Japan Aktien: Mit Warren Buffett auf Value-Jagd

22. Juni 2023

Japan Aktien

Japan war für Aktienanleger lange Zeit das Land der enttäuschten Hoffnungen – immer wieder haben sie vergeblich auf ein Comeback von Japan Aktien gesetzt. Das scheint sich zu ändern. Allen voran hat Warren Buffett erneut seine Investments bei einigen großen Mischkonzernen erhöht. Zeit, es ihm nachzutun?

Anleger haben immer wieder auf Japan Aktien gesetzt – und sind enttäuscht worden. Der wenig erfolgreiche Kampf von Regierung und Notenbank gegen die Deflation und die kontinuierliche Wirtschaftsflaute haben die Schlagzeilen in den letzten Jahren bestimmt. Zugleich zeichnen sich japanische Unternehmen durch eine eigenwillige Corporate Governance aus; mit Shareholder Value hat man es in Japans Konzernzentralen nicht so.

Aber es weht ein frischer Wind, die Zeiten scheinen sich auch in Japan zu ändern. Das haben einige prominente Anleger auf dem Radar: Warren Buffett ist schon 2020 in Konglomerate wie Itochu, Marubeni oder Mitsubishi eingestiegen und hat jüngst die Quote an diesen und anderen Mischkonzernen mehrfach erhöht. Die Performance war in diesem Jahr hervorragend. Wir erklären, warum es heute so gute Gründe wie lange nicht mehr für ein Investment in den japanischen Aktienmarkt gibt.

Japan Aktien: Düstere Vergangenheit

Nimmt man die Renditen der Vergangenheit zum Maßstab, dann zeigt sich allerdings kein gutes Bild. Auch langfristig war mit Japan Aktien nicht viel zu holen. Ältere Semester erinnern sich an die dramatischen Folgen der geplatzten Bubble am Immobilienmarkt: Der japanische Aktienmarkt implodierte regelrecht ab 1990. Bis Ende 1999 stand beim MSCI Japan unterm Strich ein Verlust von über 34 Prozent. Indizes wie der MSCI Europe oder der S&P 500 verdreifachten sich dagegen mindestens zwischen 1990 und 2000.

Auch in diesem Jahrtausend rumpelte es gehörig. Die untere Grafik zeigt die Performance des MSCI Japan in den vergangenen 20 Jahren im Vergleich zu anderen Benchmarks (in Euro gerechnet). Aus einem hypothetischen Investment von 10.000 Euro wurden beim S&P 500 knapp 70.000 Euro, beim MSCI World gut 51.000 und beim DAX knapp 50.000 Euro; beim MSCI Japan waren es nur knapp 33.000 Euro.

Immer wieder haben sich auch prominente Fondsmanager die Zähne an Japan Aktien ausgebissen. So auch Klaus Kaldemorgen, der lange Zeit Aktienfonds wie den DWS Akkumula und DWS Vermögensbildungsfonds I managte. Anfang 2010 verkündete er eine kühne Wette: Nach zwei Jahrzehnten der Underperformance von Japan Aktien billige er dem japanischen Markt 2010 ein Plus von zwischen 20 und 30 Prozent zu – sofern das Yen-Risiko abgesichert sei. Ende 2010 stand beim MSCI Japan ein Plus von 23,5 Prozent unter dem Strich – allerdings nur in Euro gerechnet. Der japanische Markt selbst trat mit einem Plus von 0,6 Prozent auf der Stelle. Kaldemorgen hatte die Rechnung ohne den Yen gemacht. Die japanische Währung hatte wider Erwarten aufgewertet, was viele andere auch auf dem falschen Fuß erwischte. Anlegern hat in der Vergangenheit nicht nur die Entkopplung des japanischen Aktienmarkts von den allgemeinen Markttrends zu schaffen gemacht. Auch die deren volatile Entwicklung des Yen macht Japan als Anlagemarkt schwer zu taxieren.

Japan Aktien Performance
Performance in Prozent und in Euro, Daten per 16.6.2023, Quelle: Morningstar

Der neue Case für Japan Aktien

Was bewegt Investoren wie Warren Buffett also, in Japan zu investieren? Das traditionelle Argument, das wir oben bereits angedeutet haben, sind günstige Bewertungen. Im Vergleich zu europäischen Aktien und erst recht zu amerikanischen sind Japan Aktien billig, und zwar langjährig, auch wenn sich das in diesem Jahr etwas relativiert hat, wie die untere Grafik zeigt.

Japan Aktien Valuations
Daten per 30.4.2023, Quelle: Morningstar

Beim Durchschnitts-KGV ist der MSCI Japan aktuell etwas vor dem MSCI Europe, was an den deutlichen Kurssteigerungen in diesem Jahr liegt. Allerdings spricht das obere Bild eher dafür, dass bewertungsorientierte Investoren auf Japan und Europa setzen sollten – nicht oder.

Auch andere Bewertungskennziffern, wie das Kurs-Buchwert- oder das Kurs-Cashflow-Verhältnis, sprechen für Japan. Die Eigenart japanischer Firmen, Cash zu horten, macht sich insbesondere beim KBV bemerkbar. Eine Auswertung des Fondshauses Fidelity zeigt, dass im Median sowohl der marktbreite Topix Index als auch der Nikkei 225 deutlich günstiger sind als eine Auswahl an Indizes aus den Industrieländern und den Emerging Markets.

Price to Book Fidelity
Daten per 28.2.2023, Quelle: Fidelity

Corporate Governance: Ist es dieses Mal anders?

Warum es dieses Mal mit dem Abbau der Unterbewertung japanischer Aktien klappen könnte: Es stehen Veränderungen bei der Corporate Governance in Japan an. Bisher scherten sich japanische Firmen eher weniger um die Grundsätze einer guten Unternehmensführung. Das liegt vor allem am „japanischen Wirtschaftsmodell“, das an die Deutschland AG des vergangenen Jahrhunderts erinnert. Eine maximale Verflechtung durch reziproke Beteiligungen und eine geringe Bedeutung von Dividendenausschüttungen kennzeichnen noch immer die japanische Unternehmenswelt. Das Ergebnis ist das sogenannte Keiretsu-System der horizontal integrierten Konglomerate. Deren Kapital wiederum wird von lokalen Anlegern und anderen Unternehmen gehalten. So, wie die Deutschland AG ab 1999 von der damaligen rot-grünen Regierung aufgelöst wurde, könnte es auch in Japan kommen.

Die Politik in Japan hat erkannt, dass die heimischen Unternehmen kapitalmarkttauglicher werden müssen. Die Folge war eine ziemlich interessante Reform. Der Zugang von Unternehmen zum Kapitalmarkt wird jetzt an die Weiterentwicklung der Corporate Governance geknüpft. Die Tokyo Stock Exchange macht im Rahmen einer Neuordnung ein Listing im begehrten „Prime Market“ Segment von der Einhaltung höherer Corporate Governance Standards abhängig. Dazu gehört, dass mindestens ein Drittel der Verwaltungsratsmitglieder unabhängig sein müssen. Auch müssen „Prime Market“-Unternehmen einen Streubesitzanteil von mindestens 35 Prozent aufweisen. Die Folge dieses Abbaus der Quer-Verflechtungen wird wiederum die Rolle externer Investoren stärken. Ausländische Anleger sind in Japan bisher in der Minderheit, und ihre Interessen werden von „Corporate Japan“ nicht an die erste Stelle gestellt.

Und was macht die Geldpolitik?

Unterstützung für die Aktienkurse kommt – immer noch – von der Geldpolitik. So bleibt die Geldpolitik der Bank of Japan expansiv. Die Inflation ist zwar für japanische Verhältnisse stark gestiegen und auch die Kerninflationsrate liegt inzwischen über dem BoJ-Ziel von zwei Prozent. Allerdings hat der Inflationsdruck seit dem vorläufigen Hoch im Januar dieses Jahres etwas abgenommen, sodass die BoJ vor dem Dilemma steht, dass eine Straffung der Geldpolitik das sich gerade abzeichnende Ende der Deflation doch noch hinauszögern könnte.

Aktuell erwartet die BoJ, dass die Kerninflation Ende des Jahres von aktuell über vier auf unter zwei Prozent fallen werde. „Das Risiko, dass wir mit unserer Inflationsprognose falsch liegen, ist höher als null Prozent“, warnte jüngst der neue Notenbankchef, Kazuo Ueda. Ueda war zuvor von der Linie des langjährigen Notenbankchefs Haruhiko Kuroda insofern abgerückt, dass die BoJ keine Forward Guidance für die Entwicklung der Leitzinsen mehr vornimmt. In Japan sind derartige Trippelschritte angesichts der Langjährigen Nullzinslinie bemerkenswert, zumal sie eine große Wirkung entfalten könnten. Angesichts der relativ hohen Inflation verbuchen japanische Sparer real hohe Verluste auf ihre Spareinlagen. Das könnte mangels rentierlicher Alternativen einen Run auf Aktien bewirken.

Welche Gewichtung wäre angemessen?

Die unverändert lockere Geldpolitik und die reformbedingte Weiterentwicklung der japanischen Corporate-Governance-Standardards könnte Anleger zum Umdenken bewegen. Und dann wäre da noch der Fomo-Faktor. Dass Anleger wie Warren Buffett auf Japan setzen und die Kurse steigen, wird immer mehr Anleger zum Einstieg bewegen. Je höher die Kurse steigen, desto mehr macht sich die Panik bei Anlegern breit, Performance zu verpassen. Der Nikkei 225 legte bisher in diesem Jahr um gut 18 Prozent zu, der DAX stieg um 15,7 Prozent, der S&P 500 nur um 12,8 Prozent (in Euro gerechnet).

Aber wie hoch sollte die Japan-Quote in Anlegerportfolios sein? Egal, ob man auf ETFs oder aktiv verwaltete Fonds setzt: Japan Aktien sind in globalen Portfolios eine fast schon vernachlässigenswerte Größe. Im MSCI World machen Japan Aktien gerade einmal sechs Prozent aus. Global anlegende Aktienfonds sind in Japan im Vergleich zum MSCI World sogar untergewichtet. Die untere Grafik zeigt, dass die Quote in global anlegenden, aktiv verwalteten Fonds japanische Aktien nur ein Gewicht von 5,5 Prozent haben. Bei flexibel investierenden Welt-Aktienfonds liegt sie sogar bei unter fünf Prozent.

Aber ist der MSCI World das Maß aller Dinge? Angesichts des Momentum-Effekts in kapitalisierungsgewichteten Indizes setze ich dahinter ein Fragezeichen. US-Aktien dominieren Dank der Hausse seit 2009 den MSCI World, und entsprechend der üblichen Indexlogik ist das Gewicht japanischer und europäischer Aktien gesunken. Es handelt sich inzwischen um zwei ausgeprägte Value-Märkte. Europa hat Stärken im Luxusgütersegment, in Japan gibt es die oben erwähnte Konglomerats-Phantasie und die Stärke im Sektor Robotics, dessen Bedeutung in den kommenden Jahren steigen wird.

Vor zehn Jahren lag die Japan-Quote im MSCI World noch bei knapp zehn Prozent. Ein alternativer Indikator könnte das Gewicht Japans in der Weltwirtschaft sein. Nimmt man den BIP-gewichteten MSCI World Index, dann hat das Gewicht japanischer Aktien zwar in den letzten zehn Jahren auch abgenommen, aber mit gut neun Prozent ist die Japan-Quote höher als bei den üblichen global anlegenden Fonds und ETFs. Das könnte eine passable Daumenregel für vorsichtige Japan-Optimisten sein, mutige Japan-Fans dürften es Warren Buffett gleichtun, wobei bei Mischkonzernen a la Marubeni die Kurse schon einiges an Optimismus enthalten.

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Dieser Beitrag stellt eine Meinungsäußerung und keine Anlageberatung dar. Bitte beachte die rechtlichen Hinweise.

Autor

  • Ali Masarwah

    Ali Masarwah ist Gesellschafter-Geschäftsführer der Fondsplattform envestor.de und schreibt auch Kolumnen über Investmentthemen für The Digital Leaders Fund. Anleger-orientiertes Research ist seit über 20 Jahren Alis Ding. Vor seiner Zeit bei envestor.de war er zehn Jahre lang bei Morningstar, wo er für die Personal Finance Websites des Analysehauses in Deutschland verantwortlich war. Als Experte für Anlagethemen ist er ein gefragter Ansprechpartner für Finanzmedien im deutschsprachigen Raum.

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Ali Masarwah

Ali Masarwah ist Gesellschafter-Geschäftsführer der Fondsplattform envestor.de und schreibt auch Kolumnen über Investmentthemen für The Digital Leaders Fund. Anleger-orientiertes Research ist seit über 20 Jahren Alis Ding. Vor seiner Zeit bei envestor.de war er zehn Jahre lang bei Morningstar, wo er für die Personal Finance Websites des Analysehauses in Deutschland verantwortlich war. Als Experte für Anlagethemen ist er ein gefragter Ansprechpartner für Finanzmedien im deutschsprachigen Raum.

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