Hepsiburada Aktie – Fortschritte im Schatten der Wahlen

2. Juni 2023

Hepsiburada Aktie Quartalszahlen

Die Lage in der Türkei im ersten Quartal hat sich aus Sicht des türkischen Konsumenten verbessert und stand makroökonomische Turbulenzen, schwere Erdbeben und die Unsicherheit vor den Wahlen gegenüber: wir untersuchen, wie sich der türkische E-Commerce Anbieter Hepsiburada angesichts der durchwachsenen Rahmenbedingungen im abgelaufenen Quartal geschlagen hat – und wie es weitergeht.

Hepsiburada Aktie Q4 Quartalszahlen Kursverlauf Chart
Hepsiburada Aktie: Kursverlauf seit Jun. 2022

Hepsiburada Aktie – Quartalszahlen

Die Lage in der Türkei im ersten Quartal hat sich aus Sicht des türkischen Konsumenten verbessert: Die Inflation fiel von 64 Prozent am Jahresende bis auf 50 Prozent Ende März. Das Verbrauchervertrauen verbesserte sich um fast acht Punkte auf 80,1.

Das Erdbeben im Februar bescherte Hepsiburada mit einem Umsatzeinbruch. Der war allerdings nur temporär; im März wurde schon wieder das Niveau vom Januar erreicht.

GMV (umgesetzter Warenwert) stieg um 15 Prozent auf 15,1 Milliarden Türkische Lira. Das nicht nach IAS 29 inflationsbereinigte Wachstum lag bei 78 Prozent und lag damit knapp 8 Prozent über der Guidance. 

Der Umsatz stieg um 16 Prozent auf 4,6 Milliarden Lira. Die Diversifikation im Umsatzmix nimmt zu. Der bisher mit 3,4 Milliarden dominante 1P Umsatz (Bei first party ist Hepsi selbst der Verkäufer) stieg lediglich um knapp 5 Prozent, der bisher viel zu geringe 3P Umsatz (Bei 3rd Party verkaufen Dritthändler über die Hepsi Plattform) dagegen um 72 Prozent auf 663 Millionen Lira. Der Umsatz im Versandgeschäft stieg um 38 Prozent auf 487 Millionen Lira.

Der Deckungsbeitrag stieg um 5,6 Prozentpunkte auf 9,3 Prozent. Das lag an geringeren Kundenrabatten, geringerer Inflation, schnellerem Warenumschlag und einem höheren Umsatzanteil bei den Versandkosten, aber auch einem geringeren Anteil margenschwacher Elektronikartikel.

Die Anzahl der Bestellungen stieg um 61 Prozent auf 24 Millionen. Die Anzahl der Kunden lag mit minus 0,4 Prozent fast unverändert bei 11,9 Millionen. Die Einkaufsfrequenz stieg aber von 4,9 auf 7,5. Das liegt vor allem an der Nachfrage nach digitalen Produkten. Dazu gehören neben Wett- und Lotterie-Spielen auch die Abogebühren für die Hepsiburada Premium-Mitgliedschaft. Digitale Dienstleistungen generierten im ersten Quartal zwar nicht einmal 1 Prozent des GMV, erhöhen aber die Interaktionsfrequenz. Die Steigerung der Kundenbindung ist ein zentraler Bestandteil der Unternehmensstrategie, da damit Marketing und Vertriebskosten optimiert werden.

Hepsiburada Premium kostet 14,9 Lira im Monat. Dafür bekommt der Kunde freie Lieferung und 3 Prozent Cashback sowie einen kostenlosen Zugang zum hauseigenen Streaming-Dienst. Erinnert stark an das Amazon-Modell. Aufmerksame Leser unseres Blogs erinnern sich an die letzte Arbeitsstelle von Nilhan Gölcetikin: Europa-Chefin von Amazon. NPS (Net Promoter Score) lag bei den 915.000 Abonnenten mit 87 Prozent im März um 12 Prozentpunkte höher als beim Durchschnittskunden. Premium Kunden kaufen, basierend auf Daten aus dem ersten Quartal, nach Abschluss des Abos um 50 Prozent mehr als zuvor.

Die Zahl der Hepsipay Wallets stieg auf 11,8 Millionen. 152.000 Orders wurden finanziert. Das entspricht 5,8 Prozent des GMV, im Vorjahr lag dieser Wert bei 2,3 Prozent. 60 Prozent dieser Käufe wurden mit Bankkrediten finanziert, der Rest über BNPL.

Erfreulich: Die Zahl der aktiven Händler stieg um 21 Prozent auf über 100.000. Damit nahm die Zahl der angebotenen Produkte (SKU) um 63 Prozent auf 180 Millionen zu.

HepsiJet verbesserte den Anteil der am nächsten Tag ausgelieferten Pakete um drei auf 84 Prozent. Der Anteil der selbst ausgelieferten Pakete stieg um 5 Prozentpunkte auf 63 Prozent. Dritte machten knapp ein Viertel der ausgelieferten Pakete aus. Der NPS des Versandgeschäftes lag bei starken 90 Prozent. Im ersten Quartal wurde die Nachnahme als Zahlungsoption eingeführt.

Fortschritte auch bei den operativen Kosten, die um 8 Prozent auf 3,2 Milliarden und damit um 8 Prozentpunkte auf 31,8 Prozent des GMV sanken. Die Gesamtbewegung ist dabei hauptsächlich auf den höheren 3P Anteil zurückzuführen. Aber man sieht auch eine Halbierung bei den Werbekosten und eine deutliche Verbesserung der Versandkosten. 

EBITDA lag mit 7,3 Millionen Lira gerade so im positiven Bereich, damit aber Welten von minus 1,1 Milliarden Lira in Q1 2022. Der Nettoverlust betrug nur noch 193 Millionen Lira, im Jahr zuvor waren es noch -1,2 Milliarden Lira gewesen.

Im ersten Quartal kauft Hepsiburada nach dem Jahresendgeschäft die Produkte für das neue Jahr ein. Der freie Cashflow lag bei -154 Millionen, im letzten Jahr waren es -2,3 Milliarden Lira gewesen. Cash lag mit knapp 5 Milliarden Lira um rund 1 Milliarde niedriger als am Jahresende, davon wurden 61 Prozent in USD Dollar gehalten. Der Rückgang ist hauptsächlich auch auf die Rückzahlung von Händler-Verbindlichkeiten und saisonal bedingter Auffüllung der Lagerbestände zurückzuführen.

Ausblick

Ende April wurde die 1 Million Marke zahlende Premium Kunden überschritten. Im Mai wurde die Hepsipay Debit Card eingeführt. Dies ermöglicht Offline-Zahlungen mittels QR-Code. Ein-Klick-Checkout mittels Hepsipay soll zukünftig auf Dritten angeboten werden.

Für das zweite Quartal liegt die Guidance für GMV (nicht inflationsbereinigt) bei 95 Prozent. Das nicht inflationsbereinigte EBITDA soll zwischen 0,5 und 1 Prozent des Warenwertes liegen. Im April fiel die Inflation weiter auf 44 Prozent, das ist gut für die Zahlen.

Das Wahlergebnis nimmt Hepsiburada zunächst gelassen, die Tourismuseinnahmen im Sommer und die Aussicht das der marktfreundliche Mehmet Simsek einen Kabinettsposten erhält entschärfen die makroökonomischen Risiken kurzfristig. Mittelfristig ist aber von einer deutlichen Abwertung der Lira auszugehen.

Positiv

HEPS bietet Anlegern die Möglichkeit, an der dramatischen Verbesserung eines bis dato schlecht geleiteten Unternehmens zu partizipieren. Die Margen verbessern sich, und das Unternehmen ist fast profitabel.

Die Unternehmensstrategie ist nicht nur überzeugend, sondern folgt der Amazon-Blaupause.

Amazon ist übrigens seit 2018 in der Türkei tätig und hat letztes Jahr ein 100 Millionen teures Logistikzentrum aufgebaut, bedient aber nur eine relativ schmale Nische von Besserverdienern mit einem Fokus auf ausländische Produkte und kommt bisher über einen Marktanteil von 5 Prozent nicht hinaus.

Negativ

Das Cash Polster ist leider aufgrund der Misswirtschaft nach dem IPO nicht allzu dick. Dazu kommen Risiken aus der unorthodoxen (bedeutet: langfristig ruinösen) Wirtschaftspolitik des türkischen Veteran-Präsidenten Erdogan: Irgendwann dürfte es in der Türkei angesichts der fehlenden Währungsreserven und negativen Handelsbilanz zu einer massive Abwertung mit katastrophalen Auswirkungen für die Wirtschaft kommen.

Hepsiburada hat durch die Dollar-Einlagen und das Zahlungsziel bei eingekauften Produkten einen Hedge, dennoch sind weitere Fortschritte bei der Liquidität notwendig, um eine etwaige Schwäche des Konsumenten überbrücken zu können.

Im worst case würde Hepsisburada Capex und Werbekosten weiter kürzen, so die Unternehmenssprecherin auf unsere Nachfrage. Außerdem würde man dann auf billigere Waren ausweichen. Vor die Wahl gestellt, würde man eher Wachstum opfern, als zusätzliches Eigenkapital aufzunehmen.

My Take

Angesichts der schwierigen Rahmenbedingungen, vor allem der Erdbeben, hat HEPS ein weiteres gutes Quartal präsentiert.

Die Marktkapitalisierung von gerade einmal 330 Millionen US Dollar impliziert einen Unternehmenswert von rund 100 Million Dollar. EV/S liegt damit unter 0,1. Der Markt preist das Unternehmen also immer noch als Pleitekandidaten, obwohl strategisch und operativ bereits erhebliche Fortschritte erzielt worden sind.

Wenn es das Management Team in den nächsten Quartalen schafft, einen positiven Cashflow zu erreichen, hat die Hepsiburada Aktie sogar das Zeug zum Multibagger. Leider birgt die Kontinuität der Regierung Erdogan gleichzeitig zweifelhafte makroökonomische Rahmenbedingungen.

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Disclaimer

EM Digital Leaders und/oder der Autor und/oder verbundene Personen oder Unternehmen besitzen Anteile von Hepsiburada. Dieser Beitrag stellt eine Meinungsäußerung und keine Anlageberatung dar. Bitte beachte die rechtlichen Hinweise.

Autor

  • Steffen Gruschka

    Steffen war von 1998 bis 2006 im Fondsmanagement der DWS als Leiter Aktien Osteuropa tätig und dort für bis zu 5 Mrd. Euro AuM verantwortlich. Er wurde für seine Arbeit als Fondsmanager mehrfach prämiert u.a. wurde er von der Zeitschrift Finanzen 2003 mit dem DWS Russia als Fondsmanager das Jahres ausgezeichnet. Anschließend machte er sich in London selbständig und verwaltete über 10 Jahre lang Hedge Fonds. Anfang 2021 stieg er als Partner bei Pyfore Capital ein und ist seither für das Fondsmanagement des EM Digital Leaders verantwortlich.

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Steffen Gruschka

Steffen war von 1998 bis 2006 im Fondsmanagement der DWS als Leiter Aktien Osteuropa tätig und dort für bis zu 5 Mrd. Euro AuM verantwortlich. Er wurde für seine Arbeit als Fondsmanager mehrfach prämiert u.a. wurde er von der Zeitschrift Finanzen 2003 mit dem DWS Russia als Fondsmanager das Jahres ausgezeichnet. Anschließend machte er sich in London selbständig und verwaltete über 10 Jahre lang Hedge Fonds. Anfang 2021 stieg er als Partner bei Pyfore Capital ein und ist seither für das Fondsmanagement des EM Digital Leaders verantwortlich.

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