Ehang-Aktie: Licence to Fly

18. Oktober 2023

Ehang-Aktie

Die Ehang-Aktie ist nichts für Nervenschwache. Nach Kursen von über 100 Dollar im Februar 2021 handelte die Aktie vor einem Jahr unter 4 Dollar. Seither hat sich die Aktie dann wieder verfünffacht. Jetzt wurde bekannt, dass die chinesische Flugsicherheitsbehörde die Ehang 216-S Drohne für den Flugbetrieb zertifiziert hat. Geht der Steigflug jetzt weiter?

Ehang-Aktie: Eine kurze Historie

Ehang wurde 2014 vom medienscheuen Tüftler, CEO und Chairman, Huazhi Hu gegründet und wurde am 31. Oktober 2019 zu einem Preis von 12,5 Dollar an der NASDAQ gelistet. 

Der Pionier und Technologieführer für Passagier-Drohnen begann 2016 mit Flügen und kann bereits 40.000 Test- und Demo-Flüge sowie 633 Patente in China vorzeigen. 56 Prozent der Belegschaft arbeiten in der Forschung und Entwicklung.

Der Zertifizierungsprozess der Ehang 216-S begann im Januar 2021.

Ehang-Aktie - Eine kurze Historie

The Big News

Am 13. Oktober gab Ehang die Musterzulassung der Ehang 216-S zur unbemannten Personenbeförderung durch die CAAC (Civil Aviation Administration of China) bekannt. Nach zweieinhalb Jahren des Prüfens und Testens bescheinigten die Flugbehörden der Drohne die Lufttüchtigkeit und die Erfüllung der Flug-Sicherheitsstandards.

Damit darf Ehang jetzt sowohl produzieren als auch an Kunden liefern. Zum tatsächlichen Flugbetrieb sind dann noch weitere Genehmigungen erforderlich.

Spinnerei oder Zukunftstechnologie?

Bisher wurden Drohnen hauptsächlich (privat) zum Fotografieren und Filmen eingesetzt (Der Autor verfügt über entsprechende Flugerlaubnis und -Erfahrung). Der chinesische Marktführer DJI (70 Prozent Marktanteil) soll im letzten Jahr 30 Milliarden Dollar umgesetzt haben. Der Einsatzbereich hat sich mit dem Ukraine-Krieg massiv geändert; sie sind aus der modernen Kriegsführung nicht mehr wegzudenken. Drohnen nehmen eine Vielzahl von militärischen Funktionen wahr und können auch in Schwärmen massenhaft eingesetzt werden. Alleine die Ukraine soll 10.000 Drohnen im Monat „verbrauchen“.

Mittlerweile kommt das Potenzial von Drohnen in der Personenbeförderung auch in der breiten Bevölkerung an. Laut einer Umfrage des Verbandes für unbemannte Luftfahrt können sich schon 45 Prozent vorstellen, einen Flug-Taxi zu nutzen, 18 Prozent mehr als drei Jahre zuvor. 

Allerdings ist vielen der Flug ohne Pilot bisher nicht geheuer: In Deutschland würden einer Umfrage zufolge nur 19 Prozent der Teilnehmer auf dem Weg zum Flughafen in eine autonome Drohne steigen. Die Flugbereitschaft wird in den nächsten Jahren mit Sicherheit steigen. Es bleibt abzuwarten, ob selbstfahrende Autos auch selbstfliegende Drohnen salonfähig machen.

Die drei wesentlichen Use Cases sind:

  1. City Taxi: Flüge zwischen verfügbaren Landestationen im Radius von 15 bis 50 km
  2. Airport Shuttle: Flüge auf definierten Routen zwischen dem Flughafen und Landestationen im Umkreis von 15-50 km
  3. Intercity: Flüge auf definierten Routen im Radius von 50-250 km

China meint es auf jeden Fall ernst. Am 10. Oktober 2023 wurde eine Verordnung zur Entwicklung der Grünen Flugzeugindustrie erlassen: Bereits 2025 soll es mit kommerziellen Flügen losgehen. 

9 Billionen Dollar Chance – oder sind es doch nur 90 Milliarden?

Der Analyst Adam Jones von Morgan Stanley kam in zwei Studien aus dem Dezember 2018 und Mai 2021 zu folgendem Schluss: „If you are bullish on autonomous cars, it’s time to start looking at autonomous aircraft”. Morgan Stanley schätzte TAM (Total Addressable Market ) auf 1 Billion Dollar im Jahr 2040 und 9 Billionen Dollar im Jahr 2050. Zwar soll mehr als die Hälfte davon auf Transport und Logistik entfallen, immerhin 46 Prozent machen Autos & Shared Mobility aus.

Roland Berger ist da etwas bescheidener, ist allerdings nur auf einen Teilmarkt fokussiert. Laut einer Studie aus dem Jahr 2020 soll der Markt für Urban Air Mobility (UAM) bis 2030 auf 1 Milliarde, bis 2040 auf 16 Milliarden und bis 2050 auf 90 Milliarden Dollar im Jahr wachsen. Im Jahr 2030 prognostiziert Berger 5.000, im Jahr 2040 dann 45.000 und im Jahr 2050 schließlich 160.000 kommerzielle Passagier-Drohnen am Himmel.

Vieles wird von der Regulierung abhängen, die mit Sicherheit auch das Hauptrisiko für den Sektor darstellt. Drohnen machen Krach, wenngleich weniger als Flugzeuge und Hubschrauber. Wie viel davon sich die einzelnen Gesellschaften leisten wollen, wird man sehen müssen. Meine kleine Videodrohne darf in Ballungsgebieten zumeist nicht fliegen. 

Airport Shuttles sollen rund 50 Prozent des Marktes ausmachen, Intercity liegt bei 40 Prozent und City Taxi bei 10 Prozent.

Die Ehang-Luftflotte im Detail

Das Flaggschiff der Flotte, die Ehang 216-S ist eine autonome Taxi-Drohne für zwei Passagiere mit einer Nutzlast von 260 kg, einer Flugzeit von 25 Minuten und einer Range von 30-40 km bei Geschwindigkeiten von bis zu 130 km/h. Obwohl es auch eine Piloten-Version der Drohne gibt, liegt der aktuelle Fokus auf zentral aus dem Ehang Command Center gesteuerten Flügen.

Ehang Drohne

Die Ehang 216-F soll der Feuerwehr bei Bränden in Hochhäusern mit ihrer Transportkapazität von 150 l Wasser aushelfen. Ehang 216-L unterstützt die Logistik. 

Auch für Intercity Flüge hat Ehang eine passende Drohne entwickelt: die VT-30 wird voraussichtlich ab 2026 in 100 Minuten bis zu 300 km weit fliegen. Die kleineren Geschwister VT-20 und VT-10 sind gänzlich unbemannt.

Business Modell

Beim Business Model von Ehang geht es mehr als nur um den Verkauf von Hardware. Das Unternehmen möchte zum Platform Operator werden.

Die Flugsteuerung erfolgt mittels UAV Betriebssystem und zentralen Command-and-Control Systemen. Außerdem wird ein Netzwerk aus Kommunikationsnetzwerken, Vertiports (Landeplätzen) sowie Lade-Systemen aufgebaut.

Neben dem Passagiertransport können dann gleichzeitig mit kleineren Drohnen auch Logistik Leistungen angeboten werden. Aerial Media Solutions, Lichtshows mit über 1.000 Drohnen, bieten einer umweltverträglich Alternative zu Feuerwerken 

Die Ehang Infrastruktur soll außerdem einen wesentlichen Beitrag für Smart City Management leisten.

Salonfähig dürfte die Technologie im Tourismusgeschäft werden. Die hohen Kosten werden anfänglich zu hohen Flugpreisen führen. Vor allem bei der Erkundung von eindrucksvollen Landschaften dürfte eine zahlungskräftige und -bereite Kundschaft vorhanden sein. Ehang hat in China 20 potentielle Ziele identifiziert und abgeflogen.

Die System-Strategie ist laut den Kollegen von Roland Berger im aktuellen Stadium der erfolgversprechende Ansatz. Allerdings ist diese Strategie extrem kapitalintensiv. Es stellt sich die Frage, ob Ehang mittel- und langfristig die erforderlichen Ausgaben aus eigenen Mitteln bewerkstelligen kann.

Ehang Pole Position, aber die Konkurrenz schläft nicht

Neben Ehang gibt es eine ganze Reihe anderer Initiativen. Die nachfolgende Grafik gibt eine Übersicht über die verschiedenen Anbieter in spe. Laut Management hat Ehang einen technologischen Vorsprung von mehreren Jahren. Neben der Lizenz wird diese auch durch die Anzahl der Patente und die Produktion validiert. Aber die Konkurrenz schläft nicht.

Die seit 2021 an der NYSE notierten Joby Aviation aus Santa Cruz ist kein Nobody. Die Gesellschaft hat schon 2012 mit der Nasa beim Elektroflug zusammengearbeitet. Bereits 2020 hat Joey die Flugtauglichkeit seitens der US Air Force bestätigt bekommen. Im Juni rollte in Kalifornien die erste Drohne für das US-Militär vom Band, der Auftrag soll 131 Millionen Dollar Umsatz einspielen. Eine Kooperation mit Uber soll die Flugtaxen in das Netzwerk des Taxi-Giganten integrieren, gleichzeitig investierte Uber 75 Millionen Dollar.

Die ebenfalls an der NSYE notiert Archer sah sich jetzt wohl in Zugzwang: Sie veröffentlichte am 16.Oktober ein Memorandum of Understanding mit dem Abu Dhabi Investment Office (ADIO) mit dem Ziel, 2026 den Taxibetrieb in den Vereinigten Emiraten zu beginnen. Nur ein frommer Wunsch? Am Geld dürfte es jedenfalls nicht mehr hapern.

Die in Frankfurt gelistete Lilium aus Wessling bei München plant einen ziemlich coolen Elektrojet für 6 Passagiere, der aber noch nicht morgen kommt. Die Gesellschaft ist nach einer 192 Millionen Dollar Kapitalerhöhung im Sommer laut Pressemitteilung vom 12. Oktober gerade dabei, Kabelbäume zu produzieren, die hohe Spannungen vertragen.

Um direkte Konkurrenten handelt es sich aber aktuell ohnehin nicht. Zum einen sind die Geographien klar aufgeteilt, und zum anderen ist der Markt für alle groß genug. Das mag sich ändern, wenn ein alteingesessener Player aus einer verwandten Branche (Automobilindustrie oder Flugzeugbau) in den Markt einsteigt.

Zahlen und Aussichten

Im Jahr 2022 wurden gerade einmal 7 Millionen Dollar umgesetzt, im ersten Halbjahr 2023 waren es (bei 16 ausgelieferten Drohnen) 4,6 Millionen Dollar. Jetzt werden die Verkäufe deutlich anziehen. Für das Gesamtjahr werden von Goldman 16 Millionen Dollar und für nächstes Jahr bereits 59 Millionen Dollar Umsatz erwartet.

Die operativen Kosten im letzten Jahr lagen bei knapp 50 Millionen Dollar. Der Nettoverlust im letzten Jahr lag bei 50 Millionen Dollar. Für dieses Jahr werden laut Bloomberg minus 37 Millionen Dollar erwartet. 

Im Juli wurde eine kleine Kapitalerhöhung von 23 Millionen Dollar unter Beteiligung eines Konsortiums unter Leitung von Lee Man („Mr. Lee“), einem bekannten koreanischen Musik-Unternehmer, durchgeführt. Mr. Lee soll bei der Expansion in Südostasien helfen. Nach der Kapitalspritze verfügt Ehang über ein Cash Polster von 45 Millionen Dollar.

Mit der druckfrischen Lizenz  dürfte der Auftragsbestand (über 500 Drohnen im September 2023) von Kunden jetzt progressiv abgerufen werden. Für das zweite Halbjahr 2023 erwartet Goldman Sachs durchschnittlich noch zwei Auslieferungen im Monat. Im Jahre 2024 sollen es aber bereits 18 Einheiten im Monat werden, im Jahr darauf dann 36 und im Jahr 2026 bei voller Kapazität 50 Einheiten im Monat.

Das Gros der Orders kommt erwartungsgemäß aus China, aber auch Indonesien, Malaysia und Japan sind prominent im Orderbuch vertreten.

Bewertung der Ehang-Aktie

Die Musterzulassung der unbemannten Ehang-Drohne ist eine großartige Neuigkeit. Unsere Kollegen von Goldman Sachs haben ihr Kursziel für die Ehang-Aktie von 23,5 auf 30,5 Dollar und ihre Empfehlung von “neutral” auf “kaufen” angepasst. 

Goldman hat sich aber ein Hintertürchen für noch mehr Optimismus eingebaut: Im Blue Sky Szenario würden in den Jahren 2024 bis 2026 jeweils 356, 602 und 775 Drohnen verkauft werden. Dann könnte die Ehang-Aktie auch 51 Dollar wert sein.

Der Enterprise Value liegt aktuell bei 1,2 Milliarden Dollar, was ein Kurs-Umsatz-Multiple von 20 für das Jahr 2024 entspricht (Goldman Base Case). Historisch handelte die Aktie bei 30x Umsatz.

Die Bewertung klingt sehr ambitioniert, ist sie aber nicht, wenn man auf die Peer Group schaut. Zum Vergleich: Joby ist mit 3,2 Milliarden Dollar und damit 90 Mal Umsatz bewertet, Archer kostet mit 1 Milliarde Dollar den 150-fachen Umsatz. Lilium (ohne Umsatz) ist 200 Millionen Dollar wert. Der EV-Gigant Tesla wird 6 Mal Umsatz 2024 bewertet, ist aber eben  mittlerweile ein ‘reifes’ Unternehmen, historisch handelte die Aktie bei 49x Umsatz. 

Die Ehang-Aktie bleibt eine vielversprechende Position im EM Digital Leaders.

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Disclaimer

Emerging Markets Digital Leaders und/oder der Autor und/oder verbundene Personen oder Unternehmen besitzen Anteile von Ehang. Dieser Beitrag stellt eine Meinungsäußerung und keine Anlageberatung dar. Bitte beachte die rechtlichen Hinweise.

Autor

  • Steffen Gruschka

    Steffen war von 1998 bis 2006 im Fondsmanagement der DWS als Leiter Aktien Osteuropa tätig und dort für bis zu 5 Mrd. Euro AuM verantwortlich. Er wurde für seine Arbeit als Fondsmanager mehrfach prämiert u.a. wurde er von der Zeitschrift Finanzen 2003 mit dem DWS Russia als Fondsmanager das Jahres ausgezeichnet. Anschließend machte er sich in London selbständig und verwaltete über 10 Jahre lang Hedge Fonds. Anfang 2021 stieg er als Partner bei Pyfore Capital ein und ist seither für das Fondsmanagement des EM Digital Leaders verantwortlich.

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Steffen Gruschka

Steffen war von 1998 bis 2006 im Fondsmanagement der DWS als Leiter Aktien Osteuropa tätig und dort für bis zu 5 Mrd. Euro AuM verantwortlich. Er wurde für seine Arbeit als Fondsmanager mehrfach prämiert u.a. wurde er von der Zeitschrift Finanzen 2003 mit dem DWS Russia als Fondsmanager das Jahres ausgezeichnet. Anschließend machte er sich in London selbständig und verwaltete über 10 Jahre lang Hedge Fonds. Anfang 2021 stieg er als Partner bei Pyfore Capital ein und ist seither für das Fondsmanagement des EM Digital Leaders verantwortlich.

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