ARM-Aktie – Nvidia 2.0 oder doch nur Samsung?

22. September 2023

ARM Holding hat einen furiosen Börsenstart hingelegt. Wir haben dazu einige Fragen: Warum sind Investoren bereit, die ARM-Aktie so hoch zu bewerten? Warum sind zahlreiche Top-Unternehmen, darunter Apple, Nvidia, Intel, Amazon, Samsung, TSMC, AMD, Cadence u.a. gewillt, strategische Investoren von ARM zu werden? Und vor allem, warum hat Nvidia noch bis letztes Jahr versucht, ARM Holdings zu übernehmen? Insbesondere der letzten Frage wollen wir in diesem Artikel nachgehen.  

Die ARM-Aktie ist wieder zurück an der Börse, nachdem Softbank das Unternehmen 2016 für 31 Mrd. Dollar übernommen und delisted hatte. Das IPO war 12-fach überzeichnet, die ARM-Aktien wurden daher am oberen Ende der Bookbuilding-Spanne mit 51 Dollar zugeteilt. Zum Listingpreis ist das Unternehmen mit 52 Mrd. Dollar bewertet. Das entspricht dem 19-fachen Umsatz und dem 99-fachen Gewinn; eine recht sportliche Bewertung für ein Unternehmen, das im abgelaufenen Geschäftsjahr weder Umsatz noch den Nachsteuergewinn steigern konnte.

GuV ARM Holding

Sicher, Nvidia wird aktuell (bez. der geschätzten Zahlen für das aktuelle Geschäftsjahr) mit dem 22-fachen des Umsatzes und 50-fachen des Gewinns bewertet. Aber das Unternehmen wird den Umsatz dieses Jahr mindestens verdoppeln und den Gewinn vervierfachen. Spielt ARM wirklich in dieser Liga?

Monopolist ohne Preismacht

Acorn RISC Machines, heute Advanced RISC Machines, (ARM) wurde 1990 von dem britischen Unternehmen Acorn ausgegründet. Mitgründer von Acorn und ARM ist der Österreicher Hermann Hauser. Schon direkt nach der Ausgründung war Apple mit einem hohen Anteil Aktionär und der erste Kunde. Wer sich für die Gründungszeit von ARM und für Anekdoten unter anderem zur Zusammenarbeit mit Apple und Konkurrenz zu Intel interessiert, sollte sich den FAZ-Podcast mit Hauser aus dem Jahr 2020 anhören. 

Im Unterschied zu den meisten anderen Unternehmen im Halbleitersektor beschäftigt sich ARM weder mit dem Bau, noch der Beauftragung von Chips. ARM handelt nur mit geistigem Eigentum, also Intellectual Property. Smartphone-Hersteller wie Apple und Samsung sowie Chipdesigner wie Qualcomm erwerben die Lizenzen für konkrete Rechenkerne und zahlen dafür Lizenzgebühren. ARM bucht diese als Royalty Revenues. Zudem zahlt die Halbleiterindustrie für die Nutzung der grundlegenden Architektur Gebühren, die sogenannten Licence and Other Revenues. Im abgelaufenen Geschäftsjahr 2022 machten Royalty Revenues 63 Prozent der Gesamtumsätze aus. 

Eine dominante Rolle nimmt ARM im Markt für mobile Geräte ein. Alle Samsung und Apple Smartphones, insgesamt über 99 Prozent der Prozessoren für mobile Geräte, basieren auf der ARM-Technologie. Das ist natürlich eine herausragende Stellung, allerdings ist der Markt in den letzten Jahren kaum gewachsen. Für die nächsten drei Jahre schätzt ARM ein Wachstum von im Schnitt 6,4 Prozent jährlich. Die luftige Bewertung resultiert also nicht aus den Wachstumserwartungen für Smartphones. Auch die anderen Märkte, in denen ARM einen hohen Marktanteil hat, wachsen nach eigenen Schätzungen bis Ende 2025 einstellig: Unterhaltungselektronik mit 4,5 Prozent, Industrial IoT mit 6,7 Prozent, Network Equipment mit 1,8 Prozent und „Other Infrastructure“ mit nur 2,7 Prozent. 

Deutlich höher schätzt ARM das Wachstum für den Automobilsektor ein, insbesondere bei Chips für Fahrzeug-Infotainment (IVI) und Fahrerassistenzsysteme (ADAS). ARM hat den Anteil in diesem Markt von 2020 bis Ende 2022 von 33 Prozent auf 40,8 Prozent gesteigert. Das Unternehmen schätzt für dieses Segment ein Wachstum von 15,7 Prozent in den nächsten drei Jahren und einen Total TAM von 29 Mrd. in 2025.

Das stärkste Wachstum prophezeit ARM für den Markt Cloud Compute mit 16,6 Prozent jährlich. Den Marktanteil konnte das Unternehmen nach eigenen Angaben von 2020 bis Ende 2022 von 7,2 auf 10,1 Prozent steigern. 

ARM schätzt den Total Adressable Market für Ende 2022 mit 202 Mrd. Dollar. Bis Ende 2025 soll der TAM auf 246 Mrd. steigen. ARM schätzt den aggregierten Wert für Chips mit ARM-Technologie für Ende 2022 mit 98,9 Mrd. Dollar. Davon entfallen allerdings aktuell nur ca. 1,7 Prozent als Royalty Umsätze auf ARM. Sofern ARMs Marktanteile und Marge gleich bleiben und die Lizenzgebühren sich stabil entwickeln, ergibt sich daraus für 2025 ein Umsatz von ca. 3,3 Mrd. Dollar. Tatsächlich liegt die Bloomberg-Konsensusschätzung für den ARM-Umsatz 2025 bei 3,375. Das bedeutet ein kumuliertes Wachstum über die nächsten zwei Jahre von 22 Prozent und ein EV/Sales von 19.

Eine Wette auf wachsende Royalty-Gebühren

ARM mag der Defacto-Standard für das Design vieler Halbleiter sein, verdienen tun aber andere. Bei einem Smartphone im Wert von bis zu 1000 Euro, zahlt Apple und Samsung nach Branchenexperten an ARM lediglich 1,5 Dollar. ARM ist im Smartphone-Markt ein Monopolist, aber Monopolpreise kann das Unternehmen nicht durchsetzen. Auch deswegen tolerieren die Regulierer weltweit die Dominanz von ARM. Für intensiven Wettbewerb sind die über 500 Lizenznehmer zuständig. Auch wird es für ARM schwierig werden, höhere Preise Apple & Co aufzudrücken. Der aktuelle Rechtstreit mit Qualcomm zeigt, wie schwer höhere Gebühren durchzusetzen sind. 

Aussichtsreicher ist das Bestreben, im CPU-Markt  für Rechenzentren stärker zu wachsen. Hier können Prozessoren mit einer beliebig großen Anzahl von Rechenkernen ausgestattet werden, so dass ARM wesentlich höhere Royalty-Fees durchsetzen kann. Aktuell wird dieser Markt dominiert von der CPU-Architekturvariante x86, somit von AMD und Intel. ARM hat aktuell einen Marktanteil von 10 Prozent. Nach einer Studie von TrendForce könnte der Anteil bis 2025 auf 22 Prozent steigen. Das bringt uns den Motiven Nvidias,  ARM vor zwei Jahren übernehmen zu wollen, auf die Spur.

Warum Jensen Huang ARM übernehmen wollte

Die Manager von ARM beschreiben die Rolle des Unternehmens gerne als „Schweiz der Halbleiterindustrie“. Von daher war der Widerstand der Industrie groß, als Nvidia sich das Unternehmen einverleiben wollte. Die strategische Beteiligung vieler Unternehmen könnte als Versuch gedeutet werden, die neutrale Rolle von ARM sicherzustellen. Doch warum wollte Nvidia überhaupt ARM übernehmen und so das Geschäftsmodell als neutrales und wertvollstes Lizenzunternehmen der Welt gefährden? Am derzeitigen Wachstum und den aktuellen Margen lag es vermutlich nicht. Der Grund ist vielmehr in der Entwicklung des AI-Marktes zu suchen. 

Im Markt für KI-Beschleuniger für das Training von neuronalen Netzen und Large Language Modellen ist Nvidia aktuell ein Monopolist. Noch hat kein anderer Anbieter eine GPU-only Lösung für KI-Beschleuniger. Allerdings sind sich Nvidia und AMD einig, dass langfristig Inferencing der größere Markt sein wird. Aktuell gibt es außerhalb der größten Tech-Giganten kaum Unternehmen, die große AI Modelle in der Produktion haben. In naher Zukunft sollten allerdings die meisten relevanten Unternehmen AI Modelle anbieten, so dass die schiere Menge der Kundennachfragen dazu führen, dass die Rechenleistungen in der Summe für Inference größer sein werden als für Training. Für diesen Markt braucht man aber vermutlich keine teuren GPUs von Nvidia. Hochpeformante CPUs sollten genügen. So argumentiert Useful Sensors CEO Peter Warden in einem lesenswerten Blogartikel. Darin stellt er die These auf, dass die Alleinherrschaft von Nvidia temporär sein sollte, zumindest für den Inference-Markt:

 „If you believe my four predictions above, then it’s hard to escape the conclusion that Nvidia’s share of the overall AI market is going to drop. That market is going to grow massively, so I wouldn’t be surprised if they continue to grow in absolute unit numbers, but I can’t see how their current margins will be sustainable. I expect the winners of this shift will be traditional CPU platforms like x86 and ARM.”

Man kann davon ausgehen, dass der kongeniale Jensen Huang dieses mögliche Szenario früh erkannt und die Übernahme von ARM gewagt hat. Für Anleger stellt sich allerdings die Frage, ob es ARM gelingt, diesen Markt als Partner von Nvidia zu erobern und nicht als Tochter. Auszuschließen ist es nicht. Aber die Konkurrenz von AMD und Intel ist groß. Zudem ist mit RISK-V eine neue CPU-Architektur auf dem Vormarsch, die auf Open-Source beruht und somit keine Lizenzgebühren kostet.

ARM-Aktie: Hoffnung und Risiko in der Halbleiterwelt

Trotz luftiger Bewertung hat die ARM-Aktie am ersten Handelstag sogar fast 30 Prozent zulegen können. Aber seither verliert die Aktie jeden Tag und hat fast alle Gewinne wieder abgegeben.

ARM-Aktie Kursverlauf

ARM-Aktie Kurschart

Die langfristigen Aussichten mögen für ARM großartig sein, doch im aktuellen Kurs der ARM-Aktie wird viel Hoffnung und wenig Risiko eingepreist. Werden ARM-CPUs tatsächlich den Server-Markt erobern? Wird ARM hier deutlich höhere Royalty-Fees durchsetzen können? Und was passiert mit ARM China (20-25 Prozent des ARM-Umsatzes), wenn der Tech-Krieg zwischen den USA und China eskaliert? Die nächsten Quartalszahlen werden Anleger daran erinnern, dass die Realität bei ARM mehr der „langweiligen“ Halbleiterwelt von Samsung entspricht als der KI-Welt von Nvidia. Vielleicht gibt es dann auch eine Chance, die ARM-Aktie zu einer deutlich günstigeren Bewertung ins Portfolio zu nehmen. Aktuell schauen wir uns die Entwicklung von der Seitenlinie an.

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Dieser Beitrag stellt eine Meinungsäußerung und keine Anlageberatung dar. Bitte beachte die rechtlichen Hinweise.

Autor

  • Baki Irmak

    Baki war viele Jahre in leitender Funktion für den Deutsche Bank Konzern und DWS tätig. Zuletzt u.a. als Global Head of Digital Business für die Deutsche Asset & Wealth Management und Mitglied im Digital Executive Commitee der Deutschen Bank. Seine berufliche Laufbahn hat er als Fondsmanager für Technologie, Telekommunikation und Medien bei BHF Trust begonnen. Danach war er Fondsmanager bei der Commerzbank und ABN Amro.

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Baki Irmak

Baki war viele Jahre in leitender Funktion für den Deutsche Bank Konzern und DWS tätig. Zuletzt u.a. als Global Head of Digital Business für die Deutsche Asset & Wealth Management und Mitglied im Digital Executive Commitee der Deutschen Bank. Seine berufliche Laufbahn hat er als Fondsmanager für Technologie, Telekommunikation und Medien bei BHF Trust begonnen. Danach war er Fondsmanager bei der Commerzbank und ABN Amro.

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Eine Antwort

  1. Lieber Baki,

    vielen Dank für diesen wirklich ausführlichen und vor allem verständlichen DeepDive. Es ist immer wichtig die Entwicklung eines (Aktien)unternehmens im Kontext zu dessen Historie und Zukunftsaussichten zu betrachten.

    Eure Beiträge sind stets sehr lesenswert! Empfehle ich jedem weiter.

    Mit bestem Gruß
    O.G.

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