PDD-Aktie: Stärke ziehen aus Chinas Schwäche

7. September 2023

PDD-Aktie Pinduoduo

PDD hat Ende August seine Quartalszahlen vorgestellt und mit seiner überzeugenden Performance gezeigt, wie man in China unter schwierigsten Bedingungen profitabel wachsen und gleichzeitig einen globalen Siegeszug mit einer neuen E-Commerce App antreten kann. Wie das funktioniert?

PDD-Aktie – Zahlen zum vierten Quartal

Am 29. August veröffentlichte Pinduoduo als eines der letzten großen Internetunternehmen seinen Finanzbericht für das zweite Quartal 2023, der die Markterwartungen deutlich übertraf. Damit legte der E-Commerce-Anbieter erneut glänzende Zahlen vor. PDD erreichte Gesamteinnahmen von 52 Milliarden Yuan (7,2 Milliarden Dollar), ein Anstieg von 66 Prozent gegenüber 31 Milliarden Yuan im Vorjahresquartal. Bei genauerer Betrachtung der Einnahmequellen zeigt sich, dass die Einnahmen aus Werbung und anderen Dienstleistungen insgesamt 38 Milliarden Yuan ausmachten – ein jährlicher Anstieg von 50 Prozent. Das wirkliche Highlight war der Provisionsumsatz, der 14 Milliarden Yuan und ein jährliches Wachstum von knackigen 131 Prozent erreichte. Diese Provisionsumsätze umfassen Einnahmen aus Pinduoduo Grocery, TEMU und regulären Transaktionsgebühren aus anderen Produktverkäufen.

Die Umsatzkosten lagen bei 19 Milliarden Yuan, ein Anstieg von 137 Prozent im Jahresvergleich. Die Bruttomarge lag bei 64 Prozent, ein erheblicher Rückgang gegenüber den vorherigen Quartalen, in denen die Bruttomarge traditionell in den Mit-Siebziger Prozentbereichen lag. Dies ist hauptsächlich auf die Erfüllungskosten von TEMU und Pinduoduo Grocery zurückzuführen. Beide arbeiten nach einem “vollständig verwalteten” (全托管) 1P-Modell: Lieferanten liefern Waren quasi wie ein Großhändler zu einem Angebotspreis an PDD, wobei PDD das gesamte Front-End inklusive Einzelhandelspreis und Kundenservice kontrolliert. Die Differenz wird als Kommissionseinkommen verbucht. Dieses Einkommen deckt die Kosten für die Lieferung aus den inländischen Lagern an TEMUs Übersee-Kunden.

Die Ausgaben für Marketing und Sales beliefen sich in diesem Quartal auf 175 Milliarden Yuan, ein Anstieg von 55 Prozent gegenüber dem Vorjahr. Dies war hauptsächlich auf die Übersee-Expansion von TEMU und erhöhte Subventionen im Inlandsmarkt zurückzuführen. Das 618 Shopping Festival im Juni war dieses Jahr besonders hart umkämpft und von allen Beteiligten mit massiven Rabattaktionen geführt worden. Dank eines schnelleren Umsatzwachstums sank jedoch der Ausgabenanteil am Umsatz deutlich auf 34 Prozent – das sind 2,5 Prozentpunkte niedriger als im gleichen Zeitraum des Vorjahres und knapp 10 Prozentpunkte weniger als im Vorquartal. Die Personalkosten und die F&E-Ausgaben wurden streng kontrolliert und machten nur 6 Prozent des Umsatzes aus, möglicherweise das niedrigste Verhältnis unter allen chinesischen E-Commerce Plattformen, was eine beeindruckende Effizienz zeigt.

Der Betriebsgewinn lag bei 12,7 Milliarden Yuan (1,7 Milliarden Dollar), was einem Wachstum von 46 Prozent gegenüber 8,7 Milliarden Yuan im zweiten Quartal 2022 entsprach. Die operative Gewinnmarge erreicht damit zwar nicht den historischen Höchststand, steht aber dennoch bei beeindruckenden 24 Prozent. Angesichts der laufenden Investitionen in Pinduoduo Grocery und der globalen Expansion von TEMU ist diese Leistung bemerkenswert. Auf Non-GAAP-Basis wurde der Betriebsgewinn mit 14,6 Milliarden Yuan (2 Milliarden Dollar) ausgewiesen, ein Zuwachs von 39 Prozent gegenüber 10,5 Milliarden Yuan im entsprechenden Quartal des Vorjahres. Der Nettogewinn des Quartals, der den gewöhnlichen Aktionären zuzurechnen ist, betrug 13,1 Milliarden Yuan (1,8 Milliarden Dollar), ein Anstieg von 47 Prozent gegenüber 8,9 Milliarden Yuan im Vorjahr. Auf Non-GAAP-Basis betrug der den gewöhnlichen Aktionären zuzurechnende Nettogewinn für das Quartal 15,3 Milliarden Yuan (2,1 Milliarden Dollar), ein Anstieg von 42 Prozent gegenüber 10,8 Milliarden Yuan im gleichen Zeitraum 2022.

Die eigentliche Stärke von PDDs einheimischer E-Commerce Plattform Pinduoduo wird erst richtig klar, wenn man einmal die Umsätze und korrelierenden Verluste der neuen Baustellen TEMU und Pinduoduo Grocery herausrechnet. Nach Schätzungen von Brancheninsidern liegt der Quartalsumsatz bei diesen bei jeweils 5 Milliarden Yuan und 2,1 Milliarden Yuan. Die Verluste werden geschätzt auf 1,5 Milliarden Yuan bei Pinduoduo Grocery und 5 Milliarden Yuan bei TEMU. Dann ergäbe sich ein Gesamtumsatz von 45,2 Milliarden Yuan bei einem operativen Ergebnis von 19,2 Milliarden Yuan. Sprich: Die operative Gewinnmarge läge bei 43 Prozent! Goldman Sachs geht gar von 52 Prozent EBIT Marge der Hauptplattform Pinduoduo aus, und das bei geschätzten Verlusten für TEMU von 29 Milliarden Yuan für das Gesamtjahr 2023. Das Kerngeschäft im einheimischen E-Commerce ist also sehr profitabel.

TEMU selbst ist dabei, alle Rekorde zu brechen. In nur drei Quartalen hat die App in über 39 Ländern Fuß gefasst. Laut Sensor Tower wurde Temu in den letzten drei Monaten als die am häufigsten heruntergeladene Einkaufs-App in den USA, Australien und Deutschland eingestuft. Leider wird TEMU nicht mit einem einzigen Wort in dem Finanzbericht erwähnt oder gar mit konkreten Zahlen ausgewiesen. Selbst im Earnings Call war lediglich eine Frage von Analysten zugelassen worden, die sehr ausweichend vom Management beantwortet wurde. Man hat verlauten lassen, dass Temu sich aktuell in einer “Lernphase” befindet, um “kulturelle Vorlieben” und Verbraucheranforderungen in verschiedenen Märkten besser zu verstehen. Tja, das war’s.

Positiv

Leider hat PDD (wie Alibaba auch) aufgehört, sein GMV auszuweisen. Im Jahr 2022 hatte Pinduoduo einen geschätzten Marktanteil von etwa 26 Prozent am inländischen chinesischen E-Commerce. Wenn man jedoch die jährlichen Trends betrachtet, kann man davon ausgehen, dass Pinduoduo seinen heimischen Marktanteil weiter erhöht. Es wird geschätzt, dass Pinduoduos GMV um rund 35 Prozent zugelegt hat. Dieses Wachstum ist besonders bemerkenswert vor dem Hintergrund, dass der gesamte chinesische E-Commerce Sektor nur um 12 Prozent gewachsen ist. Effektiv war das Wachstum von Pinduoduo also etwa dreimal so hoch. Zwar war PDDs Gewinnwachstum nicht so schnell wie das Umsatzwachstum, dafür wuchs der Werbeumsatz etwa 15 Prozentpunkte schneller als der GMV.

Wie gelingt dies PDD?

  1. Die Binnennachfrage hat sich tatsächlich erholt, wenn auch nur mild. Das Vertrauen der Verbraucher in den Arbeitsmarkt und die Immobilienwirtschaft ist angeschlagen und infolgedessen sind sie preissensibler geworden. Plattformen wie Pinduoduo, die für ihr ausgesprochen gutes Preis-Leistungs-Verhältnis bekannt sind, profitieren hiervon stärker.

  2. Das Preis-Leistungs-Image von Pinduoduo wird immer stärker und zieht vermehrt höherwertige Konsumenten an. Produkte mit einem gehobenen Einzelhandelspreis, wie zum Beispiel Handys, Haushaltsgeräte und Kosmetika, werden dank erheblicher Subventionen für mittlere bis hochwertige Konsumenten immer sichtbarer.

  3. Mit Blick auf Kosteneffizienz ist Pinduoduo kaum zu schlagen. Zum Beispiel wuchs ihr Umsatz um 66 Prozent im Vergleich zum Vorjahr, während die allgemeinen Verwaltungskosten um 28 Prozent sanken. Auch die Ausgaben für F&E sind um “nur” 5 Prozent gestiegen, obwohl in dieser Zeit TEMU gestartet wurde und auch das innovative Pinduoduo Grocery Geschäft einiges an Ressourcen verschlungen haben dürfte.

Neben dem GMV wird auch nichts mehr zu den jährlich aktiven Nutzern oder dem durchschnittlichen Jahresverbrauch pro Nutzer auf Pinduoduo gesagt. Basierend auf einer geschätzten GMV-Wachstumsrate von 35 Prozent für das letzte Quartal und 30 Prozent für das letzte Jahr hat sich der durchschnittliche Jahresverbrauch pro Nutzer erheblich erhöht. Dies ist bemerkenswert, denn die absolute Nutzerbasis lag vor einiger Zeit bereits bei knapp 900 Millionen und wird nur noch unwesentlich gewachsen sein.

Negativ

Die Finanzberichterstattung zeigt auch, dass die Nettogewinnmarge von PDD im zweiten Quartal 25 Prozent betrug, was im Vergleich zum Vorjahreszeitraum ein Rückgang ist. Im zweiten Quartal 2022 lag die Nettogewinnmarge von PDD bei 27 Prozent.

Temus Erfolg wird von Umweltaktivisten kritisiert, da er zu einer Flut billiger Produkte und verschwenderischer Fast-Fashion führt. Der weltweite Versand einzelner Pakete erhöht die globalen CO2-Emissionen. Insbesondere die lockeren amerikanischen Einfuhr-Regelungen ermöglichen dies. Sendungen in die USA unter einem Wert von 800 Dollar sind zollfrei. Das bedeutet, dass für eine Kiste mit 10.000 Hemden Importsteuern anfallen würden, werden jedoch alle 10.000 Hemden einzeln verschickt, fällt keine Steuer an. Andere Länder sind bei zollfreien Sendungen nicht so großzügig.

Die Beziehungen zwischen den USA und China sind angespannt. Amerikanische Behörden sind besorgt über das Sammeln von Verbraucherdaten durch Unternehmen wie Temu, Shein und TikTok. Im Bericht über „berüchtigte Märkte für Fälschung und Piraterie“ in 2022 hat das Handelsvertreterbüro der USA Pinduoduo besonders hervorgehoben. Im März wurde die Pinduoduo-App wegen mutmaßlicher Malware aus dem Google Play Store entfernt. Aufgrund dieser Untersuchungen hat Temu versucht, sich von seiner Muttergesellschaft und China zu distanzieren. Für US-Kunden verlegte es seine Aktivitäten mit einem neuen Büro nach Boston und für andere Länder meldete es sich in Irland an. Es ist jedoch unklar, ob dies wirklich die Nutzerdaten außerhalb Chinas hält.

Die andere verletzliche Flanke ist das Xinjiang Thema. Das “U.S. House Select Committee on the China Communist Party” des US-Repräsentantenhauses hat im Mai eine Untersuchung zu den Verbindungen von Einzelhändlern zu Zwangsarbeit in Chinas Xinjiang-Region eingeleitet, einschließlich aller Bemühungen, das Uyghur Forced Labor Prevention Act einzuhalten. Im Juni veröffentlichte das Komitee dann vorläufige Ergebnisse, in denen festgestellt wurde, dass Temu „kein System hat, um die Einhaltung“ des Gesetzes sicherzustellen. „80.000 Lieferanten von Temu stimmen nichtssagenden Boiler Plate Klauseln zu, die die Verwendung von Zwangsarbeit verbieten“, hieß es in dem Bericht.

My Take zur PDD-Aktie

PDD hat das Unmögliche möglich gemacht. Nämlich die Anleger davon zu überzeugen, dass seine kapitalintensive internationale Expansion mit TEMU leicht von dem sehr profitablen einheimischen Hauptgeschäft mit Pinduoduo subventioniert werden kann. Denn trotz aggressiver Werbung und direkten Nutzersubventionen sind die Verluste relativ kontrolliert. Dies hat vielleicht auch damit zu tun, dass PDD seit knapp einem halben Jahr eine Doppelspitze hat. Im April dieses Jahres gab PDD bekannt, dass neben dem alten CEO Chen Lei, Zhao Jiazhen, als neuer Co-CEO fungieren wird. Letzterer wird sich auf das Supply-Chain-Management und die Geschäftstätigkeiten in China fokussieren, während Chen Lei für das globale Geschäft verantwortlich zeichnet.

Eine Sache, die uns neben all den positiven Entwicklungen ein wenig mit Sorge füllt, ist das Spannungsfeld zwischen Marketing und F&E. Der Marketingaufwand von Pinduoduo im Verhältnis zum Einkommen ist wesentlich höher als bei den anderen großen E-Commerce Plattformen in China. Andererseits sind die Investitionen von Pinduoduo in F&E die niedrigsten im Vergleich zu seinen Wettbewerbern. Wie lange kann das derzeit massiv erfolgreiche Modell „starkes Marketing, geringe F&E“ noch funktionieren?

Die PDD-Aktie hat in den letzten 5 Jahren den Markt jährlich um 30 Prozent übertroffen und dabei eine jährliche Rendite von knapp 40 Prozent erzielt. Aktuell hat PDD Holdings eine Marktkapitalisierung von 134 Milliarden Dollar. Hätte man vor 5 Jahren 1.000 Dollar in PDD investiert, wäre diese Investition heute 5.400 Dollar wert. Die Aktie hat dieses Jahr bereits um 24 Prozent zugelegt (Alibaba +7 Prozent; JD.com -39 Prozent)

Alibaba und JD werden voraussichtlich im laufenden Geschäftsjahr nur ein Umsatzwachstum von jeweils 11 Prozent bzw. 5 Prozent erzielen. Das bedeutet, dass Pinduoduo auch in absehbarer Zukunft der am schnellsten wachsende E-Commerce Player in China bleiben wird. Zudem erscheint die PDD-Aktie mit dem 23-fachen der erwarteten Gewinne und dem 4-fachen des diesjährigen Umsatzes immer noch angemessen bewertet. Aber eben auch nicht billig, wenn man es mit Alibaba (11x) und JD.com (12x) vergleicht. PDD liegt aber immer noch mehr als 50 Prozent unter seinem Allzeithoch von Anfang 2021. Und mit 25 Milliarden Dollar auf dem Konto und einem Net Cash im letzten Quartal von 3,2 Milliarden Dollar hat PDD genügend Reserven, um sich diesem Wettbewerb zu stellen. 

Aus Bewertungssicht sind die chinesischen ADRs aufgrund der sich verschlechternden Beziehungen zwischen den USA und China extrem volatil. Um hier mehr Stabilität in die Aktie zu bringen, wäre ein Zweitlisting in Hongkong wünschenswert. Vielleicht wird das Management im nächsten Earnings Call das schon ankündigen?

Sowohl Alibaba als auch JD.com rüsten sich gegen den Wettbewerbsdruck von PDD. Alibaba hat seinen Mitbegründer Joseph Tsai zum CEO ernannt und damit Daniel Zhang ersetzt. Ebenso übernimmt der Gründer von JD, Richard Liu, wieder eine aktivere Rolle. Es ist zu erwarten, dass der Wettbewerb im chinesischen E-Commerce-Markt bald zunehmen wird. Mit der PDD-Aktie ist man heute noch besser als früher aufgestellt, um von diesen Entwicklungen zu profitieren.

PDD -Aktie Kursverlauf
PDD-Aktienkurs von September 2022 bis September 2023
Abonniere hier unseren kostenfreien Newsletter

Disclaimer

Dieser Beitrag stellt eine Meinungsäußerung und keine Anlageberatung dar. Bitte beachte die rechtlichen Hinweise.

Autor

  • Mirko Wormuth

    Mirko war 23 Jahre lang in China als Anwalt und Unternehmer tätig. Zuletzt war er Global Head of HR für das chinesische EV Startup BYTON in Nanjing. Davor lagen seine unternehmerischen Tätigkeiten im Bereich des chinesischen E-Commerce und Einzelhandels. Seit 2020 managt Mirko den auf die chinesische Digitalisierung spezialisierten “China Digital Leaders” Fonds.

Picture of Mirko Wormuth

Mirko Wormuth

Mirko war 23 Jahre lang in China als Anwalt und Unternehmer tätig. Zuletzt war er Global Head of HR für das chinesische EV Startup BYTON in Nanjing. Davor lagen seine unternehmerischen Tätigkeiten im Bereich des chinesischen E-Commerce und Einzelhandels. Seit 2020 managt Mirko den auf die chinesische Digitalisierung spezialisierten “China Digital Leaders” Fonds.

Aktuelle Beiträge

Schreibe einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert

Neueste Beiträge

Tags

Neuste Kommentare

Twitter

Instagram