Pinterest, Snap und Twitter und der I600M-Effekt

3. September 2021

I600M-Effekt Snap, Pinterest und Twitter

Als Ende Juli Pinterest, Twitter und Snap Zahlen für das zweite Quartal veröffentlichten, reagierten Investoren so, als seien die Unternehmen in unterschiedlichen Welten unterwegs. Die Aktien von Snap legten in der Woche um 31 Prozent zu, während Pinterest Papiere um über 20 Prozent einbrachen. Twitter Aktien konnten wiederum zehn Prozent an einem Tag zulegen.

Aktienkurse von Pinterest, Snap und Twitter über drei Monate

Dabei hatte Pinterest den Umsatz um 125 Prozent gesteigert, Snap „nur“ um 116 Prozent. Pinterest hatte einen ordentlichen Gewinn in Höhe von 70 Millionen Dollar und einen hohen positiven Free Cash Flow erwirtschaftet – beides immer noch negativ bei Snap.

Doch die Investoren schauten nur auf eine Kennzahl. Die Entwicklung der aktiven Nutzer. Bei Pinterest stiegen die Monthly Active User (MAU) weltweit „nur“ um 9 Prozent auf 454 Millionen (erwartet waren 485 Millionen), in den USA fiel MAU sogar um 5 Prozent gegenüber Vorjahr. Bei Twitter stieg die Zahl der monetizable Daily Active User (mDAU) im gleichen Zeitraum um 11 Prozent, während bei Snap DAU um sagenhafte 23 Prozent anzog. Entsprechend feierten die Publikationen die Zahlen von Snap; hier die Headline im Wallstreet Journal:

Dahinter steckt der Glaube, dass mehr Nutzer künftig mehr Umsätze bedeuten. Das ist im Grundsatz auch richtig. Doch diese Rechnung haben die Investoren ohne den I600M-Effekt gemacht. Das ist gefährlich. Ich erkläre warum. 

Der I600M-Effekt

In Indien leben 600 Millionen Menschen (I600M), die jünger als 25 Jahre sind. In keinem Land leben mehr junge Menschen. Nicht alle haben Zugang zum Internet, doch die Zahl der Internetnutzer ist so groß, dass Nutzer in Indien die Download-Statistiken auf Android-Smartphones mittlerweile dominieren.

Top 10 Länder nach Google Play Downloads
Top 10 Länder nach Google Play Downloads. Quelle: Sensor Tower

Seit Sommer 2020 sind die meisten Apps chinesischer Anbieter in Indien verboten, darunter auch TikTok. Etwa ein Drittel aller TikTok Nutzer kamen aus Indien. 167 Millionen indische Nutzer hatte die App vor dem Verbot. Für viele dieser jungen Nutzer war eine naheliegende Ausweichmöglichkeit die Snappchat App. Und damit schließt sich jetzt wieder der Kreis zu den Nutzerzahlen von Snap. Unter Berücksichtigung des I600M-Effektes relativeren sich Nutzerzahlen für Snap deutlich.

Snapchat total monthly downloads Chart
I600M-Effekt sichtbar: Snapchat Downloads mit und ohne Indien. Quelle: Sensor Tower, Pyfore Capital

Die Grafik oben illustriert sehr gut, wie stark die Snapchat Downloadzahlen seit Sommer 2020 angezogen sind. Ohne Berücksichtigung des I600M-Effektes sind die Downloadzahlen allerdings gefallen. Und wie sieht es mit Pinterest und Twitter aus? In der Grafik unten haben wir für die drei Unternehmen die wöchentlich aktiven Nutzerzahlen in Indien ins Verhältnis gesetzt zu den Gesamtnutzerzahlen. Das Ergebnis ist eindeutig. Der Anteil der indischen Nutzer ist bei Twitter rund Pinterest stabil geblieben, bei Snap dagegen hat sich der Anteil nahezu verdreifacht.

Indian weekly active users Snapchat Twitter Pinterest Vergleich
Quelle: Sensor Tower, Pyfore Capital

Nicht MAU, sondern ARPU entscheidet

Warum ist diese Analyse wichtig? Twitter, Snap und Pinterest erwirtschaften nahezu alle Umsätze aus Werbeerlösen. Für Werbetreibende sind Nutzer in USA und Europa ungleich relevanter als Nutzer in Vietnam oder Indien. So großartig die Nutzerexplosion bei Snap in Indien ist, Umsätze wird Snap daraus kaum generieren. Facebook hat die Nutzerzahlen in den USA nur marginal steigern, Average Revenue per User (ARPU) dagegen aber vervielfachen können. 

Quelle: Facebook, Pyfore Capital

Nach der gleichen Gesetzmäßigkeit entwickeln sich ARPU Zahlen für Snap, 

Quelle Snap, Pyfore Capital

und auch die ARPU Zahlen von Pinterest.

Fazit

Snap hat großartige Zahlen geliefert. Wir haben in einem Blogartikel im Oktober letzten Jahres geschrieben, warum das Unternehmen von vielen Digitalauguren unterschätzt wird. Mittlerweile muss man allerdings eher die Euphorie bei den Snap-Investoren bremsen. Denn die von vielen Investoren und Analysten gefeierten Nutzerzahlen sind unter Berücksichtigung des I600M-Effektes massiv überschätzt. Dagegen ist Pinterest m.E. zu Unrecht so stark abgestraft worden. Wir haben in diversen Artikeln zu Pinterest dargestellt, warum die ARPU-Entwicklung hinterherhinkt. Pinterest hat noch nicht mal angefangen, in relevanten Märkten Werbeformate für Werbekunden anzubieten, die dringend ihr Geld bei Pinterest loswerden wollen. 

Und für Investoren, die auf die digitale Spur der Unternehmen schauen und Nutzerzahlen bewerten: Das Nutzungsverhalten von Millionen jungen Indern sollte man sich immer separat anschauen. Für Werbekunden mag diesen Markt noch nicht relevant sein, für Geschäftsmodelle mit In-App-Transaktionen aber schon. Hier gilt wieder der Spruch von Karl Marx. Quantität schafft Qualität.

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Dieser Beitrag stellt eine Meinungsäußerung und keine Anlageberatung dar. Bitte beachte die rechtlichen Hinweise.

Autor

  • Baki Irmak

    Baki war viele Jahre in leitender Funktion für den Deutsche Bank Konzern und DWS tätig. Zuletzt u.a. als Global Head of Digital Business für die Deutsche Asset & Wealth Management und Mitglied im Digital Executive Commitee der Deutschen Bank. Seine berufliche Laufbahn hat er als Fondsmanager für Technologie, Telekommunikation und Medien bei BHF Trust begonnen. Danach war er Fondsmanager bei der Commerzbank und ABN Amro.

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Baki Irmak

Baki war viele Jahre in leitender Funktion für den Deutsche Bank Konzern und DWS tätig. Zuletzt u.a. als Global Head of Digital Business für die Deutsche Asset & Wealth Management und Mitglied im Digital Executive Commitee der Deutschen Bank. Seine berufliche Laufbahn hat er als Fondsmanager für Technologie, Telekommunikation und Medien bei BHF Trust begonnen. Danach war er Fondsmanager bei der Commerzbank und ABN Amro.

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