In dieser Woche hat SAP wieder zugeschlagen und angekündigt, für $8 Milliarden das im deutschsprachigen Raum eher unbekannte Cloud-Softwareunternehmen Qualtrics zu übernehmen.
Und zwar wenige Tage vor deren eigenem Börsengang.
Die Börse reagiert wenig begeistert und schickte die SAP-Aktie in einer ersten Reaktion über 5 Prozent gen Süden.
Damit wurden – in einem zugegebenermaßen auch schwächelnden Gesamtmarkt – mehr als $5 Milliarden an Marktkapitalisierung vernichtet durch diese Transaktion.
Hat die Börse recht in der spontan negativen Einschätzung dieses Deals?
Who the f… is Qualtrics?
Qualtrics ist ein immerhin 16 Jahre altes Unternehmen aus Utah in USA.
Das Unternehmen hat in 2017 $290 Millionen Umsatz erwirtschaftet, das entspricht einem Umsatzwachstum von 52 Prozent gegenüber Vorjahr.
Es konnte in 2017 ein positiver Cashflow von immerhin $21 Millionen erwirtschaftet werden.
Das Umsatzwachstum verlangsamte sich im 1. Halbjahr 2018 auf knapp 42 Prozent.
Laut der SAP-Presseerklärung erwartet man in 2018 einen Umsatz von über $400 Millionen und zukünftige Wachstumsraten von über 40 Prozent.
Selbsterklärter Leader im Experience Management
Qualtrics sieht sich selbst als Pionier und Leader in einer neuen Softwarekategorie mit dem hochtrabenden Namen Experience Management (EX).
Man kann sich das als eine moderne Form von cloud-basierter Marktforschung vorstellen.
Im Kern geht es um das Sammeln von Daten durch Online-Umfragen sowie andere Kanäle der Kundenkommunikation.
Unternehmen können damit ermitteln, wie zufrieden Kunden oder auch Mitarbeiter sind und wertvolles Feedback zum Beispiel bei der agilen Produktentwicklung einholen.
Qualtrics ist am ehesten mit dem Silicon Valley-Rivalen SurveyMonkey (SVMK) zu vergleichen, der seinen eigenen Börsengang erst vor wenigen Monaten im September 2018 hinter sich gebracht hat.
Die zu einem Preis von 12$ ausgegebenen Aktien von SVMK waren zunächst bis über 18$ gestiegen.
Mittlerweile ist die Aktie deutlich unter Druck geraten und notiert aktuell sogar unter dem Ausgabepreis.
Der aktuelle Enterprise Value von circa $1,5 Milliarden entspricht einem EV/Sales – Verhältnis von unter 6.
SAP kauft Qualtrics – Wie teuer darf es sein?
Demgegenüber erfolgt die Qualtrics-Übernahme durch SAP zu einem EV/Sales -Verhältnis von mehr als 18.
SAP bezahlt somit den 3-fachen Preis im Vergleich zur Bewertung des direkten Wettbewerbers.
Ein wahrlich strategischer Preis, um es positiv auszudrücken.
Offensichtlich sieht SAP in der Übernahmen Chancen, die einen so absurden Preis rechtfertigen.
Für den außenstehenden Investor erscheint dieser Deal sehr teuer.
Zugegeben, Qualtrics ist größer als SurveyMonkey und wächst schneller.
Qualtrics ist sicherlich auch aufgrund seiner bereits unter Beweis gestellter Profitabilität das attraktivere Unternehmen.
Aber rechtfertigt das einen relativ zum Umsatz betrachtet 3x höheren Preis? Ich denke nicht.
Wundersame Wertsteigerung
Die letzte Finanzierungsrunde von Qualtrics erfolgte vor gerade mal 15 Monaten zu einer Bewertung von $2,5 Milliarden.
Die Geldgeber waren einige der renommiertesten Risikokapitalgeber des Silicon Valley wie Sequoia Capital und Accel Partners.
Ist in der Zwischenzeit irgendwas passiert, das eine Verdreifachung dieses Unternehmenswertes rechtfertigen würde? Ich denke nicht.
Nicht zum ersten Mal verkaufen diese US-Risikokapitalgeber eines ihrer Portfoliounternehmen an SAP.
Die Deutschen sind in der Szene bekannt dafür, extrem hohe Preise zu zahlen, wenn sie ein Unternehmen unbedingt haben wollen.
Hinter vorgehaltener Hand und mit einem Augenzwinkern wird dann auch schon mal beim Feierabendbier rund um Palo Alto vom Stupid German Money geredet.
Warum bezahlt SAP einen solchen strategischen Preis?
Die Zukunft der Enterprise Software liegt in der Cloud.
Will SAP auch in der Cloud-Ära eine dominierende Rolle spielen, so ist das Unternehmen zum Wachstum bei Cloud-Subskriptionen verdammt.
Offensichtlich ist das Unternehmen gewillt, solche Akquisitionen um fast jeden Preis durchzuführen.
Ein zufriedenstellendes organisches Wachstum ist bei SAP kaum noch möglich.
Die aktuell insgesamt avisierten 8 Prozent Umsatzwachstum in 2018 resultieren vor allem aus den Umsatzsprüngen beim Cloud-Umsatz.
Der Zuwachs dort betrug zuletzt im 3. Quartal 41 Prozent auf €1,3 Milliarden.
Das hört sich beeindruckend an, ist aber nicht organisch, sondern auf die aggressive Einkaufstour in USA zurückzuführen.
So wurden seit 2012 mehr als $23 Milliarden in die US-Akquisitionen von SuccessFactors, Ariba, Concur, Callidus und jetzt Qualtrics investiert.
Um das Cloud-Wachstum einigermaßen aufrechtzuerhalten bleibt SAP nichts anderes übrig, als immer neue und immer größere Umsatzströme aus Cloud-Subskriptionen zuzukaufen.
Diese Akquisitionen wirken wie eine Droge und bergen großes Suchtpotential.
SAP kauft Qualtrics – Fazit
In den bisherigen Kommentaren zu dieser SAP Übernahme ist viel von den Finanzen die Rede, eigentlich kaum von den Kunden.
Und obwohl man vordergründig meinen könnte, es gehe bei dieser Übernahme um bessere Kundenerfahrungen, fehlt mir der Glaube, dass SAP mit der strategischen Ausrichtung und den diversen Akquisitionen Kunden glücklicher gemacht hat.
Durch die vielen Übernahmen sind Parallel-Strukturen entstanden, die Kunden zunehmend verwirren und Re-Organisationen nötig machen.
Ein auf 17,8 Prozent gesunkener Net Promoter Score (NPS) ist alarmierend, denn diese Kennzahl bedeutet, dass die SAP-Kunden das Unternehmen nur noch mit geringer Wahrscheinlichkeit weiterempfehlen würden.
Aber man hat ja jetzt mit Qualtrics eine eigene Software im Angebot, um den NPS zukünftig noch genauer messen zu können. 😉
SAP kämpft mit ganz ähnlichen grundsätzlichen Problemen wie auch IBM und Oracle.
Die Bestandskunden sind immer weniger glücklich mit der oftmals zu großen Abhängigkeit von diesen IT-Dinos und nutzen daher oftmals jede Option, um unabhängiger zu werden.
Der derzeitige Weg des externen Wachstums ist nicht nachhaltig.
Entweder gelingt es in Walldorf, Innovation wieder selbst zu schaffen auf Basis der eigenen hervorragenden Software-Ingenieure, oder aber SAP wird in den nächsten 10-20 Jahren erheblich an Bedeutung am Markt für Enterprise Software verlieren.
Wir sehen SAP nicht als Digital Leader und werden die Aktie daher auch weiterhin nicht in das Portfolio des DLF aufnehmen.
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Autor
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Stefan war in seinem gesamten Berufsleben in der High-Tech-Industrie tätig. Er hat sein eigenes Software-Unternehmen gegründet, internationalisiert und vor einigen Jahren ins Silicon Valley verkauft. Der Wirtschaftsmathematiker investiert seit über 30 Jahren in Aktien. Er verwaltet eines der erfolgreichsten investierbaren Musterportfolios auf der wikifolio Plattform.
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Eine Antwort
Super informativ. Das nenne ich investors-relation Danke Stefan