Heute möchte ich mit Fastly Inc. ein noch recht junges Cloud-Software-Unternehmen aus San Francisco vorstellen, das nach seinem IPO in 2019 aktuell an der NYSE für Furore sorgt, da es als eines der wenigen Unternehmen gerade seine eigene Prognose für das Geschäftsjahr 2020 nach oben korrigiert hat.
Der IPO der Fastly Aktie erfolgte im Mai 2019 zunächst nur mäßig erfolgreich. Die Fastly-Aktien wurden zu 16$ ausgegeben, stiegen am ersten Tag auf 24$ und notierten dann bis zum Corona-Crash seitwärts.
Im allgemeinen Ausverkauf fielen sie Mitte März bis unter 12$ und haben ihren Wert seitdem in nur 10 Wochen mehr als verdreifacht. Diese außergewöhnliche Kursrallye macht neugierig auf die Hintergründe:
Inhaltsverzeichnis
„Edge Computing“ – Was macht Fastly?
Fastly (FSLY) ist ein in 2011 gegründetes Enterprise-Software-Unternehmen, das Entwicklern Tools zur Verfügung stellt, mit denen sie die Leistung von Websites und mobilen Anwendungen beschleunigen können, indem sie Inhalte „näher an die Endnutzer“ heranbringen – „to the Edge“, wie das heutzutage gerne genannt wird. Das Unternehmen betreibt derzeit circa 60 Rechenzentren weltweit. Fastly ist damit ein so genanntes Content Delivery Network (CDN) und spielt mit seinem Caching eine wichtige Rolle für die Performance, Stabilität und Sicherheit von Web-Applikationen.
CDNs gibt es schon sehr lange. Akamai ist in diesem Segment der Marktführer mit einem Umsatz von circa $3 Milliarden und einem Enterprise Value von circa $17 Milliarden.
Fastly als Herausforderer hat eine moderne Cloud-Architektur, ist im Gegensatz zum Platzhirsch Akamai vom Kunden via API programmierbar und unterstützt besser die zeitgemäßen Methoden zur agilen Software-Entwicklung. Neben der traditionellen CDN-Funktionalität können Kunden die Fastly Plattform auch nutzen, um Angriffe auf Webseiten durch Botnets zu erkennen und DDoS-Angriffe zu verhindern.
Die Fastly Tools führen zu erhöhter Performance und gesteigerter Zuverlässigkeit. Ein solches CDN kann Lastspitzen abfedern und eine gleichbleibend hohe Performance der Webseiten und Apps sichern.
Kunden kaufen bei Fastly – stark vereinfacht gesagt – die Gewissheit einer minimalen Latenz für ihre Anwendungen. Die Applikationen sollen sich also wie lokal ausgeführte Applikationen verhalten, obwohl sie „in der Cloud“ laufen. Die früher übliche und akzeptierte Zeitverzögerung zwischen der Eingabe ins System und der Antwort vom Webserver ist nicht länger akzeptabel. Moderne User Experience verlangt das Gefühl von Echtzeit.
Die Marketingleute von Fastly sprechen anstelle von CDN lieber von einer „Cloud Edge Plattform“. Ich bin solch neuen Buzzwords aus der Tech Szene gegenüber immer erstmal recht skeptisch.
In der zweiten Jahreshälfte 2020 will Fastly eine neue beziehungsweise erheblich weiterentwickelte Plattform namens Compute@Edge auf den Markt bringen. Diese soll völlig neue Use Cases für Kunden „on the Edge“ ermöglichen. Das heißt Anwendungen, die bisher zahlreiche Zugriffe auf den Webserver benötigen (Round-Trips), sollen dann „serverless“ in real-time ablaufen und damit deutlich beschleunigt werden.
Es bleibt abzuwarten, inwieweit Fastly damit wie beabsichtigt nicht nur ein neues Buzzword kreieren, sondern im Idealfall wirklich einen neuen Standard im Edge Computing setzen kann.
Fastly Aktie – Führungswechsel
Im Februar 2020 gab es eine Umorganisation an der Spitze des Unternehmens. Bis dahin wurde Fastly von seinem Gründer Artur Bergman als CEO geführt. Bergman ist “Developer at Heart”, wie er selbst sagt, und er hat 2011 Fastly ins Leben gerufen, da der CDN-Marktführer Akamai seine Anforderungen als Engineering-Lead nicht umsetzen konnte oder wollte.
Fastly ist damit – ebenso wie zum Beispiel Twilio, MongoDB oder Elastic eine der Firmen, die von Developern für Developer gegründet wurden. Ich mache keinen Hehl daraus, dass ich sehr gerne in solche Unternehmen investiere, die von Entwicklung und Innovation und nicht von Marketing und Vertrieb getrieben sind. Wie auch MongoDB oder Elastic setzt Fastly im Kern auf eine Open Source Software – in diesem Fall ist es Varnish, ein Cache für dynamische Webseiten.
Artur Bergman ist im Februar 2020 als CEO zurückgetreten und kann sich ab sofort auf seine technischen Aufgaben als Chefarchitekt konzentrieren. Joshua Bixby, sein Nachfolger als CEO, ist Partner bei einem in Fastly investierten Venture Capital-Unternehmen und sicherlich noch mehr auf Shareholder Value fokussiert – um es vorsichtig auszudrücken. Ich bin gespannt, wie das neue Zusammenspiel an der Firmenspitze zukünftig funktioniert.
Welche Kunden hat Fastly?
Für ein noch so junges Unternehmen verfügt Fastly über eine beeindruckende Kundenliste aus verschiedenen Branchen.
Kunden im Digital Publishing sind z.B. die New York Times oder The Guardian. E-Commerce-Unternehmen wie Shopify, Ticketmaster oder Deliveroo, digitale Reiseunternehmen wie AirBnB und TripAdvisor und SaaS Provider wie GitHub und Stripe erhöhen die Performance ihrer Online-Services mit Fastly.
Insgesamt hat Fastly gut 1.800 Kunden. Allerdings generieren nur knapp 300 Enterprise Kunden 88 Prozent des Umsatzes und zahlten im Schnitt in den letzten 12 Monaten 642.000$ für den Fastly Service.
Fastly Aktie – Geschäftszahlen zum Q1 2020
Fastly hat im Jahr des Börsengangs 2019 insgesamt $200 Millionen Umsatz erzielt. Das war ein Wachstum von circa 39 Prozent gegenüber 2018.
Im Q1 2020 ist der Umsatz um 38 Prozent auf 63 Millionen vorangekommen, obwohl das Unternehmen in diesem von der Corona-Krise belasteten Quartal nur 9 Enterprise Kunden neu gewonnen hat (so werden Kunden mit einem jährlichen Umsatz > 100.000$ definiert).
Grund für den dennoch hohen Umsatzzuwachs ist die hohe Net Retention Rate von 130 Prozent, das heißt mit den Bestandskunden konnte der Umsatz im Q1 (unter Berücksichtigung verlorener Kunden) um 30 Prozent gesteigert werden.
Die Kunden zahlen für die Fastly-Services in der Regel abhängig von ihrem Traffic, das heißt es handelt sich nicht um ein klassisches Subskriptionsgeschäft, sondern um nutzungsabhängige Fees. Fastly profitierte damit von der erhöhten Internetnutzung in der Corona Krise.
Die Firma muss aber gleichzeitig auch viel Geld in den Ausbau ihrer Netzinfrastruktur stecken, um auch bei erhöhter Nutzung ihr Leistungsversprechen einzulösen. Fastly wird auch zukünftig sein Netzwerk ständig verbessern müssen und wird daher weiterhin viel Geld in Hardware stecken. Es ist daher nicht zu erwarten, dass Fastly zukünftig Bruttomargen jenseits 80 Prozent erzielt wie viele anderen Cloud-Software-Provider.
So arbeitete Fastly im Q1 auch nur mit einer Bruttomarge von 57 Prozent. Das ist ein im Vergleich zu anderen Cloud-Software-Firmen weit unterdurchschnittlicher Wert. Das Unternehmen musste im Q1 $12Millionen, das heißt 19 Prozent vom Umsatz für Investitionen (Capex) aufwenden. Der Ausbau des eigenen Netzwerkes verschlingt also zunächst mal viel Geld und drückt auf die Margen.
Unterm Strich resultierte im Q1 ein operativer Verlust (non GAAP) von $6 Millionen also circa 10 Prozent vom Umsatz. Der Free Cashflow war mit -19 Millionen im Q1 deutlicher negativ, das entspricht einer Marge von -30 Prozent.
Zum 31.3.2020 verfügte Fastly über Cashreserven von $187 Millionen. Im Mai 2020 hat man die Gunst des gestiegenen Aktienkurses für eine Kapitalerhöhung genutzt. Ausgegeben werden bis zu 6,9 Millionen neue Aktien zu 41,50$. Die Kapitalerhöhung wird zu einer Verwässerung von circa 7 Prozent führen.
Fastly Guidance für 2020
Fastly ist eine der wenigen Firmen, die in der Corona-Krise ihre Guidance für 2020 deutlich erhöht haben.
Das Umsatzwachstum soll sich dem Management zufolge im Laufe von 2020 weiter beschleunigen und in 2020 mehr als 42 Prozent betragen.
Der operative Verlust soll „nur“ noch circa 5 Prozent vom Umsatz betragen. Das wäre eine deutliche Verbesserung gegenüber dem Q1.
Bewertung der Fastly Aktie
Fastly ist ein tolles Unternehmen mit dem Potential den Markt für CDNs in den kommenden Jahren zu disrupten. Wir wären gerne zu einem fairen Preis an dieser Cloud Edge Plattform beteiligt. Denn Fastly ist ein innovativer Digital Enabler, der mit seinen Services die Plattformen vieler unserer Digital Business Leader antreibt.
Doch ist die Fastly Aktie auch fair bewertet? Bei einem Kurs von 41$ beträgt das EV/Sales-Verhältnis auf Basis der Zahlen von 2020 circa 13. Da ist die 7 Prozent Verwässerung durch die Kapitalerhöhung noch gar nicht berücksichtigt. Das ist ein stolzer Preis für ein Unternehmen, das mit einer bescheidenen Bruttomarge von unter 60 Prozent agiert und dessen Free Cashflow wohl noch eine ganze Weile negativ sein wird.
Die Fastly Aktie ist teuer, sehr teuer sogar. Aber wir sind recht optimistisch, dass das Unternehmen in einigen Jahren deutlich wertvoller sein kann als heute bei einem aktuellen Enterprise Value von circa $4 Milliarden.
Wir werden die Fastly Aktie daher weiter beobachten und bei einem deutlichen Kursrücksetzer über einen Einstieg entscheiden.
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Dieser Beitrag stellt eine Meinungsäußerung und keine Anlageberatung dar. Bitte beachte die rechtlichen Hinweise.
Autor
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Stefan war in seinem gesamten Berufsleben in der High-Tech-Industrie tätig. Er hat sein eigenes Software-Unternehmen gegründet, internationalisiert und vor einigen Jahren ins Silicon Valley verkauft. Der Wirtschaftsmathematiker investiert seit über 30 Jahren in Aktien. Er verwaltet eines der erfolgreichsten investierbaren Musterportfolios auf der wikifolio Plattform.
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9 Antworten
Ich nehme an, Fastly ist mittlerweile als Idee abgeschrieben, statt 30% günstiger hat sich die Aktie verdoppelt, selbst bei herben Rücksetzern dürfte da kein Investment mehr drin sein, oder?
Wie steht ihr zum Platzhirsch Akamai? Dieser scheint fairer bewertet und dürfte als Digitaler Autobahnanbieter doch genauso noch Kurspotential die nächsten 5-10 Jahre besitzen?
Ein guter Teil des Erfolges von Fastly rührt wohl daher, dass sie dem Platzhirsch Akamai Marktanteile abnehmen. Deren Kennzahlen sehen nicht sehr einladend aus: https://aktien.guide/high-growth-investing/Akamai-US00971T1016 – aber wir haben Akamai bisher nicht wirklich analysiert…
Hallo Stefan,
meine Frage passt leider nicht zu Fastly, aber mich würde sehr interessieren ob ihr euch schon einmal Livongo Health (LVGO) angeschaut habt? Aus meiner Sicht eine Firma mit riesigem Wachstumspotential die ich entsprechend groß bei mir gewichtet habe.
Und noch ein Lob für die vielen tollen Artikel bei euch. Ich freue mich immer riesig wenn es wieder einen neuen gibt. Macht weiter so.
Viele Grüße
Rico
Hallo Rico, ja Livongo Health ist auch bei uns auf dem Radarschirm aufgetaucht. Evtl. schreiben wir demnächst mal was zu dem Thema. Vor einer großen Gewichtung in einem solchen Nebenwert möchte ich Dich generell warnen.
VG Stefan
Hallo Stefan,
vielen Dank für deine Antwort. Freue mich schon sehr wenn bei euch ein Artikel erscheinen sollte. Besonders nach dem super Lauf der letzten Wochen, habe ich auch schon überlegt die Gewichtung etwas abzubauen.
Vielen Dank für eure super Beiträge.
VG Rico
Hallo Stefan,
Die Aktie von Fastly hat ja mittlerweile leider fast astronomische Höhen erreicht. Auf der Suche nach anderen CDN Anbietern bin ich dabei auf Limelight Networks gestoßen. Sie haben auch eine Vielzahl namhafter Kunden u. a. auch Amazon, welche planen mehr Live-Inhalte anzubieten. Das könnte der Aktie doch durchaus einen Schub geben.
Habt ihr euch mit diesem Unternehmen schon beschäftigt und habt dazu eine Einschätzung?
Viele Grüße
Joshua
Nein wir haben Limelight bisher nicht genauer angesehen. Mit einem EV von unter $1Mrd. passt das Unternehmen nicht in das „Beuteschema“ für unseren Fonds. Aber unabhängig davon motiviert die Kennzahlenanalyse https://aktien.guide/high-growth-investing/Limelight-Networks-Inc-US53261M1045 auf den ersten Blick nicht gerade zu einer weitergehenden Analyse.
Hallo Stefan.
toller Artikel und tolle Vorstellung. Ich hab Fastly durch Bert Hochfeld schon länger im Visier, doch leider den Einstieg verpasst.
Was bedeutet für euch im Fall von Fastly ein deutlichee Kursrücksetzer? Bei welchem Preis kommt ein Einstieg für euch in Frage?
Einen EV von $3 Mrd. würde ich für fair halten. D.h. Ein 30% Kursrücksetzer dürfte es schon sein… VG