Werden die USA die Welt retten? Im Moment scheint es so zu sein. Das annualisierte BIP-Wachstum lag im dritten Quartal bei 4,9 Prozent. Nimmt man dann noch die laufenden Quartalszahlen und die jüngsten Statements der Fed, dann wird nachvollziehbar, warum Anleger in den vergangenen Tagen ins Risiko gegangen sind. Bleiben wir kurz bei den Unternehmenszahlen. Geliefert haben viele große Werte – auch die im TheDLF: AMD kam mit sehr soliden Zahlen plus einem optimistischen Ausblick, der sich – wie könnte es anders sein – auf das Wachstum im Segment der KI-geeigneten Prozessoren stützt. BBVA überzeugte erneut (siehe dazu mein Update weiter unten). Auch aus der zweiten Reihe glänzen einige Unternehmen mit guten Zahlen, etwa Arista, was Anleger mit einem Kursplus von zehn Prozent honoriert haben. Über Kaspi, unser Fintech-Star aus Kasachstan, hatte Steffen bereits in der vergangenen Woche ein lesenswertes Update vorgelegt.
Alles auf Risiko, also? Ich will kein Wasser in den Wein gießen, aber die Folgen der hohen Zinsen in den USA sind noch längst nicht absehbar. Jerome Powell mag angedeutet haben, das es mit den Zinserhöhungen erst einmal gut sein könnte, aber er hat in seinem jüngsten Statement nicht gesagt, dass die Zinsen zügig wieder fallen werden. Jetzt geht es eher darum, dass im System nichts “bricht” – die Refinanzierungskosten der Unternehmen steigen, und auch wenn der große Berg erst ab 2025 ansteht, könnte es knapp werden, wenn die Fed erst in einem Jahr mit geldpolitischen Lockerungsübungen anfängt.
Was mich bedenklich stimmt, ist, dass wir vor einer zweigeteilten Welt stehen. Selbst wenn die USA (und ihre neuen Produktionsvorhöfe, etwa Mexiko) weiter mit Wachstum glänzen, bleibt immer noch der Rest der Welt übrig. Und da sieht es nicht gut aus. Deutschland hat die Schwelle zur Rezession überschritten, Europa steht davor, und China schwächelt so bedenklich, dass die Financial Times schon von einem “Zusammenbruch des Gesellschaftsvertrags” schreibt. Für eine Diktatur, die Wohlstand versprochen hat, ist ein GDP-Rückgang mehr als nur eine “technische Rezession”. Der Markt scheint den Schocktober abzuschütteln und schreibt den Nexus aus erreichtem Zinsgipfel, BIP-Wachstum und stabilen Unternehmenszahlen fort. Das könnte übereilt sein. Möglicherweise sind die schwachen Apple-Zahlen ein besserer Wegweiser für Anleger als die Hoffnung auf das Zusammenspiel mehrerer Blue-Sky-Szenarien?
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Baki war viele Jahre in leitender Funktion für den Deutsche Bank Konzern und DWS tätig. Zuletzt u.a. als Global Head of Digital Business für die Deutsche Asset & Wealth Management und Mitglied im Digital Executive Commitee der Deutschen Bank. Seine berufliche Laufbahn hat er als Fondsmanager für Technologie, Telekommunikation und Medien bei BHF Trust begonnen. Danach war er Fondsmanager bei der Commerzbank und ABN Amro.
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