Besonders gerne investieren wir mit The Digital Leaders Fund in digitale Plattformen, die nicht nur etablierte Wettbewerber ihrer Branche mit innovativen Geschäftsmodelle angreifen, sondern von einem Megatrend in unserer Gesellschaft profitieren. Ein solch potentieller Digital Business Leader könnte Upwork sein.
Das im deutschsprachigen Raum noch recht unbekannte Unternehmen betreibt die weltweit größte Vermittlungsplattform für Selbständige und Freiberufler (Freelancer). Dabei geht es um unterschiedlichste Services wie Softwareentwicklung, Design, Übersetzungen, Buchhaltung, etc. Das Unternehmen ist 2013 aus dem Zusammenschluss von Elance und oDesk entstanden. Die konsolidierte Plattform wurde in 2015 unter dem Namen Upwork gelauncht. Upwork ermöglicht seinen Unternehmenskunden, weltweit nach Freiberuflern zu suchen und mit ihnen auch über unterschiedliche Regionen und Zeitzonen hinweg effizient zusammenzuarbeiten.
Upwork bedient damit die sogenannte “Gig Economy”, das ist der Teil des Arbeitsmarktes, bei dem in der Regel kleinere Aufträge an unabhängige Selbständige oder Freiberufler vergeben werden. Laut einer von Mastercard in Auftrag gegebenen Studie zur Gig Economy wird das Volumen der in der Gig Economy erbrachten Professional-Services auf Plattformen wie Upwork von $8 Milliarden in 2018 bis auf $17 Milliarden in 2023 wachsen. Upwork selbst spricht sogar von einem TAM (Total Addressable Market) von $560 Milliarden. Das wäre ihren Schätzungen zufolge das Volumen an Dienstleistungen, die theoretisch über eine solche digitale Plattform erbracht werden könnte.
Kritiker sehen in der Gig Economy eine Bedrohung der etablierten Arbeitswelt mit ihren festen und manchmal lebenslangen Anstellungsverhältnissen. Für gut ausgebildete Menschen in Entwicklungsländern sind Plattformen wie Upwork eine riesige Chance, an gut bezahlte Arbeit aus Industrieländern zu kommen, ohne dafür ihr Heimatland verlassen zu müssen.
Tatsächlich suchen sich aber auch immer mehr Beschäftigte in Industrieländern zumindest einen Nebenjob als Freelancer oder wechseln komplett in die Selbständigkeit. Grund dafür sind neben der Hoffnung auf ein zusätzliches oder höheres Einkommen vor allem das Bestreben, ein flexibleres Work-Life-Modell anstelle des früher üblichen klassischen 9-to-5-Jobs zu leben. Und glaubt man der Studie “Freelancing in America 2019”, so entscheiden sich in USA gerade in der jüngeren Generation immer mehr gut ausgebildete Berufstätige bewusst und aus freien Stücken für ein Leben als Freelancer.
Inhaltsverzeichnis
Leidgeprüfte Upwork Aktionäre
Im Oktober 2018 feierte Upwork einen erfolgreichen IPO an der NASDAQ. Die Upwork Aktie stieg vom Ausgabepreis von 15$ bis zum Februar 2019 auf fast 24$. Seitdem mussten die Aktionäre mit ansehen, wie der Kurs bis heute 60 Prozent verloren hat. Die Upwork Aktie ist derzeit deutlich unter 10$ also 1/3 unter ihrem IPO-Preis zu haben.
Der desaströse Chart sieht ganz danach aus, als habe das Unternehmen existenzielle Probleme. Oder handelt es sich hier um eine echte antizyklische Kaufgelegenheit?
Relevanz der Plattform
Bei der Investition in digitale Plattformen ist es wichtig, dass diese eine kritische Größe erreichen und möglichst die größte Reichweite in ihrer Branche entwickeln können, um die entsprechenden Netzwerkeffekte zu erzielen. The Winner Takes it All. Upwork hat durch den Zusammenschluss von Elance und oDesk schon seit einigen Jahren die Position der weltweit größten Freelancer-Plattform inne.
Derzeit zählt Upwork über 120.000 sogenannte Core-Clients, das sind Kunden, die in den vergangenen 12 Monaten aktiv waren und schon mehr als 5.000$ über die Plattform für Freelancer ausgegeben haben. Diese Kennzahl der Core Clients wächst stabil um circa 5.000 Kunden pro Quartal, das ist ein untrügliches Zeichen dafür, dass die Netzwerkeffekte der Plattform immer mächtiger werden – und zwar unabhängig von den ernsten Herausforderungen bei der Monetarisierung, auf die wir in diesem Beitrag noch zu sprechen kommen werden.
In 2019 wurden von den Upwork Kunden circa $2,1 Milliarden für Freelancer über die Plattform ausgegeben. Das ist der sogenannte Gross Services Value (GSV). Daraus erwirtschaftete Upwork in 2019 einen geschätzten Umsatz von gut $300 Millionen in 2019, gegenüber $253 Millionen in 2018. Das Umsatzwachstum beträgt also circa 20 Prozent, nach 25 Prozent in 2018. Im Q3 2019 war der Umsatz zuletzt um 23 Prozent gewachsen.
Upwork Aktie – Solide Bilanz
Upwork verfügt über eine solide Bilanz und verbrennt im Gegensatz zu vielen anderen Plattformen der Sharing Economy kein Geld mehr. Zum Ende des Q3 2019 verfügte das Unternehmen über $132 Millionen Cash und hat seit dem Beginn von 2019 immerhin $2 Millionen an operativem Cashflow generiert.
Unterm Strich stehen allerdings noch rote Zahlen. In den ersten 9 Monaten 2019 wurde bei einem Umsatz von $222 Millionen ein negatives EBIT von $-8,5 Millionen ausgewiesen.
Die Bruttomarge betrug zuletzt 71 Prozent, nach 68 Prozent im Vorjahr. Es ist plausibel, dass diese für den Enterprise Value enorm wichtige Kennzahl mittelfristig auf 80 Prozent gesteigert werden kann. Denn der aktuelle 10 Prozent Umsatzanteil von „Managed Services“, die viel geringere Gross Margin haben, soll planmäßig immer weiter sinken.
Zufriedene Kunden – Gestresste Freelancer
Der anhaltende Zustrom von 5.000 neuen Unternehmenskunden pro Quartal auf der Upwork Plattform spricht für sich. Die Plattform funktioniert und liefert Unternehmen echten Mehrwert. Wir bei The Digital Leaders Fund sind selbst Kunde von Upwork und haben schon mehrfach die Dienste von Freelancern aus dem Upwork-Netzwerk in Anspruch genommen.
Die dabei gemachten Erfahrungen waren wie in der Offline-Welt auch: uneinheitlich. Neben richtig guten Leuten tummeln sich auf der Plattform auch Freelancer, auf die man im Nachhinein besser verzichtet hätte. Aber das ist bei der Zusammenarbeit mit einem herkömmlichen Personaldienstleister auch nicht anders.
Dennoch können wir Upwork weiterempfehlen. Und so sieht das wohl auch die Mehrheit der Upwork-Kunden, denn der Net Promoter Score (NPS) liegt bei über 65 Prozent was ein sehr guter Wert in diese Branche ist.
Genauso wichtig wie zufriedene Kunden sind für Upwork zufriedene Freelancer – und hier gibt es offenbar derzeit mehr Probleme als mit der Kundenbasis. Zumindest deuten zahlreiche negative Freelancer-Stimmen aus den vergangenen Monaten darauf hin, dass es hier einiges an Verbesserungspotential gibt.
Auch die Nutzungszahlen der durch die Freelancer genutzten mobilen Upwork-App gehen seit Oktober zurück. Man sollte in diese Zahlen nicht zu viel hineininterpretieren, da hier auch die Veränderung des Geschäftsmodells eine große Rolle spielt. Aber ein solcher Trend ist zumindest ein Hinweis auf das schwere Fahrwasser, in dem sich Upwork mit seiner Freelancer-Basis derzeit befindet.
Upwork Aktie – Wettbewerb
Viele Investoren empfinden die Aktie des Wettbewerbers Fiverr als attraktiver, wohl weil dieser deutlich schneller wächst (derzeit circa 40 Prozent p.a.) im Gegensatz zu Upwork mit seinem Wachstum von 20 Prozent pro Jahr. Zudem erwirtschaftet Fiverr eine höhere Bruttomarge (80 Prozent versus 70 Prozent bei Upwork). Fiverr hat im Juni 2019 einen erfolgreichen IPO an der NYSE hingelegt.
Ich finde diesen direkten Vergleich zwischen Upwork und Fiverr allerdings etwas unfair, da Fiverr gerade mal $100 Millionen Umsatz macht. Upwork ist also vom Umsatz her 3x so groß. Man darf davon ausgehen, dass Fiverr auf seinem weiteren Wachstumskurs mit zunehmender Unternehmensgröße ebenfalls mit sinkenden Wachstumsraten zu kämpfen haben wird.
Wir vom DLF haben als Kunde auch Fiverr getestet und sind der Meinung, dass Upwork die vergleichsweise erwachsenere Plattform ist. Upwork stellt sich mittlerweile durchaus auch auf die Bedürfnisse größerer Unternehmen ein, während Fiverr eher dafür geeignet ist, kleinere Jobs an einen Offshore-Clickworker zu vergeben. So hat Upwork mittlerweile 50 Enterprise Kunden, die schon mehr als $1 Million auf der Plattform ausgegeben haben. Von solchen Zahlen und Kundenbindungen ist Fiverr noch weit entfernt.
Der eigentliche Wettbewerb im Recruiting findet m.E. nicht zwischen Upwork und Fiverr oder andere Online-Plattformen statt, sondern eher zwischen diesen Online-Plattformen und den traditionellen Personaldienstleistern in der Offline-Welt. Die klassischen „Staffing Firms“ müssen ihre ehemals manuellen und ineffizienten Prozesse modernisieren, denn sie werden zunehmend bedroht von den Machine-Learning-basierten Algorithmen in den Plattformen von Upwork, Fiverr und Co.
Die Retention Rate als große Herausforderung der Branche
Eine wichtige Kennzahl, um die Güte des Geschäftsmodells von Upwork zu beurteilen, ist die „Client Spend Retention“. Es handelt sich bei Upwork (mit Ausnahme der Managed Services, die circa 10 Prozent des Umsatzes ausmachen) nicht um ein Geschäftsmodell mit wiederkehrenden Umsätzen. Dennoch misst das Unternehmen ganz ähnlich wie ein SaaS-Provider, wohin sich der Umsatz mit den Bestandskunden im Zeitablauf entwickelt. Diese Kennzahl ist in den vergangenen 12 Monaten von 108 Prozent auf 104 Prozent zurückgegangen, das heißt mit dem bestehenden Kundenstamm wird nur geringfügiges Wachstum erzielt.
Die relativ geringe Client Retention Rate weist auf ein generelles Problem bei derartigen Recruiting-Dienstleistungen hin: Gerade kleinere Unternehmenskunden umgehen aus Kostengründen gerne für Folgeaufträge die Plattform, wenn sie den Freelancer bereits kennengelernt haben, da die Vermittlungs-Plattform dann weder dem Kunden noch dem Freelancer einen großen Mehrwert bringt. Upwork begegnet dem, indem die „Take Rate“ bei wiederholten Beauftragungen des gleichen Freelancers von 20 Prozent bis auf 5 Prozent absinkt. Dies ist natürlich unbefriedigend aus Sicht von Upwork und seiner Investoren.
Die Ursache für die aktuell sinkenden Retention Rates ist wohl auch darin begründet, dass Upwork seit einiger Zeit erfolgreich die Vermittlung von US-Freelancern an US-Unternehmen bevorzugt vorangetrieben hat. Im Gegensatz zu der Vermittlung von Offshore-Freelancern birgt dieses Modell die Gefahr, dass die Kunden ihre erprobten Freelancer dann fest einstellen, was natürlich sehr negativ auf die Client Spend Retention bei Upwork wirkt.
Bisher hat Upwork diesem Effekt tatenlos zugesehen, künftig aber sollen (ähnlich wie in der Offline Welt üblich) neue Vertragsklauseln geschaffen werden, die für einen solchen Fall eine „Finders Fee“ für die Vermittlung eines Angestellten durch Upwork vorsehen. Upwork entwickelt sich damit auch ein stückweit zu einer Online-Recruiting-Firm.
Der niedrigen Retention Rate begegnet Upwork zudem mit seiner Weiterentwicklung hin zum Enterprise Geschäft mit größeren Kunden. Denn diese wollen oftmals gar keine direkten Vertragsverhältnisse mit Freelancern eingehen und greifen daher gerne gegen einen angemessenen Obolus auch dauerhaft auf die Dienste von Upwork zurück. Dabei hilft, dass Upwork die Freelancer nicht nur vermittelt, sondern auch verschiedene Services wie z.B. zur Abrechnung und Vergütung mit anbietet.
Upwork Aktie – Regulatorische Hürden
Gegenwind bekommt Upfront auch von der regulatorischen Seite. Die Gig Economy ist nicht überall gleichermaßen beliebt, und so gibt es in einigen US-Bundesstaaten Bestrebungen, die immer weiter zunehmende Beschäftigung von Freelancern anstelle von Festangestellten schärfer zu reglementieren.
Man muss beobachten, wie sich das weiterentwickelt. Generell hat Upwork im Gegensatz zu anderen Plattformen der Sharing Economy, wie zum Beispiel Uber, den Vorteil, weltweit Freelancer für seine Dienstleistungen vermitteln zu können. Wenn in einem Teil der Welt regulatorische Hürden aufgebaut werden, so können die Kunden Freelancer aus anderen Teilen der Welt anheuern. Es ist derzeit nur schwer vorstellbar, dass die Globalisierung soweit zurückgedreht wird, dass solche grenzüberschreitenden freien Arbeitsverhältnisse weitgehend eingeschränkt werden.
Management-Wechsel erzeugt Unsicherheit
Die wohl größten Bedenken haben viele Investoren derzeit wohl angesichts eines gerade erst stattgefundenen Management-Wechsels. Der bisherige CEO ist Ende 2019 zurückgetreten und wird ersetzt durch die bisherige CMO Hayden Brown. Die ehemalige Mc Kinsey-Beraterin und Microsoft-Managerin ist damit erstmals in ihrer Karriere in einer CEO-Position.
Oftmals werden bei einer solchen Transition an der Unternehmensspitze neue Vertriebs- und Marketingstrategien ausgegeben. In diesem Fall muss es aber nicht unbedingt zu einem Bruch kommen, denn Hayden war ja auch bisher als CMO schon in der Mitverantwortung.
Ich sehe eine solche Beförderung aus den eigenen Reihen grundsätzlich positiv. Aber die Unsicherheit bei den Investoren – auch aufgrund der Unerfahrenheit der neuen CEO – ist da, und Hayden muss sich das Vertrauen bei der Investoren-Community in den nächsten Quartalen erst einmal verdienen.
Bewertung der Upwork Aktie
Investoren hassen Unsicherheit. Die beschriebene Situation und der anhaltende Kursverfall haben dazu geführt, dass die Upwork Aktie derzeit mit einem EV/Sales Verhältnis von 3,2 (auf Basis der Zahlen für 2019) nur halb so hoch bewertet wird als zum Beispiel der Wettbewerber Fiverr. Obwohl Upwork im Gegensatz zu Fiverr bereits einen positiven Cashflow erwirtschaftet und nicht mehr allzu weit vom Break-Even auch beim EBIT entfernt ist.
Ein Enterprise Value von weniger als $1 Milliarde erscheint günstig für Upwork, angesichts der starken Position in einem großen Wachstumsmarkt und der durchaus attraktiven Bruttomarge von über 70 Prozent, die zukünftig noch weiter steigen dürfte.
Wir beobachten die weitere Entwicklung mit großem Interesse. Für ein Fonds-Investment zum jetzigen Zeitpunkt ist uns die Unsicherheit noch zu groß. Für spekulative Anleger weist die Upwork Aktie unter 10€ aber schon jetzt ein gutes Chance-Risiko-Verhältnis auf.
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Autor
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Stefan war in seinem gesamten Berufsleben in der High-Tech-Industrie tätig. Er hat sein eigenes Software-Unternehmen gegründet, internationalisiert und vor einigen Jahren ins Silicon Valley verkauft. Der Wirtschaftsmathematiker investiert seit über 30 Jahren in Aktien. Er verwaltet eines der erfolgreichsten investierbaren Musterportfolios auf der wikifolio Plattform.
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2 Antworten
Hierzu würde mich eine neue Einschätzung interessieren. Die gestrigen Q2-Zahlen waren deutlich besser als erwartet. Die Aktie verhält sich – vor allem im Vergleich zu FVRR – noch deutlich bodenständiger. Zudem neue Verstärkung im Vorstand.
Hallo Ben, wir haben uns bisher gegen ein Investment in Upwork entschieden und das Unternehmen auch nicht weiter analysiert. D.h. es gibt keine neue Einschätzung.