Rule of 40 – Qualität ist nicht teuer, sie ist unbezahlbar.

21. Juli 2021

Rule of 40

Die Rule of 40 ist eine einfache und relevante Kennzahl bei der Bewertung von Wachstumsunternehmen. Unser Data Scientist Stefan Hartmann stellt sie und ihren Nutzen für Anleger vor.

Aus Sicht der klassischen Fundamentalanalyse erscheinen viele Unternehmen als zu teuer. Trotzdem steigen die Aktienkurse dieser Firmen scheinbar endlos weiter, wodurch ersichtlich wird, dass alternative Bewertungsmethoden nötig sind, um das Geschäftsmodell dieser High-Growth-Unternehmen (meist SaaS Unternehmen) angemessen zu bewerten.

Aus dieser Notwendigkeit ist die sogenannte Rule of 40 entstanden, die ursprünglich aus der Private Equity und Venture Capital Branche kommt und zur Bewertung von High-Growth-Unternehmen benutzt wird.

Was ist die Rule of 40?

Die Rule of 40 besagt, dass die Summe aus der Wachstumsrate des Umsatzes und der Gewinnmarge mindestens 40 Prozent betragen sollte. Ein Unternehmen mit einem Umsatzwachstum von 40 Prozent und einer Profitabilität von null  Prozent kann mit einem Unternehmen von zehn Prozent Umsatzwachstum und einer Profitabilität von 30 Prozent verglichen werden. Es handelt sich hier nicht um ein wissenschaftliches Gesetz, sondern vielmehr um eine aus der Praxis abgeleitete Erkenntnis durch die Analyse einer Vielzahl von Wachstumsunternehmen. 

Wie berechnet sich die Rule of 40?

Efficiency Score (%)  = Growth Rate (%) + Free-Cash-Flow-Margin (%)

Rule of 40 errechnen Formel
Rule of 40 errechnen: Formel

Die Rule of 40 besagt, dass ein effizientes Unternehmen über viele Jahre hinweg einen Score von über 40 Prozent haben sollte.

40 Prozent ist als eine Marke zu sehen, die nur besonders erfolgreiche Unternehmen zu erzielen vermögen. Die nachfolgenden Graphen illustrieren den oftmals inversen Zusammenhang zwischen Umsatzwachstum und Profitabilität, hier gemessen durch die Free-Cash-Flow-Marge.

Amazon Free Cash-Flow-Marge Umsatzwachstum-Rule-of-40 im Vergleich
CME Group: Free Cash Flow Marge, Umsatzwachstum, Rule of 40 im Vergleich

Die Rule of 40 in einem einzigen Jahr zu übertreffen, ist sehr beachtlich, aber die größere Herausforderung besteht darin, Wachstum und Cashflow Jahr für Jahr auszugleichen, sodass die 40er-Marke immer geknackt wird. Aber wie funktioniert dies genau?

Wie schlagen Unternehmen die 40er-Marke?

Nur ein kleiner Kreis von Firmen schafft es, die 40er-Marke über einen längeren Zeitraum zu übertreffen. Wir haben die Firmen im NASDAQ 3000 in Bezug auf die Rule of 40 im folgenden Graphen dargestellt und analysiert und kamen zu folgendem Ergebnis.

Die jeweiligen Strategien hängen stark mit den Phasen im Unternehmenslebenszyklus zusammen. Ein Drittel aller Firmen, welche die 40er-Marke längerfristig knacken, sind in der Regel relativ junge Unternehmen. Diese befinden sich in einer starken Wachstumsphase und investieren große Teile ihres Cashflows in die weitere Expansion des Geschäftes und sind oftmals nicht besonders oder überhaupt nicht profitabel.

Weitere 50 Prozent aller Firmen, welche die 40er-Marke längerfristig erreichen, sind reifere Unternehmen, die einen großen Teil der Geschäftsexpansion bereits hinter sich haben. Um weiterhin die 40er-Regel zu erfüllen, müssen diese Unternehmen ihr Geschäftsmodell profitabler gestalten. Dies  können die Firmen erreichen, indem sie bestehende Produkte weiterentwickeln. Entsprechend zeigt sich dieser Wandel auch in niedrigeren Investitionen in Forschung und Entwicklung. Der restliche Anteil der Firmen, welche die 40er-Marke längerfristig übertrifft, sind gefestigte Unternehmen, welche hochprofitable Flaggschiffgeschäfte besitzen und oftmals ein geringes Umsatzwachstum aufweisen.

Zusammenfassend gilt, dass erstklassige Firmen abhängig von ihrem Reifegrad die optimale Balance zwischen Profitabilität und Wachstum finden müssen, sodass ein Score über 40 zu jedem Zeitpunkt erfüllt wird.

Wie teuer darf es sein?

Wir haben die Rule of 40 für 140 internationale Firmen aus hochentwickelten Ländern analysiert, die ein beachtliches digitales Potenzial besitzen und für unseren Fonds als Kaufkandidaten gelten. Da die meisten dieser Unternehmen nach fundamentalen Bewertungsmethoden sehr hoch bewertet sind, stellt sich die Frage, inwiefern wir sinnvolle Entscheidungen unter Bewertungsgesichtspunkten treffen können.

Der folgende Graph illustriert den Zusammenhang zwischen Bewertung (Enterprise Value / Umsatz) und Rule of 40.

Der Enterprise Value (EV) eines Unternehmen wird als umfassende alternative zur Aktienmarktkapitalisierung genutzt. Neben der Marktwert der Aktien fließt neben den kurz- und langfristigen Schulden auch der CashBestand des Unternehmens mit ein. Bevorzugt wird der Enterprise Value bei Unternehmensübernahmen eingesetzt.

Anhand der Kandidaten vom The Digital Leader Fund wird deutlich, wieso klassische Bewertungsmethoden für High-Growth-Unternehmen nicht aussagekräftig sind.

Deutlich wird, dass jene Unternehmen, welche einen hohen „Efficiency Score“ aufweisen, auch ein höheres EV/Umsatz-Verhältnis haben und somit nach herkömmlichen Bewertungskriterien teuer sind. Nach der Rule of 40 sind sie jedoch fair bewertet. Die positive Steigung der Fair-Value-Linie (Graph: dunkelgrau) visualisiert diesen Zusammenhang. Firmen, welche sich unter der Trendlinie befinden, sind somit eher unterbewertet, während andere über der Trendlinie eher zu hoch bewertet sind. 

Wir sind bereit für Firmen eine Bewertungsprämie zu zahlen, falls dies durch eine hohe Effizienz der Unternehmen gewährleistet ist.

Ansatz auf hohe Effizienz der Unternehmen zu setzen

Ob ein solcher Ansatz sinnvoll ist, haben wir historisch überprüft und dabei sehr gute Resultate erzielt, welche im folgenden Graphen dargestellt sind.

Die Aktien, die wir als günstig relativ zur „Efficiency Score“ eingeschätzt haben (Graph: „Relativ günstig“), haben sich besser entwickelt als die Titel, welche wir als zu teuer bewertet haben (Graph: „Relativ teuer“). Hervorzuheben ist, dass diese „Outperformance“ mit einer fast 50 prozentigen Reduktion des maximalen Verlustrisikos einhergeht. Der Digital Leaders Index setzt sich aus unserer Watchlist zusammen.

Wir haben einige Beispiele von Aktien aus dem NASDAQ 3000, die diese Kriterien erfüllen, exemplarisch aufgeführt.

Rule of 40 Screening: Top 50 Aktien aus dem NASDAQ 3000

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Fazit

Vor allem im heutigen High-Growth-Zeitalter ist es schwer, den „fairen“ intrinsischen Wert eines Unternehmens mit hoher Genauigkeit zu ermitteln. Wenn herkömmliche Bewertungsmethoden an ihre Grenzen stoßen, ist es unserer Ansicht nach sinnvoll, die Rule of 40 als alternative Kennzahl in der Bewertung zu berücksichtigen. Allerdings ist der Efficiency Score nur eine von vielen Kennzahlen, die wir für die Bewertung von Unternehmen im digitalen Zeitalter heranziehen. Anlegern raten wir davon ab, nur auf Basis von wenigen Kennzahlen zu investieren. Ein Deep Dive in das Geschäftsmodell halten wir für unerlässlich. Kapitalmaßnahmen können z.B. einzelne Kennzahlen maßgeblich beeinflussen.

Wir werden künftig weitere Kennzahlen zur Bewertung von Unternehmen im digitalen Zeitalter vorstellen. Wenn Du an diesen Artikeln interessiert bist, dann kannst Du hier unseren kostenlosen Newsletter abonnieren.

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Disclaimer

Dieser Beitrag stellt eine Meinungsäußerung und keine Anlageberatung dar. Bitte beachte die rechtlichen Hinweise.

Autor

  • Stefan Hartmann

    Stefan schaut auf eine mehr als 20-jährige Erfahrung in den Bereichen Aktien, festverzinsliche Wertpapiere, Derivate und Hedge Funds zurück. In seiner Tätigkeit als globaler Leiter des Quantitativen Research Teams bei ABN AMRO, hat er über 300 institutionelle Kunden in den USA, Europa und Asien zu allen Fragen des Investment Prozesses beraten. Zuvor war er 10 Jahre bei Salomon Smith Barney als Leiter des quantitativen Research Teams für Europa tätig, wo er Top Rankings in den großen Research Surveys erzielte. Stefan hat über 50 Research Veröffentlichungen zu allen Aspekten des Investment Prozesses in Aktien, festverzinsliche Wertpapiere und Währungen publiziert.

Stefan Hartmann

Stefan Hartmann

Stefan schaut auf eine mehr als 20-jährige Erfahrung in den Bereichen Aktien, festverzinsliche Wertpapiere, Derivate und Hedge Funds zurück. In seiner Tätigkeit als globaler Leiter des Quantitativen Research Teams bei ABN AMRO, hat er über 300 institutionelle Kunden in den USA, Europa und Asien zu allen Fragen des Investment Prozesses beraten. Zuvor war er 10 Jahre bei Salomon Smith Barney als Leiter des quantitativen Research Teams für Europa tätig, wo er Top Rankings in den großen Research Surveys erzielte. Stefan hat über 50 Research Veröffentlichungen zu allen Aspekten des Investment Prozesses in Aktien, festverzinsliche Wertpapiere und Währungen publiziert.

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3 Antworten

  1. Informativer Artikel und eine Liste mit teils interessanten, unbekannteren Werten.
    Allerdings ist sehr starkes Umsatzwachstum meiner Erfahrung nach eher kontraproduktiv / underperforming. Das mag auch damit zusammenhängen, wie Umsatzwachstum entsteht (organisch, Kostenexplosion, Akquise…). Das kann ich in meinen Daten leider nicht unterscheiden.

    Die Ausnahmen bilden 99/2000 Dot.com und die aktuelle Phase. Da läuft alles und es ist den Anlegern kurzzeitig offensichtlich egal wie Wachstum generiert wird. Langfristig ist es meiner Ansicht nach wichtiger auf Bewertung und Qualität zu schauen – auch oder gerade besonders im Wachstumssegment.

    1. Das Ausmaβ der Diskontierung von Fundamentaldaten in Aktienmärkten schwank stark im Zeitablauf. Daher wechseln sich Phasen mit positiver Diskontierung von Wachstumsexposure mit Phasen von negativer Diskontierung ab. Die hier beschriebene Strategie basiert nicht auf reinem Wachstum, sondern wägt Wachstum in Kombination mit Profitabilität gegen die Bewertung ab. Daher sind die Renditen dieser Strategie wesentlich robuster im Zeitablauf und reagieren auch weniger anfällig auf Schwankungen des Wirtschaftszyklus als reine Wachstumsstrategien.

    2. In vergangenen Haussephasen gab es ebenfalls Bewertungsmodelle die hohe Bewertungen nach klassischen Maßstäben scheinbar rational erklärbar machten. Zudem die Schwierigkeit, eine Wachstumsgeschwindigkeit auf immer breiterer Basis weiter aufrecht zu erhalten obwohl dies Unternehmen mit skalierbaren Geschäftsmodellen besser gelingen kann als allen anderen.

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