Es ist nun schon 15 Monate her, seit wir das israelische SaaS-Unternehmen Wix.com (WIX) hier im Blog erstmals vorgestellt haben.
Wir waren damals begeistert von der Kombination aus zweistelligen Cashflow-Margen und schnellem organischem Wachstum.
Seitdem hat sich der Hersteller eines DIY-Baukasten (Do-It-Yourself) für Webseiten erheblich weiterentwickelt.
Wir wollen die gerade vorgelegten Zahlen zum 2. Quartal 2019 zum Anlass für ein Update nehmen.
Doch bevor wir auf die Zahlen eingehen, hier ein Blick auf die furiose Kursentwicklung der WIX-Aktie seit der erstmaligen Vorstellung unseres Investment Cases im April 2018.
Seit unserem Einstieg zum Start von The Digital Leaders Fund hat sich die WIX-Aktie im Wert annähernd verdoppelt.
Da drängt sich natürlich die Frage auf, ob die fundamentale Entwicklung im Unternehmen diesen Kursanstieg rechtfertigt oder ob die Aktie wie viele andere SaaS-Unternehmen mittlerweile einfach überteuert ist.
Inhaltsverzeichnis
Die WIX Zahlen zum 2. Quartal 2019
Zunächst muss man konstatieren, dass das stürmische Wachstum von WIX sich in den letzten Quartalen durchaus verlangsamt hat.
In 2018 war der Umsatz um 42 Prozent gewachsen nach 47 Prozent in 2017.
Und im gerade abgelaufenen 2. Quartal 2019 betrug das Umsatzwachstum „nur“ noch 27 Prozent auf $185 Millionen. Insgesamt sollen in 2019 nun circa $763 Millionen umgesetzt werden, das entspricht ebenfalls einem Wachstum von circa 27 Prozent.
Allerdings schafft WIX eine gute Balance zwischen Wachstum und Cash-Generierung.
Während das Umsatzwachstum in 2018 um 5 Prozent zurückgegangen ist, konnte gleichzeitig der Free Cashflow um über 40 Prozent gesteigert werden.
Auch im Q2 2019 stieg der Free Cashflow um 29 Prozent auf $31 Millionen, das entspricht einer Marge von 17 Prozent. Die Rule-of-40 ist damit weiterhin erfüllt und deutet auf effizientes Wachstum hin.
Die Zahlen zur Profitabilität sind unterm Strich allerdings wesentlich schlechter. Während Non-GAAP bereits ein EPS (Gewinn pro Aktie) von $0,34 ausgewiesen wird, steht nach GAAP weiterhin ein deutlicher Verlust von -$0,33 pro Aktie. Der Grund hierfür sind vor allem die hohen (nicht cash-relevanten) Ausgaben für die Ausgabe von Mitarbeiteraktien beziehungsweise die entsprechenden Optionsprogramme. Die Ausgaben hierfür werden in 2019 circa $115 Millionen betragen, das sind 15 Prozent vom Umsatz. Solche Optionsprogramme sind zwar notwendig, um am umkämpften Arbeitsmarkt die besten Talente zu bekommen, aber die Ausgaben dafür sind zumindest aus Investorensicht zu hoch.
Der Cashbestand zum Ende des 1. Halbjahres betrug $825 Millionen. Demgegenüber stehen langfristige Verbindlichkeiten in Höhe von circa $350 Millionen aus einer zu 0 Prozent Zinsen ausgegebenen Wandelanleihe.
WIX Aktie: Erfolgreiches Freemium-Geschäftsmodell
Bisher ist WIX fast ausschliesslich bekannt für seinen DIY-Webbaukasten. Mit dem können auch Laien eine beeindruckende Webseite bauen – ich habe es selbst ausprobiert und bin seit 2017 selbst ein zufriedener WIX-Kunde.
WIX betreibt seit Jahren ein sehr erfolgreiches Freemium-Geschäftsmodell. Nach wie vor beginnen pro Quartal mehr als 5 Millionen neue User damit, die kostenlose Basisversion von WIX zu nutzen, um – meist ohne Programmier- oder Webdesign-Kenntnisse – eine Webseite zu erstellen.
Die Anzahl der bezahlten Subskriptionen stieg zuletzt langsamer an und beträgt aktuell 4,3 Millionen. Im letzten Quartal kamen (netto, also unter Berücksichtigung der Kündigungen) 132.000 Subskriptionen neu hinzu, im Vorjahresquartal waren es noch 205.000 zusätzliche Subskriptionen gewesen. Diese Verlangsamung kommt jedoch nicht unerwartet, da WIX die Preise erhöht hat und nun bewusst die Einstiegshürden für den zahlenden Kunden etwas höher setzt.
Vom One-Trick-Pony zur Multi-Product-Company
Ende 2018 wurde mit „Ascend“ eine neue Suite von Business-Tools veröffentlicht, deren Funktionalität weit über eine herkömmliche Webpräsenz hinausgehen. Im bekannten durchweg gut designten WIX-Outfit angeboten werden Tools zum E-Mail-Marketing und Basisfunktionalitäten für ein CRM-System (Customer Relationship Management) inklusive einer Chat-Funktionalität für professionellen Service auf der eigenen Webseite. Sogar eine Payment-Funktionalität inklusive Rechnungsschreibung ist in der Ascend-Suite mit enthalten. Die Monetarisierung dieser Business-Tools erfolgt durch eine zusätzliche Subskription, die erhebliches Upsell-Potential in der riesigen Bestandskundenbasis erschließen soll.
Leider gibt es noch keine genauen Zahlen zum bisherigen Erfolg von Ascend. Der durchschnittliche Wert einer WIX-Subskription (ACPS – Average Collections per Subskription) ist gegenüber dem Vorjahr um 29 Prozent auf $228 angestiegen, aber darin enthalten sind auch Preisanpassungen bei den Basis-Services.
Über 500.000 Kunden, also mehr als 10 Prozent aller zahlenden Subskriptionen, haben zuletzt eine der in Ascend enthaltenen Funktionen (wohl meist in der ohne Zusatzkosten enthaltenen Basisversion) genutzt. Ich gehe davon aus, dass der direkt durch Ascend generierte Umsatz derzeit noch zu vernachlässigen ist. Das Potential ist aber sicher vorhanden, damit ab 2020 eine neue nennenswerte Umsatzquelle zu entwickeln. Denn der Trend geht auch bei den kleineren Geschäftskunden ganz klar zum vollständigen Online-Auftritt mit ganzheitlicher Customer Experience inklusive Chat-Services und Marketing-Automation.
Corvid by WIX – Ein WordPress-Killer?
Noch wichtiger für die zukünftige strategische Weiterentwicklung des Unternehmens ist die Weiterentwicklung von WIX als DIY-Web-Baukasten hin zu WIX als komplette Entwicklungsumgebung für Web-Applikationen. Seit 18 Monaten wird mit WIX Code der Launch eines entsprechenden Produktes für professionelle Ansprüche von Webentwicklern und Online-Agenturen vorbereitet.
Seit einigen Monaten hat man dem Produkt mit „Corvid by Wix“ einen neuen Namen gegeben. Das Produkt befindet sich jedoch immer noch im Beta-Stadium und der genaue Plan zur Monetarisierung ist noch nicht bekannt. Es ist aber wohl zu erwarten, dass ab 2020 auf der Basis von Corvid neue Subskriptionspakete zu einem höheren Preis angeboten werden. Diese Pakete werden sich wohl ausdrücklich an Profi-Agenturen als Reseller wenden und umfangreichere Möglichkeiten zur Applikationsentwicklung bieten als die heutigen DIY-Lösungen.
Nach Unternehmensangaben sind bereits 200.000 User „Highly Engaged“ mit der Beta-Version von Corvid, das heißt sie nutzen WIX Code bereits zur Programmierung von zusätzlicher Funktionalität oder Integration mit Drittsystemen.
Angeblich werden derzeit rund um die Corvid-Plattform neue Beziehungen zu „Tausenden“ von professionellen Web-Agenturen aufgebaut. Ich bin sehr gespannt auf den offiziellen Launch und die Monetarisierungsstrategie.
Bisher ist WordPress der Defakto-Industriestandard für die unzähligen Web-Agenturen. Der Marktanteil von WordPress (gemessen an der Anzahl der Installationen) beträgt 61 Prozent unter allen Webseiten, die ein Content-Management-System nutzen. WIX kommt dabei derzeit nur auf einen Anteil von 2 Prozent.
Meiner Einschätzung nach hat WIX dank Corvid das Zeug zu einer ernstzunehmenden Alternative zu WordPress heranzureifen. Man kann sich leicht vorstellen welches Potential zur Umsatzvervielfachung in diesem Markt besteht, falls sich die Agenturen wirklich in Scharen WIX zuwenden sollten.
Der WIX CEO ist der Meinung, dass sich der adressierbare Markt (TAM – Total Adressable Market) für WIX durch Corvid verzehnfachen wird. In jedem Fall birgt Corvid by Wix erhebliche Zukunftsphantasie für weiteres Wachstum ab 2020.
Die Bewertung der WIX Aktie
Die Anzahl der ausgegebenen WIX-Aktien beziehungsweise Optionen beträgt zum Ende des 1. Halbjahres 2019 circa 60,3 Millionen (fully diluted share count). Bei einem Kurs von 147$ errechnet sich ein Enterprise Value von circa $8,4 Milliarden. Auf der Basis des Umsatzes in 2019 entspricht das einem EV/Sales-Verhältnis von 11.
Die Aktie ist damit wesentlich teurer und unattraktiver geworden seit unserem Einstieg Anfang 2018. Damals hatte das EV/Sales-Verhältnis lediglich 6 betragen. Ein Grund für diesen Anstieg ist neben der Aktienkursentwicklung auch die überdurchschnittlich große Verwässerung durch die Ausgabe von Aktienoptionen an Mitarbeiter, die derzeit 16 Prozent beträgt. Bis Ende 2020 soll diese „Dilution rate“ auf unter 12 Prozent sinken.
Wir haben aufgrund der hohen Bewertung den Anteil der WIX-Aktie im Portfolio des DLF in den vergangenen Monaten reduziert. Das kurzfristige Potential erscheint nach dem rasanten Anstieg begrenzt, die Rückschlagsgefahr ist erhöht.
Aber wir trauen dem Unternehmen zu, noch viele Jahre um mehr als 20 Prozent p.a. zu wachsen – und zwar mit zunehmender Profitabilität. Auch eine nochmalige Beschleunigung des Wachstums ist gut vorstellbar, falls die neuen Produkte Ascend und Corvid zu einer weiteren Erfolgsstory werden sollten. Besonders gut gefällt uns die sehr gute Visibilität des Geschäftsmodells. Daher werden wir weiter in Wix.com investiert bleiben.
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Autor
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Stefan war in seinem gesamten Berufsleben in der High-Tech-Industrie tätig. Er hat sein eigenes Software-Unternehmen gegründet, internationalisiert und vor einigen Jahren ins Silicon Valley verkauft. Der Wirtschaftsmathematiker investiert seit über 30 Jahren in Aktien. Er verwaltet eines der erfolgreichsten investierbaren Musterportfolios auf der wikifolio Plattform.
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2 Antworten
Schöner Artikel.
Ist die High-Tech-Investing Seite nicht von denen? Im Vergleich zum Blog hier ist die Seite nämlich bezüglich der Ladezeiten und des Handling alles andere als benutzerfreundlich. Oft genug erreicht man andere Seiten als gewünscht durch die lange Ladezeit und den unkonventionellen Seitenaufbau. Für mich schon ein großes Manko, das zugegeben schon nervig ist.
Ändert aber nichts an den hochwertigen Artikeln 🙂
Vielen Dank für das wichtige Feedback!
Ja, mein persönlicher Blog unter https://www.high-tech-investing.de ist mit WIX erstellt. Tatsächlich ist die Seite langsam und das Design ist nicht gut. Aber ich habe diese Seite eigenhändig (als Laie) mit dem WIX-Baukasten spontan an einem regnerischen Sonntag einfach mal zusammengeklickt. Und zwar mit den damaligen Möglichkeiten, die es vor 2 Jahren mit WIX gab. Heute wäre da schon viel mehr möglich – auch bzgl. der Performance. Ich muss da mal einiges aktualisieren…
Demgegenüber steht diese Website des DLF, die mit mindestens 100x mehr Aufwand mit WordPress erstellt und ständig optimiert wurde. Einen neuen Beitrag auf dem WIX-Blog kann ich selbst in 5 Minuten veröffentlichen, während das hier auf dem DLF-Blog doch alles VIEL komplizierter ist und Expertenwissen verlangt, wenn man es professionell machen will.
Meine Einschätzung aus Kundensicht ist, dass WIX die Zukunft gehören könnte. Es bleibt spannend… 😉