KI-Analysen für ein besseres Risikomanagement

19. April 2023

KI-Analysen Finanznachrichten Riskmanagement

KI-basierte Analysen können Anlegern helfen, komplexe Zusammenhänge frühzeitig zu durchschauen. Wir haben die Probe gemacht und präsentieren eine KI-basierte Medienanalyse rund um die Pleite der Silicon Valley Bank. Sie zeigt, wie wertvoll KI für das Risikomanagement sein kann.

Wie KI mit hochfrequenten Finanznachrichten Schritt halten kann

Finanznachrichten erlauben Einblicke in die Attraktivität von Aktien, indem sie Informationen über Unternehmen, ihre Dividendenpolitik und andere unternehmensspezifische Nachrichten transportieren. Anleger nutzen diese Informationen, um fundierte Entscheidungen über den Kauf oder Verkauf ihrer Aktien zu treffen. Nachrichten können Anlegern auch beim Risikomanagement helfen, indem sie Informationen über potenzielle Gefahren für die Leistung eines Unternehmens oder eines bestimmten Sektors liefern.

Medien wie Bloomberg und Reuters veröffentlichen täglich Tausende von Nachrichten und Marktaktualisierungen, die ein breites Spektrum an Finanzthemen wie Aktienmärkte, Rohstoffe, Währungen, Wirtschaftsindikatoren und Unternehmensnachrichten abdecken. Andere Medien, wie Zeitungen und Fernsehsender, berichten ebenfalls täglich über Finanzthemen, oft mit Schwerpunkt auf lokalen oder regionalen Märkten.

Das Netzwerk der Finanznachrichten ist sehr umfangreich und umfasst nicht nur Zeitungen, Zeitschriften, Fernsehsender und Online-Nachrichtenquellen, sondern auch soziale Medien, Blogs und neue Newsletterdienste. Die meisten Sender berichten rund um die Uhr über Finanznachrichten, Wirtschaftsnachrichten und Marktanalysen. Das alles erfolgt im schnellsten Fall fast in Echtzeit, und die Verbreitung erfolgt weltweit.

Wie können die Anleger eines Unternehmens die Nachrichten verfolgen und einschätzen, wann sich ein bestimmtes Thema im Laufe der Zeit entwickeln wird, und wie können sie dessen Entwicklung aktiv verfolgen?

In einer groß angelegten Analyse haben wir eine Infrastruktur geschaffen, in der wir Nachrichtenquellen aus der ganzen Welt in über 100 Sprachen überwachen. Ziel ist es, einen umfassenden und aktuellen Überblick über die Ereignisse, Emotionen und Reportagen in der Welt zu geben. Wir verwenden Algorithmen zur Verarbeitung natürlicher Sprache (NLP) und maschinelles Lernen, um zu verstehen, welche Themen mit welcher Grundstimmung aus bestimmten Orten und von bestimmten Organisationen in Nachrichten, sozialen Medien und anderen Quellen transportiert werden.

Unsere Nachrichteninfrastruktur umfasst etwa 60.000 Nachrichtenartikel pro Tag. Zu den Themen in unserer Dateninfrastruktur gehören Wirtschafts- und Finanznachrichten, Politik, Umwelt, Kultur, Gesundheit, globale Technologie sowie Konflikte und Gewalt.

Fallstudie: Der Nachrichtenfluss von Silicon Valley Bank

Wir haben den Nachrichtenfluss für die Silicon Valley Bank analysiert, um zu veranschaulichen, wie künstliche Intelligenz dabei helfen kann, zu verstehen, wie sich eine Nachricht in der Welt verbreitet, wie sie sich auf andere Unternehmen auswirkt und warum diese Nachricht so weitreichende Auswirkungen hat.

Das Diagramm in Abbildung 1 zeigt die Anzahl der täglich veröffentlichten Nachrichten über die Silicon Valley Bank in diesem Jahr (blau) und den Kursverlauf der SVB (orange). Auf dem Höhepunkt der Bankenkrise ging es in etwa 5 Prozent aller Nachrichten weltweit um die Silicon Valley Bank. Das deutet an, dass die Auswirkungen der Entwicklungen bei dieser Bank Ansteckungsgefahren für andere Banken in sich bergen und somit das Zeug für eine weltweite Bankenkrise haben.

Anzahl der Nachrichtenartikel über die Silicon Valley Bank pro Tag

Die Macht der Wahrnehmung: Eine KI-gestützte Sentimentanalyse von Finanznachrichten

In einem vorherigen Beitrag, “kann KI Konjunkturprognosen”, haben wir die Grundlagen der Sentimentanalyse beschrieben.

Die Stimmungsanalyse ist ein wertvolles Instrument, um subjektive Informationen aus Textdaten zu extrahieren und kann einen Einblick in die Meinungen und Einstellungen des Autors zu einer Vielzahl von Themen und Fragen geben.

Der Zweck der Sentimentanalyse in der natürlichen Sprachverarbeitung (NLP) besteht darin, subjektive Informationen wie Meinungen, Einstellungen und Emotionen aus Textdaten zu identifizieren und zu extrahieren. Bei der Stimmungsanalyse werden Algorithmen des maschinellen Lernens und statistische Verfahren eingesetzt, um die in einem Text ausgedrückte Stimmung automatisch als positiv, negativ oder neutral zu klassifizieren.

Um die Berichterstattung zur Silicon Valley Bank zu analysieren, haben wir die durchschnittliche Stimmung der Nachrichten zu dieser Bank seit Jahresbeginn untersucht. Wir stellen fest, dass vor dem Ausbruch der Bankenkrise der Nachrichtenfluss bis Anfang März überwiegend positiv war, bevor er sich schnell ins Negative drehte. Die Verschlechterung der Nachrichtenlage führte zu einem raschen Rückgang des Aktienkurses bis hin zum völligen Verfall (siehe untere Abbildung).

Der globale Blick: Mit KI Finanznachrichten geografisch lokalisieren

Wirklich interessant ist die Ausbreitung des Nachrichtenflusses rund um den Globus. Wir haben auch die Geolokalisierung der Nachrichtenberichterstattung analysiert und zeigen sie seit Jahresbeginn auf der Weltkarte[AM2] . Besonders dicht ist Berichterstattung in den Vereinigten Staaten, was nicht überrascht. Aber auch in Europa und vielen Ländern Asiens sind die Nachrichten zu Silicon Valley Bank flächendeckend vertreten. Nur in Afrika und Lateinamerika ist die Berichterstattung weniger weit verbreitet. Die umfangreiche globale Berichterstattung erklärt, warum eine lokale kalifornische Bank Auswirkungen auf so viele globale Banken auf verschiedenen Kontinenten der Welt hatte und wie unabhängige Unternehmen mit einem völlig anderen Geschäftsmodell auf einem fremden Kontinent von negativem Sentiment beeinflusst werden können.

Nachrichteneinfluss weltweit

Die Macht der Beziehungen: Wie KI Netzwerkanalysen in Finanznachrichten ermöglicht

Viele Fundamentalanalysen betrachten Unternehmen isoliert und versuchen, jedes mögliche Detail des Geschäftsmodells zu erfassen. Wir betrachten Unternehmen im Allgemeinen nicht in Isolation. Es ist wichtig, die Beziehungen zwischen Lieferanten, Kunden, Konkurrenten und Substitutionsprodukten zu analysieren, um eine strategische Marktausblick für ein Unternehmen zu erhalten. Wir verwenden hierzu das KI-Tool für die Netzwerkanalyse , um die Beziehungen zwischen allen Organisationen zu erfassen, die in den Nachrichten über die Silicon Valley Bank erwähnt werden.

Bei der Netzwerkanalyse geht es um die Untersuchung der Verbindungen zwischen verschiedenen Einheiten oder Knoten, z. B. Personen, Organisationen oder Nutzern sozialer Medien, und um das Verständnis der Interaktionen zwischen ihnen.

Im Finanzwesen kann die Netzwerkanalyse genutzt werden, um die Verflechtung von Finanzinstituten zu verstehen und systemische Risiken zu bewerten.

Werkzeuge des maschinellen Lernens sind für die Netzwerkanalyse besonders nützlich, da sie komplexe Muster und Beziehungen erkennen können, die durch eine manuelle Analyse möglicherweise nur schwer zu entdecken sind. So können Algorithmen des maschinellen Lernens beispielsweise Cluster von Knoten erkennen, die eng miteinander verbunden sind und möglicherweise eine Gemeinschaft oder eine Untergruppe innerhalb eines größeren Netzwerks darstellen. Sie können auch einflussreiche Knoten identifizieren, d. h. Knoten, die einen hohen Zentralitätsgrad aufweisen und eine entscheidende Rolle bei der Gestaltung der Netzwerkstruktur oder der Dynamik des Netzwerks spielen können.

Silicon Valley Bank Cluster

Abbildung 4 veranschaulicht die Beziehungen zwischen der Silicon Valley Bank und anderen Organisationen, die in der Berichterstattung über die SVB erwähnt werden. Wir erfassen etwa 60.000 Nachrichten vom Januar 2023 bis zum 12. April 2023 und finden etwa eine halbe Million Beziehungen zwischen allen Organisationen, die in den Nachrichten im Zusammenhang mit der Silicon Valley Bank erwähnt werden.

Würde man sie alle in einem Netzwerkdiagramm zusammenfassen, wäre es schwierig, die Details zu verstehen. Daher haben wir Knoten herausgefiltert, bei denen Beziehungen zwischen Knoten mehr als 200 Mal vorkamen. In dem Netzwerk finden wir andere Banken, staatliche und nichtstaatliche Institutionen, soziale Medien, Rating-Agenturen, Zentralbanken und Marktnachrichtendienste. Es ist klar zu erkennen, dass die Silicon Valley Bank und die Federal Reserve im Zentrum des Netzwerks stehen und mit einer Vielzahl von Institutionen verbunden sind. Wir sehen, dass Banken wie Signature Bank, Credit Suisse und Deutsche Bank, die ebenfalls Vertrauensprobleme hatten, in dem Netzwerk auftauchen.

Die oben gezeigte Netzwerkanalyse basiert auf allen Nachrichtenmeldungen seit Anfang des Jahres. Um die Entwicklung einer Nachricht zu verstehen, analysieren wir die Netzwerke auch über kürzere Zeiträume, z. B. über Tage oder über eine Woche. So können wir sehen, wie bestimmte Unternehmen in den Nachrichtenfluss einbezogen werden. In Abbildung 5 zeigen wir, wie oft Credit Suisse mit Silicon Valley Bank gemeinsam in den Nachrichten erwähnt wurde. Diese Phase beginnt am 9. März, 10 Tage vor dem angekündigten „Shotgun Wedding“ mit der UBS. Vor dem Merger und dem Totalverlust der AT1-Anleihen und dem starken Kursverlust der Aktien hätten Risikomanager anhand der Nachrichtenlage schon das drohende Risikoszenario absehen können.

Im Fall der Silicon Valley Bank war die Assoziation mit dem Unternehmen in den Nachrichten sicherlich negativer Natur, aber wir können oft von Beziehungen zwischen Unternehmen aus positiven Nachrichten profitieren. Nachrichten werden in der Regel sehr schnell in Aktienkurse eingepreist, unmittelbar nachdem sie bekannt gegeben werden, aber es dauert oft einige Zeit, bis Nachrichten über verwandte Unternehmen eingepreist werden, so dass sich ein Zeitfenster für Investitionsgelegenheiten ergibt. Ein Beispiel hierfür ist die Einführung von chatGPT und der darauffolgende Kursanstieg bei Firmen im KI Segment.

Silicon Valley Bank und Credit Suisse gemeinsam in den Nachrichten

Fazit

Der Umfang an Finanzmarktnachrichten und die Komplexität der Beziehungen zwischen den Finanzorganisationen werden es erforderlich machen, dass Vermögensverwalter mehr und mehr KI-Tools einsetzen, nicht nur, um die Entwicklung der aktuellen Nachrichten zu verstehen, sondern auch deren potenzielle Tragweite zu erkennen. Unsere KI-gestützte Analyse zur SVB Bank hat gezeigt, welche Organisationen eine wichtige Rolle beim Risiko-Management eine wichtige Rolle hätten spielen können, und zwar nicht nur mit Blick auf das Marktrisiko, sondern auch auf zunächst verborgene idiosynchratischen Risiken. Spiegelbildlich kann eine KI-gestützte Analyse auch eine Funktion bei der Ermittlung von Anlagemöglichkeiten haben.

Das Beispiel der Silicon Valley Bank, das wir in diesem Bericht hervorheben, verdeutlicht, dass ein Portfoliomanager die Tausende von Nachrichten, die täglich veröffentlicht werden, nicht manuell verarbeiten kann. KI-Systeme können die Nachrichten kategorisieren und kursrelevante Informationen von anderen Informationen trennen. Wir haben gezeigt, wie wir mit Hilfe von Geolokalisierungstools die Verbreitung von Nachrichten auf der ganzen Welt überwachen und – was noch wichtiger ist – zusammenhängende Unternehmen identifizieren können, deren Kurse täglich von der Nachrichtenflut beeinflusst werden. Umfangreiche Sprachmodelle (large language models) können nun Informationen herausfiltern, die für ein bestimmtes Unternehmen relevant sind, positive von negativen Nachrichten trennen und die Informationen auf automatisierte Weise zusammenfassen. In den nächsten Jahren wird das Aktienresearch zunehmend automatisiert werden, und die Asset Manager werden sich auf den Einsatz von KI-Tools einstellen müssen, um auf der Höhe der Zeit zu bleiben – und damit, ultimativ, um zu überleben.

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Disclaimer

Dieser Beitrag stellt eine Meinungsäußerung und keine Anlageberatung dar. Bitte beachte die rechtlichen Hinweise.

Autor

  • Stefan Hartmann

    Stefan schaut auf eine mehr als 20-jährige Erfahrung in den Bereichen Aktien, festverzinsliche Wertpapiere, Derivate und Hedge Funds zurück. In seiner Tätigkeit als globaler Leiter des Quantitativen Research Teams bei ABN AMRO, hat er über 300 institutionelle Kunden in den USA, Europa und Asien zu allen Fragen des Investment Prozesses beraten. Zuvor war er 10 Jahre bei Salomon Smith Barney als Leiter des quantitativen Research Teams für Europa tätig, wo er Top Rankings in den großen Research Surveys erzielte. Stefan hat über 50 Research Veröffentlichungen zu allen Aspekten des Investment Prozesses in Aktien, festverzinsliche Wertpapiere und Währungen publiziert.

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Stefan Hartmann

Stefan schaut auf eine mehr als 20-jährige Erfahrung in den Bereichen Aktien, festverzinsliche Wertpapiere, Derivate und Hedge Funds zurück. In seiner Tätigkeit als globaler Leiter des Quantitativen Research Teams bei ABN AMRO, hat er über 300 institutionelle Kunden in den USA, Europa und Asien zu allen Fragen des Investment Prozesses beraten. Zuvor war er 10 Jahre bei Salomon Smith Barney als Leiter des quantitativen Research Teams für Europa tätig, wo er Top Rankings in den großen Research Surveys erzielte. Stefan hat über 50 Research Veröffentlichungen zu allen Aspekten des Investment Prozesses in Aktien, festverzinsliche Wertpapiere und Währungen publiziert.

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