Sea Aktie: Die Suche nach dem Pferdefuß

19. Mai 2023

Die Sea Aktie hat eine bewegte Vergangenheit. Von ihren Höchstständen Ende 2021 brach die Aktie um knapp 90 Prozent ein. Seit dem Tief vom November 2022 konnte sie sich aber, getrieben von einer überraschend positiven Entwicklung bei der Profitabilität, wieder verdoppeln. Die jüngsten Zahlen hat der Markt wiederum zunächst mit einem Kurssturz von 18 Prozent abgestraft. Zurecht? Wir analysieren neben den Zahlen auch die Kommentare der Fachpresse.

Zahlen zum vierten Quartal

Der Umsatz lag bei drei Milliarden Dollar, ein Plus von fünf Prozent. Das entspricht dem Bloomberg-Konsens.  

Adjusted Ebitda lag bei 507 Millionen Dollar, im Vorjahr waren es noch Minus 510 Millionen Dollar. Erwartet wurden hier 389 Millionen Dollar.

Der Nettogewinn lag bei 87 Millionen Dollar. Das war unter den Erwartungen. Grund: 118 Millionen Dollar Abschreibungen beim Goodwill. Im Vorjahr wurde noch ein Verlust von 580 Millionen Dollar verbucht.

Die Entwicklung in den einzelnen Geschäftsbereichen

Umsatz E-Commerce

Der E-Commerce Umsatz lag mit 2,26 Milliarden Dollar (plus 36 Prozent YoY) über den Erwartungen von 2,06 Milliarden Dollar. Insbesondere das Wachstum in Indonesien war stark. Auch das E-Commerce Adjusted Ebitda toppte mit 208 Millionen Dollar die Schätzungen (178 Millionen).

Asien erwirtschaftete 276 Millionen Dollar EBITDA, der Verlust im Rest der Welt lag bei noch 58 Millionen Dollar. 

Im mit vier Jahren relativ jungen Markt Brasilien verlor man jetzt nur noch 0,34 Dollar pro Bestellung, 77 Prozent weniger als noch vor einem Jahr. Die drei Millionen Vertragshändler machen jetzt bereits 85 Prozent des Umsatzes im Land aus.

Fortschritte gab es in der Logistik. Durch Automatisierung wurde die durchschnittliche Lieferdauer um einen halben Tag gesenkt. Die Herausforderung: Der größte Markt, Indonesien, besteht aus über 10.000 Inseln,

Neue AI-Tools helfen bei der Personalisierung der Angebote und bei der Verbesserung von Chatbots.

Umsatz Digital Entertainment

Enttäuschend war der Umsatz im Digital Entertainment mit 540 Millionen Dollar, erwartet wurden 647 Millionen Dollar. Im letzten Jahr hatte die Einnahmen noch bei 1,1 Milliarden Dollar gelegen.

Allerdings schlug sich der verfehlte Segmentumsatz nicht in der Profitabilität nieder. Das Digital Entertainment Adjusted Ebitda lag bei 230 Millionen Dollar, leicht über den Erwartungen von 224 Millionen Dollar.

Die Zahl der aktiven User lag überraschend bei 491,6 Millionen Dollar; erwartet worden waren 458 Millionen Dollar. Enttäuschung dagegen bei der Anzahl der zahlenden Spieler mit 37,6 Millionen, die Erwartungen lagen bei 41 Millionen. Der Umsatz pro Spieler fiel im Vergleich zum vierten Quartal 2022 noch einmal deutlich von 1,1 auf 0,9 Dollar.

Umsatz Digital Financial Services

Mehr als erwartet setzte wieder Digital Financial Services mit einem Umsatz von 412,8 Millionen Dollar um, die Analysten hatten 372,9 Millionen Dollar in ihre Modelle eingegeben. Ebenfalls besser: Adjusted Ebitda lag bei 99 Millionen Dollar versus Konsens  von 68.2 Millionen Dollar. 

Die Rückstellungen für faule Kredite stiegen um 121 Prozent auf 177 Millionen. Insgesamt liegen die Rückstellungen bei 281 Millionen Dollar, bei einem (Netto-) Forderungsbestand von zuletzt zwei Milliarden Dollar. Neue Kredite werden zunehmend in Zusammenarbeit mit Finanzierungspartnern vergeben, um die eigene Bilanz zu schonen.

Kosten Und Cash Position

Die Kosten fielen insgesamt um 6,1 Prozent auf 1,6 Milliarden Dollar. Sales und Marketingkosten wurden um 60 Prozent auf 400 Millionen reduziert. 

Besonders erfreulich: Die Cash Bilanz stieg um 258 Millionen auf 7,2 Milliarden Dollar. Damit verbrennt Sea zum ersten Mal kein Cash mehr. Bravo! Davon möchten wir mehr sehen!

Ausblick Sea Aktie

Die wirtschaftliche Situation in Südostasien ist trotz der weiterhin persistenten Inflation unverändert stabil. Das sind gute Voraussetzungen für Sea. Eine Guidance gibt es aber leider nicht.

Ein Goodie gab es dennoch vom Managment. Im April hat das Management  einen Turnaround im Gaming verzeichnet. Die Spieler-Zahlen bei Free Fire erreichten ein 8-Monats-Hoch. Wir können das mit Blick auf die digitale Spur bestätigen.

Positiv

Das Unternehmen hat den Turnaround geschafft, generiert jetzt Cash Flow und hat ein dickes Polster von 7 Milliarden Dollar. Damit ist Sea zukünftig in der Lage, unprofitable Konkurrenten zu verdrängen und die Welt weiter zu erobern.

Negativ

Sea ist mit Finanzzahlen extrem geizig, was wir aufgrund der Konkurrenzsituation im E-Commerce und Fintech auch teilweise nachvollziehen können. Jetzt gibt es aber nicht mal mehr einen GMV. Für Transparenz gibt es da keine Punkte.

My Take

Der Umsatz lag genau im Rahmen der Erwartungen. EBITDA lag 30 Prozent über den Erwartungen, der Nettogewinn dagegen lag 63 Prozent unter den Erwartungen. Die Erwartungslücke beim Reingewinn resultiert aus einer Goodwill-Abschreibung von 118 Millionen Dollar. Die Zahlen liegen damit, sieht man von der “one-off” Rückstellung ab, im Rahmen der Erwartungen.  

Sea-Trader haben aber offensichtlich einen Hang zur Dramatik. Darauf weisen die extrem breiten Handelsspannen der Aktie in den letzten Jahren und die Reaktion auf die jüngsten Zahlen hin. 

Amüsant ist eine Lektüre der Kommentare in den Finanzmedien. Die heftige Kursbewegung wird in den Überschriften durch die Bank weg mit einer Enttäuschung bei den Zahlen begründet. In den Artikeln finden sich unterschiedliche Begründungen und Analysen dazu, welcher Indikator innerhalb der Business-Segmente Schuld gewesen sei. Die Autoren sind sich dabei keinesfalls einig; jeder pickt sich die Zahlen heraus, die zu seiner Theorie passen.

Das Big Picture ist aber eine weitere erhebliche Verbesserung bei den Zahlen. Es kommt aber allmählich auch zu einer Wachablösung. Der E-Commerce Bereich verdient erstmals fast so viel wie die in die Jahre gekommene Gaming-Cash-Cow. Die Aktie hat aber mit den jüngsten Kurssteigerungen schon einiges an guten Nachrichten vorweggenommen. 

Die Sea-Aktie handelt aktuell bei einem EV/EBITDA 2023 von 22 und EV/EBITDA 2024 von 16. Die Bewertung ist damit attraktiv, wenn man davon ausgeht, dass der Wachstumskurs wieder aufgenommen werden kann, ohne die Profitabilität zu opfern. Das wird das Management in den nächsten Quartalen beweisen müssen. Die dramatischen Bewegungen bis dahin sind Noise und können Einstiegschancen bieten.

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Disclaimer

Emerging Markets Digital Leaders und/oder der Autor und/oder verbundene Personen oder Unternehmen besitzen Anteile von Sea. Dieser Beitrag stellt eine Meinungsäußerung und keine Anlageberatung dar. Bitte beachte die rechtlichen Hinweise.

Autor

  • Steffen Gruschka

    Steffen war von 1998 bis 2006 im Fondsmanagement der DWS als Leiter Aktien Osteuropa tätig und dort für bis zu 5 Mrd. Euro AuM verantwortlich. Er wurde für seine Arbeit als Fondsmanager mehrfach prämiert u.a. wurde er von der Zeitschrift Finanzen 2003 mit dem DWS Russia als Fondsmanager das Jahres ausgezeichnet. Anschließend machte er sich in London selbständig und verwaltete über 10 Jahre lang Hedge Fonds. Anfang 2021 stieg er als Partner bei Pyfore Capital ein und ist seither für das Fondsmanagement des EM Digital Leaders verantwortlich.

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Steffen Gruschka

Steffen war von 1998 bis 2006 im Fondsmanagement der DWS als Leiter Aktien Osteuropa tätig und dort für bis zu 5 Mrd. Euro AuM verantwortlich. Er wurde für seine Arbeit als Fondsmanager mehrfach prämiert u.a. wurde er von der Zeitschrift Finanzen 2003 mit dem DWS Russia als Fondsmanager das Jahres ausgezeichnet. Anschließend machte er sich in London selbständig und verwaltete über 10 Jahre lang Hedge Fonds. Anfang 2021 stieg er als Partner bei Pyfore Capital ein und ist seither für das Fondsmanagement des EM Digital Leaders verantwortlich.

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