Seit dem ersten Halbjahr 2019 ist mit Elastic N.V. aus den Niederlanden auch ein ursprünglich europäisches Softwareunternehmen im Portfolio von The Digital Leaders Fund vertreten. Wir hatten den weltweit führenden Anbieter von Suchtechnologien bereits in zwei Artikeln hier im Blog vorgestellt.
Seit unserem Erstinvestment im April 2019 hat die Aktie nach einem zwischenzeitlichen Höhenflug zweistellig verloren. Kürzlich hat Elastic für das 2. Quartal des bis zum 30.04.2020 laufenden Geschäftsjahres Zahlen bekanntgegeben, die vom Markt mit einem Kurssturz quittiert wurden.
Solche Buchverluste sind ein guter Grund für uns, kritisch zu prüfen, ob unser Investment-Case intakt ist und ob sich hier vielleicht die Chance bietet, unsere bisher relativ kleine Position am Unternehmen zu günstigen Preisen auszubauen.
Der erste Blick auf die Quartalszahlen zum Q2 FY20
- Der Umsatz wurde im Q2 um 59 Prozent auf $101 Millionen gesteigert. Rechnet man Währungsschwankungen raus, so betrug das Wachstum +63 Prozent (+72 Prozent im Vorjahresquartal).
- Die Billings (Umsatz zuzüglich Deferred Revenues) wuchsen „nur“ noch um 41 Prozent (45 Prozent ohne Währungseffekte) auf $125 Millionen und damit deutlich langsamer gegenüber den 73 Prozent im Vorjahresquartal.
- Unterm Strich wurde ein (GAAP) operativer Verlust von $52 Millionen ausgewiesen, das entspricht einer negativen Marge von -51 Prozent gegenüber -43 Prozent im Q2 2019. Somit hat sich der Verlust verdoppelt gegenüber dem Vorjahr.
- Der Free Cashflow betrug -$1,4 Millionen und war damit praktisch unverändert gegenüber dem Vorjahresquartal.
Viele Investoren waren offenbar verschreckt von der doch drastischen Verlangsamung des Wachstums für die „Calculated Billings“ in Verbindung damit, dass im 1. Halbjahr des laufenden Geschäftsjahres (zumindest oberflächlich betrachtet) keine Fortschritte bei der Profitabilität zu erkennen sind. Die Elastic Aktie wurde daraufhin gnadenlos abverkauft.
Der zweite Blick auf die Zahlen zum Q2 FY20
Für uns ist das eine deutliche Überreaktion des Marktes. Wir möchten generell davor warnen, zu viel in eine einzige Kennzahl wie „Calculated Billings“ hineinzuinterpretieren. Um einen nachhaltigen Trend in einer Unternehmensentwicklung zu erkennen, braucht es nicht nur mehrere Datenpunkte, sondern auch mehrere Datenreihen.
Elastic hat nun 9.700 zahlende Kunden, davon 525 mit einer jährlichen Subskription von über 100.000$. Im Vorjahr waren es 6.300 Kunden, davon 340 Großkunden. Die Net Expansion Rate beträgt weiterhin über 130 Prozent. Das Wachstum der Kundenbasis ist also völlig intakt. Alleine gegenüber dem Vorquartal ist die Anzahl der Kunden um 10 Prozent gewachsen. Das sind mehr als 10 neue Kunden pro Tag.
Seit einiger Zeit bietet Elastic seine Software auch als SaaS-Lösung auf den großen Cloud-Plattformen Microsoft Azure, Amazons Web Services (AWS) und der Google Cloud Platform (GCP) sowie Alibaba und Tencent an. Dieser SaaS-Umsatz beträgt aktuell 20 Prozent des Gesamtumsatzes, wuchs aber mit zuletzt 106 Prozent doppelt so schnell gegenüber den vom Kunden selbst verwalteten Subskriptionen, die weiterhin den Großteil des Umsatzes ausmachen.
Ein großer Teil des SaaS-Geschäftes (circa 50 Prozent) wird monatlich mit den Kunden beziehungsweise Partnern abgerechnet, das heißt es entsteht hier im Gegensatz zum klassischen Subskriptionsgeschäft kein Deferred Revenue in der Elastic Bilanz und die Billings fallen entsprechend kleiner aus. Durch die Veränderung des Geschäftsmodells hin zu einem nach Ressourcenverbrauch bepreisten SaaS hat die Billings-Kennzahl viel weniger Aussagekraft als bei einem reinrassigen Subskriptionsgeschäft.
Elastic befindet sich nach wie vor im Land-Grab-Modus. Die Unternehmens-Entwicklung wird aktuell so gesteuert, dass man den gesamten Cashflow reinvestiert.
Ich finde es sehr positiv, dass im Branchenvergleich außergewöhnlich viel Geld für Forschung und Entwicklung ausgegeben wird (31 Prozent non-GAAP). Die Investitionen in Vertrieb und Marketing sind mit 46 Prozent vom Umsatz hingegen eher unterdurchschnittlich für ein solches High-Growth-Unternehmen. Aus meiner Sicht zu hoch sind hingegen die G+A Ausgaben für die allgemeine Verwaltung, da würde ich mir doch etwas mehr Kostendisziplin wünschen.
Aktuelle Guidance für das FY20
Der Elastic-Umsatz soll der aktualisierten Guidance zufolge im laufenden FY20 um +53 Prozent auf $416 Millionen wachsen – das wäre eine deutliche Verlangsamung im 2. Halbjahr. Denn im 1. Halbjahr betrug das Wachstum 59 Prozent, und wir gehen davon aus, dass auch für das Gesamtjahr letztlich ein Wachstum von über 55 Prozent erreicht wird.
Die operative Marge von -22 Prozent (non-GAAP) soll etwas schlechter ausfallen als zu Jahresbeginn angegeben. Grund ist die Übernahme des noch defizitären Endpoint-Security-Anbieters Endgame. Es sollte die aufmerksamen Beobachter nicht überraschen, dass eine solche Technologie-Übernahme zunächst mal das operative Ergebnis belastet.
Fokus auf den Security-Markt
Die Akquisition von Endgame ist mittlerweile abgeschlossen, wir hatten über die strategisch wichtige Übernahme hier im Blog berichtet. Das neue Produkt Elastic EndPoint Security ist ab sofort ein Bestandteil der Elastic Enterprise Subskription und wird eng mit der Elastic SIEM Lösung (Security Information and Event Management) integriert.
Ein Alleinstellungsmerkmal auf dem hart umkämpften Security-Markt ist das Elastic Preismodell: in der Branche ist es üblich, dass Kunden pro Endpunkt zahlen. Im Gegensatz dazu berechnet Elastic wie auch für seine anderen Produkte den Preis nach der Nutzung der vom Kunden benötigten Ressourcen des Elastic-Stacks.
Die kommenden Quartale werden zeigen, ob diese Lösung wirklich so disruptiv im Security-Markt ist wie das Elastic-Management behauptet.
Der Mehrwert von Elastic ist nicht einfach zu quantifizieren. In seinem Kern bietet das Unternehmen Open-Source-Technologie, mit der Entwickler bislang unerreicht schnelle Suchfunktionalitäten in ihren Anwendungen realisieren können. Elastic nutzt diese Kernfunktionalität nun, um im wettbewerbsintensiven SIEM-Markt u.a. gegen den Marktführer Splunk (für den Usecase der Logfile-Analyse) anzutreten. Application Performance Management (APM) Funktionalitäten sind ebenfalls Bestandteil des Elastic Angebotes und mit der Übernahme von Endgame will man nun ein umfassenderes Angebot schaffen, das ehemals getrennte Marktsegmente gemeinsam adressieren soll.
Das klingt kompliziert und ambitioniert? Ist es auch. Daher gibt Elastic nach wie vor weit über 30 Prozent des Umsatzes für Forschung und Entwicklung aus. Die Zukunft wird zeigen, wieviel das so geschaffene IP wirklich wert ist. Durch die Endgame-Übernahme liegen nun fast $200 Millionen an Goodwill in der Bilanz, das sind immerhin 46 Prozent des Eigenkapitals. Wir werden die Entwicklung der Bilanzqualität auch in Zukunft genau beobachten.
Ein Vorteil bei der Monetarisierung des geistigen Eigentums könnte sein, dass Elastic aufgrund seiner europäischen Historie viel internationaler aufgestellt ist als die meisten anderen US-Softwareunternehmen in dieser Phase ihrer Entwicklung. 43 Prozent des Elastic – Umsatzes wird außerhalb der USA generiert. Die entsprechenden internationalen Organiationsstrukturen sind also bereits vorhanden und wohl auch ein Grund für die aktuell hohe G+A-Kostenquote.
Nach Quartalszahlen zum Q2 FY20: Bewertung der Elastic Aktie
Nach dem aktuellen Kurssturz ist die Aktie nun gemessen am EV/Sales-Verhältnis so günstig zu haben wie noch nie seit dem IPO.
Das Unternehmen wird nun für das 8-fache des für das kommende Geschäftsjahr 2020/2021 erwarteten Umsatzes gehandelt. Das ist jetzt ein durchaus attraktiver Einstiegspreis unter der Annahme, dass sich das organische Wachstum auf absehbare Zeit in einem Bereich von deutlich über 40 Prozent hält und das Unternehmen ab dem kommenden Geschäftsjahr deutliche Fortschritte beim Weg in die Profitabilität zeigen kann.
Wir bleiben investiert und haben unsere bisher kleine Elastic Position im Portfolio von The Digital Leaders Fund mit dem nötigen Augenmaß zu den aktuellen Kursen vergrößert.
Wenn Du Elastic auch zukünftig mit uns gemeinsam beobachten willst, dann kannst Du hier unseren kostenlosen Newsletter bestellen.
Autor
-
Stefan war in seinem gesamten Berufsleben in der High-Tech-Industrie tätig. Er hat sein eigenes Software-Unternehmen gegründet, internationalisiert und vor einigen Jahren ins Silicon Valley verkauft. Der Wirtschaftsmathematiker investiert seit über 30 Jahren in Aktien. Er verwaltet eines der erfolgreichsten investierbaren Musterportfolios auf der wikifolio Plattform.
View all posts
One Response
Guten Abend Stefan, eine Frage bzgl. Security-Markt gerichtet. Du hast auf deinem Blog “High-Growth-Investing´´ neuerdings über Crowdstrike oder auch Zscaler berichtet. Denke dir wird Qualys sicher nicht unbekannt sein, generiert jetzt schon schönen Cashflow, Schuldenfrei, Wachstum, stetig wachsende Barmittel, KGV hält sich auch im Gegensatz zu anderen Unternehmen der Branche in Grenzen, falls positiv. Der Großteil ist ja noch negativ. Wollte die hier auch als gute Alternative einstreuen und natürlich wenn möglich auch um eine fundierte Meinung von dir darüber.