Europa Aktien sind bei Fondsanlegern seit Jahren mega-out. Gefragt sind internationale und US-Aktien. In diesem Jahr mehren sich die Anzeichen für einen Trendwechsel an den Märkten. Während US-Tech-Werte korrigieren, halten sich Aktien aus „Old Europe“ recht stabil. Auch die Bewertungen sind diesseits des großen Teichs relativ attraktiv. Doch leider ist die Sache viel komplizierter, als es oft suggeriert wird. Ob Aktien aus Europa nachhaltig reüssieren werden, hängt von einer Reihe von Faktoren ab. Eine Übersicht.
Am Anfang war die Performance. Natürlich immer. Das gilt auch für die Frage, ob europäische Aktienfonds vor einer Trendwende stehen. Der Rückblick fällt wenig schmeichelhaft für europäische Dividendentitel aus. Die Outperformance von US-Aktien in diesem Jahrtausend ist Legende. Zwischen 2002 und Ende 2021 legte der NASDAQ 100 Index um gut 850 Prozent zu. Das entspricht einem Plus von knapp zwölf Prozent pro Jahr. Kaum ein marktbreiter Index hat eine derartige Steigerungsrate in der Zeit hingelegt. Der breiter angelegte S&P 500 stieg um 330 Prozent oder 7,6 Prozent pro Jahr (beide in Euro umgerechnet).
Meilenweit entfernt war dagegen die Entwicklung europäischer Aktien in den vergangenen 20 Jahren. So brachte es der breit angelegte Index MSCI Europe seit 2002 auf ein Plus von gut 160 Prozent. Der enger gefasste EURO STOXX 50 stieg um knapp 95 Prozent. Das entspricht annualisierten Renditen von 4,9 Prozent bzw. 3,4 Prozent pro Jahr. Das ist mickrig, bedenkt man, dass es sich um nominale und nicht reale Wertsteigerungen handelt.
Fondsanleger diversifizieren auf Kosten von Europa
Natürlich haben in den vergangenen Jahren aufgrund der sich akkumulierenden Outperformance von US-Aktien der vergangenen Jahre leiten lassen und bei USA-Fonds und -ETFs kräftig gekauft. Und damit den Trend zusätzlich befeuert. Auch wenn viele Investoren in Deutschland noch immer einen Home Bias pflegen, geht der Trend heute in Richtung globale Diversifikation. Seit der Finanzkrise 2007/8 haben sich Anleger internationaler ausgerichtet. Vor allem haben sie USA- und Technologie-Aktienfonds den Vorzug gegeben. Angetrieben wurde diese Entwicklung durch den Siegeszug der großen Technologieplattformen wie Facebook, Apple, Amazon, Netflix oder Google (Alphabet), die auch unter dem Akronym „FAANG“ bekannt sind.
Verstärkt wurde dieser Trend durch die immer wiederkehrenden Krisen, die den Kontinent erschüttert haben. Angefangen mit der ersten Eurokrise (2010) bis hin zur Brexit-Entscheidung 2016, die auch verstärkt zum Abverkauf britischer Aktien(fonds) zur Folge hatte. Wer will schließlich in einen Krisenkontinent investieren? Nicht zuletzt hat der Hype um vorwiegend amerikanischen Tech-Aktien während der Corona-Krise die Geldströme erneut in Richtung USA getrieben.
Die Situation am Fondsmarkt in Europa seit 2019 spiegelt diesen Trend wider. Die untere Grafik zeigt einerseits die hohe Nachfrage u.a. nach Fonds für Aktien Welt, Technologie, USA, Ökologie oder auch China A Shares. Sie verbuchten in den vergangenen drei Jahren die höchsten Netto-Zuflüsse in Europa. Die Positionen unterhalb der Top zehn zeigen den harten Kontrast: Die spiegelbildlichen Nettorückgaben von Fonds aus den größten europäischen Aktien-Kategorien. Im Geldfluss-Ranking der vergangenen drei Jahre bildeten Eurozonen-Aktienfonds übrigens das Schlusslicht aller 163 Aktienfondskategorien, die das Researchhaus Morningstar führt. Aus ihnen zogen Anleger über 30 Milliarden Euro ab.
Europa-Aktienfonds: antizyklische Chance
Doch es gibt Gründe für mehr Europa in den Portfolios. Generell könnte man die These vertreten, dass sich Ausschläge an den Märkten irgendwann wieder auf ein Normalmaß einpendeln, man spricht vom „Reversion to the Mean“-Effekt. Das stetig steigende Gewicht von US-Aktien in globalen Indizes hat zu einer Unwucht geführt. Rund 70 Prozent des Index MSCI World, der Aktien aus den Industrieländern vereint, besteht inzwischen aus US-Titeln. Das Gewicht Europas in dieser viel beachteten Benchmark ist spiegelbildlich dazu in den vergangenen 20 Jahren immer kleiner geworden.
Das Gewicht Europas im MSCI World: Tendenz sinkend
Die rückläufige Bedeutung Europas im MSCI World Index wird auch auf der Bewertungsseite widergespiegelt. Europäische Aktien sind seit jeher günstiger bewertet als US-Aktien. Allerdings hat sich die Schere in den vergangenen Jahren stark ausgeweitet. Egal, welchen Maßstab man verwendet: Gewinne, Buchwerte, Cashflows oder Umsätze – setzt man diese Kennzahlen ins Verhältnis zum Börsenwert, dann ergeben sich seit 2009 immer weitere Divergenzen zwischen Europa und den USA.
Die untere Grafik illustriert die Entwicklung der Bewertungs-Spreads zwischen dem MSCI Europa und dem MSCI USA seit 2009. Egal ob KGV, KBV, oder KCV oder KUV: US-Aktien enteilen Europa Aktien bei allen Kennzahlen.
Bewertungsunterschiede Europa vs. USA seit 2009
Lieben Anleger nur US-Wachstumsaktien?
Nun ließe sich dieses Bewertungsbild mit dem Hinweis abtun, dass europäische Aktien vollkommen zu Recht billig sind. In dieses Horn stößt die DWS, die im Dezember 2021 anmerkte, man sehe nicht, dass sich „an der Vorliebe der Investoren für Wachstumswerte grundsätzlich etwas ändern werde“. Die Frage, wie sich europäische Aktien im Vergleich zu US-Aktien entwickeln werden, sieht der Asset Manager der Deutschen Bank als Funktion der Frage „Value versus Growth“. Und angesichts der Dominanz von Tech-Werten im Universum der Wachstumsunternehmen ist die Antwort auf diese Frage für die DWS nur eine rhetorische: Anleger werden nach DWS-Prognose weiter auf US-Wachstumswerte fliegen.
Anders argumentiert Morgan Stanley. Die Zeit der „leicht erzielbaren (relativen) Gewinne“ (easy returns) für US-Aktien gehe zu Ende, so die US-Bank. Man erwarte, dass der S&P 500 im neuen Jahr um fünf Prozent nachgeben werde, derweil die Märkte in Europa um über zehn Prozent zulegen könnten, hieß es ebenfalls im vergangenen Dezember. Neben dem altbekannten Bewertungsargument führt die US-Bank auf, dass verstärkte M&A Aktivitäten, Aktienrückkaufprogramme und die eher vorsichtige Vorgehensweise der EZB bei der Straffung der Geldpolitik die Kurse in Europa stützen könnten. Nicht zuletzt könnten Investoren geneigt sein, das große Übergewicht von US-Aktien in ihren Portfolios abzubauen. Folglich könnten ETF-Investoren, die auf globale Indizes setzen, 2022 „mit erschwerten Bedingungen zu kämpfen haben“.
Europa-Optimisten werden die Entwicklungen an der geldpolitischen Front Anfang 2022 als Signal der Hoffnung auffassen. Die in der ersten Januar veröffentlichten Protokolle der jüngsten US-Notenbanksitzung lassen darauf schließen, dass die FED bereits nach der ersten Zinserhöhung die Anleihen in ihrer Bilanz abbauen wird. Das käme einer weiteren Straffung der Geldpolitik gleich. In der Folge brachen US-Tech-Aktien im Januar stark ein, die weniger Growth-lastigen europäische Aktien verloren zuletzt deutlich weniger. Vielleicht können sich Anleger ja doch mit den günstigen europäischen und bisher so geschmähten Value-Aktien anfreunden? Dass mit steigenden Zinsen die Cashflows von heute (Value) mehr wert sind als die künftigen (Growth), könnte in den kommenden Wochen auch ein Treiber des Handelns vieler Anleger sein.
Auch fundamental lassen sich Argumente pro Europa finden. In etlichen Branchen tummeln sich Weltmarktführer, von denen etliche auch relativ günstig zu haben sind. In vielen Sektoren kommen Anleger nicht an Europa vorbei, etwa bei Nahrungsmitteln und Getränken (Danone, Nestle, Pernod), Luxusgütern (LVMH, Hermes, Richemont), Big Pharma (Roche, Novartis, Sanofi) sowie Spezialisten wie BioNTech, Novo Nordisk, CSL oder Genmab), Maschinenbauern (Siemens, Atlas Copco, Schneider Electric, Kone, Schindler oder GEA). Und viele mehr.
Europa Aktienfonds: Opportunität 2022 mit Verfallsdatum?
In den vergangenen Monaten haben offenbar immer mehr Anleger von dieser Unwucht Kenntnis genommen und gehandelt. In diesem Jahr haben US-Aktien (gemessen am MSCI USA) um gut fünf Prozent nachgegeben während der MSCI Europe die Verluste auf unter ein Prozent begrenzen konnte (Performance in jeweiliger Basiswährung Dollar bzw. Euro). Auch in den vergangenen drei, sechs und zwölf Monaten lagen europäische Aktien währungsbereinigt deutlich vor ihren US-Pendants – je nach Zeitraum zwischen 300 und 400 Basispunkten. Angesichts der Tatsache, dass bei steigenden Zinsen (vor allem US-) Wachstumswerte gegenüber (vor allem europäischen) Value-Werten im Nachteil sind, stehen die Chancen gut, dass europäische Aktien ihre US-Pendants in diesem Jahr outperformen werden.
Es stellt sich allerdings die Frage, inwiefern wir vor einem nachhaltigen Regimewechsel stehen. Wie weit wird die Renaissance europäischer Aktien gehen? Auch wenn diese Frage wegen der zahlreichen Einflussfaktoren unmöglich zu beantworten ist, so gibt es doch beschränkende Faktoren, die die Attraktivität europäischer Aktien relativieren.
Zunächst die Fußnote: Man sollte nicht unter den Tisch fallen lassen, dass auch Europa-Aktien aktuell höher als im historischen Mittel bewertet sind. JPMorgan Asset Management hat die Bewertungen globaler Aktien seit 1990 untersucht und kommt für die USA und Europa auf überdurchschnittliche (Forward-) KGVs. Wer es richtig billig haben will, dem sei ein Blick auf Großbritannien, die Schwellenländer und auch China empfohlen. Besonders weit entfernt vom historischen Mittel sind Japan-Aktien. Ja, die Spreads zwischen der Bewertung von US-Aktien und europäischen Dividendentitel sind weit, aber die lockeren Notenbankenpolitiken haben alle Boote nach oben geschwemmt und eben nicht nur FAAG und Co.
Bewertungen im regionalen Vergleich oder warum UK ein Schwellenland ist
Strukturelle Nachteile des europäischen Aktienmarkts
Besonders bedeutsam sind die unterschiedlichen Marktstrukturen und Funktionsmechanismen der Unternehmensfinanzierungen in den USA und Europa. Der US-Kapitalmarkt ist dem europäischen meilenweit voraus – auch perspektivisch. Das fängt mit dem kleinen Einmaleins der unterschiedlichen Wege der Unternehmensfinanzierung an. Während die Finanzierung von US-Unternehmen zu 80 Prozent am Kapitalmarkt hängt und nur zu 20 Prozent an Bankkrediten, ist das Verhältnis in Europa genau umgekehrt. Wohl und Wehe europäischer Unternehmen hängt nach wie vor an der Gesundheit des Bankensektors, der allerdings noch immer schlecht kapitalisiert ist und mit Legacy-Problemen aus der Zeit der Eurokrise zu kämpfen hat (einschließlich strenger Eigenkapitalvorschriften).
Diese Diskrepanzen drücken sich am auffälligsten in der Marktkapitalisierung aus. Weltweit belief sich nach Berechnung der Beratung PwC per Ende März 2021 der Börsenwert öffentlich gehandelter Unternehmen auf 10.270 Milliarden US-Dollar. US-Börsen brachten es auf einen Anteil von 72,5 Prozent, während europäische Börsen nur auf etwas über fünf Prozent der weltweiten Marktkapitalisierung auf sich vereinen. Gravierender ist dabei, dass der Abstand wächst. PwC hat zwischen 2020 und 2021 ein Wachstum der Marktkapitalisierung von US-Unternehmen von 57 Prozent ausgemacht, verglichen mit einem Plus bei nur 18 Prozent in Europa.
Eine Ursache des Problems ist die stark zergliederte Natur des europäischen Markts, der eher als Summe kleiner lokaler Märkte beschrieben werden sollte. Auch wenn die Konsolidierung der Börsen europaweit weiter vorangeschritten ist, so sind die LSE, Euronext, SIX und Deutsche Börse global gesehen im Vergleich mit der NYSE, NASDAQ und den chinesischen Börsen Scheinriesen. Und der Brexit zeigt, dass die Zeichen in Europa längst nicht nur auf Integration stehen.
Auf dem Weg zu einem europäischen Kapitalmarkt?
Die europäische Union hat das Problem erkannt und bemüht sich um eine stärkere Integration und Vertiefung der heterogenen Finanzplätze in Europa. Bereits seit 2015 ist von der Kapitalmarktunion die Rede, eine Initiative, die allerdings erst in den vergangenen zwei Jahren an Fahrt gewonnen hat. Vorgesehen ist eine verbesserte Nachhaltigkeits-Transparenz auf Unternehmens- und Investmentprodukten, die Einführung langfristiger Investmentvehikel (Eltif), die Überarbeitung der Regeln für alternative Anlagevehikel (AIFMD) sowie eine Verbesserung der handelsrelevanten Markttransparenz. Doch das sind nur erste Schritte auf einem langen Weg. Gerade, wenn es um Zukunftstechnologien geht, hinkt Europa den USA weit hinterher – auch, wenn es um die Gestaltung von Finanzierungsmöglichkeiten geht.
Auch auf Bundesebene gibt es Bestrebungen, die Finanzierung von Startups zu verbessern. So soll der Zukunftsfonds in den nächsten zehn Jahren jungen Unternehmen in der kritischen „Later-Stage“-Phase Finanzierungsquellen gezielt erschließen helfen. Dafür stehen zehn Milliarden Euro zur Verfügung. Start-ups sollen finanziert werden über Dachfonds wie dem ERP/EIF-Dachfonds oder dem ERP-Venture Capital Fondsinvestmentprogramm der KfW Capital, die sich an privaten Wagniskapitalfonds beteiligen, aber auch über öffentliche Finanzierungsfonds wird nachgedacht. Doch Experten bemängeln die „erhebliche Komplexität“ des Zukunftsfonds. Zudem wird infrage gestellt, ob die Investitionsbedingungen attraktiv genug sind für private (Lead-) Investoren, heißt es in einer Studie des Instituts der deutschen Wirtschaft.
Besonders evident ist der Zusammenhang zwischen der realwirtschaftlichen Entwicklung und kapitalmarktbasierten Finanzierungenbei der Bekämpfung der Folgen und Ursachen des Klimawandels. Die EU hat weitreichende Pläne zum klimaneutralen Umbau der Wirtschaft. Europa soll nach dem Willen der EU-Kommission bis 2050 klimaneutral werden, und bis Ende dieses Jahrzehnts sollen die CO2-Emissionen EU-weit um 55 Prozent (im Vergleich zu 1990) gesenkt werden. Ein Instrument dafür ist die EU-Initiative für nachhaltige Finanzierung. Darin enthalten sind Regeln und Benchmarks für nachhaltige Finanzprodukte. Mit der EU-Offenlegungsverordnung SFDR werden Investmentfonds Transparenzpflichten auferlegt, wenn sie nachhaltige Ziele oder Merkmale erfüllen.
Warum sich die Katze am Ende doch in den Schwanz beißt
Diese Transparenzvorschriften sind für Investoren wichtig, geben sie doch Auskunft über die Frage, ob ein Fonds Nachhaltigkeitseigenschaften aufweist. In den vergangenen Jahren sind Fonds mit Nachhaltigkeitsmandat zum Verkaufsschlager geworden. ESG-Fonds, die an öffentlichen Märkten investieren, konnten in den vergangenen zwölf Monaten nach Angaben des Research-Hauses Morningstar in Europa über 430 Milliarden Euro an Netto-Neugeldern verbuchen, deutlich mehr als die Hälfte aller Zuflüsse in Fonds europaweit, was bedeutend mehr ist als ihr Marktanteil von rund 30 Prozent am verwalteten Vermögen.
Doch hier beißt sich die Katze in den Schwanz. Die Gelder in Nachhaltigkeitsfonds werden mitnichten bei den Unternehmen ankommen, die in den Augen der EU wichtig sind für den nachhaltigen Umbau der europäischen Wirtschaft. Von den 430 Milliarden an Zuflüssen in Nachhaltigkeitsfonds im Jahr 2021 steuerten nur rund 17,5 Milliarden Euro Fonds für europäische Aktien an. USA-ESG-Aktienfonds sammelten dagegen gut 33 Milliarden Euro ein. Globale Fonds, wo US-Unternehmen typischerweise mit zwischen 60 und 70 Prozent gewichtet sind, sammelten über 113 Milliarden Euro ein. So sehr europäische Unternehmen führend sein mögen in Sachen Nachhaltigkeit: die globalen Public Markets sind aufgrund struktureller Merkmale amerikanisch dominiert. Das dürfte ein „Glas-Ceiling“ für einen Bedeutungszuwachs europäischer Aktien sein – günstige Bewertungen hin oder her.
Fazit und Ausblick
Anleger sollten zwei Botschaften mitnehmen. Einmal ist eine Renaissance europäischer Aktien im Zuge eines Favoritenwechsels in diesem Jahr mehr als nur wahrscheinlich. Die Zinsen werden steigen, zyklische Branchen reüssieren im Zuge der konjunkturellen Erholung, und auch wegen eines allgemein anerkannten Nachholbedarfs wird die Nachfrage nach europäischen Aktien und Aktienfonds steigen, was für eine relative Outperformance gegenüber US-Aktien spricht (Was allerdings leider nichts über die Absolute Returns aussagt!)
Die zweite Botschaft ist, dass die europäischen Bäume nicht in den Aktienhimmel wachsen werden. Der Anteil europäischer Aktien am globalen Aktienmarkt könnte Stand heute durchaus ordentlich steigen. Allerdings ist es unwahrscheinlich, dass mittelfristig die Dominanz des US-Aktienmarkts nur wegen einer bewertungsgetriebenen Gegegenbewegung von antizyklischen Investoren signifikant reduziert wird. Ceteris paribus, also in Abwesenheit eines integrierten europäischen Marktplatzes und eines neuen Finanzierungsregimes für Unternehmen, wird sich wenig an der Dominanz der US-Börsen und damit der Richtung der Kapitalströme ändern. Sollte der MSCI World künftig statt zu 70 Prozent zu 60 Prozent aus US-Aktien bestehen, ist damit kein Paradigmenwechsel verbunden.
Das Gewicht europäischer Aktien weltweit mag also in der nächsten Zeit steigen, für einen Game Changer wird es dagegen nicht reichen. An den USA kommen wir als Aktieninvestoren nicht vorbei, auch wenn die heutige Unwucht im MSCI World von aktiven Asset Allokatoren adressiert werden muss.
Disclaimer
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Autor
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Ali Masarwah ist Gesellschafter-Geschäftsführer der Fondsplattform envestor.de und schreibt auch Kolumnen über Investmentthemen für The Digital Leaders Fund. Anleger-orientiertes Research ist seit über 20 Jahren Alis Ding. Vor seiner Zeit bei envestor.de war er zehn Jahre lang bei Morningstar, wo er für die Personal Finance Websites des Analysehauses in Deutschland verantwortlich war. Als Experte für Anlagethemen ist er ein gefragter Ansprechpartner für Finanzmedien im deutschsprachigen Raum.
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Eine Antwort
In dem ganzen Text wird nicht ein Wort verloren über das grundsätzliche Übel was wir hier in Europa und speziel in Deutschland haben – die starke Einwirkung und Übergriffigkeit der Politik in die einzelnen Wirtschaftsbereiche. Die ausufernde Bürokartie und Regulatorik (Umweltthemen, Arbeitsgesetzte etc.) ist ein sozialistischer Krebsgeschwür der sich immer mehr ausbreitet unter dem Deckmantel der Moralisten! SAP oder Siemens hat kaum noch mehr ein Chance aus Deutschland heraus sich im globalen Wettbewerb zu behaupten. Nicht zu sprechen von der starken Einwirkung der Politik im Bereich der Energie – und Automobilsektoren, und die Tendenz Immobilienbesitzer zu enteignen (Stichwort Mietendeckel), um nur einige Problem zu bennen! Der französische Stromversorger EDF verliert über Nacht über ein Viertel seines Börsenwertes, weil die Politik meint den Strompreis deckeln zu müssen. Und das die französischen Automobilhersteller überhaut noch Autos produzieren können, ist der reinen Subventionspolitik zu verdanken. Das hat aber nichts mit Markt – Stndort oder Wettbewerbsvorteilen zutun. Innovation oder Digitalisierungsoffensive ist reine Agenda der „Wünsch dir Was Politik“ aus Berlin und Brüssel. Un da die Börsen ja bekanntermaßen die Zukunft einpreisen, ist die Unterbewertung von europäischen Unternehmen die Schlußfolgern dieser Politik und die daraus resultierenden schlechteren Rahmenbedingungen ggü. USA und insbesondere China. Natürlich gibt es auch einige wenige Ausnahmen wie die französichen Luxuswarenhersteller, eine ASML oder einige hiesige Mittelstandsperlen und Nischenplayer wie Nemetschek, Carl Zeiss, Bechtle oder Sartorius. Aber es beleiben Ausnahmen – leider!