Von drei Bankenpleiten zur Bankenkrise? Welche Banken sind noch investierbar?

31. März 2023

Bankenpleite

Zwei US-Regionalbanken und die Credit Suisse sind umgekippt. Künden diese Bankenpleiten schon einen systemischen Meltdown? Eine Rekonstruktion der Ereignisse, was sie für den The DLF bedeuten und wie wir reagiert haben.

Seit März 2022 ist der Leitzins in den USA von null auf die Spanne von 4,75-5 Prozent angehoben worden. Die Zinserhöhung in Rekordgeschwindigkeit hatte schon letztes Jahr zu Verwerfungen an den Kapitalmärkten geführt. Die Krise der UK-Pensionsfonds im Oktober 2022 kam wie aus dem Nichts. Durch die Intervention der Bank of England wurde der Schaden aber minimiert. Verheerender war die Wirkung der Zinssteigerung auf hoch bewertete Wachstumsunternehmen. 2022 sind Highgrowh-Titel und die Aktien der meisten Digitalunternehmen gecrasht. Große Unternehmenspleiten sind noch ausgeblieben. Bisher ist es für viele Unternehmen nur eine Bewertungskorrektur. Manche Geschäftsmodelle funktionieren aber nicht mehr. Bei Fintechs wie Upstart, die Kredite online vermitteln, hatten sich viele Marktteilnehmer, so auch wir, auf die Nachfrage fokussiert und dabei übersehen, dass keiner mehr diese Kredite finanzieren wollte. Die großen Gewinner, so schien es: Banken. Doch mit dem Zusammenbruch von SVB, Signature Bank und Credit Suisse sind Banken plötzlich wieder zu den Sorgenkindern der Börse geworden. Bankenpleiten sind oft systemisch und treffen nahezu jeden.

Bankaktien im Vergleich: Euro Stoxx Banken, US-Banken, US-Regionalbanken:

Im Digital Leaders Fund haben wir ein hohes Exposure zu Finanztiteln. Mit Kaspi, Nu Bank und BBVA stammen unsere drei größten Titel im Fonds aus dem Finanzsektor. Bevor ich jedoch auf diese drei Titel im Kontext der aktuellen Krise eingehe, möchte ich die jüngsten Ereignisse kurz analysieren und danach mögliche Implikationen auf unsere Aktien bewerten.

Der schnellste Bankrun der Geschichte

In Ernest Hemingways „The Sun Also Rises” heißt es in einem vielzitierten Dialog: “How did you go bankrupt? Two ways. Gradually, then suddenly.” Das trifft auf den Untergang der Credit Suisse zu. Doch die Pleiten der SVB und der Signature Bank passierten in einer atemberaubenden Geschwindigkeit.

Die Silicon Valley Bank (SVB) hatte bis Mitte 2022 ein florierendes Bankgeschäft. Start-ups, VC und deren Gründer waren die Hauptkunden auf der Kreditseite und auf der Einlagenseite. Doch bevor die Zinsen im Frühjahr 2022 angehoben wurden, investierte SVB einen Großteil ihrer Assets in langlaufende Anleihen. Ende 2022 hielt SVB Assets, die als „Held To Maturity“ (HTM) klassifiziert waren, in Höhe von 91 Milliarden Dollar. Diese waren in Anleihen höchster Bonität investiert mit einem Zinssatz von gerade mal 1,63 Prozent. 90 Prozent dieser Anleihen hatten eine Laufzeit von über 10 Jahren. Zudem waren 26 Milliarden Assets als „Available For Sales“ (AFS) klassifiziert mit einer Laufzeit von 3,6 Jahren. Die 74 Milliarden Kredite brachten gerade mal im Schnitt 4 Prozent Zinsen. Bis Mitte 2022 musste man aber wenigstens die Einlagen nicht verzinsen. Das änderte sich mit den Zinserhöhungen. Anfang 2023 stiegen Einlagenzinsen über 4 Prozent und lagen somit über den Kreditzinsen, während die Assets massive Buchverluste auswiesen. In der zweiten Jahreshälfte 2022 und im Januar und Februar 2023 zogen Kunden immer mehr Einlagen ab. SVB musste nun die AFS-Assets zu Marktpreisen – aufgrund der gestiegenen Zinsen mit großem Verlust – verkaufen, um die Kunden bedienen zu können. Um sich zu rekapitalisieren, wurde parallel eine Kapitalerhöhung angekündigt. Dazu kam es bekanntlich nicht mehr. Als bekannt wurde, dass SVB die Liquidität fehlt, dass die HTM-Assets massive Buchverluste aufwiesen, dass die Risiken nicht abgesichert waren und dass knapp 94 Prozent der Einlagen von der US-Einlagensicherung nicht geschützt waren, kam es zum schnellsten Bankrun der US-Geschichte. Innerhalb eines Tages zogen Kunden 48 Milliarden Dollar ab. Bei der hohen Konzentration der Kunden, die zudem alle im gleichen Soziotop leben und miteinander vernetzt sind, reichte es aus, dass einige VC-Fonds wie Founders Fund und Y Combinator ihre Portfoliounternehmen dazu aufriefen, Gelder abzuziehen. Im digitalen Zeitalter, in dem Geschwindigkeit Trumpf ist, kann eine Bank im Nu von panischen Kunden überrollt werden. Auch das ist eine Lehre aus der aktuellen Krise.

Am 10. März schlossen US-Regulierer SVB und am gleichen Wochenende auch die Signature Bank. Die Aktien beider Institute wurden über Nacht wertlos. Damit wurden wir Zeitzeugen der zweit- und drittgrößten Bankenpleite der US-Geschichte. Die Abwicklung der Bank übernahm der US-Einlagensicherungsfonds FDIC. Um weitere Bankruns zu vermeiden, stellte die US-Finanzministerin klar, dass alle Bankeinlagen bei diesen zwei Instituten geschützt sind. Zugleich stellte die FED ausreichend Liquidität über zwei Programme zur Verfügung: Für kurzfristigen Kapitalbedarf (90 Tage) das bereits etablierte Discount Window (vergleichbar mit der Spitzenrefinanzierungsfazilität der EZB) und für Liquidität bis zu einem Jahr das neue Bank Term Funding Program (BTFP), das Banken ermöglicht, Staats- und Agenturpapiere zu hinterlegen und trotz Buchverlusten sich zum Nennwert zu verschulden.

In der Woche darauf erfasste dennoch Panik die Märkte. Ein Hauch 2008 lag über den Börsen weltweit. Regulierer, Zentralbanken und Politiker versuchten Anleger und Bankkunden zu beschwichtigen. Zu idiosynkratisch seien die Probleme der SVB und der Signature Bank. Die Credit Suisse überlebte dennoch nur noch eine Woche. Am Wochenende nach den US-Bankpleiten verkündete das Schweizer Finanzministerium und die Finanzmarktaufsicht FINMA den Notverkauf der 160 Jahre alten Bank an die UBS für läppische 3 Milliarden Euro. So schlecht es der Credit Suisse zuletzt ging, m.E. hätte sie eine Überlebenschance gehabt, hätte es da nicht die Vorfälle in den USA gegeben. Die Panik wurde anschließend ausgerechnet von einem verheerenden Interview des größten Aktionärs befeuert. Das Asset- und Wealthmanagement sind eigentlich kapitalarme Geschäftseinheiten, und für das Investmentbanking hatte man bereits eine brauchbare Lösung präsentiert.

Die Aktionäre wurden mit ca. 40 Prozent des Schlusskurses vom Freitag, 17. März, abgefunden. Zur Verwunderung aller wurden Additional-Tier-1-Anleihen (AT1) nach einer Änderung des Gesetzes über Nacht komplett abgeschrieben.

Lehren aus der aktuellen Krise – Implikation auf BBVA, Kaspi und Nu Bank

Auf den ersten Blick haben SVB, Signature Bank und Credit Suisse wenig gemeinsam. Doch es gibt sie natürlich. Alle drei Banken haben ein kleines Retailgeschäft und weisen , somit hohe Konzentrationsrisiken auf der Kundenseite auf. Auch bei der Signature Bank lag der Anteil der ungesicherten Einlagen bei über 89 Prozent. Somit waren die beiden US-Banken aber auch die CS mit dem großen Wealthmanagement-Geschäft international und dem kleinen Retailgeschäft in der Schweiz anfällig für Bankruns.

Unsere Portfolioholdings BBVA, Kaspi und Nu Bank sprechen in erster Linie Retailkunden an. BBVA hat über 67 Millionen, die Nu Bank über 70 Millionen und Kaspi 12,6 Millionen aktive Kunden. Kaspi hat ca. 3,6 Millionen Einlagekunden mit im Schnitt 2.300 Dollar Einlage. Einlagen bis ca. 30.000 Dollar werden vom kasachischen Einlagesicherungsfonds geschützt. Alle drei Institute zählen in ihren Regionen zu den Top-Adressen. BBVA hat kürzlich im Gespräch mit UBS bestätigt, dass die aktuelle Krise zu einer Flucht in Qualität führt und BBVA davon derzeit profitiert. Die Guidance für das Jahr 2023 hat das Unternehmen nochmals bestätigt. Auch bei Kaspi trifft dieses Argument zu. Bei den Aufständen Anfang 2022 hatte Kaspi Marktanteile bei Einlagen gewonnen. Wir gehen aktuell davon aus, dass keines dieser Institute Einlagen verliert. Kaspi hat kurzfristig ein neues Aktienrückkaufprogramm in Höhe von 100 Millionen Euro verkündet.

Wie hoch die Gefahr durch Zinssteigerungen auf BBVA, Kaspi und Nu Bank ist

Steigende Zinsen sind gut für Banken, sofern der Zinsanstieg graduell passiert. Steigen die Zinsen schnell, so können Banken auf der Aktivseite massive Buchverluste erleiden (siehe SVB). Die US-Bankpleiten und die anhaltende Diskussion über die Fragilität der Regionalbanken hat dazu geführt, dass Kunden heute nicht nur die Solvenz ihrer Bank hinterfragen, sondern auch die Verzinsung ihrer Einlagen. Der Run auf die Geldmarktfonds in den USA ist ein Beleg dafür. Um die Einlagen zu halten, müssen Banken die steigenden Zinsen immer mehr an die Kunden weitergeben, und zwar bezogen auf die gesamten Einlagen. Mit den höheren Zinsen kann man aber nicht das gesamte Kreditbuch belasten, sondern nur bei neuen Krediten die Zinsen hochfahren.

Unsere drei Finanzinstitute haben den Stresstest steigender Zinsen sehr gut bestanden. Im Mexiko (der relevante Markt für BBVA, auch für NU bedeutend) sind die Zinsen von Mitte 2021 auf aktuell 11 Prozent angehoben worden. Bisher hat die BBVA davon eher profitieren können. In Brasilien sind die Zinsen im gleichen Zeitraum sogar von 2 Prozent auf 13,75 Prozent gestiegen. Das belastet das Geschäft von Nu Bank, dennoch hat das Unternehmen unter diesen widrigen Umständen es in die Gewinnzone geschafft. Die Zinssteigerung in Kasachstan von 9 Prozent Mitte 2021 auf nun 16,75 Prozent hat der bemerkenswert hohen Profitabilität von Kaspi in Kasachstan kaum geschadet. Ohnehin haben die Kredite bei Nu Bank und Kaspi eine sehr kurze Duration, Zinsänderungen können daher kurzfristig an Kreditkunden weitergegeben werden.

Wie sieht die Situation in Spanien aus? Die iberische Insel unterscheidet sich deutlich von der Bankenlandschaft im restlichen Europa und den USA. Anleger bekommen auf ihre Bankeinlagen hier kaum Zinsen. Das Deposit Beta, also der Anteil der Leitzinsen, der an Kunden weitergereicht wird, liegt bei BBVA bei nur 20-25 Prozent. Auch für Termingeld zahlen die Spanier deutlich weniger.

Einlagenzinsen in Europa, Neugeschäft:

Zugleich wird ein Großteil der Hypothekenkredite variabel verzinst. Die Zinsen können daher direkt an den Kreditkunden weitergereicht werden.

Anteil variabel verzinster Hypothekendarlehen bei spanischen Banken:

Anteil variabel verzinster Hypothekendarlehen bei spanischen Banken

Auch daher geht es den spanischen Banken aktuell gut. Allerdings riskieren die Banken mit dieser Strategie einen Anstieg des Anteils fauler Kredite , denn die Belastung der Verbraucher ist im europäischen Vergleich überproportional hoch. Spanische Banken sind besonders sensibel gegenüber fallenden Immobilienpreisen. Nach Jahren der Preissteigerung könnten Immobilienpreise 2023 merklich fallen.

Anpassungen im Portfolio des Digital Leaders Fund

Das Goldilock-Szenario für Banken hat durch die Bankpleiten in den USA und das Ende der Credit Suisse deutliche Risse bekommen. Auf die Banken kommen höhere Finanzierungskosten, mehr Regulierung und weniger Marge zu. Von der Flucht in Qualität profitieren die großen finanzstarken Häuser, mit breit diversifiziertem Retailgeschäft. US-Banken haben in der abgelaufenen Woche kaum Gebrauch gemacht von den Liquiditätsprogrammen der FED. In der ersten Woche waren es knapp 160 Mrd. Dollar. In der zweiten Woche haben Banken vom Discount Window (-42 Mrd. Dollar) auf das neue BTFP (+43 Mrd. Dollar) geswitcht. Diese Woche sieht das Bild ähnlich aus, -22 Mrd. Dollar beim Discount Window und +11 Mrd. Dollar beim BTFP. Kein Grund zu Alarmismus, der Bedarf nimmt ab. 

Auch der Run auf die Regionalbanken in den USA hat sich abgeschwächt. In Europa waren ohnehin Anleger panischer als Bankkunden. Wenig deutet darauf hin, dass Anleger gerade ihre Konten bei Deutsche Bank, Commerzbank & Co. plündern. BBVA gewinnt sogar nach eigenen Angaben mehr Einlagegelder. 

Dennoch mahnen die jüngsten Ereignisse zur Vorsicht. Bank-Events wie zuletzt führen meist zu einer Neubewertung der Assets und Risiken. Weltweit schauen die Regulierer noch genauer auf die Risiken und fordern mehr Transparenz. Die nächsten Wochen und Monate halten m.E. einige Überraschungen bereit. Vor diesem Hintergrund haben wir unser hohes Exposure in Finanztitel etwas abgebaut. An der grundsätzlich positiven Einschätzung für Finanztitel halten wir fest. Aktien von Kaspi und Nu Bank bleiben hoch gewichtet. Bei BBVA haben wir die deutliche Übergewichtung etwas reduziert. Zudem haben wir nach der CS-Übernahme die UBS zu Kursen unter 15 Franken ins Portfolio aufgenommen und dagegen die ING verkauft. Ich halte die Übernahme der CS trotz des Execution-Risks für einen der besten Deals in der jüngsten Bankengeschichte. Doch dazu werden wir uns detaillierter in einem separaten Artikel äußern.

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Autor

  • Baki Irmak

    Baki war viele Jahre in leitender Funktion für den Deutsche Bank Konzern und DWS tätig. Zuletzt u.a. als Global Head of Digital Business für die Deutsche Asset & Wealth Management und Mitglied im Digital Executive Commitee der Deutschen Bank. Seine berufliche Laufbahn hat er als Fondsmanager für Technologie, Telekommunikation und Medien bei BHF Trust begonnen. Danach war er Fondsmanager bei der Commerzbank und ABN Amro.

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Baki Irmak

Baki war viele Jahre in leitender Funktion für den Deutsche Bank Konzern und DWS tätig. Zuletzt u.a. als Global Head of Digital Business für die Deutsche Asset & Wealth Management und Mitglied im Digital Executive Commitee der Deutschen Bank. Seine berufliche Laufbahn hat er als Fondsmanager für Technologie, Telekommunikation und Medien bei BHF Trust begonnen. Danach war er Fondsmanager bei der Commerzbank und ABN Amro.

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