Die Währung kollabierte nach den Wahlen in der Türkei Ende Mai. Die Hepsiburada-Aktie hat sich (in US-Dollar) gut entwickelt und dieses Jahr sogar schon verdoppelt – ein Widerspruch? Wir untersuchen, wie sich der türkische E-Commerce Anbieter angesichts der durchwachsenen Rahmenbedingungen im abgelaufenen Quartal geschlagen hat – und wie es weitergeht.
Hepsiburada-Aktie – Quartalszahlen
Im zweiten Quartal musste die türkische Lira, vor den Wahlen im Sinne der Maximierung von Wählerstimmen manipuliert, erwartungsgemäß die Rechnung für die unorthodoxe Finanzpolitik der letzten Jahre mit einem Minus von 40 Prozent gegenüber dem Dollar bezahlen. Die offizielle Inflation blieb allerdings mit 38 Prozent im Juni zunächst überraschend zahm. Das Verbrauchervertrauen verbesserte sich bis Mai auf 91,1 Punkte und verlor auch im Juni überraschend wenig auf 85,1. Die Auswirkungen der Abwertung waren volkswirtschaftlich im zweiten Quartal also noch nicht vollständig spürbar.
GMV (Umgesetzter Warenwert)
Das Geschäft lief auch bei Hespiburada gut. GMV (umgesetzter Warenwert) stieg im Jahresvergleich um 43 Prozent auf 19 Milliarden Türkische Lira. Das nicht nach IAS 29 inflationsbereinigte Wachstum lag sogar bei 100 Prozent und damit nominell 5 Prozent über der Guidance. Importierte Waren machen weniger als 1 Prozent des GMV aus.
Die Zahl der aktiven Kunden erhöhte sich im Jahresvergleich um 300.000 auf 12 Millionen, die Zahl der Bestellungen zog um 95 Prozent auf 27,5 Millionen an. Gegenüber dem ersten Quartal ist das ein Plus von 10 Prozent.
Umsatz
Der Umsatz stieg gegenüber dem Vorjahr um 43 Prozent auf 5,9 Milliarden Lira. Die Diversifikation im Umsatzmix nimmt weiter zu. Die Zahl der aktiven Händler konnte um 14 Prozent auf 101.000 und damit die Anzahl der SKUs (Anzahl der angebotenen Produkte) um 50 Prozent auf 195 Million erhöht werden. Der Anteil des Marktplatzes GMV lag bei 67 Prozent. Mit anderen Worten: Dritthändler setzen jetzt ⅔ des Warenwertes auf der Hepsi Plattform um.
Der bisher mit 4,4 Milliarden Lira dominante 1P Umsatz (Bei first party ist Hepsi selbst der Verkäufer) stieg lediglich um 32 Prozent, der Umsatz aus dem 3P Geschäft dagegen um 87 Prozent auf 782 Millionen Lira.
Der Umsatz im Versandgeschäft stieg um 67 Prozent auf 540 Millionen Lira.
Der Deckungsbeitrag lag 4,4 Prozentpunkte höher als im Vorjahr und gleichzeitig unverändert gegenüber dem Vorquartal bei 9,3 Prozent.
Einkaufsfrequenz
Die Einkaufsfrequenz stieg gegenüber dem Vorquartal noch einmal weiter von 7,5 auf 8,1 Einkäufe, ein Jahr zuvor waren es noch 5,2 gewesen. Die Steigerung ist hauptsächlich auf die vermehrte Nutzung digitaler Dienstleistungen zurückzuführen. Die Order-Frequenz bei physischen Waren liegt dagegen bei 5,9.
Zahl der Abonnenten
Zentral für den Erfolg der Unternehmensstrategie ist die Steigerung der Zahl der Hepsiburada Premium Abonnenten (Beschreibung im Q1 Update) liegen. Die Teilnehmerzahl erhöhte sich bis Anfang August auf 1,3 Millionen. Im März lag diese Zahl noch bei 915.000. Die Zahlen aus dem zweiten Quartal zeigen eine um 40 Prozent erhöhte Transaktionsfrequenz frischgebackener Premium Kunden.
Lizenz für Zahlungs- und Konsumfinanzierungen
Hepsiburada bleibt weiterhin der einzige E-Commerce Player mit Lizenz für Zahlungs- und Konsumfinanzierungen. Die Zahl der Hepsipay Wallets stieg im Quartal um 700.000 auf 12,5 Millionen. 86 Prozent des GMV wurden mit Hepsipay abgewickelt, im Vorjahr waren es noch 78 Prozent. 159.000 Orders wurden finanziert, 4 Prozent mehr als im ersten Quartal. Das entspricht 5 Prozent des GMV. Im ersten Quartal waren es 5 Prozent , im Vorjahr lag dieser Wert bei 3,2 Prozent. Die Hälfte dieser Käufe wurden mit Bankkrediten finanziert, der Rest über BNPL. In den Wallets lagen zuletzt 92 Million Lira, hier wachsen angesichts der hohen Inflation die Bäume nicht in den Himmel: Für eine Verzinsung der Einlagen bräuchte Hepsiburada eine digitale Banklizenz, das könnte aus unserer Sicht durchaus ein Thema werden.
HepsiJet
Auch beim eigenen Lieferdienst HepsiJet gibt es Positives zu vermelden: Der Anteil der selbst ausgelieferten Pakete stieg im Jahresvergleich um 6 Prozentpunkte auf 66 Prozent.
Operative Kosten
Fortschritte gibt es auch bei den operativen Kosten zu vermelden, die um nur 16,8 Prozent auf 5,9 Milliarden Lira angestiegen sind und damit um 7 Prozentpunkte auf 31,4 Prozent des GMV sanken. Die Gesamtbewegung ist dabei hauptsächlich auf den höheren 3P Anteil zurückzuführen. Aber man sieht auch eine Reduzierung der Werbekosten um 21 Prozent.
Profitabilität
Der Fokus auf Wachstum bei gleichzeitiger Kostenkontrolle zahlt sich aus. EBITDA (inflationsadjustiert) lag mit 154,6 Millionen Lira noch einmal deutlich höher als im ersten Quartal (7,3 Millionen Lira) aber Welten vor den minus 821 Millionen Lira in Q2 2022. Es wurde außerdem ein Reingewinn von 881 Millionen Lira erwirtschaftet, nach minus 193 Millionen Lira im ersten Quartal und minus 782 Millionen Lira im Jahr zuvor
Cash lag mit knapp 4.9 Milliarden Lira fast unverändert, Financials Investments lag bei 524 Millionen. 91 Prozent wurden in USD Dollar gehalten.
Ausblick
Im Mai wurde bereits die Hepsipay Debit Card eingeführt, die Offline-Zahlungen mittels QR-Code ermöglicht. Im Juli wurde dann ein 5-Jahres-Vertrag mit Visa unterschrieben
Für das dritte Quartal gibt das Management eine Guidance für GMV (nicht inflationsbereinigt) bei 110 Prozent. Das nicht inflationsbereinigte EBITDA soll wie gehabt zwischen 0,5 und 1 Prozent des Warenwertes liegen.
Die Inflation im Juli und August waren abwertungsbedingt sehr hoch, der Transmissionsmechanismus für Preiserhöhungen greift also mit Verzögerung. Das ist schlecht für die Kaufkraft. Die Politik sucht dem entgegenzuwirken. Präsident Erdogan unterstützt jetzt den Kurs seines Kabinetts, die Zinsen zu erhöhen. Das ist eine Wende um 180 Grad, denn jahrelang zwang Erdogan die Notenbanker kurzerhand die Zinsen zu senken, wenn es ihm opportun erschien, ansonsten mussten sie ihren Posten räumen. Das ist gut, auch wenn nur Erdogan selbst weiss, wie lange die makroökonomische Vernunft anhält. Meine Prognose: Maximal bis die nächsten Wahlen am Horizont erscheinen.
Positiv
Die Zahlen sind gut. Die Margen verbessern sich und das Unternehmen ist beinahe profitabel.
Die Unternehmensstrategie ist nicht nur überzeugend, sondern folgt der bewährten Amazon-Blaupause.
Das Unternehmen agiert transparent und ist für Investoren jederzeit ansprechbar. Die Anleger manch eines asiatischen E-Commerce Unternehmens dürfen neidisch sein.
Negativ
Die Kaufkraft in der Türkei bleibt abwertungs- und inflationsbedingt weiter unter Druck. Das Cash Polster ist außerdem aufgrund der Misswirtschaft nach dem IPO weiterhin nicht allzu dick.
Hepsiburada hat durch die Dollar-Einlagen und das Zahlungsziel bei eingekauften Produkten einen Hedge gegen den Verfall der Währung, dennoch sind weitere Fortschritte bei der Liquidität notwendig, um eine etwaige Schwäche des Konsumenten überbrücken zu können. Aber Hepsiburada hat gelernt: Die nachfolgende Graphik zeigt auf, wie vorsichtig das Unternehmen geworden ist. Im letzten Jahr wurde noch im ersten Quartal das Gros der Waren für das Gesamtjahr eingekauft. In diesem Jahr wurde der Einkauf über zwei Quartale gestreckt, wie man schön an der Bewegung im Working Capital (Betriebskapital) sehen kann. Not macht erfinderisch.
Im schlimmsten Fall könnte Hepsisburada Capex und Werbekosten weiter kürzen, so die Unternehmenssprecherin auf unsere Nachfrage im letzten Gespräch. Außerdem würde man dann auf billigere Waren ausweichen. Vor die Wahl gestellt, würde man eher Wachstum opfern, als zusätzliches Eigenkapital aufzunehmen.
My Take zur Hepsiburada-Aktie
Angesichts der weiterhin schwierigen Rahmenbedingungen hat Hepsiburada wieder ein gutes Quartal hingelegt. Die Aktie reagiert auf die Zahlen allerdings kaum.
Die Marktkapitalisierung von gerade einmal 500 Millionen Dollar impliziert einen Unternehmenswert von rund 300 Million Dollar. EV/S liegt damit bei 0,4 für dieses Jahr und 0,3 für 2024. Das ist der günstigste Wert in der internationalen Peer Group (siehe Bewertungstabelle am Ende des Artikels).
Der Markt preist das Unternehmen also immer noch als existenziell gefährdet ein, obwohl strategisch und operativ bereits erhebliche Fortschritte erzielt worden sind. Hepsiburada bietet Anlegern die Gelegenheit, an der dramatischen Verbesserung eines bis vor kurzem schlecht geleiteten Unternehmens zu partizipieren.
Die politische Kontinuität des Systems Erdogan ist beileibe keine Traumkonstellation. Hepsiburada hat aber gelernt, auch in diesem schwierigen Umfeld zu florieren. Der nationale Fokus hat auch Vorteile: Im Juli wurde das für Hepsiburada günstigste E-Commerce Gesetz gerichtlich bestätigt, die Opposition hatte dagegen geklagt.
Wenn es das Management Team in den nächsten Quartalen schafft, einen positiven Cashflow zu erreichen, hat die Hepsiburada-Aktie sogar das Zeug zum Multibagger. Keine Neuigkeiten gibt es zu einem potentiellen Listing an der Börse in Istanbul, die auch dem stiefmütterlichen Dasein der Aktie an der NYSE etwas Leben einhauchen könnte.
Disclaimer
Der EM Digital Leaders und/oder der Autor und/oder verbundene Personen oder Unternehmen besitzen Anteile von Hepsiburada. Dieser Beitrag stellt eine Meinungsäußerung und keine Anlageberatung dar. Bitte beachte die rechtlichen Hinweise.
Autor
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Steffen war von 1998 bis 2006 im Fondsmanagement der DWS als Leiter Aktien Osteuropa tätig und dort für bis zu 5 Mrd. Euro AuM verantwortlich. Er wurde für seine Arbeit als Fondsmanager mehrfach prämiert u.a. wurde er von der Zeitschrift Finanzen 2003 mit dem DWS Russia als Fondsmanager das Jahres ausgezeichnet. Anschließend machte er sich in London selbständig und verwaltete über 10 Jahre lang Hedge Fonds. Anfang 2021 stieg er als Partner bei Pyfore Capital ein und ist seither für das Fondsmanagement des EM Digital Leaders verantwortlich.
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