $201 Millionen (29 Prozent Marge) trotz des schwachen Werbegeschäftes stark. Der Free Cashflow war trotz hohen Investitionen in neue Rechenzentren selbst im schwachen Q2 mit $39 Millionen noch positiv, aber im Vergleich zum Vorjahr ($204 Millionen) stark rückläufig.
Aufgrund von einmaligen Steuereffekten wurde für das Q2 nach GAAP ein hoher Nettoverlust von über -$1,2 Milliarden ausgewiesen.
Auffällig ist der außergewöhnlich hohe Anteil an Forschung- und Entwicklungskosten (F&E). Nachdem Twitter jahrelang zu wenig in die eigene Technologie investiert hat, hat man nun auch im Corona-Quartal die F&E-Ausgaben um 36 Prozent gegenüber Vorjahr gesteigert und $216 Millionen (das sind knapp 32 Prozent vom Umsatz!) für die Entwicklung ausgegeben.
Die Sales- und Marketingausgaben hingegen waren um 14 Prozent rückläufig und betrugen „nur“ $207 Millionen.
Hackerangriff schadet dem Image
Ausgerechnet kurz vor der Veröffentlichung der ohnehin schwachen Zahlen zum Q2 war Twitter im Juli das Ziel eines besonders dreisten Hackerangriffs. Offenbar hatten die jungen Hacker bei zahlreichen Promi-Nutzerkonten „die Kontrolle übernehmen und Tweets senden“ können.
Von acht Konten seien sogar persönliche Daten heruntergeladen worden. Neben Barack Obama, Bill Gates und Elon Musk waren auch Joe Biden, Jeff Bezos und Rap-Star Kanye West betroffen. Dieser Vorfall ist nicht nur peinlich, sondern auch nachhaltig imageschädigend. Entsprechend kleinlaut gab sich das Twitter Management im Analystencall.
Twitter Aktie – Die guten Nachrichten
Aber Twitter machte in den vergangenen Monaten nicht nur Negativ-Schlagzeilen.
Es gab in den Zahlen zum Q2 eine alles überragende Kennzahl, die dem Aktienkurs seither Auftrieb gibt: das Wachstum der monetarisierbaren Nutzerbasis beschleunigte sich – sicherlich begünstigt durch die Corona-Pandemie – im 1. Halbjahr 2020 in einem seit vielen Jahren nicht gekannten Ausmaß.
Die Twitter-Plattform wird dadurch immer relevanter.
Im Q2 zählte man nun 186 Millionen täglich aktive, monetarisierbare User (mDAU). Das waren 34 Prozent mehr als im Vorjahr. In den USA verzeichnete man sogar ein schnelleres Userwachstum als Facebook, Pinterest oder Swap.
An der Börse wird bekanntlich die Zukunft gehandelt, und die Investoren gehen offensichtlich davon aus, dass die in jüngster Zeit stark gewachsene Userbasis zumindest mittelfristig deutlich besser monetarisiert werden wird als in der Vergangenheit.
Woher kommt dieser Optimismus?
Technische Schwierigkeiten überwunden
Wie schon erwähnt hatte man bei Twitter jahrelang zu wenig in die technische Infrastruktur investiert. Insbesondere der Adserver zum Ausspielen der Werbung war schon lange nicht mehr State-of-the-art, es gab z.B. keine interessen-spezifischen Möglichkeiten des Targetings wie von Facebook bekannt.
Mittlerweile hat man durch die Einführung von Twitter-Topics, welches das Verfolgen von tausenden von Interessen auf Twitter ermöglicht, mit bereits 50 Millionen Usern die Basis geschaffen, Nutzer besser zu segmentieren und für zielgerichtete Werbung besser adressierbar zu machen.
Die Probleme im von seiner Architektur her veralteten Adserver waren so grundsätzlicher Natur, dass er mehr oder weniger komplett neu gebaut werden musste. Dieses Großprojekt wurde im Q2 laut Jack Dorsey erfolgreich abgeschlossen. Nun sei man endlich in der Lage, mit neuen Werbeformaten und anderen Monetarisierungsoptionen zu experimentieren.
Monetarisierung nun Priorität 1
Jack Dorsey ist ein genialer Visionär und hat als Unternehmer der Welt mit Twitter und Square gleich zwei bedeutende Unternehmen geschenkt. Er hat Twitter viele Jahre lang aufgebaut, ohne monetäre Interessen in den Vordergrund zu stellen, sondern sich glaubwürdig auf den Mehrwert für die Nutzer und die Gesellschaft konzentriert. Das ist ehrenwert, aber 7 Jahre nach dem Börsengang nicht mehr adäquat.
Zukünftig wird ganz klar der Shareholder-Value-Gedanken bei Twitter in den Vordergrund rücken. Dafür wird schon alleine der Deal mit den aktivistische Investoren Elliott Management und Silver Lake sorgen: nach einer Auseinandersetzung mit den unzufriedenen Investoren durfte Jack Dorsey zwar bis auf weiteres seinen CEO-Posten behalten, musste sich aber unter anderem zu einem $2 Milliarden umfassenden Aktienrückkaufprogramm committen.
Im letzten Analystencall war denn auch sehr viel von möglichen Optionen die Rede, die man prüfen wird, um neue Umsatzquellen zu erschließen und die Abhängigkeit vom zyklischen Werbemarkt zu verringern.
Twitter Aktie – Neue Geschäftsmodelle
Hier ein kurzer – sicherlich nicht vollständiger – Überblick, der das enorme Potential der Twitter-Plattform aufzeigen soll:
1. Subskriptionsprodukte
Twitter hat eine große und überaus loyale Fangemeinde. Viele Poweruser (inklusive dem Autor) wären bereit, für ein wertvolles und zeitsparendes Zusatzprodukt wie das beliebte TweetDeck-Frontend eine monatliche Gebühr zu bezahlen.
Wenn nur 10 Prozent der Nutzerbasis von geschätzt circa 300 Millionen Usern monatlich je 5$ zahlen würden, dann wären das $1,8 Milliarden wiederkehrender – und somit an der Börse extrem wertvoller – Zusatzumsatz. Das entspricht ungefähr 50 Prozent des aktuellen Gesamtumsatzes!
2. Subscription Feeds und Tipping
Mindestens genauso viel Umsatzpotential dürfte für Twitter in den sogenannten „Subskription Feeds“ liegen. Viele Influencer liefern auf Twitter wertvollen Content, für die ihre Fangemeinde zu zahlen bereit ist. Das passiert bereits heute. Mangels Alternativen allerdings außerhalb von Twitter auf boomenden Plattformen wie Patreon oder Onlyfans.
Twitter könnte also seinen Influenzern anbieten, ihren Twitter-Feed (teilweise) nur gegen Bezahlung sichtbar zu machen, also ihre eigene Paywall zu managen. Twitter könnte jedes Mal mitverdienen und den üblichen Plattform-Anteil (z.B. 20 Prozent) am Monetarisierungserfolg der Content-Creators einbehalten.
Ein ähnliches Geschäftsmodell ist das Tipping, bei dem die Follower – in diesem Fall auf rein freiwilliger Basis – dem Content Creator eine monetäre Anerkennung in Form eines virtuellen Trinkgeldes zukommen lassen.
3. E-Commerce
Der Boom von E-Commerce ist in 2020 leider völlig an Twitter vorbeigegangen. Dabei gibt es keinen vernünftigen Grund, warum z.B. Shopify-Shopbetreiber nicht ihre Waren auch via Twitter ihrer Zielgruppe offerieren könnten – ähnlich wie auf Instagram. Twitter könnte dabei nicht nur Werbeeinnahmen erzielen, sondern am Umsatz mitverdienen.
Eine wichtige Grundlage dafür hat Twitter in diesem Jahr durch die Einführung von Twitter Topics geschaffen. Die User können jetzt nicht nur Personen, sondern gezielt auch tausenden von unterschiedlichen Interessen folgen. Damit werden ideale Voraussetzungen für das zielgerichtete Targeting im E-Commerce geschaffen.
4. Performance Marketing
Derzeit in der Betaversion verfügbar ist eine neue MAP-Anwendung (Mobile App Promotion), mit der Anbieter von Apps aus den unterschiedlichsten Lebensbereichen (z.B. Gaming) via Twitter den Download und die Installation von mobilen Apps promoten können.
Generell geht der Trend weg von der Schaltung reiner Werbeanzeigen hin zum messbaren Performance Marketing mit Möglichkeiten der erfolgsabhängigen Bezahlung z.B. Cost-per-Klick oder Cost-per-Download.
Mit MAP und dem neuen Ad-Server kommt Twitter hier einen großen Schritt voran. Zusätzlich hat man erst kürzlich durch die Akquisition von CrossInstall ein 60-köpfiges Team von Performance-Marketing-Spezialisten übernommen.
Die Bewertung der Twitter Aktie
Die Bewertungsrelationen der Twitter Aktie sehen durch die Corona-bedingten schwachen operativen Zahlen derzeit viel weniger attraktiv aus als noch zu Jahresbeginn.
Das EV/Sales-Verhältnis ist von 6 auf über 8 angestiegen.
Der bis vor 12 Monaten steigende Rule-of-40 Score (TTM) ist mittlerweile aufgrund des nur noch marginalen Umsatzwachstums (TTM) deutlich unter 40 Prozent gefallen.
Dennoch bleiben wir aus den genannten Gründen sehr optimistisch für die mittel- bis langfristige Zukunft von Twitter und haben unsere Position der Twitter Aktie im Portfolio von The Digital Leaders Fund – wie im Januar angekündigt – ausgebaut.
Twitter Aktie – Fazit
Twitter ist aus der internationalen Medienwelt nicht mehr wegzudenken. Vielleicht ist es sogar das stärkste Netzwerk der Welt. Ich kann mir zumindest – im Gegensatz zu einigen anderen Social Media Plattformen – nur sehr schwer vorstellen, auf Twitter zu verzichten.
Aber das auf der Twitter-Plattform über die Jahre aufgebaute Geschäftsmodell ist nicht beeindruckend und hebt nicht ansatzweise das große Potential dieses Netzwerkes.
Jack Dorsey muss spätestens nach Bewältigung der Corona-Pandemie beweisen, dass er Twitter auch im Sinne des Shareholder Value Gedanken nachhaltig erfolgreich machen kann. Sollte ihm dies nicht gelingen, so wird er wohl von seinem in 2020 neu besetzten Board abgelöst werden. Ich bin mir allerdings nicht so sicher, ob das für uns Aktionäre eine gute oder schlechte Nachricht wäre.
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Disclaimer
The Digital Leaders Fund und/oder der Autor und/oder verbundene Personen oder Unternehmen besitzen Anteile von Twitter. Dieser Beitrag stellt eine Meinungsäußerung und keine Anlageberatung dar. Bitte beachte die rechtlichen Hinweise.
Autor
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Stefan war in seinem gesamten Berufsleben in der High-Tech-Industrie tätig. Er hat sein eigenes Software-Unternehmen gegründet, internationalisiert und vor einigen Jahren ins Silicon Valley verkauft. Der Wirtschaftsmathematiker investiert seit über 30 Jahren in Aktien. Er verwaltet eines der erfolgreichsten investierbaren Musterportfolios auf der wikifolio Plattform.
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