DiDi-Aktie: Das Zombie-Taxiunternehmen erwacht

11. Oktober 2023

DiDi-Aktie

Fast zwei Jahre nach dem verkorksten Börsengang mit anschließendem Delisting in den USA haben die meisten Anleger das “Uber Chinas” abgeschrieben. Kein Wunder, denn DiDi hatte die Kommunikation eingestellt. Dann kamen dieses Jahr plötzlich wieder Zahlen. Jetzt keimt wieder Hoffnung auf – auch auf einen Rückkehr der DiDi-Aktie an die Börse.

Historie der Didi-Aktie

Bereits im Januar hatten wir die wohl einmalige Historie der Zombi Aktie geschildert, die ohne die Erlaubnis der chinesischen Regulierer in New York an die Börse gegangen und dafür so hart abgestraft wurde (1,2 Milliarden Dollar Strafe, Download-Verbot für die DiDi-App). Hiernach verschwand das Unternehmen aus der Öffentlichkeit, was auch daran lag, dass DiDi die Kommunikation einstellte.  Dadurch hat manch Anleger vergessen, dass DiDi noch immer eine Macht im Ride-Hailing-Geschäft in China ist.

Das sollte sich am 9. Juli 2023 mit der Veröffentlichung von Zahlen für das erste Quartal 2023 ganz plötzlich ändern. Es handelte sich auch um keine Eintagsfliege, denn es gibt nun auch Zahlen für das zweite Quartal. Also genug Material für eine Analyse des Gesundheitszustandes des Unternehmens.

Ein Blick auf die aktuellen Zahlen

Im ersten Quartal dieses Jahres setzte DiDi 42,7 Milliarden RMB um, das sind 19 Prozent mehr als in Q1 2022. Allerdings waren es im letzten Bericht Quartal vor dem IPO (Q1 2021) schon 42,2 Milliarden RMB gewesen. Im ersten Quartal des Blackout Jahres 2022 war DiDi also um 20 Prozent geschrumpft.

Im zweiten Quartal wurden 48,8 Milliarden umgesetzt, ein Plus von 57 Prozent gegenüber Q2 2022. Da darüber hinaus noch keine Quartalszahlen vorliegen, können wir aktuell noch keinen Saisonalitätseffekt ermitteln. Auf jeden Fall sieht der Umsatz für das zweite Quartal disproportional besser aus und das dürfte auch durch die Wiederzulassung der App Ende Januar bedingt sein.

Das Kernsegment China Mobility setzte im ersten Quartal 39 Milliarden RMB um, im zweiten Quartal waren es 44,5 Milliarden RMB. Das sind jeweils 91 Prozent des Umsatzes, etwas weniger als vor der Dunkelperiode (93 Prozent in 2020 und Q1 2021). 

Neben dem zweiten Leben der App in China sieht die Dynamik vor allem auch in Lateinamerika gut aus. Mittlerweile weist die APP in Mittel-  und Südamerika über 17 Mio. Monthly Active User aus. Der Großteil der Nutzer kommt aus Mexiko.

DiDi-Aktie Lateinamerika

Das internationale Segment setzte im ersten Quartal 1,7 Milliarden und im zweiten Quartal 1,9 Milliarden RMB um und hat sich damit innerhalb von zwei Jahren verdoppelt. Der Q1 Umsatz 2021 lag noch bei 804 Millionen RMB; im Gesamtjahr zuvor bei gerade einmal 767 Millionen RMB. Das ist erfreulich.

Die Kennzahl Core Plattform Transactions (die Zahl der Fahrten insgesamt) erreichte in Q1 2,9 Milliarden und in Q2 3,3 Milliarden, davon in China 2,3 beziehungsweise 2,7 Milliarden. Um diese Zahl einzuordnen: Uber führte im zweiten Quartal 2,3 Milliarden Fahrten durch.

Horrende Verluste

Die aktuellen Zahlen erhöhen den Puls nicht. Adjusted EBITDA im ersten Quartal lag bei minus 568 Millionen RMB. Im zweiten Quartal lag die Zahl bei deutlich besseren minus 10 Millionen RMB. 

Sowohl China Mobility (plus 2,4 Milliarden RMB in H1) als auch das internationale Geschäft (0,4 Milliarden RMB in H1) waren bereits profitabel. Schuld am Verlust sind die sonstigen Initiativen, wie der Verleih von E-Bikes und das Leasinggeschäft. 

Bei den mitveröfentlichten Vergleichs-Zahlen für 2022 kommt dann der erste grausige Fund: Im ersten Halbjahr 2022 lag EBITDA bei minus 11,1 Milliarden RMB.

Aber es kommt noch schlimmer. Der Nettoverlust im ersten Halbjahr lag bei „nur“ 923 Millionen RMB. Der wahre Schocker: Im ersten Halbjahr 2022 waren es blutgefrierende 21,7 Milliarden RMB.

DiDi-Aktie goes Lateinamerika

Die wichtigste Frage jetzt: Was ist im schwarzen Kapitel der DiDi Historie mit dem Cash passiert? Die Gesellschaft berichtet 53,8 Milliarden RMB Cash und Equivalente per 30. Juni 2023, 5 Milliarden RMB mehr als per Jahresende 2022. Ende März 21 waren es aber ebenfalls schon 49 Milliarden RMB gewesen. Die Erlöse aus dem Börsengang von 4,4 Milliarden Dollar waren per Jahresende also weg. Man könnte zynisch sagen: Die kommunistische Partei hat dafür gesorgt, dass die Mittel aus der unerlaubten Kapitalerhöhung offenbar zu Staub zerfallen sind. Zum einen musste DiDi 1,2 Milliarden Dollar Strafe für Verstöße gegen Datenschutzgesetze bezahlen, Zum anderen müssen in 2021 und 2022 weitere Cash-Verluste von insgesamt rund 3 Milliarden Dollar aufgelaufen sein.

Wir hatten im Januar bereits auf die Möglichkeit des Hongkong IPOs hingewiesen, der Didi eine Rückkehr an den geregelten Kapitalmarkt ermöglichen und für die chinesische Regulierer akzeptabel sein dürfte. Allerdings blieb es bisher still im Wald.

Aktuell leidet die Börse in Hongkong, ähnlich wie viele andere Börsen, an einer IPO-Dürre, der Wert der Transaktionen ging in den ersten drei Quartalen dieses Jahres um 61 Prozent zurück. Das dürfte auch an den hohen regulatorischen Hürden liegen. So verlangt Hongkong seit dem 1. Januar 2022 mindestens 80 Millionen HKD Reingewinn, in der letzten drei Geschäftsjahren, davon 35 Millionen im letzten Jahr. Das ist gerade für Technologieunternehmen in der Expansionsphase oft eine unüberwindbare Hürde. 

Im Herbst 2022 veröffentlichte die Hongkong Börse ein Consulting Paper für eine Regulierung, die spezialisierten Technologieunternehmen den Börsengang ermöglichen soll. Ende März 2023 traten dann die neuen Regeln in Kraft. Es bleibt allerdings unklar, ob DiDi die restriktiven Branchen-Anforderungen erfüllt.

Quelle: https://www.mayerbrown.com/en/perspectives-events/publications/2023/03/hong-kongs-new-listing-regime-for-specialist-technology-companies-takes-effect-on-31-march-2023

Wir werden uns wohl also weiter gedulden müssen, die Dinge bei DiDi gehen aber jetzt in die richtige Richtung: Das Unternehmen wächst wieder. 

Bis zum IPO müssen Anleger eine eigentlich triviale, aber doch tückische Fußangel beachten; Am 20. Februar berichtete Bloomberg unter Berufung auf anonyme Quellen, dass das CarPool Unternehmen DIDA einen 200 Millionen Dollar Hongkong Börsengang plane und die chinesischen Regulierer bereits zugestimmt hätten. Bei DIDA handelt es sich um ein zum Verwechseln ähnlich benanntes Unternehmen, das jetzt bereits zum vierten Mal zum Börsengang ansetzt – caveat emptor, heißt hier das Motto. 

Bewertung und Fazit

Die DiDi Aktie steht weiter bei nur einem Viertel des Emissionskurses und hat damit eine Marktkapitalisierung von 16,8 Milliarden Dollar beziehungsweise einen Unternehmenswert von unter 10 Milliarden Dollar. Auf Basis der letzten Zahlen ergibt sich ein EV/Umsatz von 0,4. EV/Umsatz des Branchenführers Uber 2023 liegt bei 2,5 und 2024 bei 2,1. 

Es sieht jetzt auch so aus, als ob DiDi demnächst profitabel werden würde. Der Verkauf der EV-Sparte an XPENG ist ein Schritt in die richtige Richtung. Langfristig könnten Robotaxis das Geschäftsmodell noch einmal deutlich attraktiver machen.

Damit hat das Papier außerordentliches Potenzial, aber das OTC (“Pink Sheet”) Listing ist nicht für jedermann. Angesichts der sehr niedrigen Liquidität und der intransparenten Kursbildung sollten sich Anleger ohne große Risikotoleranz zurückhalten. Der Hongkong IPO würde der DiDi Aktie endgültig Leben einhauchen.

Die mangelnde Liquidität der DiDi Aktie schreckt größere Fonds aktuell noch ab; kleinere Fonds wie der Emerging Market Digital Leaders sind da im Vorteil. Wir halten unverändert eine Position. 

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Disclaimer

The Digital Leaders Fund und/oder der Autor und/oder verbundene Personen oder Unternehmen besitzen Anteile von DiDi Global. Dieser Beitrag stellt eine Meinungsäußerung und keine Anlageberatung dar. Bitte beachte die rechtlichen Hinweise.

Autor

  • Steffen Gruschka

    Steffen war von 1998 bis 2006 im Fondsmanagement der DWS als Leiter Aktien Osteuropa tätig und dort für bis zu 5 Mrd. Euro AuM verantwortlich. Er wurde für seine Arbeit als Fondsmanager mehrfach prämiert u.a. wurde er von der Zeitschrift Finanzen 2003 mit dem DWS Russia als Fondsmanager das Jahres ausgezeichnet. Anschließend machte er sich in London selbständig und verwaltete über 10 Jahre lang Hedge Fonds. Anfang 2021 stieg er als Partner bei Pyfore Capital ein und ist seither für das Fondsmanagement des EM Digital Leaders verantwortlich.

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Steffen Gruschka

Steffen war von 1998 bis 2006 im Fondsmanagement der DWS als Leiter Aktien Osteuropa tätig und dort für bis zu 5 Mrd. Euro AuM verantwortlich. Er wurde für seine Arbeit als Fondsmanager mehrfach prämiert u.a. wurde er von der Zeitschrift Finanzen 2003 mit dem DWS Russia als Fondsmanager das Jahres ausgezeichnet. Anschließend machte er sich in London selbständig und verwaltete über 10 Jahre lang Hedge Fonds. Anfang 2021 stieg er als Partner bei Pyfore Capital ein und ist seither für das Fondsmanagement des EM Digital Leaders verantwortlich.

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2 Antworten

  1. Danke für den neuen Blogbeitrag.
    Darüber hinaus gehend, habe ich grundsätzlich eine Frage zum Fonds. Ich habe in den ersten Stunden der Auflage des Fonds Emerging Market Digital Leaders mit großen Hoffnungen einen großen Einmalbetrag investiert. Leider bin ich bis zum heutigen Tag mit über 30 Prozent im Minus! Auch in den letzten Monaten hat sich die Kursentwicklung des Fonds nicht nachhaltig verbessert.
    Was spricht für eine Verbesserung der Kursentwicklung in den kommenden Monaten ? Könnt ihr mir da etwas Hoffnung machen ? Ich möchte den Fonds ungerne mit einem solchen Verlust verkaufen. Wo kann ich genau Einsicht nehmen, um die Einzelwerte im Fonds zu sehen ? LG André aus Rosenheim

    1. Hallo André,

      zunächst einmal ein herzliches Dankeschön für deine Nachricht. Wir freuen uns, wenn Anleger uns den Ball zurückspielen und Feedback geben, auch wenn der Anlass heute nicht der schönste ist. Mit unserem Blog und unserem wöchentlichen Newsletter geben wir viel fachlichen Input, der Anlegerinnen und Anlegern unser Denken und unsere Investment-Szenarien näher bringen soll. Aber das deckt natürlich nicht die persönlichen Erfahrungen der Anleger ab, und deshalb ist es mir wichtig, auf deinen Input einzugehen.

      Du bist enttäuscht über die Performance des Emerging Markets Digital Leaders. Wir fühlen mit und sind ebenfalls nicht glücklich mit dem Wertverlust des Fonds, der seit Auflage um rund ein Drittel nachgegeben hat. Auch wir machen uns laufend Gedanken über das, was schiefgelaufen ist. Da gibt es mehrere Sachen, die ich kurz ansprechen möchte.

      Im Nachhinein war der Auflagezeitpunkt nicht optimal. Der EMDL wurde im Frühjahr 2021 aufgelegt – wir wären gerne früher gestartet, aber Fonds in Deutschland aufzulegen, dauert leider seine Zeit. Als wir endlich loslegen konnten, waren die Märkte nahe ihres Höhepunkts. Frühjahr 2021 war kurz bevor der chinesische Staat bzw. die KPC eine in der modernen Geschichte Chinas einmalige Regulierungslawine ausgelöst hat. Das hat vor allem digitale Geschäftsmodelle in China bzw. in den USA, wo einige chinesische Unternehmen gelistet waren, ab dem Herbst 2021 unter Druck gesetzt. Hinzu kam ab 2022 der abrupte Zinserhöhungszyklus, der vor allem Growth-Werte gestresst hat. Diese beiden Faktoren haben zum jähen Ende der Post-Covid-Erholung geführt. Gerade die Zentralbanken in den Schwellenländern haben sehr frühzeitig mit Zinserhöhungen auf die sich abzeichnende Inflation reagiert. Das hat kein gutes Umfeld für Aktien geschaffen.

      Diese Entwicklungen sind im Nachhinein einfach zu erklären, aber dass sich die Ereignisse so entfalten würden, konnten wir im Vorhinein nicht ahnen. Als wir 2021 gestartet sind, war der Himmel über dem EM-Digital-Himmel ziemlich wolkenlos. (Auch die Notenbanker im Frankfurter EZB-Turm und die US-Fed wurden vom Inflationsanstieg kalt erwischt.)

      Aber das soll keine Entschuldigung sein. Wir haben natürlich auch Fehler gemacht. So haben wir die Auswirkungen der steigenden Zinsen auf Fintech Geschäftsmodelle wie Pagseguro in Brasilien unterschätzt. Viele Wachstums-Champions mussten ihre Welteroberungspläne deutlich zurückschrauben, so beispielsweise auch die führende E-Commerce Plattform Südostasiens, Sea Limited. Dafür bezahlt die Börse natürlich auch deutlich weniger.

      Das ändert aber nichts an den langfristigen Stories. Der Geschäftserfolg der digitalen Gewinner wird sich langfristig auch in wieder höheren Börsenkursen niederschlagen.

      Die Kurse und Bewertungskennzahlen sind verglichen mit dem Zeitpunkt der Auflage massiv zurückgekommen, obwohl sich die meisten Portfoliounternehmen geschäftlich gut entwickelt haben. Die Anleger haben das aber gerade außerhalb der sogenannten Magnificent 7 (Apple, Microsoft, Google etc) oft einfach bisher nicht honoriert.

      So hat beispielsweise Kaspi in diesem Jahr doppelt so viel Gewinn erwirtschaftet wie 2021, der Aktienkurs liegt aber noch auf dem gleichen Niveau. Der Grund, warum wir mit Kaspi dennoch Geld verdient haben, liegt daran, dass wir im letzten Jahr, als es die Aktie für die Hälfte gab, ordentlich nachgekauft haben.

      Aufgeschoben ist aber nicht aufgehoben. Wir glauben, dass die Börsenkurse der Portfoliounternehmen auf den aktuell niedrigen Niveaus damit durchaus Potential haben. Der Fonds liegt dieses Jahr immerhin 12 Prozent im Plus. Das sind 10 Prozentpunkte vor der Benchmark MSCI Emerging Markets. Wir wollen keine kurzfristigen Versprechungen machen, denn das wäre unseriös. Langfristig ist die Story der Digitalwerte in den Emerging Markets aber intakt und wir glauben, dass der Fonds die bisherigen Höchststände in den nächsten Jahren deutlich übertreffen wird – ausgehend von heute viel niedrigeren Bewertungen ist diese Aussage kein Pfeifen im Walde, sondern eine fundamental gestützte These.

      Ich hoffe, dass du etwas mit diesen Gedanken anfangen kannst. Ich freue mich immer auf Feedback und Input von unseren Investoren.

      Viele Grüße

      Steffen

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