CIAN und die Digitalisierung des russischen Immobilienmarktes

12. November 2021

Cian-Beitragsbild

CIAN ist das führende Immobilienportal in Russland. Beim aktuellen IPO an der Börse in New York wurden am 5. November 2021 rund 18 Millionen Aktien zum Preis von 16 US Dollar platziert. Trotz starker Überzeichnung kommt der Aktienkurs bisher nicht vom Fleck. Für uns ist das der beste Zeitpunkt für eine tiefere Analyse.

Wer ist CIAN?

CIAN betreibt die Plattform für Immobilienanzeigen in Moskau seit 2001. Im Jahre 2014 wurde ein Merger mit dem Konkurrenten Realty.dmir.ru und die Akquisition der St. Petersburger Plattform EMLS vollzogen. Im gleichen Jahr stießen auch der in Stanford ausgebildete CEO Maxim Melnikov und der CFO Mikhail Lukyanov zum Unternehmen.

Es folgte eine lange Reihe von weiteren Akquisitionen, um den fragmentierten Markt zu konsolidieren; das Modell funktioniert nur für den Marktführer, denn die Erfahrung zeigt, dass nur der dominierende Player eine signifikante Pricing Power entwickelt. Wer sich hierzulande mit Immobilienmaklern unterhält, kennt deren Dilemma gut: Am marktbeherrschenden Immobilienscout24 kommt keiner vorbei, und dafür müssen die Makler einen erheblichen Teil Ihrer Marge abgeben. Auch die Einnahmen aus dem IPO sollen in diesem Sinne in weitere Akquisitionen fließen. 2019 wurde auf der Plattform ein Marktplatz für Baukredite eingeführt. Anfang 2021 wurde die in Sibirien führende Plattform N1 gekauft und integriert.

Aktuell beschäftigt CIAN 1.000 Mitarbeiter, davon 370 in der IT. Dem Aufsichtsrat tritt Gilles Blanchard bei, der das erfolgreiche Portal Se.Loger in Frankreich gegründet und 2011 für 850 Millionen Dollar an Axel Springer verkauft hatte.  

Der russische Immobilienmarkt mit seinen 146 Millionen Einwohnern kam 2020 auf ein Transaktionsvolumen von 238 Milliarden US Dollar. Der Löwenanteil der Umsätze (67 Prozent) fand mit 164 Milliarden Dollar am Sekundärmarkt statt. In dreiviertel der Fälle waren Immobilienmakler involviert, die interessanterweise weder Exklusivität genießen noch eine Lizenz brauchen. Der Markt für neu entwickelte Wohnimmobilien der 2.200 Entwickler landesweit macht 57 Milliarden Dollar (24 Prozent) vom Kuchen aus. Mit gewerblichen Immobilien wurden 17 Milliarden Dollar umgesetzt (sieben Prozent des Marktes).

Cian -Market Opportunities

2020 wurden im Sekundärmarkt von Wohn- und Gewerbeimmobilien Russland ungefähr vier Milliarden Dollar an Maklergebühren erwirtschaftet, gleichzeitig gaben diese rund 200 Millionen Dollar für Werbung aus. Das Wertbudget der Immobilienentwickler betrug ungefähr ein Milliarde Dollar, und ebenso viel wurde mit digitalen Zusatzdienstleistungen, allen voran der Vermittlung von Immobilienkrediten, umgesetzt.

Marktführerschaft in den Großstädten

Cian - Agents Commissions 2020

Der Anteil der Ausgaben für Online-Inserate lag beim russischen Immobilienmaklern 2020 bei gerade einmal 3,3 Prozent, also deutlich weniger als in Deutschland (10,4 Prozent), Polen (12,2 Prozent) oder den USA (16 Prozent). Hier erwartet das Unternehmen bis 2025 ein jährliches Wachstum (CAGR) von 28 Prozent. Die Online Werbetätigkeit der Immobilienentwickler soll ebenfalls mit 29 Prozent im Jahr ansteigen. 

CIAN profitiert bei den generierten Leads im Sekundärmarkt von einer dominanten Marktführerschaft in der zwölf Millionen Metropole Moskau von 60 Prozent. Rechnet man das Umland hinzu, dann liegt die Bevölkerungszahl bei 20 Millionen und der Marktanteil bei 56 Prozent. Im schönen St. Petersburg mit fünf Millionen Einwohnern hat man einen Marktanteil von 41 Prozent. Auch in Novosibirsk (1,6 Millionen) liegt CIAN mit einem Marktanteil von 57 Prozent an der Spitze, gefolgt von Ekaterinburg (1,5 Millionen) mit 52 Prozent. Dies ist deshalb von großer Bedeutung, da die vier Zentren 77 Prozent der Umsätze für Online Anzeigen im Primärmarkt und 51 Prozent im Sekundärmarkt auf sich vereinen. Gleichzeitig zeigen diese Zahlen, dass das Unternehmen noch sehr viel Potential außerhalb der Metropolen hat. In den 20 nächstfolgenden Zentren liegt der Marktanteil bei lediglich 34 Prozent hinter dem zu Naspers gehörenden Avito.

In Moskau führt CIAN mit einem Marktanteil von 31 Prozent außerdem bei den für Immobilienentwickler generierten Leads das Feld an. 

Die Bedeutung des sich selbst verstärkenden Kreislaufs kann dabei nicht genug betont werden. Mehr Angebote (im ersten Halbjahr 2,1 Millionen) führen zu mehr Suchanfragen (20,3 Millionen monatlich im ersten Halbjahr). Daraus ergeben sich wiederum mehr Leads (9,1 Millionen monatlich im ersten Halbjahr) und das lockt mehr Inserate an (104.000 im ersten Halbjahr) was dann wieder zu mehr Angeboten führt.

Cian - Networked Platform

Ein hoher Bekanntheitsgrad und eine umfangreiche Produktpalette

Die hohen Bekanntheitsgrade in Moskau 56 Prozent und Sankt Petersburg (49 Prozent) hilft bei der Akquisition von Traffic. 39 Prozent des Traffics ist organisch, also von einer Search Engine, aber kostenlos. Weitere 35 Prozent kommen direkt und zehn Prozent auf weiteren kostenlosen Wegen, z.B. über Email links. Nur 16 Prozent des Traffics werden im Rahmen von Werbung gekauft. Rund 76 Prozent der Zugriffe und 66 Prozent aller Leads erfolgten im ersten Halbjahr vom Smartphone, die App wurde insgesamt über 26 Millionen Mal heruntergeladen.       

Die Marktführerschaft kann auch durch das breitere Produktpalette erklärt werden. Dazu gehören vor allem der Marktplatz für Baukredite (per Juni 2021 annualisiert 10.900 Kreditanträge) aber auch Auktionen, virtuelle Rundgänge, ein Customer-Relationship-Management (CRM) Tool für Makler. Innovativ sind die Suche mittels Fotos für ähnliche Immobilien, die automatische Sprachaufzeichnung (sortiert nach der jeweiligen Immobilie) und der im August eingeführt Transaktionsservice, der von Notardiensten über ein Escrow-Konto bis hin zur Registrierung reicht.

Das Unternehmen verbuchte 55 Millionen US Dollar Umsatz im Jahre 2020. Diese Zahl war allerdings durch kostenlose und diskontierte Inserate im Rahmen der Covid-Krise beeinflusst. Im ersten Halbjahr wurden 37 Millionen Dollar umgesetzt, so dass wir für dieses Jahr von circa 81 Millionen Dollar Umsatz ausgehen dürfen.

63 Prozent des Umsatzes wurden aus Sekundärmarkt Annoncen erlöst, dazu kommen 22 Prozent aus der Generierung von Leads für Entwickler, zehn Prozent aus Werbung und vier Prozent vom Kreditmarktplatz. Das restliche Prozent verteilt sich auf die anderen Dienstleistungen.

Guten Anklang findet das im letzten Jahr eingeführte Subskriptionsmodell. Im Juni 2021 fielen bereits 41 Prozent der Listings in diese Kategorie. Neben der Verstetigung der Umsätze und Erhöhung der Kundenloyalität schafft das Modell die Grundlage für den Verkauf von Value Added Services. Diese machen im ersten Halbjahr 2021 46 Prozent der Erlöse aus Annoncen aus. Dazu gehören zahlreiche Pakete die die Visibilität der Annoncen erhöhen, Auktionen von Positionen im Ranking und Automatisierungslösungen für das Maklergeschäft. Der Umsatz pro Kunde ist in Moskau im Halbjahres Vergleich 2020 versus 2021 von 15,48 Dollar auf 23,36 Dollar gestiegen.

In Moskau wurden 2020 drei Viertel der Umsätze generiert. Das Business ist dort mit rund 57 Prozent Ebitda Marge auch schon hochgradig profitabel. Landesweit liegt man dagegen erst bei zuletzt 16 Prozent, was aufzeigt, wie wichtig das Erreichen einer dominanten Stellung ist. Aktuell sind die neuen Segmente, vor allem die Kreditplattform noch defizitär, sodass insgesamt beim Ebitda ein minimaler Gewinn von zuletzt  knapp einer Million Dollar im ersten Halbjahr herauskommt. Das dürfte sich in den nächsten Jahren deutlich verbessern. Dank dem Pre-Payment für Anzeigen ist das Umlaufvermögen im Umfang von über zehn Prozent des Umsatzes negativ. 

Das Unternehmen erwartet, dass sich das Online-Werbebudget der Immobilienentwickler von 40 Millionen  in 2020 auf 140 Millionen Dollar verdreifacht. Das würde den aktuellen Anteil von fünf Prozent am Gesamtbudget auf elf Prozent erhöhen. Davon sollte CIAN als Marktführer in den Metropolen überproportional profitieren.  Wie Viel Potential im monatliche Umsatz von neun Dollar pro Kunde steckt, wird im Vergleich mit ausländischen Peers wie Rightmove (939 Dollar), Scout24 (817 Dollar) und Hemnet (329 Dollar) deutlich. Auch wenn die zugrundeliegenden Märkte mit Sicherheit nicht vergleichbar sind, so dürfte sich dieser Wert in den nächsten Jahren vervielfachen.

Cian - Revenue and EBITDA
Quelle: Company data, Renaissance Capital

Diese Entwicklungen sorgen für ein erwartetes Umsatzwachstum von durchschnittlich 34 Prozent per annum auf 235 Millionen Dollar in 2025. Dies wird sich sich dann auch bei der Profitabilität bemerkbar machen. Hier wird für 2025 eine Ebitda von 85 Millionen mit einer Ebitda Marge von 28 Prozent erwartet. Der Reingewinn soll dann bei einer Marge von 28 Prozent auf 66 Millionen anschwellen.

CIAN im internationalen Bewertungsvergleich und Fazit

Cian - Bewertung und Fazit
Quelle: Bloomberg, Sensor Tower, SimilarWeb

Mit dem 10 fachen Umsatz für das nächste Jahr ist das Unternehmen in der europäischen Peer Group durchaus nicht teuer bewertet. Allerdings steckt die Digitalisierung der russischen Metropolen erst in den Kinderschuhen, insbesondere, was die Monetarisierung anbetrifft. Dies erklärt die noch mangelnde Profitabilität und den damit verbundenen Abschlag von bis zu 90 Prozent bei dem Verhältnis von Enterprise Value zu Monthly Average User der App. Das Umsatzwachstumspotenzial ist bei CIAN entsprechend deutlich höher. Das Business-Modell des Unternehmens ist indes bereits vielfach getestet, so auch in Deutschland. Die Marktposition, das Management und der Track Record bei M&A stimmen uns für die Umsetzung optimistisch. Daher haben wir den Wert in das EMDL Portfolio aufgenommen.

Disclaimer

Der EM Digital Leaders Fund und/oder der Autor und/oder verbundene Personen oder Unternehmen besitzen Anteile von CIAN. Dieser Beitrag stellt eine Meinungsäußerung und keine Anlageberatung dar. Bitte beachte die rechtlichen Hinweise.

Autor

  • Steffen Gruschka

    Steffen war von 1998 bis 2006 im Fondsmanagement der DWS als Leiter Aktien Osteuropa tätig und dort für bis zu 5 Mrd. Euro AuM verantwortlich. Er wurde für seine Arbeit als Fondsmanager mehrfach prämiert u.a. wurde er von der Zeitschrift Finanzen 2003 mit dem DWS Russia als Fondsmanager das Jahres ausgezeichnet. Anschließend machte er sich in London selbständig und verwaltete über 10 Jahre lang Hedge Fonds. Anfang 2021 stieg er als Partner bei Pyfore Capital ein und ist seither für das Fondsmanagement des EM Digital Leaders verantwortlich.

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Steffen Gruschka

Steffen war von 1998 bis 2006 im Fondsmanagement der DWS als Leiter Aktien Osteuropa tätig und dort für bis zu 5 Mrd. Euro AuM verantwortlich. Er wurde für seine Arbeit als Fondsmanager mehrfach prämiert u.a. wurde er von der Zeitschrift Finanzen 2003 mit dem DWS Russia als Fondsmanager das Jahres ausgezeichnet. Anschließend machte er sich in London selbständig und verwaltete über 10 Jahre lang Hedge Fonds. Anfang 2021 stieg er als Partner bei Pyfore Capital ein und ist seither für das Fondsmanagement des EM Digital Leaders verantwortlich.

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