Trotz eines Rekordgewinns stürzte die Sea-Aktie nach Bekanntgabe der Quartalszahlen ab. Grund ist die Wiederaufnahme des Wachstumspfads im E-Commerce. Der Markt befürchtet das Ende der Frugalität und eine Rückkehr zur Verlustmacherei. Das Management hatte bei seiner Entscheidung aber schon einen wichtigen Informationsvorsprung. Wir wittern eine Kaufgelegenheit und erklären, warum.
Sea-Aktie: Zahlen zum vierten Quartal
Sea Limited hat erneut gute Zahlen berichtet. Der Umsatz stieg gegenüber dem Vorjahreszeitraum zwar nur um moderate 5 Prozent auf 3,1 Milliarden Dollar, der Rohertrag schoss aber um satte 33 Prozent auf 1,5 Milliarden nach oben. Das EBITDA erreichte 510 Millionen Dollar, knapp mehr als im ersten Quartal. Ein Jahr zuvor lag dieser Wert noch bei minus 506 Millionen Dollar. Auch der Reingewinn fiel mit 331 Millionen Dollar deutlich höher aus als im ersten Quartal (118 Millionen Dollar). Das Unternehmen war damit jetzt das dritte Quartal in Folge profitabel. Im zweiten Quartal 2022 wurde noch ein Verlust von 931 Millionen Dollar eingespielt.
Der Umsatz im E-Commerce (Shopee) stieg um 21 Prozent (in konstanter Währung 24 Prozent). Das EBITDA lag allerdings bei 150 Millionen Dollar und damit unter den Erwartungen der Analysten. Asien trug 204 Millionen Dollar bei, in den anderen Regionen verlor Sea immer noch 54 Millionen Dollar, immerhin etwas weniger als zuvor. Der Verlust pro Order in Brasilien, wo Sea nicht als Marktführer auftritt, konnte im Jahresvergleich um 83 Prozent auf 0,24 Dollar reduziert werden. Die Zahl der Orders stieg im Vergleich zum ersten Quartal dieses Jahres um 10 Prozent.
Erfreuliches gab es auch aus dem zuletzt leidgeprüften Digital Entertainment Bereich (Garena) zu berichten: Der Umsatz sank im Quartalsvergleich nur noch um zwei Prozent auf 529 Millionen Dollar, EBITDA zog sogar um 4 Prozent auf 240 Millionen Dollar an. Die Zahl der Spieler stieg um 11 Prozent auf 545 Millionen an. Noch wichtiger: Die Zahl der zahlenden Nutzer wuchs um 15 Prozent auf 43 Millionen an.
Digital Financial Services setzte 428 Millionen Dollar um, 53 Prozent mehr als im Vorjahr. EBITDA lag bei 137 Millionen, im Vorjahresquartal waren es noch minus 112 Millionen Dollar gewesen. Wermutstropfen: Die Kreditausfälle stiegen um 37 Prozent auf 153 Millionen Dollar.
Die guten Ergebnisse sind vor allem auf dramatisch niedrigere Verkaufs- und Marketingkosten zurückzuführen: Diese lagen mit 493 Millionen Dollar nur halb so hoch wie im Vorjahr. Auch die administrativen Kosten konnten um 19 Prozent auf 295 Millionen Dollar gesenkt werden. Aber auch für Forschung und Entwicklung wurde mit 283 Millionen Dollar rund 24 Prozent weniger ausgegeben als im Vorjahr.
Cash und Äquivalente sind im Quartal um 477 Millionen auf 7,7 Milliarden Dollar angeschwollen.
Ausblick
Ende August debütierte Temu, das Auslandsgeschäft von PDD mit dem Slogan “shop like a billionaire” in den Philippinen. Die von Temu ausgehende Bedrohung für Sea ist allerdings begrenzt. Der Regulator in Indonesien (gut die Hälfte des regionalen GMV), steht Billigimporten aus China kritisch gegenüber: Man möchte lokale Produzenten und Händler schützen. Auch Thailand und Vietnam haben regulatorische Restriktionen.
Weit gefährlicher ist aber TikTok. Der CEO von TikTok Shou Zi Chew kündigte bereits im Juni an, in Südostasien „Milliarden Dollar“ investieren zu wollen. Tik Tok hat tiefe Taschen, alleine im letzten Quartal sollen 3,4 Milliarden Umsatz gemacht worden sein. Der TikTok Shop soll zu einem globalen Player ausgebaut werden. Alleine in den USA soll der Shop laut Medienberichten 500 Millionen Dollar verbrennen. Indonesien ist für TikTok mit 100 Millionen Nutzern (nach den USA) der zweitgrößte Markt. Auch Vietnam mit 45 Millionen und die Philippinen mit 36 Millionen Nutzern gehören zu den Top 10 Ländern.
Nach 4.4 Milliarden Dollar in diesem Jahr soll der TikTok Shop in der Region dieses Jahr 15 Milliarden GMV umsetzen. Eine Studie des Venture Spezialisten von Momentum Works prophezeien dem Tik Tok Shop in Südostasien einen Marktanteil von 13,2 Prozent.
Laut Bloomberg Intelligence nutzen bereits 80-100 Millionen der insgesamt 325 Millionen TikTok Nutzer in Südostasien mindestens einmal monatlich den Shop und kaufen bisher überwiegend Beauty-Produkte, die 70 Prozent des Warenumsatzes ausmachen. Shopee mit über 200 Millionen MAU hat dagegen ein breites Warensortiment. Außerdem fehlt TikTok die von Sea jahrelang aufgebaute Logistik.
Wir glauben, dass vor allem kleinere Player unter Druck geraten werden und Shopee mit einem geschätzten Marktanteil von rund 48 Prozent in einer starken Position ist, aber jetzt richtigerweise auf die Bedrohung reagiert.
Kurz vor Redaktionsschluss löste sich das Rätsel auf, warum Sea den Pivot im E-Commerce gerade jetzt und für den Markt überraschend vollzogen hat: Die von uns heiß erwartete Wiederzulassung des Spiels Garena Free Fire in Indien wurde bekannt gegeben.
Entscheidend dürfte für den Regulierer die Partnerschaft mit dem indischen Datencenter Yotta sein, die den Schutz von Nutzerdaten gewährleistet. Vor dem Verbot machten Inder ein Drittel der Spieler aus, die News vom Verbot kostete Sea damals 16 Milliarden Dollar an Marktkapitalisierung.
Die gute Entwicklung dürfte das Management aber bereits zum Zeitpunkt des Earnings-Calls zumindest antizipiert haben. Es ist jetzt eine deutliche Verbesserung der Cash Flows bei Garena und eine nochmals verbesserte finanzielle Lage bei Sea zu erwarten. Das ermöglicht der Gesellschaft ein aggressives Wachstum.
Es steht viel auf dem Spiel, denn der E-Commerce-Markt in Südostasien soll sich in den nächsten fünf Jahren noch einmal auf über 200 Milliarden verdoppeln. Das folgende Schaubild illustriert die Wachstumsszenarien von Momentum. Bloomberg geht sogar noch einen Schritt weiter, bis zum Ende der Dekade sollen es 400 Milliarden GMV werden.
Positiv
Sea hat noch einmal unter Beweis gestellt, dass das existierende Geschäft in Asien profitabel betrieben werden kann. Auch beim Brasilien-Geschäft erscheinen mittelfristig nunmehr grüne Zahlen möglich.
Sea hat von Tik Tok gelernt und stimuliert das User-Engagement mit einem Livestream Feature. Ein erster Test am 7. Juli hat zu einer 12-fachen Transaktionsfrequenz geführt. Am 8. August verfolgte ein Viertel der indonesischen Nutzer den Livestream und bestellte 5 Millionen Mal.
Die lange Schrumpfungsphase des Gaming-Geschäftes ist beendet, darauf deutet aktuell auch die digitale Spur hin. Indien wird jetzt einen zusätzlichen Boost bringen.
Negativ
Die Gesellschaft verschreckt angesichts der drohenden Konkurrenz den Markt mit einem erneuten Pivot hinsichtlich der Wachstumsstrategie. Offen ist die Frage, ob und wie tief Sea Ltd. jetzt wieder in die roten Zahlen rutscht. Die Kollegen von Goldman Sachs erwarten negative EBITDA-Prints im E-Commerce, aber nicht auf Unternehmensebene.
My Take zur Sea-Aktie
Der Umsatz lag mit 3 Prozent unter den Erwartungen. Der Gewinn schlug die Erwartungen allerdings um satte 15 Prozent. EBITDA übertraf die Erwartungen der Analysten um 4 Prozent.
Die Neuausrichtung der Wachstumsstrategie und die damit verbundene niedrige Visibilität hinsichtlich der Profitabilität in den nächsten Quartalen hat zu einem Absturz der ohnehin gebeutelten Sea-Aktie von Kursen um 57 Prozent um nochmal ein Drittel geführt. Seit den Höchstständen im Herbst 2021 ist die Aktie damit um 90 Prozent gefallen.
Für dieses Jahr ist die Aktie laut Bloomberg Konzerns aktuell mit einem EV/ EBITDA von 13,2 und für nächstes Jahr von 10,5 optisch günstig bewertet. EV/Sales liegt aktuell bei 1,5. So günstig war die Sea-Aktie schon seit vielen Jahren nicht mehr. Auch im Vergleich mit Emerging und Developed Market Peers schneidet Sea damit jetzt günstig ab.
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Wir haben unsere Einstiegsposition deutlich erhöht. Sea sollte vom dynamischen Wachstum in Südostasien profitieren, das zusätzlich befeuert wird durch die Diversifikation der globalen Lieferketten. Zudem hat das Management bewiesen, dass es die GuV auch bei unruhiger See steuern kann, die Gesellschaft sitzt außerdem auf einem dicken Cash Polster. Abgerundet werden die positiven Nachrichten vom jetzt zu erwartenden Umsatz-Booster im indischen Gaming-Geschäft.
Disclaimer
Emerging Markets Digital Leaders und/oder der Autor und/oder verbundene Personen oder Unternehmen besitzen Anteile von Sea. Dieser Beitrag stellt eine Meinungsäußerung und keine Anlageberatung dar. Bitte beachte die rechtlichen Hinweise.
Autor
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Steffen war von 1998 bis 2006 im Fondsmanagement der DWS als Leiter Aktien Osteuropa tätig und dort für bis zu 5 Mrd. Euro AuM verantwortlich. Er wurde für seine Arbeit als Fondsmanager mehrfach prämiert u.a. wurde er von der Zeitschrift Finanzen 2003 mit dem DWS Russia als Fondsmanager das Jahres ausgezeichnet. Anschließend machte er sich in London selbständig und verwaltete über 10 Jahre lang Hedge Fonds. Anfang 2021 stieg er als Partner bei Pyfore Capital ein und ist seither für das Fondsmanagement des EM Digital Leaders verantwortlich.
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